Urteil des SozG Karlsruhe vom 04.08.2016

freie mitarbeit, eigene mittel, versicherungspflicht, agb

SG Karlsruhe Urteil vom 4.8.2016, S 13 AS 3635/15
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einer
Pflegefachkraft
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu Ziff. 1 in der Sozialversicherung
hinsichtlich seiner im Zeitraum vom 28. Oktober 2014 bis 31. Januar 2015 ausgeübten Tätigkeit als
Pflegefachkraft bei dem Kläger im Streit.
2
Der Beigeladene zu Ziff. 1 war in dem o. g. Zeitraum beim Kläger, im Seniorenzentrum X als Pflegefachkraft
tätig. Der Beigeladene erbringt Pflegeleistungen als freiberufliche Pflegekraft für verschiedene Auftraggeber.
Seine allgemeinen Geschäftsbedingungen, die vom Geschäftsführer des Klägers unterzeichnet worden sind,
enthalten unter anderem folgende Regelungen:
3
§ 3 Freiberuflichkeit/Selbstständigkeit des Auftragnehmers
4
Der Auftragnehmer übt seine Tätigkeit freiberuflich oder selbstständig aus. Der Auftragnehmer ist und wird
nicht Angestellter des Auftraggebers. Der Einsatz des Auftragnehmers ist zeitlich begrenzt. (…)
5
§ 4 Weisungsbefugnis des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer
6
Der Auftraggeber ist dem Auftragsnehmer während der zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer
vereinbarten Dienstzeiten nicht weisungsbefugt. Der Auftragnehmer ist in der Gestaltung seiner Tätigkeit
frei und übernimmt entsprechend seiner fachlichen und persönlichen Qualifikationen die Verantwortung für
sein Handeln und seine Entscheidungen. Insbesondere hat der Auftraggeber keine Weisungsbefugnis im
Hinblick auf die Gestaltung der Dienstzeiten. (…)
7
§ 7 Vergütung
8
Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbaren vertraglich ein Honorar pro geleistete Arbeitsstunde (…).
9
Am 3. Dezember 2014 beantragte er die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Im
Zusammenhang mit dem Antrag teilte er der Beklagten mit, seine Tätigkeit diene dazu, kurzzeitige
Engpässe auszugleichen. Es erfolge keine Arbeitseinweisung vor Ort, ihm werde lediglich ein bestimmter
Wohnbereich zugewiesen. Er trete in eigenem Namen auf, dies sei aufgrund seiner eigenen Arbeitskleidung
und des Namensschildes auch deutlich zu erkennen. Seine Tätigkeit übe er alleine aus und er leiste keine
Hilfestellungen für andere. Eine Pflicht zur Teilnahme an Dienstbesprechungen bestehe nicht. Als eigene
Betriebsmittel nutze er seinen PKW, einen PC, ein Telefon, die Arbeitskleidung, Desinfektionsmittel, ein RR-
Messgerät, ein BZ-Messgerät, sowie einen O 2-Oxymeter.
10 Mit Anhörungsschreiben vom 3. März 2015 teilte die Beklagte dem Kläger und dem Beigeladenen zu Ziff. 1
mit, sie beabsichtigte, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Nach
Gesamtwürdigung der relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis überwiegen: Ausübung der Tätigkeit am Betriebssitz des Klägers, keine freie Wahl
der Arbeitszeit, Eingliederung in die Betriebsabläufe in fremdbestimmter Arbeitsorganisation, feste
erfolgsunabhängige Stundenvergütung, kein Einsatz von eigenem Kapital.
11 Hierauf äußerte sich der Kläger wie folgt: Die Aufnahme des Beigeladenen zu Ziff. 1 in den Dienstplan sei
kein Indiz für die Einschränkung seiner Gestaltungsfreiheit. Er habe unterschiedlich viele Arbeitsstunden am
Tag gearbeitet, dies ergebe sich aus den vorgelegten Stundenzetteln. Er investiere eigene Mittel in die
Krankenkassenbeiträge und die Unternehmensversicherung. Zudem habe er Aufträge ablehnen können und
nicht mit den Mitarbeitern des Klägers zusammengearbeitet. Der Beigeladene zu Ziff. 1 habe selbst
entscheiden können, wie er im Dienstplan eingeteilt werde. Ein Urlaubs- oder Entgeltfortzahlungsanspruch
im Krankheitsfall habe nicht bestanden. Im Unterschied zu den festangestellten Mitarbeitern habe er weder
hauswirtschaftliche Tätigkeiten übernommen noch an der Freizeitgestaltung der Bewohner mitgewirkt.
12 Durch Bescheid vom 8. April 2015 stellte die Beklagte fest, die Tätigkeit des Beigeladenen zu Ziff. 1 als
Pflegefachkraft beim Kläger sei im Zeitraum 28. Oktober 2014 bis 31. Januar 2015 im Rahmen eines
abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Es bestehe somit eine Versicherungspflicht in allen
Zweigen der Sozialversicherung. Die Ausführungen des Klägers und des Beigeladenen zu Ziff. 1 auf die
Anhörung vom 3. März 2015 hätten nicht zur Änderung der in diesem Schreiben mitgeteilten Ansicht
geführt.
13 Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, die Beteiligten hätten in ihrer vertraglichen
Vereinbarung klar zu Ausdruck gebracht keine abhängige Beschäftigung herbei führen zu wollen. Das
Honorar des Beigeladenen zu Ziff. 1 liege weit über dem von angestellten Fachkräften. Er sei zeitlich frei, er
konnte selbst entscheiden, welche Patienten er pflege. Eine Zusammenarbeit mit den festangestellten
Mitarbeitern habe nicht stattgefunden. Die Einteilung im Dienstplan sei nach seinen Wünschen
vorgenommen worden.
14 Durch Widerspruchbescheid vom 12. Oktober 2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet
zurück. Der Wille der Beteiligten sei im Hinblick auf den besonderen Schutzzweck der Sozialversicherung
nicht entscheidend. Die Verantwortung für das Qualitätsmanagement in Bezug auf die Behandlungs- und
Pflegeverträgen liege beim Kläger, diese Aufgabe könne nur erfüllt werden, wenn er alle wesentlichen
Arbeitsabläufe steuere. Es sei nicht erkennbar, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu Ziff. 1 von der
Tätigkeit der festangestellten Pflegefachkräfte des Klägers unterscheide. Schließlich trage der Beigeladene
zu Ziff. 1 kein Unternehmensrisiko und sei in den Betrieb des Klägers eingegliedert.
15 Am 9. November 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Der Wille des Klägers und
des Beigeladenen zu Ziff. 1 sei nicht auf die Begründung eines sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis gerichtet gewesen. Der Beigeladene zu Ziff. 1 habe bei der Durchführung seiner
Tätigkeit an keine Weisungen erhalten. Die Nutzung der Infrastruktur mache ihn nicht zum abhängigen
Beschäftigten.
16 den Bescheid vom 8. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2015
aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu Ziff. 1 im Rahmen seiner Tätigkeit vom 28. Oktober
2014 bis 31. Januar 2015 als Pflegefachkraft bei dem Kläger nicht der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
unterlag.
17 Die Bekl. beantragt,
18 die Klage abzuweisen.
19 Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
20 Die Zeugin E., die Abteilungsleiterin für soziale Dienste des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vom
4. August 2016 erklärt, die Beauftragung des Beigeladenen zu Ziff. 1 sei notwendig geworden, weil im
Altenheim in X. weder mit den festangestellten Mitarbeitern des Klägers noch mit Leasingkräften die
erforderliche Fachkraftquote von 50 Prozent abgedeckt werden konnte. Der Beigeladene zu Ziff. 1 sei über
die Personalvermittlung A. vermittelt worden. In solchen Fällen sichte sie regelmäßig das Profil und die
Unterlagen der Honorarkräfte, gelegentlich komme es auch zu einem Gespräch. Ihr sei nicht mehr
erinnerlich, ob sie mit dem Beigeladenen zu Ziff. 1 ein solches Gespräch geführt habe. Bei Beginn der
Tätigkeit erfolge normalerweise eine kurze Einführung in die Abläufe der Station sowie der Hinweis auf die
im Laufwerk hinterlegten Qualitätsstandards in Bezug auf die Kommunikation mit Ärzten und Apotheken.
Als Pflegefachkraft sei der Beigeladene zu Ziff. 1 jeweils als Schichtleiter eingesetzt worden, dies bedeute, er
habe die Verantwortung für die Bewohner getragen und habe unter anderem die Medikamente bestellen
müssen. Pro Schicht seien im Schnitt 4-5 Mitarbeiter eingesetzt, wobei jeweils nur eine Pflegefachkraft
anwesend sei, die übrigen verfügten über keine entsprechende Ausbildung. Es müsse immer eine
Pflegefachkraft anwesend sein, um die rechtlichen Vorgaben aus dem Versorgungsvertrag mit der
Pflegeversicherung zu erfüllen. Bei besonders schwierigen Fällen oder Problemen würden sich die anderen
Mitarbeiter jeweils an die Schichtleitung wenden, diese sei dann auch berechtigt fachliche Anweisungen zu
erteilen. Während der Schicht gebe es bestimmte Zeitkorridore beispielsweise für die Essens- und
Medikamentenausgabe. Der Beigeladene zu Ziff. 1 habe entsprechend den rechtlichen Vorgaben eine
Pflegedokumentation erstellt, an darüber hinausgehendem Qualitätsmanagement aber nicht teilgenommen.
Er habe jeweils im Voraus seine Wünsche für eine Einteilung in den Schichtplan geäußert, der Schichtplan
sei dann entsprechend auf ihn „zugeschnitten“ worden, die Lücken habe von den festangestellten
Mitarbeitern gefüllt werden müssen. Regelmäßig habe der Beigeladene zu Ziff. 1 auch gewünscht, mehr als
acht Stunden pro Tag zu arbeiten und damit über die Schicht hinausgehend. Wenn der Beigeladene zu Ziff.
1 die Schicht vor Ende verlassen hätte, hätte das Problem bestanden, dass die Fachpersonalquote nicht
erfüllt gewesen wäre. Ihr sei nicht bekannt, dass dies tatsächlich vorgekommen sei. Der Beigeladene zu Ziff.
1 habe im Gegensatz zu den festangestellten Mitarbeitern kein grünes Poloshirt, sondern seine eigene,
weiße Arbeitskleidung getragen. Ob er sonstige eigene Arbeitsmittel eingesetzt habe, sei ihr nicht bekannt,
aber im Altenheim seien alle notwendigen Arbeitsutensilien vorhanden.
21 Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
22 Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens des Beteiligten wird auf den Inhalt der dem
Gericht vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23 Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG i. V. m.
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist in der Sache unbegründet. Der Bescheid vom 8. April 2015 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten. Der Beigeladene zu Ziff. 1 unterlag im Rahmen seiner Tätigkeit vom 28. Oktober 2014 bis 31.
Januar 2015 als Pflegefachkraft bei dem Kläger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-,
Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
24 Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Er ist nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen.
Die Beklagte hat zudem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in
seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (vgl. BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff; BSG
04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer
abhängigen Beschäftigung „dem Grunde nach“, sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in
den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.
25 Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellungen ist § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach können die
Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine "Beschäftigung" vorliegt, es sei denn, die
Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein
Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von §
28h Abs. 2 SGB IV die Beklagte, § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV.
26 Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes
Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 Abs. 1 Nr. 1
Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).
27 Gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ist eine Beschäftigung die nichtselbständige
Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit
nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
28 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass
der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden
Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist
eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer
eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei
gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig
tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der
Arbeitsleistung (BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, Rn. 15 ‒ nach juris).
29 Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG zunächst das Vertragsverhältnis der
Beteiligten, so wie es sich aus der von ihnen getroffenen Vereinbarung ergibt und sich aus ihrer gelebten
Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende
tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur
der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die
tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von der Vereinbarung abweichen. Maßgeblich ist
die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich
zulässig ist (BSG, a. a. O., Rn. 17).
30 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Gericht im Rahmen der vorzunehmenden
Gesamtwürdigung zu der Auffassung gelangt, dass die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung
überwiegen.
31 Die Tätigkeit als Altenpfleger kann grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien
Dienstverhältnisses ausgeübt werden (vgl zum Intensivpfleger LSG Baden-Württemberg vom 23.04.2015, L
11 R 3224/14, Die Beiträge Beilage 2015, 390 unter Hinweis auf BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris; vgl
zum Familienhelfer BSG 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15).
32 Es fehlt an einer spezifischen, schriftlichen Regelung im Hinblick auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu Ziff. 1
für den Kläger. Allerdings sind die seitens des Beigeladenen zu Ziff. 1 formulierten AGB Bestandteil des
Vertragsschlusses geworden. Denn der Kläger hat durch die Unterschrift dieser AGB durch seinen
Geschäftsführer sich mit der Geltung gem. § 305 Abs. 2 BGB einverstanden erklärt. Diese AGB enthalten
Regelungen, die auf eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu Ziff. 1 hindeuten. So wird dieser in § 3
dazu berechtigt, mehrere Auftraggeber zu haben und sich selbst gegen die Folgen von Unfall und Krankheit
zu versichern. In § 4 der AGB ist der Ausschluss von Weisungen in fachlicher und zeitlicher Hinsicht
geregelt, dort heißt es unter anderem „der Auftragnehmer ist in der Gestaltung seiner Tätigkeit frei und
übernimmt entsprechend seiner fachlichen und persönlichen Qualifikation die Verantwortung für sein
Handeln und seine Entscheidungen.“ Durch § 7 der AGB wird eine Honorarvergütung auf Stundenbasis
sowie der Ausschluss von Ansprüchen auf Urlaubsgeld, bezahlten Urlaub, Weihnachtsgeld oder sonstigen
Vergütungen vereinbart. Gegenstand dieser AGB ist damit eine selbstständige Tätigkeit.
33 Allerdings ist dieser Vertrag nach Überzeugung des Gerichts in der Praxis so zwischen den Beteiligten nicht
gelebt worden. Der Beigeladene zu Ziff. 1 war in den Betrieb des Klägers eingegliedert und dabei einem
Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlegen.Ob eine
Eingliederung vorliegt, bestimmt sich danach, inwiefern der Betreffende Glied eines fremden Betriebes ist
oder im Mittelpunkt des eigenen Unternehmens steht. Für eine abhängige Beschäftigung ist dabei
kennzeichnend, ob sich die zu beurteilende Tätigkeit im Rahmen einer Eingliederung in eine fremd
vorgegebene Arbeitsorganisation vollzieht, innerhalb derer die Tätigkeit in einem "übergeordneten
Organismus" erbracht wird. (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Juli 2016 – L 8 KR 110/15 –,
Rn. 70, juris)
34 Die Eingliederung in den Betriebsablauf ergibt sich bereits aus den gesetzlichen Regelungen über die
Beziehungen der Pflegekassen zu den Pflegeeinrichtungen, insbesondere aus den Vorschriften über die
Zulassung zur Pflege durch einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI. Nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI sind
stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) im Sinne des SGB XI selbstständig wirtschaftende
Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige:
35 1. unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden,
2. ganztägig (vollstationär) oder nur tagsüber oder nur nachts (Teil stationär) untergebracht und verpflegt
werden können.
36 Nach § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen geschlossen
werden, die den Anforderungen des § 71 genügen, die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche
pflegerische Versorgung bieten sowie eine in Pflegeeinrichtungen ortsübliche Arbeitsvergütung an ihre
Beschäftigten zahlen, soweit diese nicht von einer Verordnung über Mindestentgeltsätze aufgrund des
Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im
Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) erfasst sind, sich
verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 113 einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement
einzuführen und weiterzuentwickeln, sich verpflichten, alle Expertenstandards nach § 113a anzuwenden;
ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung
diese Voraussetzungen erfüllt sind.
37 Allein diese gesetzlichen Regelungen im SGB XI für die Zulassung von stationären Pflegeeinrichtungen
(Pflegeheimen) zeigen, dass alle in Pflegeheimen tätigen Pflegekräfte sich an den Vorgaben des jeweiligen
Pflegeheimes ausrichten und diese bei ihrer Tätigkeit beachten müssen. Der Kläger musste deshalb darauf
achten, dass alle im Altenheim tätigen Pflegekräfte sich auch an die Vorgaben, die für den Abschluss des
Versorgungsvertrages notwendig sind, halten. Er hatte damit die Rechtsmacht, die Tätigkeit des
Beigeladenen zu Ziff. 1 vorzugeben. Dies gilt umso mehr aus diesem Grund, weil der Beigeladene zu Ziff. 1
als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne des § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI eingesetzt worden ist. Aufgabe
dieser Pflegefachkraft ist es die den einzelnen Heimbewohnern zukommenden Pflegeleistungen zumindest in
den Grundzügen festzulegen, ihre Durchführung zu organisieren und ihre Umsetzung angemessen zu
kontrollieren. Der Beigeladene zu Ziff. 1 war daher bei der Durchführung seiner Tätigkeit auf eine enge
Zusammenarbeit mit den festangestellten Mitarbeitern des Klägers angewiesen, er hat ihnen gegenüber
eine Vorgesetztenrolle eingenommen und musste in seiner Schicht jeweils den Betriebsablauf organisieren
und für die anderen Mitarbeiter ansprechbar sein. Damit bedient er sich nicht lediglich der Infrastruktur des
Klägers, sondern wird Teil dieser Struktur. Auch die Übergabe der Patienten nach Ende der Schicht an die
nächste Pflegefachkraft bekräftigt seine Eingliederung in den Betrieb.
38 Das Gericht vermag auch anhand der Ausführungen der Beteiligten nicht zu erkennen, in wie fern sich die
Ausübung der Tätigkeit als verantwortliche Pflegefachkraft von der eines festangestellten Mitarbeiters in
gleicher Position unterscheidet. Die rechtlichen Rahmenvorgaben aus § 71,72 SGB XI erlauben nicht, dass
der Beigeladene zu Ziff. 1 „weniger“ Aufgaben übernimmt als die festangestellten Mitarbeiter. Alleine die
fehlende Teilnahme an weiterem Qualitätsmanagement kann kein ausschlaggebendes Kriterium sein, zumal
hiervon der Kernbereich der Tätigkeit nicht betroffen wird.
39 Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die tägliche Ausgestaltung der konkret vorzunehmenden Tätigkeiten
im Verhältnis zu den Betreuten durch eine gewisse Eigenverantwortlichkeit und Eigenständigkeit des
Beigeladenen zu Ziff. 1 geprägt war. Denn auch eine eigenständige Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnis
bei der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit führt regelmäßig nicht zur Selbständigkeit im Sinne einer
unternehmerischen Tätigkeit. Vielmehr ist es gerade auch für eine abhängige Beschäftigung typisch, dass der
Grad der Eigenständigkeit der Ausführung mit dem Grad der Qualifikation des Mitarbeiters und seiner
Verantwortung für den Erfolg des Gesamtunternehmens wächst. Dabei wird das Direktionsrecht des
Arbeitgebers nicht dadurch beseitigt, dass es nicht in jedem Detail ausgeübt wird. Dies ist bei Diensten
höherer Art sogar regelmäßig der Fall, so dass sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers zu einer
funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert, wenn der Betreffende in den Betrieb
eingegliedert ist (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 47/87, SozR 3-2940 § 3 Nr. 1; Senat, Urteil v.
18.6.2014, a.a.O.).
40 Der Beigeladene zu Ziff. 1 unterlag auch den zeitlichen Vorgaben durch den Kläger. Zwar konnte er
zunächst selbst entscheiden, zu welchen Zeiten er in den Dienstplan eingeteilt werden möchte, allerdings
war er dann aber verpflichtet sich an diese Einteilung zu halten gerade auch im Hinblick auf die Tatsache,
dass er als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne des § 71, 72 SGB XI eingesetzt worden ist.
41 Für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spricht schließlich auch das vollständige
Fehlen eines relevanten unternehmerischen Risikos. Weder verfügte der Beigeladene zu Ziff. 1 im
Streitzeitraum über eine eigene Betriebsstätte, noch ist ein eigenes maßgebliches Unternehmerrisiko bei
ihm zu erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.) ist
maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des
Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss
ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen
(vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. August 2015 – L 8 R 726/11 –,
Rn. 164, juris)
42 Aus dem allgemeinen Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft
nicht verwerten zu können, folgt allerdings noch kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze (vgl.
BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris); dies gilt auch im Hinblick darauf, das Anschlussangebote ungewiss
sind.
43 Schließlich kann auch das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruchs oder eines vertraglichen Anspruchs
auf Entgeltfortzahlung nicht als Indiz für ein Unternehmerrisiko gewertet werden. Denn solche
Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit
wollten. Letztlich ist dies ebenso wenig wie die Gewerbeanmeldung, die ebenfalls auf der Tatsache beruht,
dass eine selbstständige Tätigkeit gewollt war, nicht entscheidend. Vielmehr ist das Gesamtbild der
Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht die von den Beteiligten gewählte
vertragliche Beziehung maßgebend. Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei
Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder
Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung
umgehen soll. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass
dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird. (vgl.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2012 – L 4 R 761/11 –, Rn. 54, juris)
44 Demgemäß überwiegen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. Der Bescheid vom 8. April 2015 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten. Der Beigeladene zu Ziff. 1 unterlag im Rahmen seiner Tätigkeit vom 28. Oktober 2014 bis
31. Januar 2015 als Pflegefachkraft bei dem Kläger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-,
Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Klage war abzuweisen.
45 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Da Kläger und Beklagte nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, finden nach Maßgabe des
§ 197a SGG die VwGO und das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. In Bezug auf die Beigeladenen, die
keine Anträge gestellt haben, sind außergerichtliche Kosten nach § 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO
nicht zu erstatten.