Urteil des SozG Kassel vom 20.07.2010

SozG Kassel: befreiung von der versicherungspflicht, sozialversicherungsrecht, zukunft, rückerstattung, beitragsbemessung, beendigung, gewerbe, rücknahme, wahlrecht, beitragsberechnung

Sozialgericht Kassel
Urteil vom 20.07.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 6 R 297/07
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine teilweise Rückerstattung von Rentenversicherungsbeiträgen.
Der 1958 geborene Kläger meldete am 07.12.2001 ein Gewerbe an und stellte am 12.02.2002 einen Antrag auf
Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige mit einem Auftraggeber. Dem
Antragsformular kann entnommen werden, dass der Kläger Versicherungs- und Bausparverträge im Außendienst für
die C. Versicherung vermittelt (Bl. 2 ff., 4 Verwaltungsakte).
Eine entsprechende Befreiung von der Versicherungspflicht wurde bis zum 01.01.2005 gewährt (Bl. 30
Verwaltungsakte).
Die Beklagte forderte den Kläger sodann zur Ausfüllung des "Fragebogens zur Feststellung der Versicherungspflicht
nach Beendigung der befristeten Befreiung als Selbstständiger mit einem Auftraggeber" auf. In dem Fragebogen gab
der Kläger an, inzwischen für mehrere Versicherungen zu arbeiten und benannte verschiedene Versicherungen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Fragebogen Bezug genommen. Allerdings gab der Kläger sodann unter Punkt 2.4
an, dass er mindestens 5/6 seiner gesamten Betriebseinnahmen aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber erhalte. Er
beschäftige auch im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit keine Arbeitnehmer. Zur Beitragshöhe sind
dem Fragebogen unter Punkt 3. drei Möglichkeiten zu entnehmen, wie die Pflichtbeiträge entrichtet werden könnten:
Zunächst könnten die Pflichtbeiträge für die ersten drei Jahre nach der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit in
Höhe von 50% der Bezugsgröße (halber Regelbeitrag) geleistet werden. Auch bestehe die Möglichkeit die
Beitragshöhe nach dem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße zu bestimmen (Regelbeitrag) und schließlich
bestehe die Möglichkeit, die Beiträge einkommensgerecht jedoch höchstens bis zur monatlichen
Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten. Wenn sich der Versicherte für diese Alternative entscheiden sollte, werde
um die Bescheinigung des Steuerberaters über die voraussichtliche Höhe des Arbeitseinkommens gebeten.
Hinsichtlich dieser dritten Möglichkeit war in dem Formular ein Freifeld vorgesehen, in welches das voraussichtliche
jährliche Arbeitseinkommen einzutragen gewesen wäre, das vom Kläger jedoch nicht ausgefüllt wurde. Vielmehr hat
der Kläger in dem Formular keine der genannten Möglichkeiten zur Bestimmung der Beitragshöhe ausgewählt (Bl. 32
Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 06.01.2005 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab dem 02.01.2005 nach § 2 S.1 Nr. 9 SGB
VI der Rentenversicherungspflicht unterliege. Zur Beitragshöhe ist der Anlage zum Bescheid zu entnehmen, dass der
Kläger einen Beitrag in Höhe von 235,46 EUR zu entrichten habe. Diese Beitragshöhe entspreche dem anteiligen
halben Regelbeitrag, dem ein Arbeitseinkommen in Höhe von monatlich 1207,50 EUR zugrunde liege. Der
ergänzenden Begründung in Anlage 10 zum Rentenbescheid ist zu entnehmen, weshalb die Beklagte davon ausging,
dass der Kläger überwiegend und im Wesentlichen für einen Auftraggeber arbeite, obwohl er in dem Fragebogen
verschiedene Versicherungen angegeben hatte (Bl. 34-36 Verwaltungsakte).
Am 02.02.2005 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein (Bl. 37 Verwaltungsakte) und begründete den
Widerspruch mit Schriftsatz vom 17.03.2005 dahingehend, dass er zur Zeit den halben Regelbeitrag in Höhe von
monatlich 235,46 EUR zahle, der seinem Einkommen entspreche und den er sich finanziell leisten könne. Sollte es ab
Januar 2006 zum vollen Regelbeitrag kommen, werde er diesen Beitrag nicht mehr zahlen können und sein Gewerbe
abmelden müssen. Er bitte daher zu prüfen, ob es beim halben Regelbeitrag bleiben könne (Bl. 41 Verwaltungsakte).
Mit Schriftsatz vom 06.04.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er bis zum 31.12.2005 in den Genuss des
halben Regelbeitrags komme. Danach bestünden zwei Möglichkeiten, nämlich die Zahlung des vollen Regelbeitrags
oder die Zahlung von einkommensgerechten Beiträgen. Es werde zu gegebener Zeit um Übersendung des letzten
Steuerbescheids gebeten (Bl. 42 Verwaltungsakte).
Mit Fax vom 11.04.2005 nahm der Kläger den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.01.2005 zurück und teilte der
Beklagten mit, dass er den Einkommenssteuerbescheid 2004 umgehend nach Erhalt vorlegen werde (Bl. 43
Verwaltungsakte).
Am 15.12.2005 überreichte der Kläger die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2003 und 2004 (Bl. 44 ff.
Verwaltungsakte). Aus dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2004 geht hervor, dass der Kläger in diesem
Jahr aus seinem Gewerbe Einkünfte in Höhe von 8.975,00 EUR erzielte (Bl. 50 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 28.12.2005 teilte die Beklagte dem Kläger eine Änderung der Beitragsberechnung mit. Dem
Bescheid kann zur Beitragshöhe entnommen werden, dass für die Zeit vom 02.01.2005 bis 31.12.2005 ein
monatlicher Beitrag in Höhe von 235,46 EUR berechnet wurde. Dies entspreche einem halben Regelbeitrag bei einem
Arbeitseinkommen in Höhe von monatlich 1207,50 EUR. Ab dem 01.01.2006 betrage der monatliche Beitrag 147,07
EUR. Dem liege ein monatliches Einkommen in Höhe von 754,20 EUR auf der Grundlage des
Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2004 zugrunde (Bl. 55 Verwaltungsakte).
Mit Schriftsatz vom 31.10.2006 teilte der Kläger mit, dass er laut Steuerbescheid 2004 monatlich Rentenbeiträge für
das Jahr 2006 in Höhe von 147,07 EUR habe zahlen müssen. Nach dem Steuerbescheid 2005 hätte er 164,15 EUR
zahlen müssen. Für das Jahr 2005 habe er monatlich 235,46 EUR Rentenbeiträge gezahlt. Daraus ergebe sich eine
Differenz von 855,72 EUR, welche ihm zu erstatten sei. Dem Schriftsatz beigefügt war der
Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 23.10.2006 (Bl. 60 ff., 68 Verwaltungsakte).
Die Beklagte wertete diese Informationen aus und erließ am 17.11.2006 einen Bescheid zur Änderung der
Beitragsberechnung, dem eine Änderung der Beitragshöhe ab dem 01.11.2006 zugrunde liegt (Bl. 71
Verwaltungsakte).
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.11.2006 forderte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte
zur Rückzahlung von zu viel gezahlten Beiträgen in Höhe von 1060,68 EUR auf. Der Kläger habe im Jahr 2005
monatlich einen Betrag in Höhe von 235,46 EUR gezahlt. Hintergrund sei gewesen, dass die Beklagte dem Kläger
mitgeteilt habe, er könne zum einen den vollen Betrag zahlen, möglich sei aber auch die Zahlung des halben
Regelsatzes, da er selbstständig sei. Damit sei der Kläger aber nicht vollständig aufgeklärt worden, da es wegen der
vorliegenden Selbstständigkeit auch möglich gewesen wäre, eine Veranlagung der Rentenversicherung entsprechend
der aktuellen Gewinn- und Verlustrechnung vorzunehmen. Der Kläger habe die Beitragshöhe in Höhe von 235,46 EUR
akzeptiert. Hätte man aber das Einkommen aus dem Veranlagungsjahr 2004 in Höhe von 8.975,00 EUR zugrunde
gelegt, hätte er monatlich lediglich 147,07 EUR zahlen müssen. Der Kläger habe mithin tatsächlich 2825,52 EUR
gezahlt. Er hätte jedoch nur 1764,84 EUR zahlen müssen. Es liege eine Aufklärungspflichtverletzung vor, da die
Beklagte ihm nicht mitgeteilt habe, dass die Beiträge auch anhand der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr
2004 hätten berechnet werden können (Bl. 75 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 03.01.2007 lehnte die Beklagte den Antrag vom 27.11.2006 auf Rücknahme des Bescheids vom
06.01.2005 ab. Nach § 44 SGB X sei die Beklagte verpflichtet, einen rechtswidrigen Bescheid zurückzunehmen, wenn
sich herausstelle, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden
sei. Die Überprüfung des Bescheids vom 06.01.2005 habe ergeben, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen.
Nach § 165 Abs. 1 S. 2 SGB VI sei für versicherungspflichtige Selbstständige bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren
nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als beitragspflichtige Einnahmen ein Arbeitseinkommen in
Höhe von 50% der Bezugsgröße zu Grunde zu legen. Beantragten Versicherte die Zahlung von einkommensgerechten
Beiträgen, müsse das von der Bezugsgröße abweichende höhere oder niedrigere Arbeitseinkommen nachgewiesen
werden. Für die Beitragsberechnung werde dann dieses Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Der Kläger habe im
Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht nach Beendigung der Befreiung als Selbstständiger mit einem
Auftraggeber keinen Antrag auf Zahlung einkommensgerechter Beiträge gestellt. Im weiteren Schriftverkehr habe er
angegeben, dass der halbe Regelbeitrag seinem Einkommen entspreche. Die Beiträge für das Jahr 2005 seien
rechtskräftig entrichtet (Bl. 81 Verwaltungsakte).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 25.01.2007 Widerspruch ein. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X
seien erfüllt, weil die Beklagte offensichtlich von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Tatsächlich habe sein
Arbeitseinkommen im Veranlagungsjahr 2004 lediglich 8.975 EUR betragen (Bl. 82 Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dem
Begehren des Klägers könne nicht entsprochen werden. Gemäß § 165 Abs. 1 S.8 SGB VI würden Änderungen des
Arbeitseinkommens vom ersten des auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids oder der
Finanzamtsbescheinigung folgenden Kalendermonats, spätestens aber von Beginn des dritten Kalendermonats nach
Ausfertigung des Einkommensteuerbescheids an berücksichtigt. Es sei folgender Vergleich durchzuführen:
- Folgemonat der Vorlage des Einkommensteuerbescheids
- Dritter Kalendermonat nach Ausfertigung
- Frühestes Datum = Änderungszeitpunkt
Die Regelung beziehe sich ausschließlich auf die Änderung der beitragspflichtigen Einnahmen bei bereits
einkommensgerechter Beitragszahlung. Hierdurch werde sichergestellt, dass - unabhängig vom Zeitpunkt der
tatsächlichen Vorlage des Einkommensteuerbescheids - sich die Änderung des nachgewiesenen Arbeitseinkommens
zu dem auf das Auslaufen der Vorlagepflicht folgenden Kalendermonat auswirke. Der Einkommensteuerbescheid für
das Jahr 2004 sei am 08.12.2005 ausgefertigt worden und am 15.12.2005 der Beklagten vorgelegt worden, so dass
eine Änderung des Arbeitseinkommens erst ab dem 01.01.2006 zu berücksichtigen gewesen sei (Bl. 89
Verwaltungsakte).
Am 16.03.2007 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 03.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
23.04.2007 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Soweit sich die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid auf §
165 Abs. 1 S. 8 SGB VI beziehe, ergebe sich gerade daraus, dass er die Beitragszahlungen entsprechend der
Gewinn- und Verlustrechnung hätte vornehmen können. Außerdem sei er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Er
hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung bereits bei Beginn der Versicherungszeiten den aktuellen
Einkommensteuerbescheid vorgelegt. Auch habe er einen Anspruch auf Verzinsung der Hauptforderung.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 03.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2007
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1060,68 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 01.06.2006 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sie den Kläger in dem Fragebogen ordnungsgemäß aufgeklärt habe. Auch habe der
Kläger in seinem Schriftsatz mitgeteilt, dass die Beitragshöhe seinem Einkommen entspreche und sich hinsichtlich
der Beitragshöhe ab Januar 2006 erkundigt. Hierzu sei seine Anfrage mit Schreiben vom 06.04.2005 beantwortet
worden.
Wegen der weiten Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die
Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf Rückerstattung eines Teils seiner Rentenversicherungsbeiträge.
1. Die Beklagte hat den Schriftsatz des Klägers vom 27.11.2006 zutreffend als Überprüfungsantrag im Sinne des § 44
SGB X gewertet.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von
einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu
Unrecht nicht erbracht worden sind oder Beiträge zu Unrecht erhoben wurden, ist der Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1
S.1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids vom 06.01.2005
nicht vorliegen. Die Beklage hat den Überprüfungsantrag zu Recht mit Bescheid vom 03.01.2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 23.04.2007 abgelehnt.
a) Die Beklagte ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger der Versicherungspflicht nach § 2 S.1
Nr.9 SGB VI unterliegt.
Versicherungspflichtig sind gem. § 2 S.1 Nr. 9 SGB VI selbständig tätige Personen, die a) im Zusammenhang mit
ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und b) auf Dauer
und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.
Es ist davon auszugehen, dass ein Selbständiger mit mehreren Auftraggebern im Wesentlichen für einen Auftraggeber
tätig ist, wenn das Auftragsvolumen bei einem Auftraggeber fünf Sechstel des Gesamtauftragsvolumens abdeckt
(Reinhardt in: Ders. (Hrsg.), SGB VI, 2. A. 2010, § 2 Rn. 20).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger in dem Antragsformular angegeben, dass dies bei ihm der Fall ist, so dass die
Beklagte zutreffend von einer Versicherungspflicht im Sinne des § 2 S.1 Nr. 9 SGB VI ausgegangen ist.
b) Auch hinsichtlich der Beitragshöhe hat die Beklagte eine Rücknahme des Bescheids vom 06.01.2005 zutreffend in
ihrem Bescheid vom 03.01.2007 abgelehnt.
Die Bestimmung der Beitragshöhe richtet sich bei selbständig Tätigen nach § 165 SGB VI.
Nach § 165 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB VI sind beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigkeiten ein
Abreitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigern oder höheren Arbeitseinkommens jedoch
dieses Arbeitseinkommen, mindestens jedoch monatlich 400 EUR.
Gemäß § 165 Abs. 1 S.2 SGB VI sind beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen abweichend von S.1 Nr.1
bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein
Arbeitseinkommen in Höhe von 50 von Hundert der Bezugsgröße, auf Antrag des Versicherten jedoch ein
Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße.
Für den Nachweis des von der Bezugsgröße abweichenden Arbeitseinkommens nach § 165 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB VI
sind nach § 165 Abs. 1 S.3 SGB VI die sich aus dem letzten Einkommenssteuerbescheid für das zeitnahste
Kalenderjahr ergebenden Einkünfte aus der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit so lange maßgebend, bis
ein neuer Einkommenssteuerbescheid vorgelegt wird.
Die Bemessung der Einkünfte bestimmt sich nach § 165 Abs. 1 S.4 SGB VI.
Die Beklagte ist nach Überzeugung der Kammer nicht von einem unrichtigen Sachverhalt im Sinne des § 44 Abs. 1
SGB X ausgegangen. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen
ist, ist auf die damalige Sach- und Rechtslage – jedoch aus heutiger Sicht – abzustellen (Steinwedel in: Kasseler
Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 65. A. 2010, § 44 Rn. 37). Es ist ein Vergleich vorzunehmen
zwischen der Sachlage, von der die Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung ausgegangen ist und welche
tatsächlich zum Entscheidungszeitpunkt vorlag (Schütze in: von Wulffen (Hrsg.), SGB X, 7. A. 2010, § 44 Rn. 6).
Hierbei muss sich herausstellen, dass der damalige Bescheid, dessen Aufhebung begehrt wird, objektiv rechtswidrig
gewesen ist (Plagemann in: Ders. (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 3. A. 2009, § 42 Rn. 9).
Der Kläger hatte bei der Bestimmung der Beitragshöhe nach dem gesetzlichen Regelungssystem des § 165 SGB VI –
wie auch aus dem Antragsformular der Beklagten hervorgeht (Bl. 32 Verwaltungsakte) – ein Wahlrecht zwischen der
Entrichtung von einkommensgerechten und pauschaliert – anhand der vollen oder halben Bezugsgröße – bemessenen
Beiträgen. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 06.01.2005 den halben Regelbeitrag zugrunde gelegt, nachdem
der Kläger in dem "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht nach Beendigung der befristeten Befreiung
als Selbständiger mit einem Auftraggeber" bei der Bestimmung der Beitragshöhe von seinem Wahlrecht keinen
Gebrauch gemacht hatte (Bl. 32 Verwaltungsakte). Die Zahlung des halben Regelbeitrages nach § 165 Abs. 1 S. 2
SGB VI ist bei Existenzgründern der gesetzliche Regelfall (Finke in: Hauck & Haines, SGB VI, Lfg. 7/09, § 165 Rn.
12). Eine solche am halben Regelbeitrag orientierte Beitragsbemessung ist für Existenzgründer im Regelfall auch
besonders günstig, weshalb die Kammer das Vorgehen der Beklagten, die Beitragshöhe anhand des gesetzlichen
Regelfalls zu bestimmen, vor dem Hintergrund der ursprünglich fehlenden Ausübung des Wahlrechts für sachgerecht
hält. Dies ist nicht zuletzt deshalb angemessen gewesen, weil der Beklagten die tatsächlichen
Einkommensverhältnisse des Klägers nicht bekannt waren. Hinzukommt noch, dass der Kläger der Beklagten mit
Schriftsatz vom 17.03.2005 für das Beitragsjahr 2005 mitgeteilt hat, dass die Zahlung des halben Regelbeitrags
seinem Einkommen entspreche (Bl. 41 Verwaltungsakte) und dass er seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom
06.01.2005 am 11.04.2005 zurückgenommen hat (Bl. 43 Verwaltungsakte). Damit hat der Kläger das Vorgehen der
Beklagten genehmigt und hierdurch nachträglich sein Wahlrecht ausgeübt. An diese Wahl war die Beklagte gebunden.
Der Bescheid der Beklagten vom 06.01.2005 ist vor dem Hintergrund der Ausübung des Wahlrechts durch den Kläger
auch objektiv rechtmäßig gewesen und wäre es auch für den Fall gewesen, dass der Beklagten zum Zeitpunkt ihrer
Entscheidung die Einkommensverhältnisse des Klägers bekannt gewesen wären. Der Ausgangsbescheid vom
06.01.2005 ist mithin nicht objektiv rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X liegen nicht
vor.
2. Die Kammer ist weiterhin davon überzeugt, dass der Wunsch des Klägers, die Beiträge für das Jahr 2005
nachträglich nur noch einkommensgerecht zu zahlen und einen Überzahlungsbetrag ausgezahlt zu bekommen, auch
nicht auf § 165 SGB VI gestützt werden kann.
Fragen der Änderung der Beitragshöhe bei selbständig Tätigen sind ebenfalls in § 165 SGB VI normiert.
Nach § 165 Abs. 1 S. 8 SGB VI werden Änderungen des Arbeitseinkommens vom Ersten des auf die Vorlage des
Bescheides oder der Bescheinigung folgenden Kalendermonats, spätestens aber vom Beginn des dritten
Kalendermonats nach Ausfertigung des Einkommenssteuerbescheids an, berücksichtigt.
§ 165 Abs.1 S. 8 SGB VI ist nach seinem Sinn und Zweck nur auf den Fall anwendbar, dass die Beitragsbemessung
konkret nach dem Arbeitseinkommen, also einkommensgerecht, erfolgt. Bestimmt sich die Beitragshöhe
ausschließlich nach dem halben Regelbeitrag oder anhand des vollen Regelbeitrags der Bezugsgröße sind
Änderungen des Einkommens nämlich irrelevant.
Im Jahr 2001 wurde § 165 SGB VI durch einen Absatz 1a ergänzt, der als "Sozialklausel" für "Härtefälle" gedacht ist
(Wehrhahn in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 65. A. 2010, beck-online, § 165 Rn.39;
Wissing in: jurisPK-SGB VI, § 165 Rn. 106).
Nach § 165 Abs. 1a S.1 SGB VI ist abweichend von § 165 Abs. 1 S.3 SGB VI auf Antrag des Versicherten vom
laufenden Arbeitseinkommen auszugehen, wenn dieses im Durchschnitt voraussichtlich um wenigstens 30 von
Hundert geringer ist als das Arbeitseinkommen aus dem letzen Einkommenssteuerbescheid.
Das laufende Arbeitseinkommen ist nach § 165 Abs. 1a S.2 SGB VI durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen.
Änderungen des Arbeitseinkommens werden gem. § 165 Abs. 1a S.3 SGB VI vom Ersten des auf die Vorlage der
Nachweise folgenden Kalendermonats an berücksichtigt.
Es entspricht der zutreffenden einhelligen Meinung der Kommentarliteratur, dass dieses Regelungssystem
dahingehend zu verstehen ist, dass eine rückwirkende Berücksichtigung von niedrigerem Einkommen nicht möglich
ist. Werden also beispielsweise Nachweise über die Einkommensverhältnisse verspätet beim
Rentenversicherungsträger eingereicht, so kann sich die Sozialklausel erst vom Folgemonat nach Eingang der
Unterlagen an auswirken (Wehrhahn in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 65. A. 2010,
beck-online, § 165 Rn. 46, Wissing in: jurisPK-SGB VI, § 165 Rn. 114).
Nach § 165 Abs. 1a S.4 SGB VI bleibt das so festgestellte Arbeitseinkommen so lange maßgebend, bis der
Einkommensteuerbescheid über dieses Veranlagungsjahr vorgelegt wird und zu berücksichtigen ist.
Dies hat zur Folge, dass der Rentenversicherungsträger nicht verpflichtet ist, eine rückwirkende Überprüfung des
seinerzeit festgelegten Arbeitseinkommens anhand des im Einkommenssteuerbescheid für dieses Veranlagungsjahr
ausgewiesenen Arbeitseinkommens vorzunehmen (Wissing in: jurisPK-SGB VI, § 165 Rn. 115). Es können sich im
Nachhinein also Abweichungen zugunsten und zulasten der Versicherten herausstellen, die nicht mehr korrigiert
werden.
Wie sich aus dem Regelungssystem und dem Wortlaut ergibt, ist § 165 Abs. 1a SGB VI eine Regelung zur Ergänzung
der allgemeinen Regelung des § 165 Abs. 1 SGB VI zur Berechnung einkommensabhängiger Beiträge (Wehrhahn in:
Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 65. A. 2010, beck-online, § 165 Rn.39). Der vorliegende
Fall, dass ein Versicherter von der abstrakten Beitragsbemessung nach dem halben Regelbeitrag in die konkrete
Beitragsbemessung wechseln will, ist im Gesetz nicht ausdrücklich normiert. Es ist insbesondere im Gesetz nicht
ausdrücklich geregelt, ob es möglich ist, nachträglich eine Korrektur vorzunehmen. Dagegen sprechen aber zunächst
systematische Überlegungen. § 165 Abs.1a SGB VI sieht eine Möglichkeit zum Wechsel in Härtefällen, in denen das
laufende Arbeitseinkommens des relevanten Jahres voraussichtlich wesentlich, nämlich um 30 %, niedriger ist, nur ab
dem Monat der Vorlage von Belegen vor. Der Versicherte wird also nicht rückwirkend mit dem Argument gehört, dass
er ausweislich seiner Belege schon seit längerer Zeit zu hohe Beiträge zahle. Gleiches muss daher auch in dem
gesetzlich nicht geregelten Fall gelten, dass der Versicherte von der pauschalierten Beitragsentrichtung anhand des
Regelbeitrags zur einkommensgerechten Beitragsentrichtung wechseln möchte. Ein Wechsel vom Regelbeitrag zur
einkommensgerechten Beitragszahlung kann dementsprechend nur für die Zukunft berücksichtigt werden
(Sächsischen Landessozialgerichts, Beschluss v. 09.04.2001, L 4 RA 32/01, juris; Schmidt in: Kreikebohm, 3. A.
2008, beck-online, § 165 Rn. 65; Wehrhahn in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 65. A.
2010, beck-online, § 165 Rn. 28; Wissing in: jurisPK, SGB VI, 1. A. 2008, § 165 Rn. 98). Das Regelungssystem des §
165 SGB VI ist auf die Zukunft gerichtet und einer rückwirkenden Änderung der Beitragshöhe nicht zugänglich ist. Es
ist auch legitim, wenn der Gesetzgeber den Rentenversicherungsträgern durch eine entsprechende gesetzliche
Regelung Planungssicherheit hinsichtlich des Beitragsaufkommens einräumen möchte, indem Modifikationen der
Beitragshöhe nur für die Zukunft möglich sind.
Der Kläger wird daher mit seinem Vorbringen, dass er sich die Sachlage noch einmal überlegt hat und lieber
einkommensgerechte Beiträge entrichten möchte, nur für die Zukunft, nicht aber – wie von ihm begehrt – für die
Verfangenheit gehört. Ein Anspruch auf eine Rückerstattung eines Teils der gezahlten Rentenversicherungsbeiträge
kann mithin nicht auf § 165 SGB VI gestützt werden.
3. Eine andere Beurteilung ergibt sich vorliegend auch nicht unter Heranziehung der Grundsätze des
gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Zwar sprechen
gewichtige Gründe dafür, in Fällen, in denen der Versicherte durch eine falsche oder unzureichende Beratung durch
den Rentenversicherungsträger zu hohe Rentenversicherungsbeiträge entrichtet, eine rückwirkende Beitragskorrektur
und eine Rückerstattung der zu viel gezahlten Beiträge ausnahmsweise zuzulassen. Diese Frage kann vorliegend
allerdings dahinstehen, da die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nach Auffassung der
Kammer nicht vorliegen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch setzt nämlich zunächst einen Aufklärungs- oder
Beratungsfehler seitens des Sozialversicherungsträgers voraus. Eine solche Pflichtverletzung ist vorliegend jedoch
nach Überzeugung der Kammer nicht ersichtlich. Dies würde voraussetzen, dass die Beklagte den Kläger nicht oder
nur unzureichend über seine Wahlmöglichkeiten aufgeklärt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagte hat den
Kläger mittels des "Fragebogens zur Feststellung der Versicherungspflicht nach Beendigung der befristeten Befreiung
als Selbständiger mit einem Auftraggeber" über die verschiedenen Möglichkeiten der Beitragsentrichtung informiert.
Dem Formular kann entnommen werden, dass eine einkommensgerechte Beitragsentrichtung beantragt werden kann
und dass hierfür auch eine "Bescheinigung des Steuerberaters über die voraussichtliche Höhe des
Arbeitseinkommens" ausreichend ist (Bl. 32 Verwaltungsakte). Der Kläger hat sich dieses Formular jedoch offenbar
ebenso wie den Rentenbescheid vom 06.01.2005 nur unzureichend durchgelesen. Dem Bescheid vom 06.01.2005 ist
nämlich zu entnehmen, dass dem halben Regelbeitrag in Höhe von monatlich 235,46 EUR ein fiktives
Arbeitseinkommen in Höhe von monatlich 1207,50 EUR (Bl. 35 Verwaltungsakte). zugrunde liegt. Der Kläger hätte
hieraus selbst schlussfolgern können, dass für ihn eine einkommensgerechte Bemessung der Beitragshöhe vorteilhaft
sein könnte. Der Kläger ist in der Versicherungsbranche tätig. Es ist von ihm zu erwarten, dass er Formulare
vollständig liest und bei Unklarheiten nachfragt. Dies hat er nicht getan. Auch hat der Kläger seinen Widerspruch
gegen den Bescheid vom 06.01.2006 lediglich auf das Jahr 2006 bezogen und der Beklagten hinsichtlich des Jahres
2005 mitgeteilt, dass der halbe Regelbeitrag seinem Einkommen entspreche. Die Beklagte war daher nicht gehalten,
den Kläger darüber zu informieren, unter welchen Voraussetzungen eine einkommensgerechte Beitragszahlung für ihn
auch im Jahr 2005 günstiger sein könnte. Eine solche Verpflichtung der Beklagten bestand auch deshalb nicht, weil
ihr die Einkommensverhältnisse des Klägers nicht bekannt waren. Informationen über die Einkommensverhältnisse
des Klägers erhielt sie erst mit der Übersendung des Einkommenssteuerbescheids für das Beitragsjahr 2003 am
15.12.2005 (Bl. 44 ff. Verwaltungsakte). Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger seinen Widerspruch gegen den
Bescheid vom 06.01.2005 jedoch bereits zurückgenommen gehabt. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs sind mithin ebenfalls nicht erfüllt.
II. Da ein Rückforderungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht besteht, ist auch der nach § 44 SGB I
geltend gemachte Zinsanspruch des Klägers nach § 44 SGB I unbegründet.
Die Klage hatte daher insgesamt keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).