Urteil des SozG Koblenz vom 20.04.2010

SozG Koblenz: getrennt leben, häusliche gemeinschaft, eheliche gemeinschaft, trennung, zusammenleben, lebensgemeinschaft, haushalt, familie, renteneinkommen, verwaltungsakt

Sozialrecht
SG
Koblenz
20.04.2010
S 16 AS 967/09
§ 7 Abs. 4 Nr. 3a SGB II bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach Maßgabe des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.
Der am 14.07.1951 geborene Kläger zu 1) bezieht seit dem 01.06.2001 eine Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 720,98 €. Er ist mit der am 30.04.1960 geborenen Klägerin zu 2)
verheiratet; beide haben einen gemeinsamen Sohn M, den Kläger zu 3), geboren am 16.01.1988.
Am 02.09.2007 stellte die Klägerin zu 2) bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen
nach Maßgabe des SGB II im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld I. Mit Bescheid vom
11.05.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft in der Zeit von Mai bis einschließlich
September 2007 Leistungen in Höhe von 380,-- € monatlich. Dabei wurde ein Einkommen in Höhe von
insgesamt 1.087,14 € berücksichtigt; auf den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) entfielen dabei jeweils
348,07 € und auf den Kläger zu 3) Leistungen in Höhe von 391,-- €.
Mit Bescheid vom 22.06.2007 teilte die Beklagte der Klägerin zu 2) mit, dass der Kläger zu 1) aufgrund der
Tatsache, dass dieser nur eine teilweise Erwerbsminderungsrente erhalte, dem Grunde nach noch
erwerbstätig sei. Aus diesem Grund habe er einen Anspruch auf Regelleistung und nicht auf Sozialgeld.
Weiterhin sei der Kläger zu 3) aus der Bedarfsgemeinschaft ausgeschlossen, da er seinen Bedarf aus
eigenen Mitteln decken könne. Mit Bescheid vom gleichen Tage bewilligte die Beklagte der
Bedarfsgemeinschaft in der Zeit vom 01.06.2007 bis 30.06.2007 Leistungen in Höhe von 391,06 €. In der
Zeit vom 01.07.2007 bis 30.09.2007 betrug die Bewilligung 486,02 € monatlich.
Mit Änderungsbescheid vom 27. 07.2007 hob die Beklagte die Bewilligung ab dem Monat September
2007 teilweise in Höhe von monatlich 106,02 € auf. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger zu 3) in
der genannten Zeit Einkommen aus Arbeitslosengeld I erzielt habe, das nach § 11 SGB II
bedarfsmindernd anzurechnen sei.
Mit Bescheid vom 10.10.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin zu 2) sodann in der Zeit vom
01.10.2007 bis 29.02.2008 Leistungen in Höhe von 380,-- € monatlich. Darüber hinaus wurde ihr in der
Zeit vom 01.03.2008 bis 31.03.2008 ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 336,-- €
bewilligt.
Die Beklagte forderte die Kläger sodann dazu auf, Nachweise über die Beschäftigung des Klägers zu 1)
bei der "F" vorzulegen. Mit Schreiben vom 02.02.2008 teilte der Kläger zu 1) mit, dass er monatlich 400,--
€ verdiene. Die Beschäftigung werde seit Januar 2008 ausgeübt; das Einkommen sei monatlich gleich
hoch.
Sodann teilte der Kläger zu 3) der Beklagten mit, dass er ab dem 12.3.2008 eine Anstellung als
Dachdeckerhelfer gefunden habe. Der Stundenlohn betrage 10,50 €, die durchschnittliche Arbeitszeit 27,5
Stunden. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt belaufe sich auf 693,-- €. Der Kläger zu 1) reichte jedoch
trotz weiterer Aufforderung der Beklagten keine Verdienstbescheinigungen ein. Aus diesem Grund nahm
die Beklagte sodann Kontakt mit dem Arbeitgeber des Klägers zu 1) auf, der mitteilte, dass der Kläger zu
1) seit dem 01.01.2007 bei ihm beschäftigt sei. Das monatliche Entgelt betrage 400,-- €, dieses sei stets in
voller Höhe im laufenden Monat gezahlt worden.
Mit Schreiben vom 04.07.2008 teilte die Beklagte dem Kläger zu 3) mit, dass sie aktuell davon ausgehe,
dass er Leistungen nach Maßgabe des SGB II zu Unrecht bezogen habe. Dies resultiere daraus, dass der
Kläger zu 1) in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei der F stände. Der Kläger zu 3) wurde
zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom gleichen Tage hörte die Beklagte auch die Klägerin
zu 2) und den Kläger zu 1) hierzu an.
Mit Bescheid vom 13.07.2009, gerichtet an die Klägerin zu 2), forderte die Beklagte diese zur Erstattung
von 1.900,-- €, die Leistungsbewilligung in der Zeit vom 01.05.2007 bis 30.09.2007 betreffend, auf.
Begründet wurde dies damit, dass der Kläger zu 1) in der genannten Zeit Einkommen aus einer
geringfügigen Beschäftigung erzielt habe, welches auf den Leistungsanspruch anzurechnen sei. Mit
Bescheid vom 14.07.2007 wurde die Klägerin zu 2) weiterhin zur Erstattung eines Betrages in Höhe von
2.236,-- € die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.03.2008 betreffend aufgefordert; auch dies wurde mit dem
Einkommen des Klägers zu 1) begründet. Ebenfalls mit Bescheid vom 14.7.2009 wurde der Kläger zu 1)
zur Erstattung eines Betrages von 637,50 € aufgefordert. An den Kläger zu 3) erging ebenfalls ein
Rücknahme- und Erstattungsbescheid mit einer Forderungshöhe von 252,67 € die Zeit vom 01.06.2007
bis 30.09.2007 betreffend.
Mit Schreiben vom 15.07.2009 legten die Kläger gegen die Rücknahme- und Erstattungsbescheide
Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Bescheiden vom 29.07.2009 bzw. 30.07.2009 als
unbegründet zurück. Der Kläger zu 1) habe weder bei Antragstellung noch zu einem späteren Zeitpunkt
mitgeteilt, dass er seit dem 1.1.2007 einer geringfügigen Beschäftigung nachgehe und hieraus monatlich
ein Einkommen von 400,-- € erziele. Dieses sei gemäß § 9 Abs. 1 SGB II auf seinen Leistungsanspruch
sowie den der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen. Die Hilfebedürftigkeit entfalle, wenn der Bedarf aus
eigenen Mitteln gedeckt werden könne. Vorliegend seien Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sowohl der
Kläger, als auch sein Sohn und seine Ehefrau. Im Mai 2007 bestünde hier ein Gesamtbedarf in Höhe von
622,-- €, im Juni 2007 ein Gesamtbedarf von 703 20,20 € und ab dem 01.07.2007 ein Gesamtbedarf von
902,-- € monatlich. Der Kläger zu 1) verfüge monatlich über ein Einkommen aus Rentenzahlungen in
Höhe von 720,98 €. Daneben sei das Kindergeld für den Kläger zu 3) als Einkommen anzurechnen, dies
teilweise beim Kläger zu 1), da der Bedarf des Klägers zu 3) gedeckt sei. Ab dem 01.06.2007 müsse
zusätzlich ein Erwerbseinkommen aus der geringfügigen Beschäftigung angerechnet werden, welches
nach Abzug sämtlicher Freibeträge mit 240,-- € anzusetzen sei.
Mit ihrer am 27.08.2009 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Dabei hat der Kläger
zu 1) vorgetragen, dass die Klägerin zu 2) aktuell an Depressionen leide. Im Sommer 2006 habe er die
eheliche Gemeinschaft nach 25 Jahren verlassen und sei in die untere Wohnung des Hauses gezogen.
Hier lebe er von der Klägerin zu 2) getrennt, jedoch nicht auf Dauer, sondern bis zu einer Besserung ihrer
Erkrankung. Mit einer solchen Erkrankung sei ein Zusammenleben nicht möglich. Vor diesem Hintergrund
gehöre er nicht zur Bedarfsgemeinschaft, diese bestehe lediglich aus der Klägerin zu 2) und dem Kläger
zu 3). Die ihm zustehende Rente sei stets auf das Konto der Klägerin zu 2) überwiesen worden, um die
Belastungen des Hauses zu tragen. Seinen Lebensunterhalt habe er allein aus der geringfügigen
Beschäftigung bei der F bestritten. Durch die Leistungsbewilligung an die Klägerin zu 2) sei der
Rentenstatus geändert worden. Er zahle hier seine Abgaben, so dass er nicht verstehen könne, warum er
nun Leistungen zurückzahlen müsse. Sowohl die Klägerin zu 2) als auch der Kläger zu 3) hätten aufgrund
der Tatsache, dass sie über keinerlei eigenes Einkommen verfügt hätten, als in Not geratene Deutsche
Anspruch auf Hilfe von Seiten des Amts. Es sei nicht klar, wie der Kläger zu 1) in die ganze Sache
involviert worden sei. Er sei nicht zu berücksichtigen. Da die Überzahlungen nur ihn betreffen, sei die
Rückforderung rechtswidrig.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide der Beklagten vom 12.7.2009 gerichtet an die Klägerin zu 2) in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30.7.2009 (Geschäftszeichen 981.B-53102BG0008661 – W 438/09), den
Bescheid der Beklagten vom 14.07.2009 gerichtet an den Kläger zu 1) in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 (Geschäftszeichen 981.B-53102BG0008661 – W 435/09) sowie
den Bescheid der Beklagten vom 14.07.2009 gerichtet an den Kläger zu 3) in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 30.07.2009 (Geschäftszeichen 981.B-53102BG0008661 – W 438/09)
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten, der zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Klage, erweist sich als unbegründet. Die von
den Klägern angegriffenen Bescheide der Beklagten vom 12.07.2009 bzw. 14.07.2009 in Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 29.07.2009 bzw. 30.07.2009, mit denen die Beklagte die
Leistungsgewährung in der Zeit vom Mai 2007 bis einschließlich März 2008 teilweise aufgehoben und
die bereits ausbezahlten Leistungen in Höhe von 3.126,17 € zurückgefordert hat, sind rechtmäßig und
verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Denn die Beklagte ist vorliegend zutreffend davon
ausgegangen, dass die Kläger in der hier fraglichen Zeit eine Bedarfsgemeinschaft gebildet haben mit der
Folge, dass sowohl das Renten- als auch das Erwerbseinkommen des Klägers zu 1) bei allen Mitgliedern
der Bedarfsgemeinschaft bedarfsmindernd anzurechnen war.
1. Verfahrensrechtliche Grundlage der kassatorischen Entscheidung der Beklagten ist - wie von ihr
zutreffend erkannt - die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III); denn der Bewilligungsbescheid
vom 13. März 2006 war von Anfang an rechtswidrig. § 45 SGB X ist - in Abgrenzung zu § 48 SGB X - dann
anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe
rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23; BSGE 96, 285; BSG, Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a/7a AL 74/06
R). Nach
§ 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender
Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Abs. 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder
teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. hierzu § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich
der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob
fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2
SGB X).
Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II in der streitbefangenen
Zeit liegen vor. Die in Frage stehenden Bewilligungsbescheide waren von Anfang an rechtswidrig, weil
die Kläger nicht im bis dato anzunehmenden Umfang hilfebedürftig gewesen sind; das wiederum folgt
daraus, dass der Kläger zu 1) in der hier fraglichen Zeit neben seinem Renteneinkommen weitere
und
anzurechnen sind, da die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bilden.
a) Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und
Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1
Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch
nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland haben. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit
oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach
§ 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den
Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder
nichtausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren
Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche
Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft auch der nicht dauernd
getrennt lebende Ehegatte des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Bei der Auslegung des Begriffs des "nicht
dauernd getrennt lebenden Ehegatten" im Sinne dieser Vorschrift folgt das erkennende Gericht der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach auf diejenigen Grundsätze zurückzugreifen ist, die im
Bereich des Familienrechts entwickelt worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 49/09 R).
Denn auch das SGB II geht davon aus, dass eine Bedarfsgemeinschaft bei Eheleuten (noch) bestehen
kann, wenn diese, z. B. wegen des pflegebedürftigen Aufenthalts eines Ehegatten in einem Heim,
räumlich voneinander getrennt leben. Der Grundgedanke der Bedarfsgemeinschaft beruht auf der
Annahme, dass in dieser Gemeinschaft alle Mitglieder füreinander Verantwortung auch im finanziellen
Sinne übernehmen. Erst nachrangig, wenn die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ihren Bedarf nicht
gemeinsam decken können, sind Grundsicherungsleistungen zu gewähren (vgl.
§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB I; § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Die Vermutung einer gegenseitigen Bedarfsdeckung hat
der Gesetzgeber des SGB II dabei nicht vorrangig mit dem Vorhandensein von Unterhaltsansprüchen
verbunden, sondern an die in § 7 Abs. 3 SGB II im Einzelnen aufgeführten tatsächlichen Umstände
geknüpft (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 58/06 R). Bei Eheleuten verlangt er – im
Unterschied etwa zur Konstellation der eheähnlichen Lebensgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II) -
gerade nicht das gemeinsame Leben in einem Haushalt.
Daher kommt es nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer
anschließt, letztlich nicht darauf an, ob die Kläger vorliegend räumlich zusammenleben. Vor diesem
Hintergrund konnte es letztlich dahinstehen, ob die Kläger einen gemeinsamen Haushalt führen oder ob
sie in zwei abgetrennten Wohnungen innerhalb eines Hauses separat wohnen. Denn da für die Frage des
Getrenntlebens die Maßstäbe des Familienrechts anzulegen sind, ist ein räumliches Zusammenleben der
Ehepartner nicht zwingend erforderlich; es kommt vielmehr maßgeblich darauf an, wie diese ihr Eheleben
gestalten möchten. Eine intakte Ehe kann mit anderen Worten also auch in getrennten Wohnungen
geführt werden, so dass allein die räumliche Trennung nicht ausreicht, um unzweifelhaft auf den nötigen
Trennungswillen schließen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 49/09 R). Denn
§ 1353 Abs. 1 BGB regelt mit der Bestimmung einer Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft nur
die Grundstrukturen der Ehe, gibt aber nicht die Art und Weise vor, in der sich das Zusammenleben der
Ehegatten vollzieht. Zwar ist die häusliche Gemeinschaft ein Grundelement der ehelichen
Lebensgemeinschaft; jedoch kann bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung auch eine
Ehe ohne räumlichen Lebensmittelpunkt eine solche im Sinne des § 1353 BGB sein
(Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 BGB Rn. 6 ff; MünchkommBGB/Ey,
§ 1565 Rn. 23; BGH, Urteil vom 07.11.2001 - XII ZR 247/00). Haben die Ehegatten bei oder nach der
Eheschließung einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht
vorsieht, kann allein der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nach
nicht
Vor diesem Hintergrund kommt es für die Frage, ob eine dauerhafte Trennung vorliegt darauf an, ob einer
der Partner die bisherige Form der Lebensgemeinschaft ohne gemeinsamen Lebensmittelpunkt nicht
mehr aufrecht erhalten will, das Eheband also lösen will (Palandt/Brudermüller, BGB, § 1567 Rn. 5; KG
Berlin, Beschluss vom 12.08.1981 - 3 WF 3833/81; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.03.1981 - 7 WF
32/81). Erforderlich ist vielmehr ein Wille zur Änderung des einvernehmlich gewählten Ehemodells. Ein
solcher Trennungswille lag jedoch nach den Feststellungen des Gerichts in der hier fraglichen Zeit weder
bei dem Kläger zu 1) noch bei der Klägerin zu 2) vor. Nach der durchgeführten persönlichen Anhörung
der Kläger und deren schriftlichem Vortrag ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen
dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) keine endgültige Trennung vollzogen wurde, sondern nach wie
vor eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft besteht. Daneben besteht vorliegend auch eine
Wirtschaftsgemeinschaft, verstanden als gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam
berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens;
a) Für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft spricht dabei zunächst, dass sämtlicheKläger bei der
Antragstellung bei der Beklagten angegeben worden sind und der Kläger zu 1) insbesondere auch seine
Rentenbescheide vorgelegt hat. Er hat weiterhin in der persönlichen Befragung durch das Gericht
mitgeteilt, dass er den Antrag gemeinsam mit seiner Frau ausgefüllt habe, weil diese hierzu aus
gesundheitlichen Gründen gar nicht in der Lage gewesen sei. Hier ist also durchaus nach dem Vortrag
des Klägers zu 1) von einer Unterstützungsleistung auszugehen, die für ein gegenseitiges Einstehen der
Kläger spricht. Weiterhin haben sie bei der Antragstellung angekreuzt, dass sie nicht dauernd getrennt
leben; daneben hat die Beklagte ausweislich sämtlicher Bewilligungsbescheide Leistungen für alle drei
Kläger, also auch den Kläger zu 1), bewilligt. Spätestens bei der Durchsicht der Bescheide hätte also
auffallen müssen, dass die Beklagte hier von einer Bedarfsgemeinschaft ausgeht. Insoweit haben die
Kläger aber bis zum Erlass der hier angegriffenen Bescheide nicht geltend gemacht, dass diese
Meinungunzutreffend sein könnte.
Weiterhin spricht die Tatsache, dass der Kläger zu 1) seinen Rentenbescheid eingereicht hat, durchaus
dafür, dass ihm die Behandlung als Bedarfsgemeinschaft bewusst war, was letztlich seine Behauptung in
der mündlichen Verhandlung, keine Bedarfsgemeinschaft zu sein, unglaubwürdig erscheinen lässt. Denn
der Kläger zu 1) hat seine Einkommensverhältnisse offen gelegt und damit in Kauf genommen, dass diese
Informationen im Rahmen der Leistungsbewilligung Berücksichtigung finden. Dass dies auch tatsächlich
geschehen ist, folgt erneut aus den Bewilligungsbescheiden, da hieraus die Anrechnung des
Renteneinkommens auf den Bedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft ersichtlich ist. Wenn der Kläger zu
1) nunmehr vorträgt, er sei zu keinem Zeitpunkt Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen und wisse
nicht, warum die Beklagte davon ausgegangen sei, so widerspricht dies dem Vorgehen der Kläger, einen
gemeinsamen Antrag zu stellen und das Einkommen gerade der Person offen zu legen, die nunmehr nicht
mehr Teil der Bedarfsgemeinschaft sein will. Vor diesem Hintergrund überzeugen die Beteuerungen der
Kläger, keine Bedarfsgemeinschaft zu bilden, letztlich nicht.
b) Weiterhinhat der Kläger zu 1) bekräftigt, dass die von ihm vollzogene räumliche Trennung zumindest in
der hier fraglichen Zeit nicht auf Dauer angelegt gewesen ist. Er hat vielmehr für das Gericht
nachvollziehbar gemacht, dass es ihm aufgrund der Erkrankung seiner Ehefrau nicht möglich gewesen ist,
mit dieser nach wie vor ein "normales" Eheleben zu führen. Allerdings war es dem Kläger zu 1) hier sehr
wichtig, deutlich zu machen, dass er sein seiner Frau gegenüber abgegebenes Eheversprechen durchaus
ernst nimmt und ein erneutes eheliches Zusammenleben anstrebt. Moralisch sei er aufgrund des
Eheversprechens dazu verpflichtet, seiner Frau auch in schlechten Zeiten beizustehen. Allein diese
Mittelung zeigt jedoch, dass der Kläger zu 1) nach wie vor ganz erhebliche Verantwortung für die Klägerin
zu 2) und ihr persönliches und gesundheitliches Wohlergehen übernehmen wollte und deshalb gerade
keine vollständige Trennung von ihr vollzogen hat. Die Kläger haben vielmehr in einer schwierigen
ohne
Damit haben die Kläger in der hier maßgeblichen Zeit die Herstellung einer "vollständigen" ehelichen
Gemeinschaft damit nicht nur nicht abgelehnt, sie haben diese auf Dauer vielmehr wieder angestrebt.
c) Die Kläger haben weiterhin vorgetragen, dass zwischen ihnen ein regelmäßiger, täglicher Kontakt
besteht, bei dem die gemeinsamen Belange sowie die Belange der Kinder besprochen werden. Insoweit
besteht also ein geistiger Kontakt und ein gemeinschaftliches Bewältigen des Lebens, eine Absprache in
allen für die Familie zu treffenden Fragen. Dies spricht in diesem Umfang gegen eine völlige Trennung der
Kläger, die nach 25 Ehejahren aber erforderlich wäre, um das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft zu
verneinen.
d) Schließlich ist das erkennende Gericht auch von dem Vorliegen einer Wirtschaftgemeinschaft zwischen
dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) überzeugt. Denn der Kläger zu 1) hat bereits im Vorfeld mitgeteilt,
dass sein Renteneinkommen vollständig auf das Konto der Klägerin zu 2) überwiesen werde, da man von
diesem Konto die Belastungen des Hauses gemeinsam trage. Insoweit ist bei der persönlichen Befragung
deutlich geworden, dass sich die Kläger gemeinsam für das Haus verantwortlich fühlen und dieses auch
nicht aufgeben möchten. Der Kläger zu 1) hat in diesem Zusammenhang weiterhin mitgeteilt, dass es sich
um das Elternhaus der Klägerin zu 2) handele, an dem diese sehr hänge. Das allein erklärt aber noch
nicht, warum der Kläger zu 1) dazu bereit ist, seine gesamte Rente in dieses Haus zu investieren. Auch
dies spricht letztlich ganz erheblich für eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft. Die Kläger
fühlen sich nicht nur füreinander, sondern auch für das verantwortlich, was sie gemeinsam erworben bzw.
genutzt und ggf. auch umgebaut haben. Der Wunsch, das gemeinsame Haus zu halten ist größer als der
Wunsch, sich zu trennen. Aus diesem Grund ist der Kläger zu 1) letztlich auch dazu bereit, die gesamte
Rente in das gemeinsame Haus zu investieren, obwohl er sich in einer Mietwohnung finanziell erheblich
besser stehen würde. Dieses Vorgehen hat er auch in der Zeit beibehalten, in der seine Frau über kein
eigenes Einkommen verfügte und der Kläger zu 1) damit letztlich allein für die Unterkunftskosten der
gesamten Familie aufgekommen ist. Hierin ist letztlich ein "normales" eheliches Vorgehen, ein
Wirtschaften für die Familie, zu sehen. Dies spricht dann aber ganz erheblich gegen eine dauerhafte
Trennung und die Verneinung einer Bedarfsgemeinschaft.
2. Nach alledem lebten der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) also nicht dauerhaft getrennt und bildeten
mithin eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des
§ 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a SGB II. Die Zugehörigkeit des Klägers zu 3) zu dieser Bedarfsgemeinschaft
folgt aus § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Denn dieser war zum hier fraglichen Zeitpunkt noch keine 25 Jahre alt
und lebte als gemeinsames Kind der Kläger zu 1) und 2) in deren Haushalt. Daneben konnte der Kläger
zu 3) zumindest in den hier maßgeblichen Zeiträumen seinen Bedarf gerade nicht aus seinem
Einkommen oder Vermögen selbst decken.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.