Urteil des SozG Kassel vom 19.11.2009

SozG Kassel: heizung, gerichtsakte, nebenkosten, hauptsache, vergleich, ernährung, zusicherung, stadt, vermieter, unterkunftskosten

Sozialgericht Kassel
Beschluss vom 19.11.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 6 AS 274/09 ER
Hessisches Landessozialgericht L 6 AS 605/09 B ER
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen
nach dem SGB II für die Zeit vom 14.09.2009 bis 31.12.2009 in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung von Kosten
für Unterkunft und Heizung in Höhe von 323,46 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin 90 % ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Höhe der übernahmefähigen Kosten für
Unterkunft und Heizung ab dem 01.09.2009.
Die 1964 geborene Antragstellerin erhält seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II und wohnt in einer 57 qm
großen Wohnung in A-Stadt. Vermieter der Wohnung ist der Vater der Antragstellerin. Die monatliche Miete beträgt
ausweislich des Mietvertrags vom 30.01.2007 insgesamt 390,00 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer
Grundmiete von 200 EUR und Betriebskosten in Höhe von 190 EUR (Bl. 31 Gerichtsakte). Diese Betriebskosten sind
in der Anlage 1 zum Mietvertrag vom 01.02.2007 aufgeschlüsselt. Auf Bl. 37 Gerichtsakte wird verwiesen.
Ausweislich des Mietkostennachweises des Vermieters der Antragstellerin vom 18.10.2009 zahlt die Antragstellerin
seit dem 01.03.2009 weiterhin eine Kaltmiete in Höhe von 200,00 EUR, Nebenkosten in Höhe von 132,80 EUR und
pauschale Heizkosten in Höhe von 57,20 EUR (Bl. 53 Gerichtsakte).
Da zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin seit längerem ein Dissens über die Höhe der angemessenen
Kosten für Unterkunft und Heizung besteht, verklagte die Antragstellerin die Antragsgegnerin in mehreren Verfahren
auf höhere Unterkunfts- und Heizkosten beim hiesigen Sozialgericht Kassel (Aktenzeichen ; S 2 AS 1124/08; S 2 AS
334/08). Im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 04.09.2009 schlossen die Beteiligten
hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung folgenden Vergleich (vgl. Bl. 64 f. Gerichtsakte zum Verfahren):
"1. Die Beklagte zahlt für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 31.05.2009 Leistungen für Unterkunft und Heizung in
Höhe von monatlich 303,00 EUR unter Abzug der bereits geleisteten Zahlungen.
2. Die Klägerin nimmt die weitergehende Klage zurück. Das bedeutet, dass sie sich auch nicht mehr gegen den
Rückforderungsbescheid vom 20.05.2008 (Rückforderung in Höhe von 114,64 EUR) wendet. Die Klägerin ist mit der
Aufrechnung der Rückforderung (114,64 EUR) mit der ihr zustehenden Nachzahlung einverstanden.
3. In Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagte ab dem 01.06.2009 Leistungen für Kosten für Unterkunft und
Heizung in Höhe von monatlich 307,00 EUR erbringt, stellt die Klägerin in Aussicht, für diesen Zeitraum anhängige
Widersprüche auf die Möglichkeit der Rücknahme zu prüfen. Die Klägerin nimmt den Widerspruch gegen den
Leistungsbescheid betreffend den Zeitraum vom 01.09.2008 – 28.02.2009 zurück.
4. Die Klägerin nimmt zur Kenntnis, dass nach der Rechtsprechung die angemessene Größe für einen
Einpersonenhaushalt 45 qm beträgt und ihre Wohnung diese Größe überschreitet. Über die Angemessenheit der Höhe
der Miete sagt dies allein jedoch noch nichts aus.
5. Die Beklagte erstattet 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
6. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt."
Mit Bescheid vom 07.09.2009 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die
Zeit vom 01.09.2009 bis 28.02.2010 in Höhe von monatlich 390,07 EUR. Dieser Betrag schlüsselt sich auf in Kosten
für Unterkunft und Heizung in Höhe von 307,00 EUR und eine Regelleistung in Höhe von 359,00 EUR, auf welche ein
zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 275,93 EUR angerechnet wurde (Bl. 15 Gerichtsakte).
Mit Schriftsatz vom 12.09.2009, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 14.09.2009, legte die Antragstellerin gegen
den Bewilligungsbescheid vom 07.09.2009 Widerspruch ein und begründete diesen zunächst damit, dass die
Regelleistung und die bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 307,00 EUR zu niedrig seien. Es
müssten vielmehr Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 323,46 EUR bewilligt werden. Hinsichtlich der
Berechnung dieses Betrags wird auf Bl. 2 Gerichtsakte Bezug genommen. Weiterhin sei ein Mehrbedarf für eine
kostenaufwändige Ernährung zu bewilligen (Bl. 3 Gerichtsakte).
Am 14.09.2009 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einsteiligen Anordnung beim hiesigen
Sozialgericht Kassel gestellt. Die Antragstellerin begründete den Antrag mit den Berechnungen und Argumenten ihres
Widerspruchsschriftsatzes (Bl. 1 Gerichtsakte).
Mit Änderungsbescheid vom 17.09.2009 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für
die Zeit vom 01.09.2009 bis 28.02.2010 in Höhe von 426,07 EUR bewilligt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus
Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 307,00 EUR und einer Regelleistung in Höhe von 359,00 EUR sowie
einem Mehrbedarf für eine kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 36,00 EUR. Auf diesen Gesamtbedarf von
702,00 EUR ist ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 275,93 EUR angerechnet worden. Als Änderung ist dem
Bescheid u.a. zu entnehmen, dass ab dem 01.09.2009 Leistungen für eine kostenaufwändige Ernährung in Höhe von
36,00 EUR bewilligt werden (Bl. 19 Gerichtsakte).
Am 01.10.2009 hat die Antragstellerin den einstweiligen Rechtsschutzantrag hinsichtlich der kostenaufwändigen
Ernährung zurückgenommen (Bl. 25 Gerichtsakte). Zur Untermauerung ihres Anspruchs hinsichtlich der höheren
Kosten für Unterkunft und Heizung hat die Antragstellerin mit gleichem Schriftsatz ein ärztliches Attest der Internistin
C. vom 21.08.2009 übersandt, dem u.a. zu entnehmen ist, dass die Klägerin unter psychischen Erkrankungen leide
und dass im Fall des Umzugs die Gefahr einer Gesundheitsverschlechterung bestehe. Auf Bl. 30 Gerichtsakte wird
verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 28.10.2009 hat die Antragsgegnerin ihre aktuelle Wohnungsliste übersandt. Diese umfasst 10.456
Wohnungen. Die Datenauswertung der Antragsgegnerin habe ergeben, dass die durchschnittliche Grundmiete bei den
grundsicherungsrelevanten Wohnungen 4,21 EUR pro Quadratmeter betrage. An durchschnittlichen Betriebskosten
würden 1,52 EUR anfallen, so dass sich hieraus durchschnittliche kalte Unterkunftskosten ohne Heizung in Höhe von
5,73 EUR pro Quadratmeter ergeben würden. Ausgehend von einer für 1-Personenhaushalte als angemessen
anerkannten Wohnfläche von 45 qm ergäben sich hieraus angemessene Unterkunftskosten in Höhe von 257,85 EUR.
Zur Glaubhaftmachung hat die Antragsgegnerin eine 440 Seiten starke tabellarische Auflistung von Wohnungen nebst
einer Auswertung übersandt, auf welche verwiesen wird.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass es ihr nicht zumutbar sei, wegen der Kosten für Unterkunft und Heizung
das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Es lägen inzwischen zahlreiche gerichtliche Entscheidungen vor, die ihren
Anspruch untermauern würden. Die von der Antragsgegnerin angenommene Datengrundlage bei der Bestimmung der
angemessenen Kosten der Unterkunft sei nicht ausreichend (Bl. 25 Gerichtsakte). Auch gebe es in A-Stadt eine
extreme Knappheit an angemessenen kleinen Wohnungen. Es seien daher die tatsächlichen Kosten begrenzt durch
die Wohngeldtabelle zu übernehmen. Hinsichtlich der Heizkosten habe das Bundessozialgericht (BSG) mit seiner
Entscheidung vom 02.07.2009 die Rechtslage abschließend geklärt. Ihr werde von der Antragsgegnerin ein
offensichtlich begründeter Anspruch vorenthalten. Die monatliche Differenz zwischen den bewilligten und den geltend
gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung sei keine Bagatelle. Sie ist der Auffassung, dass ihr ein Umzug
insbesondere wegen ihrer gesundheitlichen Probleme nicht zugemutet werden könne.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II
in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 323,46 EUR ab dem
01.09.2009 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, dass nach dem am 04.09.2009 geschlossenen Vergleich eine Eilbedürftigkeit nicht erkennbar
sei. Die Antragstellerin habe im Rahmen des Vergleichs in Aussicht gestellt, anhängige Widersprüche auf die
Möglichkeit der Rücknahme zu prüfen. Im Übrigen habe die Antragstellerin bis zum 31.01.2007 an den Vermieter
lediglich Nebenkosten und Heizkosten gezahlt, die von der Antragsgegnerin in tatsächlicher Höhe übernommen
wurden. Ab dem 01.02.2007 hätten sich die Kosten auf 390,00 EUR erhöht. Zu diesem Termin sei der erwähnte
Mietvertrag geschlossen worden. Eine Zusicherung hinsichtlich der höheren Kosten für Unterkunft und Heizung habe
die Antragstellerin zuvor nicht eingeholt. Eine solche Zusicherung hätte aber eingeholt werden müssen. § 22 Abs. 2
SGB II sei auch auf Konstellationen zu erstrecken, in denen kein Umzug stattgefunden habe (Bl. 58 Gerichtsakte).
Die Antragsgegnerin ist weiterhin der Auffassung, dass ihre Wohnungslisten einer summarischen Überprüfung
zugänglich seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu den Verfahren S 6 AS
274/09 ER; S 2 AS 334/08 und S 2 AS 1214/08 und auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet, soweit die Antragstellerin höhere Leistungen für Kosten für Unterkunft und
Heizung nach dem SGB II ab Antragstellung, also ab dem 14.09.2009, geltend macht. Im Übrigen ist der Antrag aber
unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in
Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Nach § 86b Abs. 2 S.2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen
Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, und einen Anordnungsgrund, also
einen Sachverhalt, der eine Einbedürftigkeit begründet, voraus (Hessisches LSG, Beschluss v. 30.01.2006, L 7 AS
1/06 ER, L 7 AS 13/06 ER).
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr besteht zwischen
beiden eine Wechselbeziehung derart, dass sich die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender
Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund bilden damit auf Grund ihres funktionellen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in:
Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer (Hrsg.), SGG, 9. A. 2008, § 86b Rn. 27). Ist die Klage in der Hauptsache
offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht
auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die
Klage in der Hauptsache hingegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen
Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn
in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Im Fall einer solchen Orientierung
an den Erfolgsaussichten der Hauptsache muss das Gericht in den Fällen, in denen das einstweilige
Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung der Hauptsache übernimmt und eine endgültige Verhinderung der
Grundrechtsverwirklichung droht, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen
(BVerfG, Kammerbeschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Bei einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens,
wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer
umfassenden Folgeabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des
Antragstellers umfassend in die Abwägung einzubeziehen (Hessisches LSG, Beschluss v. 30.01.2006, L 7 AS 1/06
ER, L 7 AS 13/06 ER; Keller in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer (Hrsg.), SGG, 9. A. 2008, § 86b Rn. 29a).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich hierbei lediglich auf die
reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für
die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (Hessisches LSG,
Beschluss v. 30.01.2006, L 7 AS 1/06 ER, L 7 AS 13/06 ER; SG Kassel, Beschluss v. 05.02.2009, S 1 AS 740/08
ER).
1. Soweit die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Kosten für Unterkunft und Heizung für
die Zeit vom 01.09.2009 bis zum 13.09.2009 geltend macht, fehlt es an einem Anordnungsgrund, weil Leistungen
nach dem SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung in der Regel nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage
zu gewähren und nicht rückwirkend zu bewilligen sind, wenn nicht ausnahmsweise ein Nachholbedarf glaubhaft
gemacht wird (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 24.04.2006, L 9 AS 39/06 ER; Keller in: Meyer-Ladewig
/ Leitherer / Keller, SGG, 9. A. 2008, § 86b Rn. 35a). Ein solcher Nachholbedarf ist vorliegend nicht ersichtlich. Dies
würde nämlich voraussetzen, dass die Nichtgewährung in der Vergangenheit in der Gegenwart fortwirkt und eine
gegenwärtige Notlage bewirkt (Keller in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, § 86b Rn. 35a). Eine solche Notlage
hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
2. Die Antragstellerin hat vorliegend jedoch ab Antragstellung einen Anordnungsanspruch auf Kosten für Unterkunft
und Heizung in Höhe von 323,46 EUR glaubhaft gemacht.
Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen der Unterkunft und Heizung grundsätzlich in Höhe der
tatsächlichen Höhe erbracht, soweit sie angemessen sind.
Vorliegend hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass ihr kalte Unterkunftskosten ohne Nebenkosten in Höhe
200,00 EUR entstehen. Hinzu kommen noch Heizkosten in Höhe von 57,20 EUR, die um die Kosten der
Warmwasseraufbereitung in Höhe von 6,33 EUR zu bereinigen sind. Ferner zu berücksichtigen sind die
angemessenen Nebenkosten, die nicht bereits durch die Regelleistung abgegolten sind. Ausweislich des
Mietkostennachweises vom 18.10.2009 hat die Antragstellerin an ihren Vermieter monatlich Nebenkosten in Höhe von
132,80 EUR zu erbringen. Geht man davon aus, dass in der Regelleistung bereits Kosten für Strom und Reparaturen
enthalten sind (vgl. Schwabe, Die Zusammensetzung der Regelleistung im SGB XII bzw. der Regelleistung im SGB
II, Zeitschrift für das Fürsorgewesen, 2007, 145 ff.) verbleibt ein Betrag von 114,40 EUR an kalten Nebenkosten. Eine
Addition der Kaltmiete, der um die Warmwasserkosten bereinigten Heizkosten und dieser Nebenkosten von 114,40
EUR ergibt einen Betrag von 365,27 EUR an tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung.
Die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von "lediglich" 323,46 EUR
sind nach summarischer Würdigung als angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II anzusehen und von der
Antragsgegnerin daher vorläufig zu übernehmen.
Die Rechtsprechung hat den gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der
Aufwendungen für die Unterkunft konkretisiert. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist in einem mehrstufigen
Verfahren vorzugehen. Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen
Wohnungsgröße und des Wohnungsstandards wird in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welche konkreten
räumlichen Gegebenheiten als räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist.
Anschließend ist hierbei zu untersuchen, wie viel für eine nach Größe und Standard abstrakt als angemessen
eingestufte Wohnung auf dem für den Hilfsbedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden ist. Dabei ist nicht
nur auf die im streitgegenständlichen Zeitraum auf dem Markt tatsächlich angebotenen Wohnungen abzustellen,
sondern auch auf vermietete Wohnungen. Hierbei vertritt die Rechtsprechung die sog. Produkttheorie. Danach
müssen nicht beide Faktoren, Wohnungsgröße und der im Quadratmeterpreis ausgedrückte Wohnungsstandard, je für
sich betrachtet angemessen sein. Vielmehr ist es ausreichend, dass das Produkt aus Quadratmeterzahl und
Quadratmeterpreis eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ergibt (BSG, Urteil v. 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R;
Hessisches LSG, Urteil v. 24.09.2008, L 6 AS 130/07; SG Kassel, Urteil v. 11.03.2009, S 7 AS 276/06). Für die
Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Wohnungsfläche ist auf die Kriterien abzustellen, welche die Länder aufgrund
des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung festgelegt haben (Knickrehm / Voelzke / Spellbrink,
Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, 2009, S.16). Dies richtet sich in Hessen nach den Hessischen Richtlinien
zur sozialen Wohnraumförderung vom 20.03.2003 (Hessisches Staatsanzeiger S. 1346) geändert durch die Richtlinien
vom 19.01.2004 (Hessischer Staatsanzeiger S.628). Nach den Richtlinien ist eine Wohngröße für eine Person bis 45
qm angemessen. Bei der im zweiten Schritt vorzunehmenden Festlegung des maßgeblichen Wohnungsmarktes muss
zunächst der räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, wobei das Recht der Leistungsempfänger auf Verbleib
in ihrem sozialen Umfeld Berücksichtigung finden muss (Knickrehm / Voelzke / Spellbrink, Kosten der Unterkunft
nach § 22 SGB II, S.16). Aus diesem Grund ist grundsätzlich vom Wohnort des Hilfsbedürftigen auszugehen. Die
Grundsicherungsträger müssen hierzu die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt ermitteln und
berücksichtigen. Als Erkenntnismittel kommen in Betracht: Örtliche Mietspiegel, Mietdatenbanken,
Wohnungsmarktanzeigen in der örtlichen Presse oder im Internet; Anfragen bei Maklern, Wohnungsbaugesellschaften,
Mietervereinen etc. Entscheidend ist hierbei nicht das Vorliegen eines qualifizierten oder einfachen Mietspiegels. Die
vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss vielmehr auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das die
Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des Wohnungsmarktes wiederzugeben. Liegen keine entsprechenden
Mietspiegel beziehungsweise Mietdatenbanken im Sinne der §§ 558c ff. BGB vor, können die Grundsicherungsträger
für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene Mietspiegel oder Tabellen erstellen. Die vom Grundsicherungsträger
hierbei gewählte Datengrundlage muss aber – wie schon ausgeführt wurde – auf einem schlüssigen Konzept beruhen,
das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiederzugeben.
Dies kann u. a. dann der Fall sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden
Mietwohnungsbestands beruht (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R; SG Kassel, Urteil v. 11.03.2009, S
7 AS 276/06). Ferner müssen die Faktoren, die das Produkt "Mietpreis" bestimmen, in die Auswertung eingeflossen
sein.
Dort, wo eine verlässliche Datengrundlage über den örtlichen Wohnungsmarkt fehlt und es auch nicht möglich ist, eine
solche Datengrundlage selbst zu ermitteln, ist ein Rückgriff auf die Wohngeldtabelle nach dem Wohngeldgesetz als
"Richtwert" möglich (Hessisches LSG, Urteil v. 24.09.2008, L 6 AS 130/07; vgl. auch: LSG Niedersachsen-Bremen,
Urteil v. 11.03.2008, L 7 AS 332/07; Knickrehm / Voelzke / Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, S.17
f.).
Ein solcher Rückgriff auf die eigentlich als subsidiäre Erkenntnisquelle heranzuziehende Wohngeldtabelle ist
vorliegend gerechtfertigt, da es dem Gericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich ist zu überprüfen,
ob die Wohnungslisten der Antragsgegnerin auf einem schlüssigen Konzept beruhen.
Die Stadt A-Stadt hat nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Wohngeldverordnung die
Mietstufe III. Ausweislich der Tabelle des zum 01.01.2009 in Kraft getretenen § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz ist für eine
Person bei der Mietstufe III eine Miete von 330,00 EUR angemessen.
Da die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung unter dem Höchstbetrag nach §
12 Abs. 1 Wohngeldgesetz liegen, sind die Kosten angemessen und von der Antragsgegnerin vorläufig zu
übernehmen.
Die Antragsgegnerin kann dem nicht entgegengehalten werden, dass die Antragstellerin entgegen § 22 Abs. 2 SGB II
vor der Änderung des Mietvertrags keine Zusicherung der Antragsgegnerin eingeholt hat. § 22 Abs. 2 SGB II
bestimmt nämlich, dass eine solche Zusicherung vor Abschluss eines Vertrags über eine "neue Unterkunft" eingeholt
werden soll. Die Konstellation, dass ein Vermieter den Mietpreis anhebt, ist von § 22 Abs. 2 SGB II nicht vorgesehen.
Einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Fall ginge über den Wortlaut des Gesetzes
hinaus und liefe mithin auf eine Analogie zulasten des Leistungsberechtigten hinaus und wäre mit § 31 SGB I nicht zu
vereinbaren. Gem. § 31 SGB I dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs
nämlich nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt.
Auch ist dem Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht der am 04.09.2009 geschlossene Vergleich
entgegenzuhalten. In dem Vergleich haben die Beteiligten nämlich den Leistungszeitraum ab dem 01.09.2009 nicht
rechtsverbindlich geregelt. Der Antragsgegnerin hat sich mit dem Vergleich nur verpflichtet, "zu prüfen", ob die
"Möglichkeit" der Zurücknahme anhängiger Widersprüche bestehe.
3. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Eilbedürftigkeit und damit der
Anordnungsgrund ergeben sich vorliegend aus der existenzsichernden Funktion der SGB II-Leistungen (vgl. LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 05.12.2007, L 26 B 1887/07 AS ER, L 26 B 1900/07 PKH, Rn. 9; LSG Nordrhein-
Westfalen, Beschluss v. 23.05.2007, L 20 B 77/07 AS ER, Rn. 8; SG Kassel, Beschluss v. 24.09.2009, S 6 AS
264/09 ER).
Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seiner Entscheidung vom 23.05.2007 (L 20 B 77/07
AS ER) bei einem im Streit stehenden monatlichen Betrag von 12,90 EUR ausgeführt, dass auch ein solcher nominell
recht geringer Betrag ein Eilbedürfnis begründen kann:
"Denn der Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II stellt ohnehin nur das soziokulturelle
Existenzminimum ( ) sicher; jedenfalls bei deutlichem Anordnungsanspruch kann vom Betroffenen nicht erwartet
werden, dass er ( ) seinen materiell-rechtlichen Anspruch ggf. erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens erfüllt
erhält. Denn ein Hauptsacheverfahren, welches ggf. durch mehrere Instanzen geführt wird, kann u. U. mehrere Jahre
dauern."
Diese zutreffenden Ausführungen haben in jüngster Zeit durch den Vorlagebeschluss des Hessischen
Landessozialgericht vom 28.10.2008 (L 6 AS 336/07) weiteres Gericht erhalten. Da gegen die Höhe der Regelleistung
gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, besteht bei dem im Streit stehenden monatlichen
Differenzbetrag zwischen den gewähren Kosten für Unterkunft und Heizung und den geltend gemachten Kosten für
Unterkunft und Heizung in Höhe von 16,46 EUR die nicht hinzunehmende Gefahr einer Bedarfsunterdeckung. Da ein
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde, ist im vorliegenden Fall mithin auch ein Anordnungsgrund zu bejahen.
4. Das Gericht bestimmt gem. § 86b Abs. 2 S.2 SGG in Verbindung mit § 938 ZPO nach freiem Ermessen, welche
Anordnung zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. Das Ermessen des Gerichts ist allerdings dahingehend
eingeschränkt, dass eine Überschreitung der Hauptsache grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. dazu: Krodel, Das
sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. A. 2008, Rn. 318 ff.).
Das Gericht hat vor diesem Hintergrund sein Auswahlermessen dahingehend ausgeübt, dass der Antragstellerin
vorläufig für die Zeit vom 14.09.2009 bis zum 31.12.2009 die von ihr beantragten Kosten für Unterkunft und Heizung
zu zahlen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG).