Urteil des SozG Karlsruhe vom 26.04.2016

unfallversicherung, arbeitsunfall, bandscheibenvorfall, wahrscheinlichkeit

SG Karlsruhe Urteil vom 26.4.2016, S 1 U 1567/15
Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - traumatischer
Bandscheibenschaden - Kausalität
Leitsätze
Die Feststellung eines unfallbedingten Bandscheibenvorfalls setzt den Nachweis
knöcherner oder disco-ligamentärer Begleitverletzungen der betroffenen Wirbelkörper
oder der den maßgebenden Abschnitt der Wirbelsäule begleitenden Muskel- und
Bandstruktur voraus.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten um die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als
Folgen eines Arbeitsunfalls vom 14.03.2011.
2 Der 1964 geborene, ab Juni 2009 als Kfz-Mechaniker bei der Firma C. Kfz-
Meisterwerkstatt beschäftigt gewesene Kläger zeigte der Beklagten am 15.12.2011
ein Ereignis vom 14.03.2011 als Arbeitsunfall an: Er habe an diesem Tag zunächst
mit zwei Schlagschraubern erfolglos versucht, eine fest sitzende Achsmutter an
einem Pkw zu lösen. Danach habe er das auf der Hebebühne stehende Fahrzeug
auf Hüfthöhe abgesenkt und einen Knebel und eine etwa 1,3 m lange Stange
angesetzt. Aus gebückter Haltung habe er mehrfach mit aller Kraft nach oben
gedrückt, dies teilweise unter wippenden Bewegungen. Beim dritten Versuch habe
er die Stange erneut unter Spannung gesetzt, als sich die Mutter „etwas gelöst“
habe. Dabei habe er einen starken Schlag verspürt, der ihm bis in den Hals
gezogen sei. Er habe nachfolgend weitergearbeitet. Am Abend des Unfalltages
hätten sich bei ihm Nacken- und Armschmerzen eingestellt. Am nächsten Morgen
habe er den Kopf kaum drehen können und sich arbeitsunfähig krank gemeldet. Er
habe schon seit Jahren Beschwerden in beiden Ellenbogen; diese seien jedoch
anderer Art als nach dem Unfallereignis. Der Chirurg Dr. Sch., den der Kläger
erstmals am 14.11.2011 aufsuchte, diagnostizierte als Gesundheitsstörung eine
Entzündung der Trizepssehne links ohne Anhalt für eine knöcherne Verletzung.
3 Durch Bescheid vom 22.12.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des
Unfallereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, das geplante Lösen
einer fest sitzenden Schraube mit einer Metallstange als Hebel stelle eine vom
Kläger willentlich gesteuerte und kontrollierte Körperbewegung dar. Damit fehle es
an dem für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderlichen Merkmals eines
„äußeren Ereignisses“. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe
(SG; S 4 U 2613/12) blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.06.2012,
Urt. v. 29.10.2013). Im nachfolgenden Berufungsverfahren vor dem
Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 1 U 5330/13) schlossen die Beteiligten
am 27.10.2014 einen gerichtlichen Vergleich, demzufolge die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 22.12.2011 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 14.06.2012 das Unfallereignis als Arbeitsunfall und
als dessen Folge eine Ellenbogenzerrung links anerkannte. Weiterhin erklärte sich
die Beklagte zur Prüfung und Erteilung eines rechtsbehelfsfähigen Bescheides
darüber bereit, ob und ggf. welche weiteren Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen
anzuerkennen seien.
4 Hierzu erteilte die Beklagte den (Ausführungs-)Bescheid vom 25.11.2014, durch
den sie als Unfallfolgen
5
„Zerrungen des linken Ellenbogens und der Halswirbelsäule (HWS)“
6 anerkannte. Diese Gesundheitsschäden seien spätestens sechs Wochen nach
dem Unfall folgenlos ausgeheilt; Leistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung seien deshalb über den 24.04.2011 hinaus nicht zu erbringen.
Bandscheibenvorfälle an der Halswirbelsäule seien nicht als Unfallfolgen
anzuerkennen, da keine begleitenden knöchernen oder Bandverletzungen
vorlägen. Ein geltend gemachter Riss der Bizepssehne links sei nicht
nachgewiesen. Bei der von den Gutachtern im Verfahren S 4 U 2613/12 (Dres. C.
und M.) diagnostizierten chronisch-entzündlichen Reizung der Ansatzpunkte der
Trizepssehne am Ellenende handele es sich nicht um eine Unfallfolge, sondern um
einen Überlastungsschaden. Schließlich sei das Unfallereignis bereits dem Grunde
nach nicht geeignet gewesen sei, einen psychischen Gesundheitsschaden - hier:
mittelgradige Depression - nach sich zu ziehen. Ursache der Depression des
Klägers seien vielmehr eine finanzielle Notlage bei noch zu tilgendem Hauskredit
und der zeitweise Arbeitsplatzverlust wegen Erkrankungen auf orthopädischem
Fachgebiet außerhalb des Risikobereichs der gesetzlichen Unfallversicherung.
7 Den dagegen erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger die Anerkennung eines
Bandscheibenvorfalls im Segment C 5/6, einen Riss der Bizepssehne links, ein
posttraumatisches Zervikalsyndrom/Distorsion, einen Reizzustand am linken
Unterarm/Ellenbogen sowie eine Depression als weitere Unfallfolgen und
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 24.04.2011 hinaus
begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.04.2015).
8 Am 15.05.2015 hat der Kläger erneut Klage zum SG erhoben, mit der er sein
Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein
Widerspruchsvorbringen.
9 Die Kammer hat zu Beweiszwecken die seit März 2011 angefallenen
Behandlungsunterlagen des Chirurgen Dr. Sch., der Allgemeinmedizinerin F. und
des Neurologen und Psychiaters Dr. W. beigezogen.
10 Sodann hat im Auftrag des erkennenden Gerichts der Neurochirurg Dr. Fa. ein
medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Dr. Fa. hat als
Gesundheitsstörungen ein HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen mit
zervikaler Spinalkanalstenose und Neuroforamenstenosen HWK 5/6 bei
mediolateralem, linksbetontem Bandscheibenvorfall mit Irritation der Nervenwurzel
C 6 links und eine linksparamediane Bandscheibenprotrusion HWK 4/5 ohne
Anhalt für Wurzelkompression, ein LWS-Syndrom bei Verdacht auf
Facettengelenkssyndrom ohne wesentliche Funktions- und
Belastbarkeitseinschränkung, ein leichtgradiges Kubitaltunnelsyndrom mit
intermittierender Sensibilitätsstörung rechts, eine chronische Ansatztendinitis der
linken distalen Bizepssehne, rezidivierende Reizzustände bei Tendinose der
distalen Bizepssehne rechts, mittelgradige, depressive Episoden, einen erhöhten
Somatisierungsindex mit verstärkter Beschäftigung mit dem eigenen Körper, eine
Prostatahyperplasie und eine Hyperopie diagnostiziert. Zusammenfassend hat der
gerichtliche Sachverständige ausgeführt, zwar könne eine nicht muskulär
kontrollierte, energiereiche, sagittale freie Bewegung des Kopfes gegenüber dem
fixierten Rumpf eine HWS-Distorsion I. Grades bewirken. Ein geeigneter
Verletzungsmechanismus habe bei dem Unfallereignis am 14.03.2011 mit Blick auf
die vom Kläger beschriebene anhaltende Körper- und Muskelspannung jedoch
nicht vorgelegen. Nachdem sich die Achsmutter des Pkw gelöst habe, sei der
Kläger eigenen Angaben zufolge nach hinten ausgewichen, jedoch nicht gestürzt.
Eine übermäßige In- oder Reklination oder gar eine Rotation im Bereich der
Halswirbelsäule habe ebenfalls nicht stattgefunden. Ein entsprechendes
Verletzungsmuster hierfür sei ärztlich auch nicht beschrieben. Damit habe kein
geeignetes Verletzungsmuster für das Auftreten eines zervikalen
Bandscheibenvorfalls oder einer Bizepssehnenruptur vorgelegen. In
Übereinstimmung mit Dr. C. seien die nachgewiesenen multisegmentalen
Veränderungen der Halswirbelsäule degenerativ entstanden. Ein knöcherner
Verletzungsbefund liege nicht vor. Der Bandscheibenvorfall stelle eine
Krankheitserscheinung älterer Genese dar. Es handele sich um einen bis zum
Unfallereignis klinisch stumm verlaufenden Vorschaden, der durch das
Unfallereignis lediglich manifestiert sei. Bei den Schmerzen am linken vorderen
Unterarm handele es sich am ehesten um eine Schmerzexarzerbation myalgischer
Genese bei chronischer Ansatztendinitis der linken, distalen Bizepssehne ohne
Anhalt für einen unfallbedingten Schaden. Eine Ruptur bzw. ein Riss einer der drei
Bizepssehnen sei durch nachfolgende kernspintomographische und
sonographische Untersuchungen ausgeschlossen. Eine willentliche
Kraftanstrengung ohne zusätzliche Einwirkung sei nach medizinisch-
wissenschaftlichem Kenntnisstand zudem nicht geeignet, eine distale
Bizepssehnenruptur zu bewirken. Auch habe eine Überdehnung der Sehne über
das physiologische Ausmaß hinaus nicht vorgelegen. Aufgrund des Ausmaßes
der Vorschäden wären die Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule und am
linken Unterarm wohl auch ohne das Unfallereignis etwa zur selben Zeit und in
etwa gleichem Ausmaß eingetreten. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bzw.
Behandlungsbedürftigkeit habe nach dem Unfallereignis nicht vorgelegen.
11 Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
12 den Bescheid vom 25. November 2014 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 29. April 2015 abzuändern, „HWS-
Verletzung/Distorsion mit Bandscheibenverletzungen, Teil-Ruptur der linken
Bizepssehne mit chronischer Entwicklung sowie depressive Entwicklung“ als
weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. März 2011 festzustellen.
13 Die Beklagte beantragt,
14 die Klage abzuweisen.
15 Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
16 Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten, den der
beigezogenen Akten des SG (S 4 U 2613/12) und des LSG Baden-Württemberg (L
1 U 5330/13) sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
17 Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S.
1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes ) zulässig, aber
unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Zu Recht hat es die
Beklagte abgelehnt, die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen als
- weitere - Folgen des Arbeitsunfalls vom 14.03.2011 anzuerkennen. Die Kammer
konnte trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung in der
Sache entscheiden, weil sie ihn zusammen mit der Ladung auf diese Möglichkeit
hingewiesen hatte (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
18
1.
Als Folge eines Arbeitsunfalls sind Gesundheitsstörungen (nur) zu
berücksichtigen, wenn das Unfallereignis und das Vorliegen der konkreten
Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die
Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurück zu führen ist.
Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist
mithin ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und
dem Unfall (Unfallkausalität), zwischen dem Unfallereignis und einem
Gesundheitserstschaden oder dem Tod des Versicherten (haftungsbegründende
Kausalität) und ggf. länger anhaltenden Unfallfolgen aufgrund des
Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei
müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene
Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen sein (vgl. hierzu u.a. BSGE 45, 1, 9; 58, 80, 83 und 60, 58 ff.),
während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der
Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht
aber die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. u.a. BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr.
2108 Nr. 2 m.w.N. und SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 4104 Nr. 2; BSG Breithaupt 2005
sowie BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). „Hinreichend wahrscheinlich“ bedeutet, dass
bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls mehr für als gegen den ursächlichen
Zusammenhang spricht, d.h. dass den für den ursächlichen Zusammenhang
sprechenden Gründen ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285,
286).
19 Ist ein Arbeitsunfall nicht nachgewiesen oder lässt sich der ursächlicher
Zusammenhang zwischen diesem und den geltend gemachten
Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich machen, geht dies nach dem im
sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu
Lasten des Versicherten (vgl. u.a. BSGE 6, 70, 72; 83, 279, 281 sowie BSG SozR
3-2200 § 548 Nrn. 11 und 14). Das ist hier der Kläger.
20 Der Ursachenzusammenhang im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung
beurteilt sich nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen
Bedingung (vgl. hierzu BSGE 1, 72, 76 und 1, 150, 156f; seither st. Rspr.). Diese
Theorie beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. hierzu
Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, Vorb. v. § 249, Rdnr. 57 ff m.w.N.
sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280) auf der naturwissenschaftlich-
philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes
Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne
dass der konkrete Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der
Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen
Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung im Sozialversicherungsrecht
deshalb in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen
Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden
bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich
unerheblichen Ursachen. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss
aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der
Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden
(vgl. BSGE 1, 72, 76).
21 Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die
Rechtsprechung Grundsätze herausgearbeitet, die das BSG in zwei
Entscheidungen vom 09.05.2006 (B 2 U 1/05 R <= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17> und B
2 U 26/04 R <= UV-Recht Aktuell 2006, 497ff>) zusammenfassend wie folgt
dargestellt hat:
22 Für eine Gesundheitsstörung kann es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen
geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob
eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist dabei nicht
gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Die Wertung
zweier Mitursachen und damit des Arbeitsunfalls als rechtlich wesentlich neben
z.B. einem anlagebedingten psychischen Vorschaden setzt deshalb nicht
notwendig ein Verhältnis 50:50 voraus. Auch wenn der Arbeitsunfall eine nicht
annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu
bewertende Ursache der körperlichen oder psychischen Erkrankung des
Versicherten darstellt, kann er dennoch für diesen „Erfolg“ rechtlich wesentlich
sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben)
(vgl. BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a.F. RVO und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO;
ferner Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl.
2010, Seite 25 sowie Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung,
Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 Rn. 314). Daher ist
es auch zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige,
d.h. prozentual also verhältnismäßig niedrig zu bewertende Ursache, rechtlich als
„wesentlich“ anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen
wesentlichen Ursache „der Erfolg“ eintreten konnte. Ist jedoch eine Ursache oder
sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender
Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und
damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSGE 12, 242, 245 und BSG
SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die naturwissenschaftliche Ursache, die nicht
„wesentlich“ und damit keine Ursache i.S.d. der Theorie der wesentlichen
Bedingung ist, kann als „Gelegenheitsursache“ oder „Auslöser“ bezeichnet werden
(vgl. u.a. BSGE 62, 220, 222 f; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG SozR 4-2700 §
8 Nr. 15 und BSG, UV-Recht Aktuell 2007, 860 ff).
23 Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen
einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist,
ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar
war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer
Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere
alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst
hätte (vgl. BSGE 62, 220, 222 f; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und BSG, UV-Recht
Aktuell 2007, 860ff; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 25).
24
2.
Orientiert daran, hat es die Beklagte durch die streitgegenständlichen Bescheide
zu Recht abgelehnt, Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule (dazu
nachfolgend unter a) ), eine Teil-Ruptur der Bizepssehne links (dazu nachfolgend
unter b) ) und eine depressive Erkrankung (dazu nachfolgend unter c) ) als weitere
Folgen des Arbeitsunfalls vom März 2011 anzuerkennen.
25
a)
Zwar leidet der Kläger - dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten - nach
den wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen des
Sachverständigen Dr. Fa. sowie den im Verfahren S 4 U 2613/12 erstellten
Gutachten der Dres. C. und M., die die Kammer im Wege des Urkundenbeweises
verwertet, an einem HWS-Syndrom bei knöchernen Veränderungen mit zervikaler
Spinalkanalstenose sowie Neuroforamenstenosen im Segment C 5/6 bei
mediolateralem, linksbetontem Bandscheibenvorfall mit Irritation der Nervenwurzel
C 6 links und einer links paramedianen Bandscheibenprotrusion im Segment C 4/5
ohne Anhalt für eine Wurzelkompression. Bereits die Radiologin Dr. L. hatte im
Arztbrief vom 18.11.2011 kernspintomographisch multisegmentale dorsale
Bandscheibenvorwölbungen zwischen den Segmenten C 3 und C 7,
schwerpunktmäßig im Segment C 5/6, mit Einengung des Spinalkanals im
Segment C 5/6 durch Bandscheibengewebe sowie knöcherne Veränderungen mit
Osteochondrose und Unkonvertebralgelenksarthrosen in diesem Segment
nachgewiesen.
26 Diese Gesundheitsstörungen sind indes weder im Sinne der Entstehung noch der
Verschlimmerung mit Wahrscheinlichkeit ursächlich wesentlich auf das
Unfallereignis vom 14.03.2011 zurückzuführen, wie Dr. Fa. und Dr. C. - im
Ergebnis übereinstimmend - dargelegt haben. Mit dem Sachverständigen Dr. Fa.
geht das erkennende Gericht insbesondere davon aus, dass der vom Kläger
geschilderte Unfallhergang bereits dem Grunde nach nicht geeignet war, eine
Schädigung an der Halswirbelsäule über eine HWS-Distorsion 1. Grades hinaus,
die die Beklagte als Unfallfolge bereits anerkannt hat, zu verursachen.
27 Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass Bandscheibenschäden, die multifaktoriell
sind und in allen Bevölkerungsschichten vorkommen, sich am häufigsten zwischen
dem 30. und 40. Lebensjahr in Form klinischer Symptome bemerkbar machen und
der objektive Befund einer Bandscheibendegeneration mit wachsendem Alter
stetig zunimmt (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., Seite. 454). Nach den
Erkenntnissen der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung,
der die Kammer folgt, sind unfallbedingt verursachte Bandscheibenvorfälle per se
äußerst selten (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 24.06.2003 - L 3 U 4/03 - und LSG
Nordrhein-Westfalen vom 14.02.2006 - L 6 VG 10/05 - ). Allein ein
zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Arbeitsunfall und dem erstmaligen
Auftreten von Beschwerden im Sinne eines Bandscheibenschadens vermag
deshalb eine rechtlich wesentliche Ursächlichkeit nicht zu begründen (vgl. LSG
Berlin vom 25.03.2003 - L 2 U 3/01 - sowie - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 -
B 2 U 9/11 R - und - B 2 U 23/11 R - ). Auch existiert in der
gesetzlichen Unfallversicherung keine Beweisregel des Inhalts, dass alles, was
während einer versicherten Tätigkeit an Gesundheitsschäden eintritt, auch
ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückgeführt werden kann (vgl. Thür. LSG
vom 25.01.2006 - L 1 U 431/04 - ).
28 Für die Feststellung eines traumatischen Bandscheibenvorfalls als Folge eines
Arbeitsunfalls müssen nach der unfallmedizinischen und unfallrechtlichen Literatur
(vgl. hierzu Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 435) folgende Kriterien erfüllt
sein:
29 1. Das Unfallereignis muss schwer genug sein, um Rissbildungen in der
Bandscheibe zu verursachen
30 2. Ablauf in seiner Mechanik, um die Entstehung derartiger Rissbildungen
aufzuklären
31 3. Schmerzhafte Funktionsstörungen im Bereich des Wirbelsäulenabschnittes im
Anschluss an den Unfall
32 4. Beschwerdefreiheit, zumindest Beschwerdearmut vor dem Unfall und
33 5. Klinische Symptome, die für einen hinteren Bandscheibenvorfall sprechen.
34 Insbesondere aber erfordert ein traumatischer Bandscheibenvorfall stets
knöcherne und/oder ligamentäre Begleitverletzungen der maßgebenden
Wirbelkörper selbst oder doch zumindest der den maßgebenden Abschnitt der
Wirbelsäule begleitenden Muskel- und Bandstruktur (vgl.
Schönberger//Mertens/Valentin, a.a.O., S. 434 m.w.N.; LSG Baden-Württemberg
vom 29.01.2016 - L 8 U 977/15 -; Bay. LSG vom 15.03.2012 - L 18 U 9/07 -, vom
07.10.2013 - L 2 U 106/11 - und vom 17.09.2014 - L 3 U 534/10 -; LSG
Mecklenburg-Vorpommern vom 07.02.2014 - L 3 VE 21/12 -; LSG Hamburg vom
25.05.2013 - L 3 U 29/10 -; LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.02.2007 - L 17 U
75/06 - und Thür. LSG vom 25.01.2006 - L 1 U 431/04 -; ferner SG Dortmund vom
19.03.2004 - S 23 U 38/02 - und Urteil des erkennenden Gerichts vom 15.01.2013
- S 1 U 2218/12 - < jeweils juris>), d.h. Begleitverletzungen entweder in Form einer
begleitenden disco-ligamentären Verletzung oder einer Fraktur der knöchernen
Strukturen. Zutreffend weist Dr. Fa. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass
nach den aktenkundigen medizinischen Unterlagen wie auch den von ihm
erhobenen Befunden und Krankheitsäußerungen einschließlich einer
Nachbefundung zahlreicher radiologischer, insbesondere MRT-Aufnahmen, der
Halswirbelsäule ein knöcherner Verletzungsbefund ausgeschlossen ist. Hierauf
hatte bereits Dr. C. in seinem auch heute noch überzeugenden Gutachten
zutreffend hingewiesen. Ligamentäre Begleitverletzungen zu den nachgewiesenen
Bandscheibenveränderungen im Bereich der Halswirbelsäule hat keiner der den
Kläger behandelnden oder untersuchenden Ärzte angeführt. Solche erachtet
deshalb das erkennende Gericht nicht für erwiesen. Schließlich weist Dr. Fa. auch
zutreffend darauf hin, dass der vom Kläger geschilderte Unfallablauf schon dem
Grunde nach nicht geeignet war, einen zervikalen Bandscheibenvorfall zu
verursachen. Denn der Kläger war keiner schädigungsgeeigneten Krafteinwirkung
auf die Bandscheibe ausgesetzt gewesen, weil der von ihm willentlich in Gang
gesetzte Geschehensablauf mit willkürlichen, nicht von Fehlgängigkeit
unterbrochenen Bewegungen keine geeignete Unfalleinwirkung zur Verursachung
eines Bandscheibenvorfalls ist. Insbesondere fand keine nicht muskulär
kontrollierte, energiereiche sagittale freie Bewegung des Kopfes gegenüber dem
fixierten Rumpf statt. Vielmehr erfolgte das plötzliche Lösen der Achsmutter
während einer vom Kläger aufgebauten anhaltenden muskulären
Körperspannung. Auch das nach Ablösen der Achsmutter vom Kläger
angegebene Ausweichen nach hinten stellt keinen geeigneten
Verletzungsmechanismus für einen traumatischen Bandscheibenvorfall dar, wie
Dr. Fa. auch insoweit überzeugend und zutreffend dargelegt hat. Denn weder ist
der Kläger gestürzt noch fand bei diesem Vorfall eine übermäßige In- oder
Reklination oder gar Rotation im Bereich der Halswirbelsäule statt. Fehlen dazuhin
- wie hier - knöcherne oder sehnenbezogene bzw. knorpelveränderte
Begleitverletzungen, ist mithin keine ausreichende Krafteinwirkung auf die
Wirbelsäule, die zur Entstehung eines Bandscheibenvorfalls erforderlich ist,
anzunehmen. Die von der Radiologin Dr. L. aufgrund der
kernspintomographischen Untersuchung der Halswirbelsäule im November 2011
diagnostizierten Gesundheitsstörungen sind mit Dr. Fa. deshalb degenerativ und
unabhängig von dem Unfallgeschehen entstanden. Die Kammer folgt dem
gerichtlichen Sachverständigen auch insoweit, als dieser ausführt, dass das
Unfallereignis den degenerativen Vorschaden nicht ausgelöst hatte, sondern allein
dazu führte, dass ein bis dahin klinisch stumm verlaufender Krankheitsverlauf
hierbei manifestiert wurde.
35 Abweichend ist auch nicht aufgrund des im Verfahren S 4 U 2613/12 erstellten
Gutachtens des Dr. M. zu entscheiden. Denn auch dieser hat mit Blick auf
Veränderungen an der Halswirbelsäule einen ursächlichen Zusammenhang mit
dem Arbeitsunfall vom 14.03.2011 allein bzgl. eines Zervikalsyndroms bzw. einer
Distorsion, d. h. einer Zerrung, 1. Grades angenommen. In Bezug auf den auch
von Dr. M. diagnostizierten Bandscheibenvorfall im Segment C 5/6 hat sich dieser
indes der - negativen - Kausalitätsbeurteilung im Gutachten von Dr. C.
ausdrücklich angeschlossen.
36 Damit sind Bandscheibenveränderungen an der Halswirbelsäule nicht als Folge
des streitgegenständlichen Arbeitsunfallereignisses festzustellen.
37 Dem steht das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.06.2015 - L 10 U
221/13 - ZVW - (juris) nicht entgegen. Ungeachtet dessen, dass die dortigen
Ausführungen, ein traumatischer Bandscheibenvorfall setze nicht ausnahmslos
ligamentäre oder knöcherne Begleitverletzungen voraus, nicht der herrschenden
medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung entspricht und schon deshalb das
erkennende Gericht nicht überzeugt, spricht vorliegend das Gesamtausmaß der
Gesundheitsstörungen an der Halswirbelsäule des Klägers mit Befall der
Segmente C 3 bis C 7 und der bereits im MRT von Dr. L. im November 2011
nachgewiesenen Osteochondrose und Uncovertebralgelenksarthrosen in
Segment C 5/6 sowie Einengungen der knöchernen Neuroforamina beidseits
gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs. Zu Recht hat
deshalb auch die Radiologin Dr. Peter in ihrem Arztbrief vom 21.08.2013 diese
Gesundheitsstörungen als „ausgeprägte degenerative Veränderungen“
angesehen.
38
b)
Eine - wie geltend gemacht - (Teil-)Ruptur der langen Bizepssehne links
erachtet auch das erkennende Gericht, wie bereits die Beklagte, nicht für erwiesen.
Denn sowohl die Radiologin Dr. L. (vgl. Arztbriefe vom 10.08.2011 und vom
21.03.2014) als auch die Radiologin Dr. Bl. (vgl. Arztbrief vom 18.07.2012) und der
Radiologe Dr. B. (vgl. Arztbrief vom 25.01.2013) haben bei den vor ihnen
durchgeführten MRT-Aufnahmen des linken Ellenbogengelenkes allein eine
Sehnenansatzentzündung der Trizepssehne und einen unspezifischen geringen
Reiz - und Entzündungszustand im Ellenbogengelenk (so Dr. L.) bzw. eine
chronische Ansatztendinitis der Insertion (= des Ansatzes) der Bizepssehne links
(so Dr. Bl.) objektiviert. Eine Ruptur oder Teil-Ruptur der langen Bizepssehne links
haben diese Ärzte indes ausdrücklich verneint. Dies stimmt überein mit den
sonographischen Befunden des Durchgangsarztes Dr. Sch., der in seinen
Arztbriefen vom 17.02. und vom 03.04.2012 die Kontinuität der Bizepssehne links
bestätigte. Weiter bestätigt wird der fehlende Nachweis eines (Teil-)Einrisses der
Bizepssehne links durch den Arztbrief des Orthopäden We. vom 06.12.2011, der
aufgrund des Sonographiebefundes des linken Ellenbogengelenkes allein ein
Kokardenphänomen am Ursprung der Handgelenksextensoren und Flexoren
objektivierte. Überdies lag nach dem vom Kläger geschilderten Unfallhergang
keine Überdehnung der Bizepssehne über das physiologische Ausmaß hinaus vor
als mögliche Ursache einer - ohnedies nicht nachgewiesenen - Bizepssehnen
(Teil-)Ruptur, wie Dr. Fa. auch insoweit überzeugend und zutreffend ausgeführt
hat. Folgerichtig haben deshalb Dr. C. und der Sachverständige Dr. Fa. einen Riss
der Bizepssehne links als Gesundheitsstörung verneint.
39 Zur Recht hat es deshalb die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide
abgelehnt, eine solche Gesundheitsstörung als - weitere - Unfallfolge
anzuerkennen.
40
c)
Schließlich ist auch eine depressive Erkrankung nicht als weitere Unfallfolge
festzustellen. Zwar leidet der Kläger im Anschluss an die aktenkundigen Arztbriefe
des Neurologen und Psychiaters Dr. W. vom 22.03.2013, 13.06.2013, 26.07.2013
und vom 30.04.2015 an rezidivierenden depressiven Episoden mittelgradiger
Ausprägung. Diese Gesundheitsstörung ist jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit
ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 14.03.2011 zurückzuführen. Zwar ist im
Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung auch die Feststellung psychischer
Gesundheitsstörungen grundsätzlich möglich. Denn auch solche können rechtlich
wesentlich durch ein Arbeitsunfallereignis verursacht worden sein (vgl. bereits
BSGE 18, 173, 176; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m.w.N.; BSG, UV-Recht Aktuell
2006, 497 und Bay. LSG vom 20.01.2010 - 11 2 U 396/08 - ; ferner
Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 142 ff.). Der Ursachenzusammenhang im
Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich auch in Bezug auf
psychische Gesundheitsstörungen nach der Theorie der wesentlichen Bedingung
(st. Rspr. seit BSGE 1, 72, 76 und 1, 50, 156 f.)
41 Gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den
von Dr. W. diagnostizierten Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet
und dem Arbeitsunfall vom 14.03.2011 spricht zur Überzeugung der Kammer
bereits die zeitliche Latenz zwischen dem Unfallereignis und der erstmaligen
Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode durch Dr. W. am 19.03.2013,
das heißt erstmals zwei Jahre nach dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall.
Denn nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen (vgl.
Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 142) - dies entspricht auch den
Erfahrungen der Kammer aus mehr als 20 Jahren richterlicher Tätigkeit im
Sachgebiet Gesetzliche Unfallversicherung - entwickeln sich depressive
Reaktionen auf ein belastendes Ereignis regelmäßig innerhalb einer kurzen
Zeitspanne von einer Woche bis vier Wochen nach einem solchen Ereignis. Der
Kläger berichtete bei der Erstvorstellung bei Dr. W. indes über (erst) „seit Monaten“
bestehenden Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Gereiztheit,
Antriebslosigkeit und einen sozialen Rückzug. Wesentliche Ursache dieser
Krankheitsäußerungen sind private Umstände außerhalb des
Arbeitsunfallereignisses: So gab der Kläger bereits im Rahmen des Heilverfahrens
in den St.-R.-Kliniken, Bad S., im Sommer 2011 chronische und aktuell belastende
Ereignisse (beruflich und privat), insbesondere eine Überforderung durch
chronisch belastenden Stress, an, was aufgrund des Entlassungsberichts der
Klinik vom 05.07.2011 feststeht. Soweit die psychischen Gesundheitsstörungen
überdies aus den Schmerzen am linken Arm und der Hals- und Lendenwirbelsäule
herrühren, besteht kein ursächlicher Zusammenhang mit dem
streitgegenständlichen Unfallereignis, da diese Gesundheitsstörungen nicht -
jedenfalls aber keine überdauernden - Folgen dieses Ereignisses sind. Vor diesem
Hintergrund stellt auch der gegenüber Dr. W. angegebene „Kampf“ des Klägers mit
der Beklagten um die Anerkennung der Folgen des Arbeitsunfalls keine vom
Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung umfasste Ursache für die
Ausbildung der depressiven Erkrankung dar. Gleiches gilt für die bei der weiteren
Vorstellung bei Dr. W. geäußerte „Angst, vor dem finanziellen Ruin zu stehen“.
Soweit die depressive Entwicklung möglicherweise auch dadurch unterhalten
wurde und weiterhin wird, dass der Kläger mit den bisher in den Gerichtsverfahren
erstellten Gutachten „hadert“, ist dies Ausfluss seiner Persönlichkeit und damit
ebenfalls unfallunabhängig. Überdies kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass
nach dem Arztbrief von Dr. W. vom 30.04.2015 die rezidivierenden depressiven
Episoden weiter unterhalten werden aufgrund eines Streits des Klägers mit seinem
Vorgesetzten und der Arbeitsbelastungen als Kfz-Mechaniker, die der Kläger als
„hart“ und „unter großem Zeitdruck“ empfindet. Schließlich ist auch das
erkennende Gericht der Überzeugung - dies in Übereinstimmung mit der Beklagten
-, dass der Unfallhergang - das mehrfache ruckartige Lösen einer festsitzenden
Achsmutter unter Aufwendung massiver Körperkraft - kein psychisch belastendes
Ereignis darstellt, das zur Entwicklung entsprechender Spätfolgen führen kann.
Zutreffend hat deshalb auch Dr. M. in seinem auf Antrag und im Kostenrisiko des
Klägers im Verfahren S 4 U 2613/12 eingeholten Sachverständigengutachten -
wenn auch fachfremd - einen ursächlichen Zusammenhang der mittelgradigen
depressiven Episode und eines erhöhten Somatisierungsindexes mit dem
Arbeitsunfallereignis als „eher unwahrscheinlich“ bezeichnet.
42
3.
Den Anträgen des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 26.01. und vom
05.02.2016, dem Sachverständigen Dr. Fa. einen umfassenden Fragenkatalog zur
ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten zuzuleiten, ist die Kammer
nicht nachgekommen, weil es auf die Beantwortung dieser Beweisfragen
entscheidungserheblich nicht ankommt: Weder stellte das Unfallereignis - wie oben
bereits - ausgeführt - einen geeigneten Hergang dar, um einen
Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule zu verursachen, noch liegen
insbesondere knöcherne oder disco-ligamentäre Begleitverletzungen vor, die nach
den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft einen ursächlichen
Zusammenhang dieser Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfallereignis
wahrscheinlich machen können. Soweit der Kläger überdies - trotz des
Ergebnisses des Gutachtens von Dr. Fa. - an der Feststellung einer „Teil-Ruptur
der linken Sehne“ festhält, war eine ergänzende Befragung des Sachverständigen
nicht erforderlich, weil aufgrund der aktenkundigen medizinischen Äußerungen
und Unterlagen bereits das Gegenteil - eine durchgängige Bizepssehne ohne
Anhalt für eine Ruptur oder Teilruptur - feststeht.
43
4.
Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und
musste das Begehren des Klägers insgesamt erfolglos bleiben.
44 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.