Urteil des SozG Kassel vom 18.02.2009

SozG Kassel: krankenkasse, stationäre behandlung, psychiatrie, zentralbank, minderung, rechnungslegung, form, schlussabrechnung, gesellschafter, krankenversicherung

Sozialgericht Kassel
Urteil vom 18.02.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 12 KR 126/08
Hessisches Landessozialgericht L 1 KR 90/09
Bundessozialgericht B 1 KR 30/09 R
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Zentrum für Soziale Psychiatrie H. GmbH aus Anlass der stationären Behandlung
des K. als Aufwandspauschale im Sinne von § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V 100.00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von
5-Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 14. April 2008 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat einschließlich der Kosten des Klägers insgesamt die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 100,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Zentrum für Soziale Psychiatrie H. GmbH (im
Folgenden ZSP H. GmbH) als Aufwandspauschale im Sinne von § 275 Abs. 1c Satz 3 Sozialgesetzbuch -
Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) 100,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozent-Punkten über dem
Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank sei dem 15. April 2008, dem Tag des Eingangs der Klage bei Gericht zu
zahlen, wobei der Kläger die Forderung aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung des Geschäftsführers der ZSP
H. GmbH vom 9. April 2008 für diese in gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht, nachdem der Kläger und die
X. Gesundheitsmanagement GmbH alleinige Gesellschafter der ZSP H. GmbH sind und alleiniger Gesellschafter der
X. Gesundheitsmanagement GmbH wiederum der Kläger, der Kläger also mittelbar und unmittelbar alleiniger
Gesellschafter der ZSP H. GmbH ist.
Geltend gemacht worden war die Forderung seitens der ZSP H. GmbH insoweit gegenüber der Beklagten zuvor
bereits außergerichtlich im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung des K. (K.), eines Versicherten der
Beklagten, im ZSP H., nachdem die ZSP H. GmbH der Beklagten unter dem 1. August 2007 zunächst eine
Zwischenrechnung und schließlich unter dem 14. August 2007 die Endabrechnung über den vorgenannten, den 24.
Juli bis 9. August 2007 umfassenden Krankenhausaufenthalt übersandt, der Medizinische Dienst der
Krankenversicherung in Hessen (MDK) das Krankenhaus unter dem 17. August 2007 unter Hinweis auf § 275 Abs. 1c
SGB V sowie eine entsprechende Beauftragung durch die Beklagte zur Prüfung der Notwendigkeit der stationären
Behandlung einschließlich deren Dauer um Vorlage des Entlassungsberichtes sowie aus Sicht des Krankenhauses für
diese Prüfung relevanter weiterer Unterlagen gebeten hatte, das Krankenhaus dem nachgekommen war und die
Prüfung schließlich das Vorliegen von Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit sowohl dem Grunde als auch der Dauer
nach bestätigt hatte, so dass die Rechnungen des Krankenhauses für die Behandlung letztlich in voller Höhe
übernommen worden waren.
Die vollstationäre Krankenhausaufnahme des K. am 24. Juli 2007 war schließlich wegen Abhängigkeit von multiplen
Substanzen und bekannter Hepatitis C als Notfall erfolgt, wobei dem Krankenhaus seitens der Beklagten unmittelbar
anschließend zunächst eine vorläufige Kostenzusage bis 5. August 2007 erteilt worden war. Am 8. August 2007 war
dann ein Kostenverlängerungsantrag des Krankenhauses vom 6. August 2007 bei der Beklagten eingegangen, mit der
Begründung, dass weiterhin Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Sinne von § 39 Abs. 1 SGB V vorliege, wobei
zur Begründung hierfür auf entsprechende, dem Kostenverlängerungsantrag beigefügte Ausführungen des Dr. med. A.
und der Stationsärztin B. vom 5. August 2007 verwiesen wurde, die als "Medizinische Begründung gemäß 301 SGB
V" überschrieben und vom Krankenhaus im Kostenverlängerungsantrag selbst auch als solche nach § 301 Abs. 1 Nr.
3 SGB V gekennzeichnet waren. Die weitere voraussichtliche Behandlungsdauer war dabei mit 3 Wochen angegeben
worden. Hierauf hatte sich die Beklagte unter dem 9. August 2007 unter Hinweis auf die Aufnahme am 24. Juli 2007
sowie die zu diesem Zeitpunkt vorliegende Kostenübernahmeerklärung bis 5. August 2007 an den MDK gewandt, mit
der Bitte um Prüfung der Frage, ob ein stationärer Aufenthalt aufgrund der angegebenen Diagnosen bis 24. August
2007 medizinisch notwendig sei, was der MDK unter dem 21. September 2007 dann für die Zeit bis zum 9. August
2007, dem Abbruch der Behandlung durch K., bejaht hatte. Dass die Behandlung bereits am 9. August 2007
abgebrochen worden war bzw. anders als vorgesehen im Anschluss an den 5. August 2007 nicht noch weitere 3
Wochen angedauert hatte, war der Beklagten selbst zuvor auch bereits mittels Datenträgeraustausch am 10. August
2007 durch das Krankenhaus mitgeteilt worden, ohne dass die Beklagte den o.a. Auftrag an den MDK nach Aktenlage
selbst jedoch entsprechend geändert bzw. weiter konkretisiert oder gar zurückgenommen hätte.
Am 9. November 2007 stellte die ZSP H. GmbH aus Anlass der MDK-Prüfung der Beklagten als Aufwandspauschale
hierfür sodann 100,00 EUR in Rechnung. Dem trat die Beklagte entgegen. Sie führte hierzu aus, seit dem 1. April
2007 regele § 275 Abs. 1c SGB V zwar, dass in Fällen einer Prüfung durch den MDK, die zu keiner
Rechnungsminderung geführt habe, zusätzlich eine Aufwandspauschale von 100,00 EUR vom Krankenhaus
berechnet werden könne. Für die Erhebung der Aufwandspauschale müssten jedoch mehrer Bedingungen erfüllt sein.
Es müsse eine Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V
eingeleitet worden sein und es müsse zum Zeitpunkt der Einleitung der MDK-Prüfung eine formal ordnungsgemäße
Schlussabrechnung des Krankenhauses vorgelegen haben. Fälle, in denen unabhängig von einer abschließenden
Rechnungslegung eine MDK-Prüfung eingeleitet werde, seien von der Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V nicht
umfasst. Betroffen hiervon sei u.a. die Verweildauer im psychiatrischem Bereich, da diese Prüfungen in der Regel
nicht aufgrund einer Rechnung, sondern aufgrund der beantragen Verlängerung der Verweildauer eingeleitet würden.
Vorliegend habe das Krankenhaus der Beklagten per Datenträgeraustausch eine Gutschrift/Stornierung für die bereits
beglichene Rechnung, sowie eine neue Schlussrechnung mit Zusetzung der Aufwandspauschale auf der Grundlage
des Verlängerungsantrages übersandt. Diese Rechnung sei von der Beklagten auch beglichen worden. Intension des
Gesetzgebers bei Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V sei es gewesen, eine zeitnahe Prüfung zu gewährleisten, um
der zunehmenden Flut von Einzelfallprüfungen durch die Krankenkassen entgegenzuwirken und so den erhöhten
Verwaltungsaufwand in den Krankenhäusern in Grenzen zu halten. Mit § 275 Abs. 1c SGB V werde die Pflicht zur
zeitnahen Durchführung der Prüfung begründet, wobei diese Prüfung spätestens 6 Wochen nach Eingang der
Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen sei.
Anknüpfungspunkt für die Zahlung der Aufwandspauschale sei bei alledem zunächst die Einleitung der Prüfung
innerhalb der 6-Wochen-Frist, wobei die Frist mit dem Eingang der Rechnungsdatensätze bei der Krankenkasse in
Gang gesetzt werde. Das bedeute, entscheidend für die Begründung der Zahlungspflicht der Aufwandspauschale sei,
dass eine 6 Wochen nach Eingang des Rechnungsdatensatzes bei der Krankenkasse eingeleitete und dem
Krankenhaus durch den MDK angezeigte Prüfung aus Sicht der Krankenkasse erfolglos gewesen sei.
Anknüpfungspunkt sei also der Eingang des Rechnungsdatensatzes, auf den Beginn der Krankenhausbehandlung
werde nicht abgestellt. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale für Prüfungen, die noch
während der Krankenhausbehandlung, z. B. wegen der Klärung der weiteren Kostenübernahme, vor Eingang des
Rechnungsdatensatzes bei der Krankenkasse eingeleitet worden seien und mit der dann eine Kürzung des
Rechnungsbetrages nicht einhergehe. Betroffen seien hier eine Vielzahl von MDK-Prüfungen bei Langliegern im
psychiatrischem Bereich, da diese Prüfungen in der Regel nicht aufgrund einer Rechnung, sonder aufgrund der langen
Verweildauer eingeleitet würden. Dabei handele es sich in der Regel um eine sozialmedizinische Fallberatung.
Sozialmedizinische Fallberatungen fielen nach dortiger Auffassung jedoch nicht unter die 100-EUR-Regelung, da sie
keine Prüfungen im Sinne des § 275 Abs. 1 S. 1 SGB V darstellten. Sie genügten nicht den Anforderungen an die
Begründetheit einer Begutachtung nach § 275 Abs. 1 SGB V, sondern besäßen nur vorbereitenden Charakter. Durch
die sozialmedizinische Fallberatung lasse sich eine Rechnungskürzung nicht rechtfertigen. Daher könne für eine aus
Sicht der Krankenkassen erfolglose sozialmedizinische Fallberatung auch nicht die Verpflichtung zur Zahlung der
Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR entstehen, da diese Aufwandspauschale nur für Prüfungen nach § 275
Abs. 1 SGB V angewendet werden könne. Vorliegend sei mit Eingang 8. August 2007 die weitere
Krankenhausbehandlung über das Ende der prognostizierten Verweildauer am 5. August 2007 für voraussichtlich 3
Wochen beantragt worden. Daraufhin habe die Beklagte am 9. August 2007 dem MDK einen Auftrag zur Beurteilung
einer stationären Krankenhausbehandlung erteilt, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine formal ordnungsgemäße
Schlussabrechnung vorgelegen habe. Es sei also gerade nicht um die Prüfung einer Abrechnung, sondern um die
Beurteilung der weiteren Voraussetzungen des § 39 SGB V, also eine sogenannte sozialmedizinische Fallberatung
gegangen. Der Erfolg einer solchen Beratung bestehe darin, dass die weitere Behandlungsdauer unter Beachtung des
jeweiligen MDK-Gutachtens verkürzt, d.h., der Versicherte schneller entlassen werde als ohne MDK-Gutachten. Folge
jeder anderen Auslegung wäre z. B., dass bei sogenannten Langliegern in der Psychiatrie nahezu sämtliche MDK-
Prüfungen mit 100,00 EUR belegt würden, was insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Krankenkassen
verpflichtet seien, Behandlungsfälle zu prüfen, weder sachgerecht sei, noch dem Ziel des § 275 Abs. 1c SGB V
entspreche. Letztlich sei die Einleitung der Prüfung im vorliegenden Fall auch insgesamt unabhängig von einer
abschließenden Rechnungslegung erfolgt und werde danach von der Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V nicht
umfasst.
Die ZSP H. GmbH hat im Weiteren an der Begleichung der Rechnung festgehalten. Mit dem neu eingeführten § 275
Abs. 1c SGB V habe der Gesetzgeber geregelt, dass MDK-Prüfungen zeitnah zu erfolgen hätten. Der Gesetzgeber
sei den diesbezüglichen Feststellungen des Bundessozialgerichts (BSG) gefolgt, das mehrfach das Erfordernis der
zeitnahen Durchführung von MDK-Prüfungen unterstrichen habe. Ebenfalls neu sei die Regelung, dass die
Krankenkassen verpflichtet seien, den Krankenhäusern eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR zu zahlen,
sofern die Prüfung des MDK nicht zu einer Änderung des Rechnungsbetrages führe. Die Verpflichtung zur Zahlung der
Aufwandspauschale entstehe grundsätzlich unabhängig davon, ob die der Prüfung zugrunde liegende
Krankenhausrechnung bereits beglichen sei oder nicht. Im Übrigen habe der MDK bei der Anforderung der o.a.
Unterlagen selbst nicht nur auf § 275 Abs. 1c SGB V verwiesen, sondern gleichzeitig auch auf § 275 Abs. 1 SGB V
i.V.m. § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V.
Nachdem die Beklagte auch im Weiteren an ihrer ablehnenden Haltung festgehalten hat, hat der Kläger schließlich am
15. April 2008 unter Hinweis auf die o.a. Ermächtigung in gewillkürter Prozessstandschaft Klage vor dem
Sozialgericht in Kassel erhoben, mit der er den von der ZSP H. GmbH gegenüber der Beklagten geltend gemachten
Anspruch auf Zahlung der o.a. 100,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz
der Europäischen Zentralbank sei dem 15. April 2008 für die ZSP H. GmbH weiterverfolgt.
Der Kläger führt aus, es habe sich vorliegend um eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V und um eine
Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gehandelt. Demgemäß habe der MDK unter dem 17. August
2007 die o.a. Unterlagen auch selbst unter Hinweis auf § 275 Abs. 1c SGB V und eine entsprechende Beauftragung
durch die Beklagte angefordert, so dass die Voraussetzungen des § 275 Abs. 1c Satz 1 und 2 SGB V infolgedessen
hier erfüllt seien. Eine "formal ordnungsgemäße Schlussabrechnung des Krankenhauses zum Zeitpunkt der Einleitung
der MDK-Prüfung", wie von der Beklagten gefordert, sei nach dem eindeutigen Wortlaut der vorgenannten Vorschrift
nicht erforderlich, wobei diese Auffassung auch vom Bundesministerium für Gesundheit in einem Schreiben vom 14.
November 2007 vertreten werde. Dort werde ausgeführt, dass § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V nach seinem eindeutigen
Wortlaut die Verpflichtung der Krankenkasse, an das Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR
zu entrichten, allein an die Voraussetzungen knüpfe, dass "die Prüfung nicht zu einer Minderung des
Abrechnungsbetrages führe". Aus dem Regelungskontext dieser Vorschrift mit den Absätzen 1c Satz 1 und 2 sowie
Abs. 1 Nr. 1 des § 275 SGB V ergebe sich ebenso eindeutig, dass Gegenstand der Prüfung durch den Medizinischen
Dienst die ordnungsgemäße Abrechnung von Krankenhausbehandlung sei. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch
dessen Entstehungsgeschichte nach sei eine Differenzierung oder Begrenzung des Begriffes der Abrechnung auf
bestimmte Formen der Abrechnung zu entnehmen. Auch der Regelungszweck der Vorschrift, einer ungezielten und
übermäßigen Einleitung von Begutachtungen zur Überprüfung der Abrechnung entgegenzuwirken, gebiete es
grundsätzlich, die Regelungen nicht nur auf Schlussabrechnungen, sondern auch auf Zwischenabrechnungen
anzuwenden. Soweit Zwischenrechnungen eine ordnungsgemäße und zugelassene, bei stationären
Langzeitbehandlungen in psychiatrischen Kliniken unter Umständen sogar unvermeidlich notwendige Form der
Abrechnung von Krankenhausbehandlungen darstellten, könnten daher auch diese, ebenso wie Schlussabrechnungen,
Gegenstand einer Abrechnungsprüfung im Sinne der vorgenannten Vorschrift sein und damit im Falle einer nicht zu
einer Minderung des Abrechnungsbetrages führenden Prüfung die Verpflichtung zur Zahlung der Aufwandspauschale
nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auslösen. Letztlich solle mit der Neuregelung des § 275 Abs. 1c SGB V nach den
Vorstellungen des Gesetzgebers "einer ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen"
entgegengewirkt und ein "Beitrag zu dem angestrebten Bürokratieabbau" geleistet werden. Diesem Zweck
entsprechend habe die Krankenkasse schon dann dem Krankenhaus gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V eine
Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR zu entrichten, wenn die Prüfung nicht zu einer Minderung des
Abrechnungsbetrages führe. Diese Voraussetzung liege hier eindeutig vor, wobei zusätzlich auf den hier in Hessen
geltenden Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
SGB V zu verweisen sei, der nicht nur die ZSP H. GmbH, sondern auch die Beklagte binde, ausweislich dessen
Abrechnungen für die Leistungen eines Krankenhausaufenthaltes sowohl in Form von Zwischen- als auch in Form von
Schlussrechnungen erfolgen könnten.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Zentrum für Soziale Psychiatrie H. GmbH aus Anlass der
stationären Behandlung des K. als Aufwandspauschale im Sinne von § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V 100,00 Euro zzgl.
Zinsen in Höhe von 5-Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15. April 2008
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer ablehnenden Haltung im Wesentlichen unter Wiederholung ihrer o.a. Ausführungen fest.
Fälle, in den unabhängig von einer abschließenden Rechnungslegung eine MDK-Prüfung eingeleitet werde, seien von
der Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V nicht umfasst. Nicht betroffen seien demzufolge Fälle, in denen, noch bevor
der Versicherte zur Krankenhausbehandlung aufgenommen werde, eine MDK-Prüfung vorab die Frage der
Leistungspflicht der Krankenkasse klären solle. Ebenso wären MDK-Prüfungen zu beurteilen, die während eines
Krankenhausaufenthaltes erfolgten, noch bevor das Krankenhaus eine abschließende Rechnung gestellt habe.
Betroffen wäre hier eine Vielzahl von MDK-Prüfungen bei Langliegern im psychiatrischem Bereich, da diese Prüfungen
in der Regel nicht aufgrund einer Rechnung, sondern aufgrund der langen Verweildauer eingeleitet würden. Soweit das
Bundesministerium für Gesundheit hier eine andere Auffassung vertrete, könne dieser Auslegung nicht gefolgt
werden. § 275 Abs. 1c SGB V enthalte zwar tatsächlich keine Konkretisierung des Begriffes "Abrechnung". Aus der
teleologischen Auslegung dieser Regelung ergebe sich nach dortiger Auffassung jedoch eindeutig, dass insbesondere
Zwischenrechnungen bei Langliegern in der Psychiatrie nicht gemeint sein könnten. Sinn und Zweck der Vorschrift
sei, unnötige MDK-Prüfungen zu vermeiden, in denen erfolglose Prüfungen mit der Aufwandspauschale belegt würden.
Bei Langliegern in der Psychiatrie zeige sich der Erfolg der MDK-Prüfung jedoch in der Regel nicht darin, dass
Zwischenrechnungen gekürzt würden. Vielmehr würde die weitere Behandlungsdauer unter Beachtung des jeweiligen
MDK-Gutachtens verkürzt, d.h. der Versicherte werde schneller entlassen als ohne MDK-Gutachten. Folglich würden
bei Langliegern in Psychiatrien sämtliche MDK-Prüfungen mit 100,00 EUR belegt, was insbesondere vor dem
Hintergrund, dass die Krankenkasse verpflichtet seien, die Behandlungsfälle zu prüfen, weder sachgerecht, noch dem
Ziel des § 275 Abs.1c SGB V entspreche. Auch entstehungsgeschichtlich gehe die Beklagte davon aus, dass der
Gesetzgeber mit Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V keinesfalls Zwischenrechnungen habe erfassen wollen. Mit der
Einführung der sechswöchigen Ausschlussfrist für die Prüfung von Krankenhausfällen habe der Gesetzgeber explizit
die Rechtsprechung des BSG zur zeitnahen Prüfung umsetzen wollen. Das BSG habe dies im Wesentlichen mit der
notwendigen frischen Erinnerung des behandelnden Krankenhausarztes begründet. Eine Überprüfung könne daher
nicht noch lange Zeit nach Abschluss des jeweiligen Behandlungsfalles nachgeholt werden. Die Einleitung eines
Überprüfungsverfahrens sei daher spätestens dann notwendig, wenn die Krankenkasse nach Vorlage der Rechnung
und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit habe. Aus diesem Kontext
werde eindeutig klar, dass das BSG ausschließlich die Schlussrechnung im Blick gehabt habe. Es wäre auch wenig
überzeugend gewesen, hier bereits auf etwaige Zwischenrechnungen abzustellen, da die frische Erinnerung eines
Arztes während eines laufenden Behandlungsfalles kaum Gefahr laufe, zu verblassen. Wenn der Gesetzgeber mit
dem erklärten Ziel der Umsetzung dieser Rechtsprechung nunmehr spätestens sechs Wochen nach Eingang der
Abrechnung die Einleitung und Anzeige der zeitnahen Prüfung verlange und an deren Erfolglosigkeit eine
Aufwandspauschale knüpfe, so könne entstehungsgeschichtlich nicht davon ausgegangen werden, dass damit auch
Zwischenrechnungen erfasst werden sollten. Unter eine "Abrechnung" verstehe man eine abschließende Abrechnung.
Der Sachverhalt, der abzurechnen sei, solle danach für alle Beteiligten in vollem Umfang erledigt sein. Die
Zwischenrechnung sei eine vorläufige "Hoch"-Rechnung. Die 6-Wochen-Frist beginne schließlich am Tag nach
Eingang der Schlussrechnung. Sofern eine Nachtragsrechnung oder eine Gutschrift/Stornorechnung mit
anschließender Neuberechnung erfolge, beginne die 6-Wochen-Frist erneut. Vorliegend habe schließlich primär der
weitere Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 39 SGB V im Vorfeld durch den MDK geprüft werden sollen. Nach
der Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 25. September 2007, GS 1/06 entscheide die Frage, ob dem
Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zustehe und darin
eingeschlossen die Frage, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig sei, nicht das
Krankenhaus, sondern die Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richte. Die Krankenkassen seien in diesen
Fällen verpflichtet, eine gutachterliche Stellungnahme durch den MDK insbesondere zur Prüfung von
Voraussetzungen einzuholen. Es handele sich nicht um die Prüfung einer Abrechnung, sondern um eine sogenannte
sozialmedizinische Fallberatung. Um nichts anderes sei es vorliegend gegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte insgesamt; ebenso wird Bezug genommen auf die beigezogene, im ZSP
H. geführte Krankengeschichte des K., seine dortige Patientenverwaltungsakte und den beigezogenen
Verwaltungsvorgang der Beklagten, deren jeweils wesentlicher, den vorliegenden Rechtsstreit betreffende Inhalt
gleichfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Beklagte ist aus dem Vorbringen des Klägers heraus verpflichtet, der Zentrum für Soziale Psychiatrie H. GmbH
aus Anlass der vollstationären Behandlung des K. im ZSP H. in der Zeit vom 24. Juli 2007 bis 9. August 2007 als
Aufwandspauschale im Sinne von § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V 100,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5-
Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15. April 2008 zu zahlen.
Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art,
Schwere, Dauer und Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei
Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei
Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachterliche Stellungnahme des MDK
einzuholen, wobei mit dieser Verpflichtung der Krankenkassen nach der Rechtsprechung des BSG die Befugnis
einhergeht, unmittelbar einen Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen an den MDK geltend zu machen. (vgl. hierzu
u.a. BSG, Urteil vom 28. Februar 2007, B 3 KR 12/06 R). Gleiches folgt aus § 276 SGB V, so dass, sobald die
Krankenkassen eine Stellungnahme oder Prüfung durch den MDK veranlasst haben, die Leistungserbringer
verpflichtet sind, Sozialdaten auf Anforderungen des MDK unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die
gutachtliche Stellungnahme und die Prüfung erforderlich ist (vgl. BSG wie vor).
Mit Vorstehendem korrespondiert wiederum § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V (in der seit 1. April 2007 geltenden
Fassung), wonach eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V
zeitnah durchzuführen ist. Was unter "zeitnah" im vorgenannten Sinne zu verstehen ist, definiert sodann § 275 Abs.
1c Satz 2 SGB V, wonach die Prüfung nach Satz 1 spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der
Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst im Krankenhaus anzuzeigen ist. Eine andere
Bedeutung als dieser Begriffdefinition kommt § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V zumindest im hier relevanten
Zusammenhang nicht zu, ohne dass vorliegend entschieden werden müsste, welche rechtlichen Folgen ein
Verstreichenlassen dieser Frist durch die Krankenkasse mit sich bringen würde, also insbesondere, ob die
Krankenkasse dann in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Vergütung auf der Grundlage tagesgleicher
Pflegesätze erfolgt, mit sämtlichen Einwendungen hinsichtlich des Vorliegens von
Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit ausgeschlossen wäre. Nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V hat die
Krankenkasse dem Krankenhaus schließlich eine Aufwandspauschale von 100,00 EUR zu entrichten, falls die
vorgenannte Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Da Satz 2 selbst Prüfungen nach §
275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V noch vor Erteilung einer Abrechnung nicht ausschließt, Abrechnungsprüfungen in Fällen der
vorliegenden Art sodann aber auch immer Verweildauerprüfungen beinhalten, also einer Prüfung dahingehend, ob die
Krankenhausbehandlung selbst im Sinne von § 39 SGB V, gegebenenfalls auch in welchem Umfang, notwendig war
bzw. ist, folgt hieraus für Satz 3 zwangsläufig, dass dann auch jede Verweildauerprüfung unter Einschaltung des
Krankenhauses, die diese Notwendigkeit vollauf bestätigt und im Ergebnis - entweder unmittelbar oder auch nach
späterer Rechnungslegung - zum vollständigen Ausgleich der hieraus resultierenden Vergütungsforderung des
Krankenhauses führt, die Verpflichtung zur Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR mit sich bringt,
also unabhängig davon, ob im Zeitpunkt der Prüfung bereits eine Abrechnung vorlag oder nicht.
Jede andere Auslegung würde nach Auffassung der Kammer den mit der Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V
verfolgten gesetzgeberischen Zielen widersprechen und die Vorschrift letztlich ins Leere laufen lassen, da sie
eingeführt wurde, mit dem Ziel des Bürokratieabbaus für die Zukunft, wobei ein Anreiz geschaffen werden sollte, um
Einzelfallprüfungen zukünftig zielorientierter und zügiger einzusetzen, also Krankenhäuser gerade nicht mit der
Prüfung eines jeden einzelnen Behandlungsfalles zu konfrontieren, sondern sie über den MDK hiermit eben nur noch
in Einzelfällen zu belasten. Die Beklagte hat sich vorliegend dann bei der Beauftragung des MDK dann aber auch und
gerade nicht allein auf eine Prüfung im Sinne einer reinen Plausibilitätskontrolle der o.a. "Medizinische Begründung
gemäß 301 SGB V" ohne Einschaltung des Krankenhauses beschränkt.
Aus alledem folgt also zwangsläufig, dass entgegen der Beklagten somit auch jede Verweildauerprüfung durch den
MDK unter Einschaltung des Krankenhauses den Regelungen des § 275 Abs. 1c SGB V unterfällt.
Der Klage war nach alldem stattzugeben, wobei der ausgeurteilten Zinsanspruch sich aus den §§ 291, 288
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt.
Die Kostenentscheidung folgt den §§ 197a, 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO), nachdem § 193 Abs. 1 und 4 SGG gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz SGG hier keine Anwendung
finden, da weder der Kläger noch die Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten, privilegierten Personenkreis gehören.
Dabei ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für diesen ergebenden Bedeutung der
Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung der Sache entspricht in der Regel dem wirtschaftlichen
Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen, also hier dem festgesetzten Betrag von 100,00
EUR.
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt einer nach Auffassung der Kammer vorliegenden
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Rechtsmittelbelehrung I), wobei gegen die Streitwertfestsetzung nach §
25 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) selbst wiederum die Beschwerde stattfindet (Rechtsmittelbelehrung II).