Urteil des SozG Karlsruhe vom 25.08.2015

grabstein, erbe, tod, verfügungsbeschränkung

SG Karlsruhe Urteil vom 25.8.2015, S 15 AS 997/15
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Erbschaft
- bereite Mittel - keine schuldrechtliche Verfügungsbeschränkung durch
Vereinbarung mit den Miterben
Leitsätze
Die rein schuldrechtliche Vereinbarung mit den Miterben, auch nach
Auseinandersetzung des Erbes den zugeflossenen Betrag in einem bestimmten
Sinne zu verwenden (hier Erwerb eines Grabsteins), lässt die Qualifikation als bereites
Mittel jedenfalls dann nicht entfallen, wenn der Grabstein zum Zuflusszeitpunkt weder
in Auftrag gegeben noch in Rechnung gestellt war.
Tenor
Der Bescheid vom 16.9.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
5.3.2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte im Monat Oktober 2014 zu Recht
Einkommen in Höhe von 256,16 EUR angerechnet hat.
2 Die am … 1960 geborene Klägerin Ziff. 1 bezieht in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem
am … 1998 geborenen Sohn F. (Kl. Ziff. 2) seit mehreren Jahren Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 17.12.2010 verstarb die
Mutter der Klägerin. Erben wurden nach gesetzlicher Erbfolge deren Kinder A. R.
(Klägerin Ziff. 1), M. R. und K. K. jeweils zu einem Drittel (vergl. As. 1455 der
Verwaltungsakte -VA-). Bereits im Weiterbewilligungsantrag vom 22.10.2012 teilte
die Klägerin mit, dass sich ihr Vermögen (Sparbuchbetrag) durch Einzahlung eines
Betrages nach dem Tod ihrer Mutter auf ca. 1700,00 EUR erhöht habe (As. 1359
VA). Mit Aufstellung vom 29.01.2013 bestätigte der Bruder M. R., dass bei
Berücksichtigung des zum 31.12.2010 bestandenen Guthabens (Bausparvertrag
S. H. 5.428,05 EUR, Konto S.-Bank 780,32 EUR, Geschäftsanteile A. 300,00 EUR,
Kfz-Steuerrückerstattung 120,00 EUR) abzüglich der entstandenen Kosten
(Bestattung ohne Grabstein 1080,00 EUR, Gebühren Friedhofsamt 2713,05 EUR,
Blumenschmuck 100,00 EUR, Trauerfeier 214,50 EUR, Miete Januar und Februar
2011 857,00 EUR) bei Kontoauflösung zum 23.01.2012 ein Guthaben von
2177,58 EUR verblieben sei. Daraus ergebe sich unter Aufteilung unter den
Geschwistern für jeden der Betrag von 725,88 EUR. Diesen Betrag habe er am
15.08.2012 an seine Schwestern ausbezahlt (vergl. As. 1453 VA). Einen Betrag
von 700,00 EUR zahlte die Klägerin Ziff. 1 am 16.08.2012 auf ihr Sparbuch ein
(vergl. As. 1385 VA).
3 Am 04.02.2013 teilte die Klägerin Ziff. 1 dem Beklagten schriftlich mit, dass sie die
700,00 EUR noch auf ihrem Sparbuch belassen müsse, weil sie noch einen
Grabstein kaufen müsste. Sie werde sich diesbezüglich bis April 2013 melden
(vergl. As. 1461 VA). Auf verschiedene Nachfragen des Beklagten hinsichtlich der
Anschaffung des Grabsteines teilte die Klägerin Ziff. 1 mehrmals mit, hinsichtlich
des Grabsteins sei noch keine Entscheidung erfolgt (vergl. Schreiben der Klägerin
vom 14.09.2013, As. 1645 VA, 27.12.2013, As. 1757 VA, 05.06.2014, As. 1893
VA). Mit dem Schreiben vom 05.06.2014 legte die Klägerin Ziff. 1 einen
Kostenvoranschlag für ein Grabmal vor und teilte mit, dass sie hierfür ihren Anteil
von 725,00 EUR verwenden wolle. Ihr Bruder M. R. werde den restlichen Betrag
übernehmen. Dieser sei in einer schwierigen finanziellen Situation, weshalb die
Kosten nicht anders aufgeteilt werden könnten. Der Beklagte werde gebeten zu
prüfen, ob kulanterweise auf eine Rückforderung verzichtet werden könne. Am
04.09.2014 legte die Klägerin Ziff. 1 Rechnungen über 617,02 EUR (Firma M. F.
Grabmale, Grabstein) und vom 05.08.2014 über 322,42 EUR (Firma P. Edelstahl,
Schriftzug) vor (vergl. As. 1989 f. VA).
4 Mit Bescheid vom 09.04.2014 hatte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft ab Mai
2014 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 736,92 EUR bewilligt. Die
Vorläufigkeit begründete sich daraus, dass die aktuelle Miethöhe nicht bekannt
war. Mit Änderungsbescheid vom 19.05.2014 bewilligte der Beklagte (wohl
endgültig) für den Zeitraum Juni bis Oktober 2014 monatlich Leistungen in Höhe
von 786,92 EUR und berücksichtigte dabei eine Mieterhöhung zum 01.06.2014.
Mit Änderungsbescheid vom 11.06.2014 (As. 1887 VA) hob der Beklagte den
Bescheid vom 19.05.2014 (insoweit) auf und bewilligte für den Zeitraum
01.07.2014 bis 31.10.2014 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 456,92
EUR. Die Änderung begründete sie mit der Anrechnung von fiktivem Einkommen
nach Aufnahme einer Beschäftigung durch die Klägerin. Die Korrektur der
Anrechnung erfolge nach Vorlage der entsprechenden Lohnabrechnungen und
Zuflussnachweise. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 04.08.2014 (As. 1957
VA) bewilligte der Beklagte in Korrektur der Einkommensanrechnung ab dem
01.09.2014 bis 31.10.2014 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 451,92
EUR (As. 1957 VA).
5 Mit weiterem Änderungsbescheid vom 16.09.2014 (As. 2021 VA) hob der Beklagte
den Bescheid vom 04.08.2014 teilweise auf und bewilligte für Oktober 2014
Leistungen in Höhe von 195,76 EUR (ohne Vorläufigkeitsvermerk). Es seien
folgende Änderungen eingetreten: Das Erbe in Höhe von 725,88 EUR abzüglich
der Hälfte der Kosten des Grabsteines und des Schriftzuges in Höhe von 469,72
EUR werde im Oktober 2014 als Einkommen angerechnet. Dem Wunsch, den
kompletten Preis des Grabsteines zu berücksichtigen, könne nicht entsprochen
werden. Im Oktober 2014 werde somit ein einmaliges Einkommen in Höhe von
256,16 EUR angerechnet.
6 Hiergegen erhob die Klägerin Ziff. 1 am 13.10.2014 Widerspruch. Der
Änderungsbescheid vom 16.09.2014 sei rechtsfehlerhaft und aufzuheben. Sie
habe ihr Erbe in voller Höhe von 725,88 EUR für den Grabstein und die
entsprechende Inschrift verwendet. Sie habe hierfür einen Gesamtbetrag in Höhe
von 939,44 EUR aufgebracht, welcher das Erbe bei weitem übersteige. Sie habe
somit ihren Lebensunterhalt nicht von ihrem Erbe bestreiten können.
7 Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2015 (As. 2171 VA) wies der Beklagte den
Widerspruch zurück. Die Klägerin habe im Oktober 2012 mitgeteilt, dass sie aus
dem Erbe der Mutter einen Betrag in Höhe von 725,88 EUR erhalten habe. Zudem
habe sie im Februar 2013 mitgeteilt, dass der Betrag noch auf dem Sparbuch
verbleiben müsse, da noch ein Grabstein zu kaufen sei. Diesem Vortrag der
Widerspruchsführerin sei gefolgt worden. Die für den Grabstein entstandenen
Kosten in Höhe von insgesamt 939,44 EUR seien eigentlich von allen drei Erben
zu gleichen Teilen zu tragen gewesen. Soweit tatsächlich nur die Hälfte der Kosten
in Höhe von 469,72 EUR vom Erbe abgesetzt worden seien, habe es damit sein
Bewenden. Der Restbetrag in Höhe von 256,16 EUR (725,88 EUR minus 469,72
EUR) sei im September 2014 zugeflossen und entsprechend den obigen
Ausführungen im Oktober 2014 als einmalige Einnahme zu berücksichtigen. Die
einmalige Einnahme sei auch nicht aufzuteilen, da der Anspruch auf Leistungen für
den Oktober 2014 nicht entfalle. Soweit die Klägerin die Bezahlung der anteiligen
Kosten für den Grabstein von den zwei Geschwistern nicht einfordere, könne dies
nicht zu Lasten der Allgemeinheit sein. Zudem habe die Klägerin eine
Erwerbstätigkeit ausgeübt. Nach Absetzung der Freibeträge seien 335,00 EUR auf
den Bedarf angerechnet worden. Auf den Bedarf des Kindes F. seien Kindergeld in
Höhe von 184,00 EUR und Kindesunterhalt in Höhe von 398,00 EUR
anzurechnen. Leistungen seien im Ergebnis in zutreffender Höhe (195,76 EUR)
bewilligt worden.
8 Am 24.03.2015 haben die Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben. Zur
Begründung wiederholen sie, dass aus dem erhaltenen Erbe in Höhe von 725,88
EUR ein Grabstein bezahlt worden sei (939,44 EUR). Deshalb sei es nicht
gerechtfertigt, dass das Jobcenter im Oktober 2014 256,16 EUR als einmalige
Einnahme anrechne.
9 Die Kläger beantragen,
10 den Bescheid vom 16.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.09.2015 aufzuheben.
11 Der Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen
13 und verweist zur Begründung auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie die
Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
14 Das Gericht hat die Verwaltungsakten des Beklagten beigezogen. Für die weiteren
Einzelheiten des Sachverhalts wird auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der
Gerichtsakte S 15 AS 997/15 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15 Die Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet. Der angefochtene
Bescheid vom 16.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.03.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte
hat im Monat Oktober 2014 zu Unrecht einmaliges Einkommen in Höhe von
256,16 EUR angerechnet.
16 Kläger sind nicht nur die Klägerin Ziff. 1, sondern auch deren Sohn (Kläger Ziff. 2).
Das SGB II spricht weder einer Bedarfsgemeinschaft als solcher noch dem
Vorstand der Bedarfsgemeinschaft bzw. den mit ihren Kindern in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Eltern für diese einen umfassenden
Leistungsanspruch zu. Vielmehr sind Anspruchsinhaber jeweils alle einzelne
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (st. Rechtspr. seit Bundessozialgericht - BSG -,
Urteil vom 07.11.2006, 7 B AS 8/06 R, juris, Rdnr. 12). Über diesen umfassenden
Anspruch hat auch der Beklagte im angefochtenen Bescheid und
Widerspruchsbescheid entschieden. Zwar gilt die gesetzlich angenommene
Bevollmächtigung für das Verwaltungsverfahren (§ 38 SGB II) nicht in einem
Gerichtsverfahren. Dennoch ist die Klage auch für den Kläger Ziff. 2 wirksam
erhoben, denn die Klägerin Ziff. 1 ist als Mutter zur gesetzlichen Vertretung
berechtigt. Sie hat - wenn auch nicht ausdrücklich so doch zumindest hinreichend
deutlich erkennbar - mit ihrer Klage nicht nur die ihr persönlich zustehenden
Ansprüche verfolgt, sondern deutlich gemacht, dass ihrer Auffassung nach an
beide der Bedarfsgemeinschaft zugehörenden Familienmitglieder zu geringe
Leistungen bewilligt worden sind. Eine entsprechende Klarstellung ist insoweit
durch die Klägerin Ziff. 1 im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.08.2015
erfolgt.
17 Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid vom 16.09.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2015, mit dem der Beklagte den
Bescheid vom 04.08.2014 abgeändert und für den Monat Oktober 2014
Leistungen in Höhe von nur noch 195,76 EUR bewilligt hat (anstelle von zuvor
451,92 EUR).
18 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen
Kosten für Unterkunft und Heizung erhalten gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. §
19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erwerbsfähige Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in
der Bundesrepublik Deutschland, die das 15. Lebensjahr vollendet und die
Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, wenn sie hilfebedürftig sind.
Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in
Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten nach § 28 Abs. 1 SGB II Sozialgeld, soweit
sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben.
19 Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine
Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus
eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren
Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Vermögen, sichern kann und die
erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von
Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dabei sind gemäß § 9 Abs. 2 SGB II bei
Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und
Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht
der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der
Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als
hilfebedürftig.
20 Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert
abzüglich der nach § 11 b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 a
genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Einmalige Einnahmen sind in
dem Monat, in dem sie zufließen zu berücksichtigen. Sofern für den Monat des
Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme
erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der
Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige
Einnahme auf einen Zeitraum von 6 Monaten gleichmäßig aufzuteilen und
monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3
SGB II).
21 Wie das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung entscheidet, ist
Einkommen grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu
erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist
vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als
maßgeblich bestimmt (vergl. zuletzt BSG, Urteil vom 17.02.2015, B 14 KG 1/14 R,
juris, Rdnr. 16 m.w.N.). Im Erbfall ist für die Abgrenzung von Einkommen und
Vermögen entscheidend, ob der Erbfall vor der (ersten) Antragstellung eingetreten
ist (BSG, Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 101/11 R). Liegt der Erbfall vor der
(ersten) Antragstellung, handelt es sich um Vermögen. Diese Voraussetzung ist
vorliegend nicht erfüllt, weil die Kläger schon vor dem Tod der Erblasserin am
17.12.2010 Leistungen nach dem SGB II bezogen haben. Das Erbe nach dem
Tod der Mutter der Klägerin Ziff. 1 ist somit als Einkommen zu berücksichtigen.
22 Allerdings mindert der wertmäßige Zuwachs erst dann den Bedarf, wenn die
Einnahme dem Hilfebedürftigen tatsächlich zur Deckung seines Bedarfs zur
Verfügung steht. Dies ist bei der Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer
Erbschaft regelmäßig erst mit der Auskehrung des
Auseinandersetzungsguthabens der Fall. Der Hilfesuchende darf wegen seines
gegenwärtigen Bedarfs nicht auf Mittel verwiesen werden, die ihm erst in der
Zukunft tatsächlich zur Verfügung stehen (BSG, Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS
101/11 R, juris Rdnr. 22).
23 Wie sich aus den in den Verwaltungsakten dokumentierten Angaben der Klägerin
Ziff. 1 ergibt und wie es von ihr auch im Termin zur mündlichen Verhandlung
nochmals ausdrücklich bestätigt wurde, hat ihr Bruder den Nachlass nach dem
Tod der Mutter zunächst verwaltet und die entstandenen Kosten aus dem Erbe
beglichen (Bestattungskosten, noch offene Mieten). Im August 2012 wurde das
Erbe dann auseinandergesetzt. Die Klägerin Ziff. 1 hat insoweit von ihrem Bruder
einen Betrag in Höhe von 725,88 EUR am 15.08.2012 bar ausgezahlt erhalten und
am nächsten Tag 700,00 EUR auf ihr Sparbuch einbezahlt. Ab dem 15.08.2012
stand ihr der genannte Betrag damit als bereites Mittels zur Verfügung bzw. ist ihr
Einkommen in dieser Höhe zugeflossen.
24 Ein späterer Zuflusszeitpunkt erst im Oktober 2014 und auch nur in anteiliger Höhe
wurde von dem Beklagten - der seiner Entscheidung offensichtlich das
tatsächliche Vorliegen einer entsprechenden Zweckbindung (Erwerb eines
Grabsteins) zu Grunde gelegt hat - zu Unrecht angenommen.
25 Der Auffassung des Beklagten, dass eine rein schuldrechtliche Vereinbarung mit
den Miterben, auch nach Auseinandersetzung des Erbes den zugeflossenen
Betrag in einem bestimmten Sinne zu verwenden (Grabstein) etwas an der
Qualifikation als bereites Mittel ändern kann, vermag sich die Kammer nicht
anzuschließen. Schuldverpflichtungen können regelmäßig nicht vom Einkommen
abgezogen werden. Ein Grabstein war zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung
weder konkret in Auftrag gegeben noch in Rechnung gestellt. Die
Ausnahmekonstellation eines Darlehens, das mit einer zivilrechtlich wirksamen
Rückzahlungsvereinbarung belastet ist (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 17.6.2010, B 14
AS 46/09 R, juris; BSG, Urt. v. 20.12.2011, B 4 AS 46/11 R, juris) ist ersichtlich
nicht gegeben. Es liegt auch kein Fall einer von der Erblasserin angeordneten
Dauertestamentsvollstreckung vor, die einer Verwertung des Erbes als bereites
Mittel entgegen stehen könnte (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 17.2.2015, B 14 KG 1/14
R, juris Rn. 26 ff.).
26 Selbst wenn man aber entgegen der hier vertretenen Ansicht davon ausginge,
dass eine entsprechende schuldrechtliche Verfügungsbeschränkung geeignet
wäre, der Qualifikation des zugeflossenen Erbanteils als bereites Mittel
entgegenzustehen, fehlt es in tatsächlicher Hinsicht nach der Überzeugung der
Kammer an einer solchen die Klägerin Ziff. 1 bindenden schuldrechtlichen
Vereinbarung im Zeitpunkt der Auseinandersetzung des Erbes.
27 Im Weiterbewilligungsantrag vom 22.10.2012 hat die Klägerin Ziff. 1 lediglich
mitgeteilt, dass sich der Sparbuchbetrag durch Einzahlung eines Betrages nach
dem Tod ihrer Mutter erhöht habe, eine irgendwie geartete
Verfügungsbeschränkung hat sie nicht angegeben (vergl. As. 359 VA). Auch bei
persönlichen Vorsprachen und im Zusammenhang mit weiteren schriftlichen
Mitteilungen in den Folgemonaten hat die Klägerin Ziff. 1 lediglich das Vorgehen
der Geschwister bei der Aufteilung des Erbes näher erläutert und weitere Angaben
zur Höhe des Nachlasses gemacht. Von der Anschaffung eines Grabsteines war
nie die Rede (vergl. nur As. 1375, 1385, 1398, 1415, 1453 VA). Der Hinweis, dass
sie die 700,00 EUR noch auf ihrem Sparbuch belassen müsse, weil noch ein
Grabstein gekauft werden müsse, erfolgte durch die Klägerin Ziff. 1 erstmals im
Februar 2013 (As. 1461 VA). Auch die Bevollmächtigte im Widerspruchsverfahren
hat im Rahmen der Widerspruchsbegründung (Schriftsatz vom 18.11.2014, As.
2161 VA) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zunächst ein Grabstein für die
verstorbene Mutter noch nicht geplant gewesen sei. Ein Grabstein sei erst später in
Erwägung gezogen worden, nachdem die Verwandtschaft entsprechend gedrängt
habe. Auch die Tatsache, dass der Bruder der Kl. Ziff. 1 nach den Angaben der
Klägerin Ziff. 1 zunächst gar keinen Grabstein gewollt hat und die Geschwister der
Klägerin Ziff. 1 ihre Anteile offensichtlich jeweils für eigene Zwecke verwendet
haben - nach den Angaben der Klägerin Ziff. 1 hat ihr Bruder entgegen den
gegenüber dem Beklagten zunächst gemachten Angaben tatsächlich noch nicht
einmal den den Betrag von 725,88 EUR übersteigenden Anteil übernommen -,
spricht gegen eine rechtlich bindenden Verfügungsbeschränkung im Sinne einer -
letztlich ja rein einseitigen - Bindung nur der Klägerin Ziff. 1.
28 Ist der Bedarfsgemeinschaft nach alledem Einkommen in Höhe von 725,88 EUR
im Monat August 2012 zugeflossen, wäre dieses Einkommen auch in diesem
Monat (bzw. gegebenenfalls in den Folgemonaten) anzurechnen gewesen.
29 Im Monat Oktober 2014 ist dementsprechend der Bedarfsgemeinschaft entgegen
der Annahme des Beklagten kein Einkommen, auch nicht anteilig in Höhe von
256,16 EUR zugeflossen. Der Änderungsbescheid vom 16.09.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2015 ist damit rechtswidrig und
aufzuheben. Den Klägern stehen somit höhere Leistungen auf der Grundlage des
Änderungsbescheides vom 04.08.2014 für den Monat Oktober 2014 zu.
30 Ob und inwieweit der Beklagte noch auf der Grundlage eines
Einkommenszuflusses im August 2012 Korrekturen vornehmen kann, ist nicht
Gegenstand dieses Klageverfahrens und braucht daher vorliegend nicht
entschieden zu werden.
31 Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.
32 Die Berufungssumme (Beschwerdewert von 750,00 EUR, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 SGG) ist nicht erreicht. Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§
144 Abs. 2 SGG).