Urteil des SozG Kassel vom 11.04.2007

SozG Kassel: stadt, schutzwürdiges interesse, öffentliches recht, meldung, arbeitslosigkeit, öffentliche urkunde, arbeitssuche, vorbereitende handlung, verwaltungsakt, berufliche eingliederung

Sozialgericht Kassel
Urteil vom 11.04.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 7 AL 1966/04
Berichtigungsbeschluss siehe unten
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Pflicht der Beklagten, Zeiten der Arbeitslosigkeit des Klägers im Zeitraum vom
01.10.1993 bis 30.09.1995 und vom 01.11.1995 bis zum 13.05.1996 an den Rentenversicherungsträger des Klägers
zu melden.
Der 1951 in der Ukraine geborene Kläger war dort zuletzt von August 1991 bis August 1992 als Arzt im Krankenhaus
beschäftigt. Am 24.08.1992 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Der Kläger ist nach einer
Bescheinigung des Amts für Öffentliche Ordnung A-Stadt vom 26.08.1992 (Ausländerbehördliche Bescheinigung) mit
dem Status als ausländischer Flüchtling im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen
humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.07.1980 (BGBl. I S. 1057) anerkannt. In der Zeit vom
19.10.1992 bis zum 18.06.1993 besuchte der Kläger einen mit Unterhaltsgeld durch die Beklagte geförderten Deutsch-
Sprachlehrgang. In der Zeit vom 01.10.1993 bis zum 30.09.1995 und in der Zeit vom 01.11.1995 bis zum 13.05.1996
war der Kläger als Gastarzt im Rahmen eines Anpassungspraktikums ohne Entgelt unter Bezug von Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zunächst im Städtischen Klinikum A-Stadt (Zeitraum
vom 01.10.1993 bis zum 30.09.1995) und sodann im Marienkrankenhaus A-Stadt (Zeitraum vom 01.11.1995 bis zum
13.05.1996) tätig. Zuvor war dem Kläger jeweils mit Bescheiden des Regierungspräsidiums GD. vom 04.09.1993
(Zeitraum 01.10.1993 bis 30.09.1994), vom 12.10.1994 (Zeitraum 01.10.1994 bis 30.09.1995) und vom 24.10.1995
(Zeitraum vom 01.11.1995 bis zum 31.10.1996) auf Grund des § 10 der Bundesärzteordnung (BÄO) die widerrufliche
Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes im Land Hessen erteilt worden; die Erlaubnis
berechtigte jeweils nur zu der Tätigkeit als Gastarzt im Rahmen der Anpassungspraktika in den Städtischen Kliniken
A-Stadt (Zeitraum 01.10.1993 bis 30.09.1995) und im Marienkrankenhaus A-Stadt (Zeitraum 01.11.1995 bis
31.10.1996). Nach den Schreiben der Städtischen Kliniken A-Stadt vom 20.09.1993 und vom 02.09.1994 war der
Kläger in der Zeit vom 01.10.1993 bis 30.09.1995 als Gastarzt im Rahmen eines Anpassungspraktikums für die
Städtischen Kliniken A-Stadt GmbH zugelassen. Die Zulassung erfolgt jeweils insgesamt für 12 Monate, jedoch
längstens für die Zeit, für die das Sozialamt der Stadt A-Stadt dem Kläger und seiner Familie Sozialhilfe gewährte. In
Ausübung seiner Gastarzttätigkeiten schloss der Kläger zunächst mit den Städtischen Kliniken A-Stadt
Vereinbarungen vom 21.09.1993 bzw. vom 02.09.1994 und schließlich mit dem Marienkrankenhaus A-Stadt einen
Praktikumsvertrag vom 28.09.1995. Nach § 4 der Vereinbarungen mit dem Klinikum A-Stadt erhielt der Kläger für die
Dauer des Anpassungspraktikums für sich und seine Familie Sozialhilfe nach den Bestimmungen des
Bundessozialhilfegesetzes. Eine Vergütung oder anderweitige finanzielle Entschädigung für die Praktikumsleistung
wurde nicht gewährt. Auch bestand für die Kliniken keinerlei Verpflichtung zur späteren Übernahme in ein reguläres
Dienst- oder Arbeitsverhältnis. Nach § 8 der Vereinbarungen bestand die Möglichkeit, jederzeit ohne Angabe von
Gründen und Einhaltung einer Frist von der Praktikumsvereinbarung zurückzutreten. Nach § 3 des
Praktikumsvertrages mit dem Marienkrankenhaus A-Stadt vom 28.09.1995 wurde auch das dortige Praktikum durch
den Kläger unentgeltlich ausgeübt. Aus dem Praktikumsvertrag erwuchs dem Marienkrankenhaus keine Pflicht zur
Übernahme des Klägers in ein festes Arbeitsverhältnis nach Beendigung des Praktikums. Nach § 1 des
Praktikumsvertrages mit dem Marienkrankenhaus A-Stadt endete das Praktikum am 31.10.1996. Vor diesem
Zeitpunkt konnte es beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Tatsächlich übte
der Kläger das Praktikum im Marienkrankenhaus A-Stadt lediglich vom 01.11.1995 bis zum 13.05.1996 aus.
Schreiben der Städtischen Kliniken A-Stadt vom 20.09.1993 und vom 02.09.1994, die Praktikumsvereinbarungen
zwischen dem Kläger und den Städtischen Kliniken A-Stadt vom 21.09.1993 und vom 02.09.1994 der
Praktikumsvertrag des Klägers mit dem Marienkrankenhaus A-Stadt vom 28.09.1995 liegen in der Akte der Beklagten
ebenso vor wie die Bescheide des Regierungspräsidiums GD. vom 04.09.1993, 12.10.1994 und 24.10.1995 (Erteilung
der widerruflichen Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes im Landes Hessen).
Am 29.04.1999 meldete sich der Kläger bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von
Arbeitslosengeld. Zuvor war er nach den vorgelegten Arbeitsbescheinigungen seiner Arbeitgeber vom 15.08.1996 bis
zum 31.12.1996 als Assistenzarzt im Städtischen Krankenhaus W-Stadt, vom 14.07.1997 bis zum 31.07.1998 als
Assistenzarzt im Kreiskrankenhaus L-Stadt und vom 01.08.1998 bis zum 30.04.1999 bei den Städtischen Kliniken A-
Stadt als Assistenzarzt beschäftigt gewesen. In der Zeit vom 01.01.1997 bis zum 13.10.1997 bezog der Kläger nach
seinen Angaben im Antrag Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Die Beklagte bewilligte dem Kläger
daraufhin antragsgemäß ab dem 01.05.1999 Arbeitslosengeld. Ab dem 23.08.1999 nahm der Kläger ein neues
versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis in der M.-Klinik in L. auf. Er meldete sich bei der Beklagten am
02.09.1999 aus dem Leistungsbezug ab. Die Beklagte hob daraufhin die Arbeitslosengeldbewilligung ab dem
23.08.1999 auf.
Mit Schreiben vom 23.02.2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sein Rentenversicherungsträger (die
Deutsche Rentenversicherung Bund – DRV Bund -, damals noch: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – BfA -)
die Zeiten seiner Krankenhauspraktika nicht als Zeiten der Arbeitslosigkeit anerkannt habe. In dieser Zeit sei er
jedoch arbeitslos bzw. arbeitssuchend gewesen, da er die entsprechenden Praktika in den Krankenhäusern ohne
Entgelt und unter weiterem Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG ausgeübt habe und die
Praktikumsverträge jederzeit kündbar gewesen seien. Mit Schreiben vom 20.07.2004 teilte die Beklagte dem Kläger
mit, dass er während der unentgeltlich ausgeübten Praktika in den Kliniken A-Stadt und dem Marienkrankenhaus A-
Stadt weder arbeitslos noch arbeitssuchend gewesen sei. Er habe für diesen Zeitraum der Arbeitsvermittlung
entgegen seiner Auffassung nicht zur Verfügung gestanden. Infolgedessen sei der Kläger bei der Beklagten nicht als
Arbeitssuchender geführt worden. Dem Wunsch des Klägers nach Bestätigung dieser Zeiten als Arbeitsloser bzw.
Arbeitssuchender sei daher nicht entsprochen werden. Mit Schreiben vom 27.08.2004 erhob der Kläger hiergegen
Widerspruch. Er könne die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nicht
bestanden habe, nicht teilen. Vielmehr habe seine unentgeltliche Beschäftigung die Arbeitslosigkeit im fraglichen
Zeitraum nicht ausgeschlossen. Im Übrigen sei seine Tätigkeit im Rahmen der Praktika nach § 118 a
Sozialgesetzbuch (SGB) III als ehrenamtliche Tätigkeit zu werten, die Arbeitslosigkeit nicht ausschließe. Darüber
hinaus habe seine Betätigung im Rahmen der Praktika seine berufliche Eingliederung nicht behindert. Er habe
während der Praktika umfangreiche Eigenbemühungen zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit durchgeführt.
Ferner hätten die Praktikumsverträge ein fristloses Kündigungsrecht ohne zeitliche Auslauffrist vorgesehen, so dass
er den Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung jederzeit und unverzüglich hätte Folge leisten
können. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2004 verwarf die Beklagte den Widerspruch des Klägers als
unzulässig. Die Meldung von Zeiten der Arbeitssuche an den Rentenversicherungsträger durch die Beklagte stelle
lediglich eine vorbereitende Handlung der Agentur für Arbeit gegenüber dem Rentenversicherungsträger dar. Die
Entscheidung, ob und welche Zeiten rentenrechtliche Beachtung fänden, treffe alleine der Rentenversicherungsträger.
Das Schreiben der Beklagten vom 20.07.2004, mit welchem die Meldung von Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. der
Arbeitssuche abgelehnt worden sei, stelle daher keinen Verwaltungsakt, sondern lediglich ein informatives Schreiben
dar. Der Widerspruch gegen das Schreiben sei daher nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 27.09.2004 Klage zum Sozialgericht Kassel.
Der Kläger ist der Auffassung, das seine Tätigkeit während der unentgeltlichen Praktika in den Kliniken A-Stadt vom
01.10.1993 – 30.09.1995 sowie im Marienkrankenhaus A-Stadt vom 01.11.1995 – 13.05.1996 (tatsächlicher Zeitpunkt
der Beendigung des Praktikums) einer Anerkennung dieser Zeiten als Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. der
Arbeitssuche nicht entgegenstünde. Er habe der Arbeitsvermittlung in diesem Zeitraum zur Verfügung gestanden, da
er die Tätigkeit in den Krankenhäusern jederzeit habe beenden können. Darüber hinaus habe diese Tätigkeit
ehrenamtlichen Charakter im Sinne von § 118 a SGB III. Zudem habe er umfangreiche Eigenbemühungen in der Zeit
der Praktika getätigt, um eine Arbeitsstelle zu finden. Gegen den Rentenversicherungsträger habe er sich nicht
gewandt, da er von dort die Auskunft erhalten habe, sich wegen der Anerkennung der Zeiten direkt an die Beklagte
wenden zu müssen.
Der Kläger beantragt, den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.09.20904 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, dem Rentenversicherungsträger des Klägers (Deutsche Rentenversicherung Bund) die Zeit vom
01.10.1993 bis zum 20.09.1995 und vom 01.11.1995 bis zum 13.05.1996 als Zeiten der Arbeitslosigkeit des Klägers
zu melden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält den Widerspruch des Klägers gegen ihr Schreiben vom 20.07.2004 für unzulässig, da dieses Schreiben
keinen Verwaltungsakt darstelle. Im Übrigen sei die Klage nicht begründet, da der Kläger sich mit seinem Begehren
direkt an seinen Rentenversicherungsträger, die DRV Bund, wenden müsse. Schließlich sei der Kläger auch
tatsächlich nicht arbeitslos gewesen, da er in der Zeit der Praktikumsleistung nicht verfügbar gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der
Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Die allein gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.09.2004 gerichtete Anfechtungsklage des
Klägers ist gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da der Kläger mit seiner Klage
behauptet, durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten in seinen Rechten verletzt zu sein. Sie ist auch im
Übrigen zulässig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Denn die Beklagte hat mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 02.09.2004 zu
Recht entschieden, dass der Widerspruch des Klägers gegen ihr Schreiben vom 20.07.2004 unzulässig gewesen ist,
da dieses Schreiben keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X darstellt. Gemäß § 31 SGB X ist ein
Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung
eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen
gerichtet ist (Satz 1). Das Schreiben der Beklagten vom 20.07.2004, mit dem die Beklagte eine Meldung für Zeiten
der Arbeitslosigkeit bzw. der Arbeitssuche an den Rentenversicherungsträger des Klägers abgelehnt hat, stellt jedoch
keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X dar. Vielmehr handelt es sich um schlichtes Verwaltungshandeln. Die
Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 20.07.2004 den Kläger alleine darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie eine
Meldung der betroffenen Zeiten an den Rentenversicherungsträger des Klägers nicht erstatten werde. Sie hat damit
weder auf dem Gebiet des Arbeitsförderungsrechts noch auf demjenigen der gesetzlichen Rentenversicherung durch
Begründung, Veränderung oder Aufhebung eines subjektiven Rechts oder einer Pflicht eine Rechtsfolge gesetzt,
sondern vielmehr ohne erkennbaren Rechtsfolgewillen eine reine Wissenserklärung abgegeben.
Zudem fehlt es der Beklagten an der erforderlichen Rechtsgrundlage für die verbindliche Festlegung von Rechtsfolgen
im Einzelfall auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25.03.2004,
Az. B 12 Al 5/03 R). Es besteht keine Norm, wonach der Kläger von der Beklagten die Meldungen von Beitragszeiten
an den Träger der Rentenversicherung verlangen, oder die Beklagte diese ihm gegenüber versagen könnte. Eine
solche Pflicht der Beklagten ergibt sich gegenüber dem Kläger nicht aus § 193 SGB VI, wonach Anrechnungszeiten
sowie Zeiten, die für die Anerkennung von Anrechnungszeiten erheblich sein können, für Versicherte durch die
zuständige Krankenkasse oder durch die Bundesanstalt für Arbeit an den Rentenversicherungsträger zu melden sind.
Nach dieser Vorschrift besteht zwar eine Meldepflicht der Beklagten, diese ist jedoch nur gegenüber dem
Rentenversicherungsträger gegeben und führt gegenüber dem Kläger lediglich zu einer Informationspflicht in
entsprechender Anwendung des § 28 a SGB IV (BSG vom 25.03.2004, Az. B 12 AL 5/03 R; Landessozialgericht
Niedersachsen – Bremen, Urteil vom 23.11.2006, Az. L 12 AL 41/05). Denn die Beklagte selbst hat keine rechtlich
maßgebliche Entscheidung zum Vorliegen von Anrechnungszeiten (§ 58 SGB VI) zu treffen, sondern rein faktisch in
Fällen, in denen eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vorliegt, eine Meldung an den Träger der
Rentenversicherung vorzunehmen.
Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 20.07.2004 auch keinen Verwaltungsakt in nur rein formellen Sinne
gesetzt, da es an den Kriterien eines formellen Verwaltungsaktes mangelt, insbesondere eine Rechtsbehelfsbelehrung
nicht beigefügt worden ist. Vielmehr hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 20.07.2004 äußerlich erkennbar
lediglich eine schlichte Mitteilung an den Kläger verfasst.
Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG ist vor Erhebung der Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit
eines Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Da im vorliegenden Falle ein Verwaltungsakt in dem
Schreiben der Beklagten vom 20.07.2004 nicht zu sehen ist, ist der Widerspruch gegen dieses Schreiben mangels
Verwaltungsaktqualität nicht gegeben, so dass ein Vorverfahren gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG entfällt. Der vom
Kläger erhobene Widerspruch vom 27.08.2004 ist von der Beklagten daher zu Recht mit Widerspruchsbescheid vom
02.09.2004 als unzulässig verworfen worden.
II. Die weitere Auslegung des Klagebegehrens des Klägers ergibt, das der Kläger von der Beklagten die Meldung von
Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. der Arbeitssuche an den Rentenversicherungsträger (DRV Bund) für die im
Klageantrag benannten Zeiten begehrt. Insoweit stellt sich das Klagebegehren des Klägers als allgemeine
Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG – zumindest in einer analogen Anwendung der Vorschrift – dar. Gemäß § 54
Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann
begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die vom Kläger im Rahmen dieser Vorschrift
begehrte Leistung der Beklagten ist die von ihm erwünschte Meldung an den Rentenversicherungsträger über die
Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitssuche im Rahmen der Anerkennung als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Hiernach sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer
deutschen Arbeitsagentur (früher: Arbeitsamt) als Arbeitssuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche
Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Da
es sich bei der Meldung an den Rentenversicherungsträger – wie bereits ausgeführt – nicht um einen Verwaltungsakt
im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X handelt, kommt eine Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht in
Betracht. Die allgemeine Leistungsklage des § 54 Abs. 5 SGG ist somit nicht bereits deswegen unzulässig, weil sie
gegenüber einer vorrangigen Verpflichtungsklage subsidiär wäre.
Für die vom Kläger nach dieser Auslegung seines Klagebegehrens erhobene allgemeine Leistungsklage besteht auch
ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis. Voraussetzung der Zulässigkeit jeder Klage ist grundsätzlich, dass der
Kläger ein schutzwürdiges Interesse (Rechtsschutzinteresse) an der begehrten Entscheidung des Gerichts hat und
das Gericht nicht für unnütze Zwecke in Anspruch nimmt, wobei hier kein strenger Maßstab anzulegen ist. Das
Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei nennenswerte Vorteile bringen
kann, oder wenn der Kläger das mit der Klage verfolgte Ziel auf andere, einfachere Weise erreichen kann. Für das
vom Kläger verfolgte Klageziel der Meldung der betroffenen Zeiten lässt sich ein Rechtsschutzbedürfnis allerdings
nicht schon deshalb verneinen, weil die vom Kläger begehrte Meldung der Beklagten für den
Rentenversicherungsträger nicht bindend wäre. Denn in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der
begehrten Meldung der Beklagten Beweiskraft im Rahmen der Bestimmungen des § 418 Zivilprozessordnung (ZPO)
zukommen könnte, denn es ist nicht auszuschließen, dass ein Versicherungsträger, ohne rechtlich gebunden zu sein,
von weiteren (eigenen) Ermittlungen absieht, wenn ihm eine öffentliche Urkunde eines anderen Versicherungsträgers
vorgelegt wird, in der mit entsprechender Beweiskraft Aussagen über bestimmte tatsächliche Umstände – wie hier
über mögliche Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitssuche – enthalten sind. Von daher kann ein nach Lage des
Falles anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse an der beantragten Leistung gegeben sein. Ein solches
schutzwürdiges Interesse ist jedoch dann nicht zu bejahen, wenn der Kläger bereits ein weiteres Gerichtsverfahren
gegen den Rentenversicherungsträger betreibt, in dem das eigentliche Rechtsschutzziel, nämlich die Anerkennung,
Rückziehung bzw. Vormerkung der Zeiten als Anrechnungszeiten verfolgt wird. In diesem Falle ist ein
Rechtsschutzinteresse für ein klageweises Vorgehen gegen die Beklagte zu verneinen, weil der Weg über den
Rechtsstreit gegenüber dem Rentenversicherungsträger schneller und weniger aufwendig ist (BSG, Urteil vom
09.02.1994, Az. 11 Rar 49/93, juris RdNrn. 21 ff.; Schleswigholsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom
27.05.2005, Az. L 3 AL 90/04, juris, RdNr. 29). Da der Kläger im vorliegenden Falle gegenüber den für ihn zuständigen
Rentenversicherungsträger, der DRV Bund, keine eigene Klage im Sinne des hier vorliegenden Klagezieles gerichtet
hat, fehlt der vorliegenden Klage nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Da die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage daher zulässig.
Aber auch die allgemeine Leistungsklage des Klägers im Sinne von 54 Abs. 5 SGG ist im vorliegenden Falle nicht
begründet. Denn der Kläger kann aus § 193 SGB VI i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI kein subjektives
öffentliches Recht gegenüber der Beklagten auf Meldung der begehrten Zeiten an den Rentenversicherungsträger
herleiten. Vielmehr handelt es sich bei der Regelung des § 193 SGB VI um eine rein interne Regelung zwischen den
Sozialleistungsträgern in Form einer gestuften Verwaltungsentscheidung. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des
Klägers gegen die Beklagte auf Meldung von Anrechnungszeiten an den Rentenversicherungsträger lässt sich hieraus
nicht herleiten. Das Bundessozialgericht hat im Rahmen der Meldepflicht für Personen, für die Beiträge aus
Sozialleistungen zu zahlen sind (§ 191 Nr. 2 SGB VI) entschieden, dass die Bundesagentur für Arbeit – die Beklagte
– die Meldung über die Sozialversicherungsbeiträge als Leistungsträger zwar unmittelbar dem zuständigen
Rentenversicherungsträger zu erstatten hat und hieraus ein subjektives öffentliches Recht auf schriftliche Mitteilung
des dem Rentenversicherungsträger Gemeldeten für den Betroffenen bestünde. Ein solches subjektives öffentliches
Recht bestünde jedoch nicht für die Abgabe der Meldung selbst. Alleine den Rentenversicherungsträger als Gläubiger
der in Frage stehenden Forderung treffe die Pflicht, die rechtzeitige und vollständige Zahlung unmittelbar an ihn zu
entrichtender Pflichtbeiträge zu überwachen; der Rentenversicherungsträger sei allein zum Erlass der entsprechenden
Verwaltungsakte ermächtigt. Habe daher der Leistungsbezieher Zweifel an der Richtigkeit an der Meldung der
Bundesagentur, bleibt ihm nur, sich an den sachlich zuständigen und daher im Prozess allein passiv legitimierten
Rentenversicherungsträger zu wenden (BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az. B 12 AL 5/03 R, juris, RdNr. 21; ebenso
Landessozialgericht Niedersachsen – Bremen, Urteil vom 23.11.2006, Az. L 12 AL 41/05, juris, RdNr. 28).
Nichts anderes kann im vorliegenden Falle für die – vergleichbaren – Meldungen der Bundesagentur für Arbeit für
sonstige rechtserhebliche Zeiten im Sinne des § 193 SGB VI gelten. Denn im vorliegenden Verfahren könnte allenfalls
eine Meldung der Zeiten an den Rentenversicherungsträger in Betracht kommen, an die dieser jedoch im Hinblick auf
ihre Berücksichtigung bei der Rentenberechnung nicht gebunden wäre (anders Schleswig-Holsteinisches
Landessozialgericht, Urteil vom 27.05.2005, Az. L 3 AL 97/04).
Damit stellt sich nach Auffassung der Kammer zwar die allgemeine Leistungsklage des Klägers als zulässig (anders
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.11. 2006, Az. L 12 AL 41/05 a.a.O.) dar, sie ist jedoch nicht begründet, da
eine Anspruchsgrundlage des Klägers für die begehrte Meldung der Zeiten fehlt, und eine Meldung der Zeiten – selbst
wenn sie erfolgen würde – keine Bindung des Rentenversicherungsträgers auslösen würde.
Auch eine Beiladung des zuständigen Rentenversicherungsträgers – der Deutschen Rentenversicherung Bund – kam
im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteilt, dass die
Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der
Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger oder in Angelegenheiten des sozialen
Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie gemäß § 75 Abs. 2 SGG
beizuladen. Die Meldung der Arbeitslosigkeit allein entfaltet jedoch noch keine Rechtswirkungen, sondern dient nur
dazu, Tatsachenmaterial für die spätere Entscheidung über die Anerkennung einer Anrechnungszeit an den
Rentenversicherungsträger weiterzuleiten, der dann aber eigenverantwortlich entscheidet. Da die begehrte Meldung
den Rentenversicherungsträger nicht bindet, greift sie nicht unmittelbar und zwangsläufig in dessen Rechtsphäre ein;
bei dieser Sachlage ist daher eine Beiladung der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 75 Abs. 2, 1.
Alternative SGG nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 09.02.1994, Az. 11 RAr 49/93, juris, RdNr. 18).
Auch eine einfache Beiladung gemäß § 75 Abs. 1 SGG, wonach das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag andere,
deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen kann, kam nicht in Betracht, da dem
Rentenversicherungsträger zunächst in eigener Zuständigkeit die Möglichkeit gegeben werden muss, eine eigene
Verwaltungsentscheidung über das Begehren des Klägers für die Meldung der Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw.
Arbeitssuche zu treffen. Die Kammer steht hierbei auf dem Standpunkt, dass auch aus Gründen der
Prozessökonomie hierbei eine Beiladung der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht geboten war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 1
SGG), da weder eine Geld- oder Sachleistung noch eine Erstattungsstreitigkeit Gegenstand des vorliegenden
Rechtsstreits war.
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Beschluss
Der Schreibfehler auf Seite 5 des Urteils des Sozialgerichts Kassel, Az. S 7 AL 1966/04 (" Widerspruchsbescheid der
Beklagten vom 02.09.20904 ") wird wie folgt berichtigt: " Widerspruchsbescheid vom 02.09.2004 "
G r ü n d e:
Nach § 138 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind Schreibfehler, Rechenfehler und sonstige offenbare
Unrichtigkeiten jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Bei der Datumsangabe des Widerspruchsbescheides der
Beklagten vom 02.9.2004 auf Seite 5 des Urteils liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, da das Jahr 20904 statt des
Jahres 2004 angegeben worden ist. Hierbei handelt es sich um einen Schreibfehler. Eine vorherige Anhörung der
Beteiligten vor Abfassung dieses Beschlusses konnte unterbleiben, da es sich um eine reine Formalität handelt, die
die Rechte der Beteiligten nicht beeinträchtigen und ihre Rechtsstellung nicht nachteilig verändern kann (vgl. Meyer-
Ladewig, Kom. zum SGG, § 138, Rn. 4).