Urteil des SozG Koblenz vom 02.01.2006

SozG Koblenz: vergütung, entschädigung, liquidation, kausalität, anforderung, vergleich, quelle, diagnose, erstellung, fachgutachten

Sozialrecht
SG
Koblenz
02.01.2006
S 8 SB 460/05
Zuordnung eines psychiatrischen Gutachtens zur Honorargruppe im Rahmen des
Schwerbehindertenrechts
Tenor:
Die dem Sachverständigen Herrn W R-R für das am 30.11.2005 erstellte Gutachten zu gewährende
Vergütung wird auf
645,00 €
(i. W.: Sechshundertfünfundvierzig Euro)
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt für das von ihm im November 2005 erstattete wissenschaftliche Fachgutachten
aus dem Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 907,50
€.
In dem o. a. Rechtsstreit, in dem der Antragsteller im Rahmen eines Gutachtenauftrages nach § 106 SGG
(Sozialgerichtsgesetz) ein Gutachten von Amts wegen erstellt hat, geht es um die Feststellung eines
Grades der Behinderung (GdB) von ehemals 40 auf einen nunmehr begehrten GdB von 50.
Das Gericht hat mit geändertem Beweisbeschluss vom 11.10.2005 den Antragsteller mit der Erstellung
des Gutachtens beauftragt, mit dem der Antragsteller zur Höhe des GdB bei dem Kläger Stellung beziehen
sollte. Der Antragsteller hat daraufhin am 30.11.2005 ein 13 Seiten umfassendes Gutachten erstellt.
Mit Rechnung vom 02.12.2005 hat der Antragsteller einen Gesamtbetrag in Höhe von 907,50 € für seine
Leistung geltend gemacht.
Die zuständige Justizangestellte erläuterte dem Antragsteller mit Schreiben vom 09.12.2005, dass der ihm
zu vergütende Betrag lediglich mit 645,00 € festgestellt werde. Hierbei müsse abweichend von seiner
Liquidation, in der er von einem Stundensatz von 80,00 € ausgegangen sei, von einem Stundensatz von
60,00 € entsprechend der Honorargruppe M2 ausgegangen werden, wodurch sich die Differenz ergebe.
Der Antragsteller hat daraufhin mit Schreiben vom 23.12.2005 gegen die Korrektur seiner Liquidation eine
richterliche Festsetzung beantragt.
Er ist der Ansicht, dass seine Leistungen mit dem Stundensatz der Honorargruppe M3 - also mit einem
Stundensatz von 85,00 € - zu vergüten seien. Bei der Bearbeitung des Gutachtens hätten spezielle
Kausalzusammenhänge und differentialdiagnostische Probleme erörtert werden müssen. Es habe sich
um strittige Kausalzusammenhänge bei problematischen Verletzungsfolgen gehandelt.
II.
Die zu gewährende Entschädigung des Antragstellers ist auf 645,00 € festzusetzen. Die Erinnerung hat
somit keinen Erfolg.
Die Entschädigung richtet sich nach dem JVEG (= Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz), das seit
dem 01.07.2004 in Kraft getreten ist.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder eines
Vorschusses nach dem JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse
die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
Für ihre Leistungen erhalten Sachverständige nach § 8 Satz 1 JVEG als Vergütung ein Honorar
entsprechend §§ 9 bis 11 JVEG.
In der Regel wird die Leistung nach Stundensätzen vergütet, wie sich aus § 9 JVEG ergibt. Die
Stundensatzhöhe bemisst sich gemäß § 9 Abs. 1 JVEG anhand der jeweils anzunehmenden
Honorargruppe, deren Beschreibung sich in der Anlage 1 zum JVEG befindet.
Im vorliegenden Fall ist ‑ entgegen den Angaben des Antragstellers ‑ von einer Stundensatzhöhe von
60,00 € auszugehen, wie es die Justizangestellte zutreffend festgestellt hat.
Medizinische und psychologische Gutachten sind nach der Anlage 1 zum JVEG den Honorargruppen M1
bis M3 zuzuordnen.
Nach den Beschreibungen in der Anlage 1 zum JVEG werden unter der Bezeichnung M1 einfache
gutachterliche Beurteilungen erfasst, unter M2 werden Gutachten mit einem durchschnittlichen
Schwierigkeitsgrad erfasst und unter M3 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad.
Gutachten im Rahmen des SGB IX - also im Bereich des Schwerbehindertenrechts, wie vorliegend - fallen
nach der Beschreibung in der Anlage 1 zum JVEG ausdrücklich unter die Honorargruppe M2. Der
Gesetzgeber geht insoweit also von einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad der zu erstellenden
Gutachten aus.
Diese Zuordnung entspricht auch der bisherigen gefestigten Rechtsprechung im Rahmen des ehemaligen
ZSEG (= Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen) (siehe Beschluss des
Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 24.11.2000, Az.: L 4 B 12/00, zitiert in Breithaupt
2001, Seiten 402 ff, m. w. N.). Die genannte Rechtsprechung ging davon aus, dass Gutachten im Rahmen
des Schwerbehindertenrechts an den Sachverständigen (lediglich) die Anforderung einer reinen
Beurteilung des körperlichen bzw. seelischen Zustandes stellten. Der Sachverständige müsse sich hierbei
nicht mit Fragen der Kausalität im klassischen Sinne oder den Erwägungen zu bestimmten Prognosen
auseinandersetzen.
Der Gesetzgeber ist mit der Zuordnung der Gutachten im Bereich des Schwerbehindertenrechtes zur
Honorargruppe M 2 dieser Rechtsprechung gefolgt. Selbst wenn man die Zuordnung der Gutachten aus
dem Schwerbehindertenrecht zur Honorargruppe M2 - wie sie sich aus der Anlage 1 zum JVEG ergibt -
nicht als starre Regelung ansieht, sondern hierin lediglich eine Regelvermutung erkennen möchte, kann
sich hieraus für den konkreten Fall keine andere Sichtweise ergeben.
Ein Abweichen von der im Ergebnis gesetzlich klar formulierten Zuordnung ließe sich nach Auffassung
des Gerichts schon aus Gründen des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur dann rechtfertigen, wenn das
erstellte Gutachten erhebliche Abweichungen von einem durchschnittlichen Schwerbehindertengutachten
erkennen ließe, so dass es für den Sachverständigen schlechthin unzumutbar wäre, ihn wie andere
Sachverständige im Bereich des Schwerbehindertenrechts zu behandeln. Entsprechende Gründe vermag
das Gericht vorliegend nicht zu erkennen.
Sofern der Antragsteller darlegt, dass spezielle Kausalzusammenhänge und differentialdiagnostische
Probleme für das genannte Gutachten zu erörtern waren, kann dem so nicht gefolgt werden.
Es ist zwar zutreffend, dass bei dem Kläger auch psychische Beeinträchtigungen aufgrund einer ggf.
bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung nach einem Unfallereignis im Mai 2000 zu erörtern
waren. Hierbei zielten die Beweisfragen aber keinesfalls darauf ab, dass der Sachverständige hätte
waren. Hierbei zielten die Beweisfragen aber keinesfalls darauf ab, dass der Sachverständige hätte
darlegen müssen, ob die jetzige psychische Situation tatsächlich und ggf. in welchem Umfang auf das
erwähnte Unfallereignis zurückgeführt werden musste. Der Sachverständige war nach dem klaren
Wortlaut der Beweisfragen lediglich dazu angehalten, mitzuteilen, ob und ggf. welche psychischen
Beeinträchtigungen bei dem Kläger bestünden und welches Ausmaß diese psychischen Erkrankungen
auf das alltägliche Leben des Klägers zeigten. Sofern für die Diagnose der psychischen Erkrankung
gegebenenfalls eine Ursachenerforschung notwendig gewesen sein mag, darf dies nicht verwechselt
werden mit den Anforderungen, die an einen Sachverständigen z.B. im Rahmen einer
unfallversicherungsrechtlichen Begutachtung gestellt werden, von dem erwartet wird, dass er möglichst
präzise die Ursachen sowie das jeweilige hieraus resultierende Ausmaß einer Beeinträchtigung darlegt.
Eine entsprechend präzise Kausalitätszuordnung hat der Antragsteller im erfolgten Gutachten auch nicht
durchgeführt.
Das Streifen der Fragen der Kausalität einer psychischen Beeinträchtigung kann, für sich genommen,
aber nicht dazu führen, von einem Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad auszugehen. Eine solche
Sichtweise würde dazu führen, dass man praktisch in sämtlichen fachpsychiatrischen Gutachten - sofern
der Sachverständige tiefenpsychologische Ansätze aufweist - von einem Gutachten mit hohem
Schwierigkeitsgrad ausgehen müsste. Dies erscheint insbesondere im Vergleich zu Sachverständigen
anderer Fachrichtungen nicht gerechtfertigt.
Im vorliegenden Fall ist die Leistung des Antragstellers daher in die Honorargruppe M2 entsprechend der
gesetzlichen Regelung bzw. Regelvermutung einzuordnen.
Da vorliegend der in § 4 Abs. 3 JVEG dargelegte Beschwerdewert von 200,00 € erreicht wird (siehe die
angestrebte Vergütung von 907,50 € im Verhältnis zu der nunmehr festgesetzten Vergütung von 645,00
€), bedarf es keiner besonderen Zulassung der Beschwerde.