Urteil des SozG Karlsruhe vom 07.10.2015

arbeitsmarkt, firma, medizinische rehabilitation, rente

SG Karlsruhe Urteil vom 7.10.2015, S 13 R 4239/13
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - Beweiswert einer tatsächlichen
Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
Leitsätze
Eine 20-jährige, tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt hat einen stärkeren Beweiswert als medizinische Feststellungen
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen
teilweiser Erwerbsminderung.
2 Der 1969 geborene Kläger besuchte eine Förderberufsschule im
Berufsbildungswerk M. und absolvierte eine Ausbildung zum Metallfeinbearbeiter.
In den Jahren 1990 bis 2010 war er bei der Firma O. als Maschinenbediener, im
Folgenden für ein halbes Jahr in einer Transfergesellschaft und im Mai 2011 bei
einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Seit dem bezieht er Arbeitslosengeld I bzw. II.
Die Firma O. bescheinigte ihm folgende Beschäftigung: „Zunächst wurde Herr A.
im Bereich Montage- und Verbindungstechnik bis Ende März 1998 eingesetzt.
Vom 1. April 1998 bis 31. Januar 2009 war er als Anlagebediener in der
Gleitschleiferei tätig. Seine Hauptaufgaben waren dort Bedienung von sechs
Tellerfliehkraftanlagen, Mitarbeit an Rundvibratoren und Troganlagen. Hr. A.
übernahm die Verantwortung über die Strahlkabinen und führte sämtliche
Strahlaufträge selbstständig durch. Seit 1.02.2009 wurde Herr A. als Springer
eingesetzt und war zuständig für Aufsetzen von MIM-Grünlingen von Hand auf
Keramikplatten unter Beachtung der Vorgaben zur Lage der Teile, Beschicken von
Schraubenumspritzmaschinen.“ Die Kündigung erfolgte betriebsbedingt. Er wurde
nach dem gültigen Tarifvertrag Schmuck und Uhren Entgeltgruppe 1 vergütet.
3 Die Beklagte hatte dem Kläger vom 6. Oktober bis 7. November 2011 eine
medizinische Rehabilitation mit einer Belastungserprobung bewilligt. Aus Sicht der
Klinik hatte bei Entlassung trotz einer Anpassungsstörung ein vollschichtiges
Leistungsvermögen bestanden. Im Anschluss hieran hatte die Beklagte von April
bis November 2012 eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer
Integrationsmaßnahme beim Internationalen Bund in P. gewährt. Im Rahmen
dessen absolvierte er ein sechswöchiges Praktikum als Maschinenbediener.
4 Am 11. Februar 2013 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen
Erwerbsminderung. Er begründete seinen Antrag mit seinen körperlichen und
psychischen Leiden. Daraufhin holte die Beklagte Befundberichte der
behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger durch die Internistin Dr. S.
untersuchen und begutachten. Trotz einer Anpassungsstörung, Bluthochdruck und
chronischen rezidivierenden Lumboischialgien stellte Dr. S. noch ein über
sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte
Tätigkeiten fest.
5 Durch Bescheid vom 1. März 2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach
den ärztlichen Untersuchungsergebnissen könne mit dem vorhandenen
Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im
Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Die erforderliche
Wartezeit mit fünf Jahren anrechenbaren Zeiten sei dagegen erfüllt.
6 Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, die
Hausärztin attestiere eine verminderte psychische Belastbarkeit bei kognitiven
Beeinträchtigungen. Eine Berufstätigkeit sei ihm nicht mehr möglich.
7 Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr.
Sch. begutachten. Aus Sicht des Gutachters bestehe beim Kläger eine frühkindlich
erworbene grenzwertig niedrige Intelligenz sowie eine Anpassungsstörung.
Dennoch sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich mittelschwere
und geistig-seelisch einfache Tätigkeiten gegeben. Im Folgenden wies die
Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 als
unbegründet zurück.
8 Hiergegen hat der Kläger am 5. Dezember 2013 Klage zum Sozialgericht
Karlsruhe erhoben. Die behandelnden Ärzte gingen von einem aufgehobenen
Leistungsvermögen aus und empfehlen eine Tätigkeit in einer Werkstatt für
behinderte Menschen.
9 Der Kläger beantragt,
10 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. März 2013 in der Gestalt
des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2013 zu verurteilen, dem Kläger
auf seinen Antrag vom 11. Februar 2013 eine Rente wegen voller, hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
11 Die Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Sie bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den angefochtenen
Bescheiden zugrundeliegenden Ausführungen und trägt vor, die medizinischen
Ermittlungen des Gerichts hätten ihre bisherige Auffassung bestätigt.
14 Das Gericht hat zunächst die von dem Kläger als behandelnden Ärzte benannten
Mediziner im Wege schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen gehört. Auf
den Inhalt der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. und Dr. V. wird Bezug
genommen.
15 Anschließend hat das Gericht die Untersuchung und Begutachtung des Klägers
durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. veranlasst. Dieser hat in
seinem im Oktober 2014 erstatteten Gutachten folgende Diagnosen erhoben:
leichte Intelligenzminderung, Anpassungsstörung mit rezidivierenden leichten
depressiven Episoden. Es bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für
körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
16 Der Kläger beantragte die Einholung eines Gutachtens gem. § 109 SGG beim
Psychiater Dr. B. sowie ein psychologisches Zusatzgutachten bei Dr. A.. Aus Sicht
der Gutachter lägen beim Kläger eine leichte Intelligenzminderung mit
ausgeprägten kognitiven Teilleistungsstörungen sowie eine Anpassungsstörung
vor. Es bestehe ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen im Hinblick auf
eine arbeitstägliche Arbeitszeit von 3 bis unter 6 Stunden.
17 In der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2015 hat der Kläger erklärt, er
habe sich auf Anregung des Arbeitsamts bei der Firma O. beworben und ein
übliches Bewerbungsverfahren samt Probezeit durchlaufen. Persönliche oder
verwandtschaftliche Beziehungen zu einem Mitarbeiter dieser Firma habe er nicht.
Er sei jeweils in einer Gruppe mit bis zu ca. 8 Arbeitern eingesetzt gewesen, wobei
zwei eine Vorarbeiter-/Meisterfunktion ausgeübt hätten. Die übrigen Arbeiter hätten
dieselbe Tätigkeit wie er verrichtet.
18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte und der
Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
19 Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid vom 1. März
2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2013 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen
Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser
Erwerbsminderung.
20 Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
21 (1) voll oder teilweise erwerbsgemindert sind (medizinische Voraussetzung),
(2) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt
haben und
(3) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43
Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-).
22 Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung
auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein
(§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist generell nicht erwerbsgemindert,
wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens
sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
23 1. Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben ist der zum Zeitpunkt der
Entscheidung des Gerichts 46 Jahre alte Kläger nicht erwerbsgemindert, da er auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von
mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verfügt.
24 Die im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme ermittelten
Gesundheitsstörungen mit Schwerpunkt auf psychiatrisch-neurologischem Gebiet
schränken das qualitative Leistungsvermögen des Klägers ein, berühren aber
seine quantitative körperliche und geistige Leistungsfähigkeit für die Verrichtung
leichter Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Die Kammer macht sich
diesbezüglich die Einschätzung des Dr. E. nach eigener kritischer Urteils- und
Überzeugungsbildung zu eigen. Die bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten
Sachverständigengutachten von Dr. S. und Dr. Sch. verwertet die Kammer dabei
im Wege des Urkundsbeweises.
25 Nach Überzeugung des Gerichts verfügt der Kläger sowohl in quantitativer als
auch in qualitativer Hinsicht über ein vollschichtiges Leistungsvermögen von
arbeitstäglich sechs Stunden für körperlich leichte bis mittelschwere, einfache
Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Gegen eine Einschränkung des
Leistungsvermögens spricht insbesondere die vom Kläger auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt über 20 Jahre ausgeübte Tätigkeit bei der Firma O..
26 a) Der Kläger leidet seit seiner Geburt unter einer leichten Intelligenzminderung.
Hinzu kam durch den Verlust des Arbeitsplatzes im Jahr 2010 eine
Anpassungsstörung mit rezidivierenden leichten depressiven Episoden.
Schließlich besteht ein medikamentös behandelter Bluthochdruck. Aus diesen
Erkrankungen ergeben sich nach Überzeugung des Gericht qualitative
Leistungseinschränkungen. Nicht mehr möglich sind dem Kläger schwere
körperliche Tätigkeiten, Tätigkeiten in Wechselschicht, Akkord- und
Fließbandarbeiten, geistig oder seelisch belastende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit
erhöhten Anforderungen an die Konzentration, Arbeiten mit mehr als geringen
Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit und das Umstellungsvermögen,
Arbeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr.
27 b) Entgegen der Auffassung des Klägers, seiner behandelnden Ärzte und dem
Gutachten von Dr. B. folgt aus den bestehenden Erkrankungen aber keine
Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht.
28 aa) Dagegen lassen sich zunächst die schlüssigen und nachvollziehbaren
Darstellungen der Gutachter Dr. E., Dr. Sch. und Dr. S. anführen. Zunächst
konnten diese erheben, dass der Kläger trotz seiner Einschränkungen in der Lage
ist seinen Tagesablauf hinreichend zu strukturieren. Zwar unterhält er ca. einmal im
Monat Unterstützung durch den sozialpsychiatrischen Dienst, im Übrigen ist er
aber in der Lage sich selbst zu versorgen und den Haushalt zu führen. So hat er
angegeben, er stehe kurz vor 9 Uhr auf, gehe einkaufen, mache den Haushalt,
versorge die Wellensittiche, sitze am Computer, koche, gehe nachmittags
spazieren, gelegentlich treffe er sich mit Bekannten. Dr. E. hat nur leichte
Auffassungserschwernisse feststellen können, der Antrieb und der Affekt des
Klägers waren unauffällig. Hiervon konnte sich das Gericht auch durch den
persönlichen Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober
2015 überzeugen.
29 bb) Gegen eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögen sprechen die
erreichten Ergebnisse des Klägers in der durchgeführten medizinischen
Rehabilitation samt Belastungserprobung. Dort wird bescheinigt, dass „bei
einfacher Aufgabengestaltung die Handlungsplanung, Handlungsorganisation
sowie das Aufgabenverständnis als gut zu bezeichnen sind“. Bei komplexeren
Aufgabenstellungen hat der Kläger vermehrt Hilfestellungen und klare
Arbeitsanweisungen benötigt. Zwar war sein Arbeitstempo verlangsamt, aber die
Arbeitsqualität war gut. Erst bei wachsenden Anforderungen an Konzentration,
Reaktion, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit ist es zu Auffälligkeiten, aber durch
Wiederholung und Training konnte die Leistungsfähigkeit gesteigert werden. Nach
nachvollziehbarer Einschätzung des Reha-Trägers bestand ein vollschichtiges
Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
30 bb) Entscheidend für das Gericht ist aber, dass der Kläger trotz der bereits von
Geburt an bestehenden leichten Intelligenzminderung, bereits über 20 Jahre auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig gewesen ist. Denn die nach dem Verlust des
Arbeitsplatzes 2010 erstmals aufgetretene Anpassungsstörung erreicht nach den
vorliegenden Befunden und Feststellungen der Ärzte nicht einen solchen
Schweregrad, der eine Aufhebung oder Einschränkung des zeitlichen
Leistungsvermögens begründen könnte. Eine Antriebs- oder Affektstörung ließ
sich gerade nicht nachweisen, und auch der hinreichend strukturierte Tagesablauf
sprechen gegen eine schwergradige Anpassungsstörung.
31 Die tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit stellt nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung einen erheblichen Beweiswert dar. Das BSG
führt hierzu aus, dass medizinischen Befunden in der Regel kein so starker
Beweiswert zu komme wie dem Umstand, dass der Versicherte eine
Erwerbstätigkeit tatsächlich noch ausübt.(vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1975
– 12 RJ 208/74 –, SozR 2200 § 1247 Nr 12, Rn. 15) Dies gilt nur dann nicht, wenn
der dem Kläger zur Verfügung gestellte Arbeitsplatz eine vom Regelfall
abweichende günstige Arbeitsgelegenheit darstellt oder das
Beschäftigungsverhältnis nur vergönnungsweise begründet oder fortgesetzt wird.
Für eine Tätigkeit „vergönnungsweise“ können zum einen enge
verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sprechen. Wichtiger ist, ob der Arbeitnehmer noch in der Lage ist, die
ihm übertragenen Arbeiten vollwertig auszuüben. Dabei ist freilich zu
berücksichtigen, dass es eine gewisse „Spanne“ von Arbeitsqualität gibt, die dem
gezahlten Lohn noch entspricht, sodass nicht jedes Zurückbleiben hinter einer
Arbeitsleistung von mittlerer Art und Güte auf eine atypisch günstige
Arbeitsgelegenheit schließen lassen muss. Wesentliches Kriterium ist daher
immer, ob der Arbeitgeber die geleistete Arbeit (trotz Abstrichen) noch als dem
gezahlten Arbeitslohn entsprechend bewertet. (vgl. Ulrich Freudenberg in:
Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 89)
32 Orientiert an diesen gesetzlichen Vorgaben bestehen vorliegend keine
Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der vom Kläger für die Firma O. ausgeübten
Tätigkeit nicht um eine dem Regelfall entsprechende Tätigkeit auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt gehandelt hat.
33 Dagegen spricht zum einen das dem Kläger über die Tätigkeit ausgestellte
Arbeitszeugnis. Dort wird beschrieben, welche Aufgaben der Kläger im Bereich
Montage- und Verbindungstechnik im vollschichtigen Zwei-Schichtbetrieb
ausgeübt hat. Hieraus ist nicht erkennbar, dass er nicht den allgemeinen
Anforderungen der von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeit erfüllt hat. So
bescheinigt der Arbeitgeber: „Die ihm übertragenen Arbeiten wurden immer
zuverlässig und stets zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgeführt.“
34 Desweiteren wurde der Kläger nach dem Tarif Schmuck und Uhren Entgeltgruppe
1 vergütet. Er war vollschichtig 35 Wochenstunden tätig. Der Arbeitsvertrag ist nicht
aufgrund eines persönlichen Näheverhältnisses zum Arbeitgeber entstanden,
sondern der Kläger hat ein normales Bewerbungsverfahren samt Probezeit
durchlaufen.
35 Für das Gericht steht fest, dass die Tätigkeit bei der Firma O. eine dem Regelfall
entsprechende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt war und damit
der Kläger tatsächlich bereits trotz der bestehenden Einschränkungen auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt über 20 Jahre hat Fuß fassen können.
36 cc) Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist den behandelnden Ärzten und
dem Gutachter Dr. B. und Dr. A. nicht zuzustimmen, die aufgrund der leichten
Intelligenzminderung von einen eingeschränkten bzw. aufgehobenen
Leistungsvermögen ausgehen wollen. Sie nehmen jeweils an, dass die
Intelligenzminderung seit Geburt bzw. spätestens seit der frühkindlichen
Entwicklung bestanden hat und damit vom Kläger gewissermaßen von Beginn an
in das Arbeitsleben eingebracht worden ist.
37 Der Einschätzung, hierdurch sei sein zeitliches Leistungsvermögen eingeschränkt
oder gar aufgehoben, steht aber die tatsächlich über 20 Jahre ausgeübte Tätigkeit
des Klägers bei der Firma O. entgegen. Hier hat er gezeigt, dass er trotz seiner
insbesondere kognitiven Einschränkungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt ausführen konnte. Da sich sein Gesundheitszustand in Bezug auf die
Intelligenzminderung nicht wesentlich geändert, insbesondere verschlechtert hat,
und die Anpassungsstörung, wie zuvor ausgeführt infolge des geringen
Ausprägungsgrades, nicht zur zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögen
führen kann, sind damit die Einschätzungen von Dr. B. und Dr. A. sowie der
behandelnden Ärzte weder schlüssig noch nachvollziehbar.
38 c) Auch die Wegefähigkeit des Klägers, d.h. die Fähigkeit von seiner Wohnung zu
einem Arbeitsplatz und zurück zu gelangen, ist erhalten. Er ist noch in der Lage,
viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m binnen höchsten 15 Minuten
zu Fuß zurückzulegen und darüber hinaus auch zweimal täglich öffentliche
Verkehrsmittel selbständig zu benutzen. Es liegen keine Erkrankungen vor, die
sich auf die Gehfähigkeit des Klägers erheblich auswirken könnten.
39 d) Im Ergebnis verfügt der Kläger daher über ein arbeitstägliches
Leistungsvermögen von 6 Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche im Hinblick
auf eine leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeit in wechselnder
Körperhaltung.
40 2. Dem Kläger steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu, weil
er - wie oben bereits erläutert - körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes arbeitstäglich über sechs und mehr Stunden ohne Gefahr für seine
Restgesundheit verrichten kann.
41 3. Die Klage konnte aus den oben genannten Gründen keinen Erfolg haben und
war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.