Urteil des SozG Koblenz vom 18.05.2006

SozG Koblenz: diabetes mellitus, generalunkosten, unterkunftskosten, leistungsanspruch, erlass, darlehen, haushalt, nettoeinkommen, hauptsache, ernährung

Sozialrecht
SG
Koblenz
18.05.2006
S 13 ER 88/06 AS
Arbeitslosengeld II; Bildung eines Mischregelsatzes beim Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft
Tenor:
1. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, der Antragstellerin einstweilig für die Zeit ab dem 12.04.2006 bis
zum Abschluss des bei der Antragsgegnerin anhängigen Widerspruchsverfahrens Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von 39,59 €
monatlich als Darlehen zu gewähren.
2. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] zu
gewähren, ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG] sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Rahmen der zur Feststellung dieser
Voraussetzungen zu treffenden Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in
der Hauptsache insbesondere dann entscheidende Bedeutung zu, wenn der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung letztlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt. Der Erlass einer die
Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung ist zwar wegen des Gebots zur Gewährung
effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes [GG]) nicht von vornherein ausgeschlossen,
muss jedoch die Ausnahme bleiben. Ein solches Begehren kann in der Regel nur dann zum Erfolg führen,
wenn der geltend gemachte Anspruch (
Anordnungsanspruch
Anordnungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage
hinreichend wahrscheinlich ist und die für den Fall des Unterbleibens der Leistung drohenden Nachteile
für den hiervon Betroffenen schlechthin unzumutbar sind (
Anordnungsgrund
Sach- und Rechtslage grundsätzlich abschließend zu prüfen. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach-
und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer
Folgenabwägung
wobei die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind
(BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze war dem Eilantrag der Antragstellerin in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang stattzugeben. Die Antragstellerin hat insoweit sowohl einen Anordnungsanspruch
als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Dies gilt zunächst für den Anordnungs
anspruch
nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im
Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere
die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für
Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen
Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen
Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus dem zu berücksichtigenden
Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von
Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin hat nach der im vorliegenden Verfahren
vorzunehmenden summarischen Prüfung einen Leistungsanspruch, da sie mit ihrem eigenen Einkommen
ihren zum Lebensunterhalt notwendigen Bedarf nicht bestreiten kann, also hilfebedürftig ist.
Der Bedarf der Klägerin umfasst zunächst einmal die Regelleistung. Im Falle der Klägerin ist die
Regelleistung nach Auffassung des Gerichts in analoger Anwendung des § 20 Abs. 2 und 3 SGB II mit
293,50 € anzusetzen.
Gemäß § 20 Abs. 2 SGB II beträgt die monatliche Regelleistung für Personen, die allein stehend sind oder
allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, in den alten Bundesländern 345 €. Nach § 20
Abs. 3 Satz 1 SGB II beträgt die Regelleistung dann, wenn zwei Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft
das 18. Lebensjahr vollendet haben, jeweils 90 % der Regelleistung nach Absatz 2, also 311 €. Gemäß
§ 20 Abs. 3 Satz 2 SGB II beträgt die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der
Bedarfsgemeinschaft 80 % der Regelleistung nach Absatz 2, also 276 €. Vorliegend lassen sich die
tatsächlichen Lebensumstände der Antragstellerin unter keine der in § 20 Abs. 2 und 3 SGB II genannten
Alternativen subsumieren. Die Klägerin ist nicht allein stehend, da sie (zumindest) mit ihren volljährigen
Kindern R, S und P eine Haushaltsgemeinschaft bildet, also in einem gemeinsamen Haushalt lebt und
wirtschaftet (vgl. Lang in: Eicher/Spellbrink, § 20, Rn. 86; ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss
vom 05.12.2005 - L 8 AS 3441/05 ER B -), so dass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 SGB II nicht
vorliegen. Die Klägerin lebt allerdings mit ihren in ihrem Haus lebenden Kindern auch nicht in einer
Bedarfsgemeinschaft, da diese volljährig sind (vgl. § 7 Abs. 3 SGB II), weswegen auch die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 SGB II nach ihrem Wortlaut nicht
vorliegen. Es besteht daher eine planwidrige Regelungslücke, die eine Gesetzesanalogie erforderlich
macht, da ansonsten der notwendige Lebensunterhalt der Antragstellerin nicht gedeckt werden könnte.
Dabei ist für die Bestimmung der Höhe der der Antragstellerin zustehenden Regelleistung auf den vom
Gesetzgeber mit der Staffelung der Regelleistung verfolgten Zweck abzustellen. In der Begründung zum
Gesetzentwurf (BT-Drucks. 15/1516, S. 56) ist zu § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II ausgeführt, dass die
Regelleistung von 90 % den rechnerischen Durchschnitt zwischen der Regelleistung für den
Alleinstehenden und für seinen Partner betrage; diese Regelung sei deshalb sinnvoll, weil Frauen in
Paarbeziehungen nicht als Haushaltsvorstand gelten und daher ohne Durchschnittsmittelung nur die
geringere Regelleistung von 80 % erhalten würden. Aus den gesetzgeberischen Motiven ergibt sich also,
dass die Erhöhung der Regelleistung des § 20 Abs. 2 SGB II um 69 € von 276 € (80 %) auf 345 € (100 %)
ihre Rechtfertigung in der funktionalen Stellung des Hilfeempfängers als Haushaltsvorstand findet, der
deshalb einen erhöhten Regelbedarf hat, weil er (allein) die Generalunkosten des Haushalts trägt, also
die zur allgemeinen Haushaltsführung gehörenden, üblicherweise nur einmal in einem Haushalt
anfallenden Aufwendungen (z.B. Kosten der Energie für Haushaltsgeräte und für kleine
Instandhaltungen). Außerdem wird deutlich, dass die in § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II bestimmte Regelleistung
von jeweils 90 % für zwei volljährige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft auf einer unwiderleglichen
gesetzlichen Vermutung basiert, dass in einer derartigen Konstellation die Generalunkosten des
Haushalts von beiden volljährigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft getragen werden, weswegen der
hierfür bestehende Bedarf in Höhe von 69 € - übrigens in Entsprechung zu dem nach dem
Bundessozialhilfegesetz in derartigen Fällen üblichen sog. Mischregelsatz - gleichmäßig auf beide verteilt
wird. Entsprechendes muss aber auch dann gelten, wenn die Generalunkosten des Haushalts - ohne
dass eine Bedarfsgemeinschaft bestünde - von mehreren Angehörigen einer Haushaltsgemeinschaft
getragen werden (a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2006 - L 8 AS 4364/05, nicht
rechtskräftig). Denn auch in diesem Fall verteilt sich der für die Generalunkosten des Haushalts
erforderliche Bedarf von 69 € auf mehrere Personen, so dass deren jeweilige Regelleistung nicht um
jeweils 69 €, sondern nur um einen anteiligen Betrag hiervon zu erhöhen ist (ebenso VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 30.08.2004, - 12 S 1588/04 - zum Mischregelsatz nach dem
Bundessozialhilfegesetz). Nur mit dieser Vorgehensweise ist sichergestellt, dass einerseits der tatsächlich
für die Führung des gemeinsamen Haushalts allgemein anfallende Bedarf vollständig abgedeckt wird,
andererseits aber keine Leistungen für einen tatsächlich nicht bestehenden Bedarf gewährt werden.
Nach alledem errechnet sich die der Antragstellerin zustehende Regelleistung wie folgt: Die
Regelleistung nach § 20 Abs. 3 Satz 2 SGB II von 276 € ist um den anteiligen Bedarf für die
Generalunkosten des Haushalts zu erhöhen. Da die Antragstellerin jedenfalls mit ihren - über eigenes
Einkommen verfügenden - Kindern R, S und P eine Haushaltsgemeinschaft bildet (der Sohn S lebt zwar
auch im Haus der Antragstellerin, führt aber nach den Angaben der Antragstellerin dort einen eigenen
Haushalt), verteilt sich der Bedarf für die Generalunkosten des Haushalts von 69 € (Regelleistung
Haushaltsvorstand nach § 20 Abs. 2 SGB II: 345 € - Regelleistung Haushaltsangehöriger: 276 €) auf vier
Personen, so dass sich für die Antragstellerin ein anteiliger Zusatzbedarf von (69 € x 1/4 =) 17,25 €
errechnet. Die (Misch-)Regelleistung beträgt somit für die Antragstellerin (276 € + 17,25 € =) 293,50 €.
Als Bedarf der Antragstellerin ist des Weiteren ein Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung nach
§ 21 Abs. 5 SGB II anzusetzen, da die Antragstellerin nach der in der beigezogenen Leistungsakte
vorhandenen ärztlichen Bescheinigung vom 09.01.2006 an Diabetes mellitus Typ IIa erkrankt ist und
deshalb einer Diabeteskost bedarf. Die hierfür anfallenden zusätzlichen monatlichen Kosten belaufen sich
nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für Öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung
von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (2., völlig neu bearbeitete Auflage 1997, Kleinere Schriften des
Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Heft 48) auf monatlich 51,13 € (100 DM).
Schließlich sind als weiterer Bedarf die Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. Die Nebenkosten
belaufen sich für das im Eigentum der Klägerin stehende Haus auf jährlich insgesamt 1.825,42 €
(Schornsteinfegergebühren: 76,33 € + Grundbesitzabgaben: 185,88 € + Wasser-/Abwassergebühren:
1.041,86 € + Gebäudeversicherung: 302,18 € + Abfallgebühren: 219,17 €). Hinzu kommen die von der
Klägerin auf die auf dem Hausgrundstück lastenden Darlehen zu leistenden Schuldzinsen von 2.766,03 €
pro Jahr (Landestreuhandstelle: 145,99 € + 1,10 € + 299,89 € + Aareal Bank: 2.319,05 €). Insgesamt
ergeben sich damit Unterkunftskosten von jährlich 4.591,45 € bzw. monatlich 382,62 €. Diese
Unterkunftskosten sind aus Sicht des Gerichts nach Kopfteilen auf fünf Personen, die Antragstellerin und
ihre vier in dem Haus lebenden Kinder (einschließlich des Sohnes S, dem nach dem Vorbringen der
Antragstellerin Unterkunftsleistungen in entsprechender Höhe von der Antragsgegnerin gewährt werden)
aufzuteilen, so dass sich ein Unterkunftskostenanteil für die Antragstellerin von (382,62 € / 5 =) 75,52 €
ergibt.
Nach alledem beläuft sich der Gesamtbedarf der Antragstellerin auf (293,50 € + 51,13 € + 75,52 €)
420,90 €. Diesem Bedarf steht ein Einkommen der Antragstellerin aus Kindergeld in Höhe von 308 €
gegenüber. Bei dem Kindergeld handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts (vgl. Urteil
vom 19.01.2006 - S 13 AS 49/05 -) um Einkommen der Antragstellerin, da sie kindergeldberechtigt ist, ihre
Kinder volljährig sind und eine förmliche Abzweigung des Kindergelds nach § 74
Einkommensteuergesetz [EStG] nicht erfolgt ist (vielmehr das Kindergeld tatsächlich auf das Konto der
Antragstellerin überwiesen wird). Es ergibt sich damit ein Hilfebedarf der Antragstellerin von (420,90 € -
308 € =) 112,90 €.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht einem Leistungsanspruch der Antragstellerin nicht
die Regelung des § 9 Abs. 5 SGB II entgegen, wonach dann, wenn Hilfebedürftige in
Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten leben, vermutet wird, dass sie von ihnen Leistungen erhalten,
soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Jedenfalls nach den
inzwischen vorgelegten Einkommensnachweisen (Einkommensteuerbescheide 2005 der Kinder R, S und
P) tritt die Vermutungswirkung des § 9 Abs. 5 SGB II nicht ein. Aus den vorgelegten
Einkommensteuerbescheiden 2005 ergibt sich, dass der Sohn R im Jahr 2005 ein durchschnittliches
monatliches Nettoeinkommen von 780,50 € (Jahresnettoeinkommen: 9.366 €) hatte, das durchschnittliche
monatliche Nettoeinkommen der Tochter S betrug im Jahr 2005 696,58 € (Jahresnettoeinkommen:
8.359 €) und das monatliche Nettoeinkommen des Sohne P belief sich im Jahr 2005 auf 624,42 €
(Jahresnettoeinkommen: 7.493 €). Bereinigt man dieses Erwerbseinkommen noch um die Absetzbeträge
nach § 11 Abs.2 SGB II wird ersichtlich der in § 1 Abs. 2 Satz 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung
[Alg II-V] geregelte Freibetrag von hier 766,52 € (doppelte Regeleistung nach § 20 Abs.2 SGB II: 345 € +
345 € + anteilige Kosten der Unterkunft: 75,52 €) nicht erreicht, so dass das Einkommen der Kinder keine
Berücksichtigung findet.
Einem Leistungsanspruch der Antragstellerin steht auch ihr Vermögen in Form des Grundeigentums an
ihrem Haus nicht entgegen. Unabhängig von der - im Widerspruchsverfahren durch ein
Verkehrswertgutachten aufzuklärenden - Frage, ob die Antragstellerin angesichts der noch auf dem
Hausgrundstück lastenden erheblichen Schulden überhaupt über verwertbares Vermögen verfügt,
handelt es sich hierbei jedenfalls nicht um sofort verwertbares Vermögen, so dass nach § 9 Abs. 4 SGB II
zumindest darlehensweise Leistungen zu gewähren sind.
Nach alledem hat die Antragstellerin nach summarischer Prüfung gegen die Antragsgegnerin einen
Leistungsanspruch in Höhe von 112,90 € als Darlehen. Die Antragsgegnerin war im vorliegenden
Eilverfahren indes nur zur darlehensweisen Zahlung von Leistungen in Höhe von 39,59 € monatlich zu
verurteilen. Nur in dieser Höhe besteht der neben dem Anordnungsanspruch erforderliche
Anordnungs
grund
Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende Hilfebedürftigen unzumutbare Nachteile erst dann
drohen, wenn das zum Lebensunterhalt Unerlässliche gefährdet ist. Hiervon kann indes nicht bereits dann
ausgegangen werden, wenn das Einkommen der Hilfebedürftigen nicht die Höhe der in § 20 SGB II
normierten Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuzüglich etwaiger Mehrbedarfe und
Unterkunftskosten erreicht. Denn nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II dienen die Regelleistungen neben der
Sicherstellung der unverzichtbaren Bedürfnisse wie etwa Ernährung und Kleidung u.a. auch "Bedarfen
des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang Beziehungen zur Umwelt und einer Teilnahme am
kulturellen Leben". Hierbei handelt es sich aber nicht um Leistungen, auf die der Hilfesuchende in keinem
Fall vorübergehend verzichten könnte. Der hierfür vorgesehene Anteil an den Regelleistungen, der nach
Auffassung des Gerichts auf mindestens 25 % anzusetzen ist (vgl. hierzu einerseits die zu den -
niedrigeren - Regelsätzen nach dem Bundessozialhilfegesetz [BSHG] ergangene ständige
Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.02.1991 - 12 B 10154/91.OVG - sowie
andererseits die Regelung des § 25 Abs. 2 BSHG), stellt mit anderen Worten keine für den
Lebensunterhalt unerlässliche Leistung dar. Hieraus ergibt sich, dass im vorliegenden Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes der zum Lebensunterhalt unerlässliche Bedarf der Antragstellerin 347,59 €
beträgt (Regelleistung: 293,50 € x 75 % = 219,94 € + Ernährungsmehrbedarf: 51,13 € + anteilige
Unterkunftskosten: 75,52 €). Abzüglich des Einkommens der Antragstellerin in Höhe von 308 € ergibt sich
ein zum Lebensunterhalt unerlässlicher Hilfeanspruch von 39,59 €.
Nach alledem war die Antragsgegnerin zur vorläufigen darlehensweisen Leistungsgewährung in Höhe
von monatlich 39,59 € zu verpflichten, was zugleich zur Folge hat, dass die Sozialversicherung der
Antragstellerin sichergestellt wird. Dabei ist die im Antrag zeitlich unbeschränkt erbetene gerichtliche
Anordnung jedoch in zeitlicher Hinsicht einzuschränken, und zwar auf die Zeit ab Antragseingang bei
Gericht und bis zum Abschluss des bereits eingeleiteten Widerspruchsverfahrens. Eine gerichtliche
Anordnung rückwirkend für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht war nicht auszusprechen, da Aufgabe
des vorläufigen Rechtsschutzes durch Erlass einer einstweiligen Anordnung in Fällen der vorliegenden
Art nur ist, dem Betroffenen diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller, d.h.
gegenwärtig - noch - bestehender Notlagen notwendig sind. Regelungen über die einstweilige
Bewilligung laufender Geldleistungen können daher grundsätzlich nur für die Gegenwart und die Zukunft,
nicht aber für zurückliegende Zeiträume getroffen werden, weil in der Regel davon auszugehen ist, dass
in der Vergangenheit liegende Notsituationen von dem Betroffenen bereits bewältigt worden sind. Einen
finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen, ist dagegen nicht Aufgabe des vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens, sondern des ordentlichen Hauptsacheverfahrens, in dem abschließend geprüft
werden kann, ob der Antragstellerin ein Rechtsanspruch auf Hilfe für den schon im Augenblick der
Erhebung des Eilantrags vergangenen Zeitraum zuzuerkennen ist und sie gegebenenfalls eine
entsprechende Nachzahlung verlangen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.