Urteil des SozG Karlsruhe vom 15.07.2016

entschädigung, darstellung des sachverhaltes, behandlung, auskunft

SG Karlsruhe Beschluß vom 15.7.2016, S 1 KO 2283/16
Sozialgerichtliches Verfahren - Entschädigung des sachverständigen Zeugen -
Negativauskunft - unverwertbarer Bericht - Mindestentschädigung gem § 20 JVEG -
Befundschein - Befundbericht
Leitsätze
Bezieht sich der Inhalt der schriftlichen Auskunft eines sachverständigen Zeugen ausschließlich auf einen vom
Gericht nicht erfragten Zeitraum und kann der sachverständige Zeuge mangels Untersuchung/Behandlung zum
erfragten Zeitraum keine Angaben machen, handelt es sich - im Ergebnis - um ein sog. Negativattest und um
einen unverwertbaren Bericht. Hierfür steht dem Arzt keine Entschädigung nach der Anl. 2 Nrn. 200ff zu § 10
Abs. 1 JVEG, sondern nur die Mindestentschädigung nach § 20 JVEG zu (Bestätigung von SG Karlsruhe vom
22.05.2015 - S 1 SF 1609/15 E - ).
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für seine schriftliche Auskunft vom 30. Juni 2016 im Verfahrens S x SB
.../16 wird in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin auf 6,95 EUR festgesetzt.
Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1 Die Beteiligten streiten über die Höhe einer dem Antragsteller zu gewährenden Entschädigung.
2 Im Hauptsacheverfahren S x SB .../16 streiten die dortigen Beteiligten um die Höhe des Grades der
Behinderung im Sinne des Schwerbehindertenrechts. Mit Schreiben vom 29. Juni 2016 übersandte der
Vorsitzende der x. Kammer des Sozialgericht Karlsruhe dem Antragsteller 6 Beweisfragen betreffend u.a.
den Zeitraum der Behandlung des Klägers sowie die Häufigkeit der Untersuchung und Behandlung seit Juli
2015. Am 04. Juli 2016 übersandte der Antragsteller ein 2-seitiges Schreiben vom 30. Juni 2016, in welchem
er mitteilte, er habe den Kläger einmalig am 21. April 2015 behandelt. Weiter gab er u.a. die dabei von ihm
erhobenen Befunde und diagnostizierten Gesundheitsstörungen an. Hierfür machte der Antragsteller eine
Entschädigung von 24,45 EUR geltend.
3 Die Kostenbeamtin setzte die Entschädigung des Antragstellers auf 6,95 EUR fest. Dabei berücksichtigte sie,
da sein Schreiben ein Negativattest darstelle, eine Nachteilsentschädigung nur in Höhe der
Mindestentschädigung von 3,50 EUR für eine Zeitstunde, 2,-- EUR Entschädigung für das Anfertigen zweier
Mehrfertigungen der Auskunft sowie Portauslagen des Antragstellers von 1,45 EUR (Verfügung vom 04. Juli
2016).
4 Mit dem am 07. Juli 2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 06. Juli 2016 hat der Antragsteller die
richterliche Festsetzung seiner Entschädigung beantragt. Er habe die Beweisfragen des Gerichts vollständig
beantwortet, weshalb sein Schreiben vom 30. Juni 2016 keine Negativauskunft darstelle.
5 Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 07. Juli 2016) und sie dem
erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
6 Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens des Antragstellers wird auf den Inhalt der
vorliegenden Prozess-, Kosten- und Entschädigungsakten Bezug genommen.
II.
7 Der nicht fristgebundene Antrag des Antragstellers vom 07. Juli 2016 auf richterliche Festsetzung seiner
Entschädigung ist gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG)
statthaft und zulässig. Er führt jedoch zu keiner höheren Entschädigung als 6,95 EUR.
8 Soweit ein sachverständiger Zeuge Leistungen erbringt, die in der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG bezeichnet
sind, bemisst sich seine Entschädigung nach dieser Anlage. Die Nrn. 200 bis 203 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1
JVEG sehen eine Entschädigung eines sachverständigen Zeugen in Höhe von 21,-- EUR bis 75,-- EUR vor für
die Ausstellung eines Befundscheines oder die Erteilung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere
gutachtliche Äußerung (Nrn. 200 und 201) sowie für ein Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit kurzer
gutachtlicher Äußerung (Nrn. 202 und 203). Das Schreiben des Antragstellers vom 30. Juni 2016 im
Verfahren S x SB .../16 stellt jedoch weder einen Befundschein noch ein Zeugnis über einen ärztlichen
Befund im Sinne der Nrn. 200 ff. Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG dar. Ein Befundschein erfordert, dass
medizinische Tatbestände und Angaben für ein konkretes Verfahren entsprechend den Beweisfragen des
Gerichts aus den Behandlungsunterlagen ausgewählt und fachlich zweckgebunden, etwa in Bezug auf das
gesundheitliche Leistungsvermögen oder die Höhe des Grades der Behinderung eines Beteiligten, bewertet
werden. Die Mitteilung von Behandlungsdaten, Befunden und/oder Diagnosen, wie sie der Antragsteller im
Hauptsacheverfahren vorgelegt hat, genügt dem nicht. Denn der Antragsteller hat damit die Beweisfragen
des Gerichts vom 29. Juni 2016 nicht beantwortet, weil sich diese ausdrücklich auf die Zeit ab Juli 2015
bezogen, wie sich hinreichend deutlich aus der Beweisfrage 2 ergibt. Das Schreiben des Antragstellers vom
30. Juni 2016 umfasst jedoch ausschließlich die Behandlung am 21. April 2015. Zu den Beweisfragen
bezogen auf den Zeitraum ab Juli 2015 konnte der Antragsteller sich mangels ärztlicher Behandlung des
Klägers ab diesem Zeitpunkt nicht äußern. Damit handelt es sich bei seinem Schreiben vom 30. Juni 2016 -
im Ergebnis - um ein sogenanntes Negativattest, für das eine Entschädigung nach der Anlage 2 Nrn. 200 bis
203 zu § 10 Abs. 1 JVEG nicht zusteht (vgl. BSG, Breihaupt 1998, 148; Beschluss des erkennenden Gerichts
vom 22. Mai 2015 - S 1 SF 1609/15 E - ; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, Anlage 2
zu § 10 Abs. 1 JVEG, Rand-Nr. 21 sowie Binz in Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG,
3. Aufl. 2014, JVEG, Anlage 2, Rand-Nr. 11). Überdies handelt es sich bei dem Schreiben des Antragstellers
vom 30. Juni 2016 auch um einen unverwertbaren Bericht, weil er einen vom Gericht nicht erfragten
Zeitraum betrifft. Auch deshalb steht dem Antragsteller eine Entschädigung nach der Anlage 2 zu § 10 Abs.
1 JVEG nicht zu.
9 Der mit einer - wie hier - Leistung nach der Anlage 2 Nrn. 200 ff. zu § 10 Abs. 1 JVEG beauftragte Arzt ist
aber einem Zeugen gleichzusetzen, der mit einer schriftlichen Zeugenaussage beauftragt ist. Für den mit
einer einfachen Überprüfung der Patientenkartei und der entsprechenden Benachrichtigung an das Gericht
verbundenen Zeitaufwand kann dem Arzt deshalb - wenn geltend gemacht - eine Entschädigung als Zeuge
gewährt werden (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., Rand-Nr. 21). Hierzu bestimmt § 22 Satz 1 JVEG,
dass Zeugen, denen ein Verdienstausfall entsteht, eine Entschädigung erhalten, die sich nach dem
regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge
richtet und für jede Stunde höchstens 21,00 EUR beträgt. Einen solchen Verdienstausfall hat der
Antragsteller indes weder geltend gemacht noch nachgewiesen.
10 Für den im JVEG nicht ausdrücklich geregelten Fall einer Negativauskunft oder eines unverwertbaren
Befundberichts können grundsätzlich keine anderen Maßstäbe gelten. In diesem Fall kann der Arzt nach § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 20 JVEG jedoch die Mindestentschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 3,50
EUR je Stunde erhalten (vgl. Hess. LSG vom 23.05.2012 - L 2 SB 1/12 B - ; SG Fulda
vom 21.11.2012 - S 4 SF 52/10 E - und Beschluss des erkennenden Gerichts vom 22. Mai 2015 - S 1 SF
1609/15 E - ). Diese Mindestentschädigung ist vorgesehen, wenn - wie hier - kein
Verdienstausfall entstanden ist. Die Regelung soll denjenigen, der als Zeuge herangezogen wird, für die
Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflicht honorieren und damit eventuell verbundene immaterielle
Nachteile ausgleichen (vgl. BSG, Breithaupt 1998, 148 und Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O.). Zu Recht
hat deshalb die Kostenbeamtin eine Nachteilsentschädigung in Höhe von 3,50 EUR gewährt.
11 Daneben steht dem Antragsteller Ersatz für Aufwendungen für die Herstellung von 4 Fotokopien zu je 0,50
EUR, d.s. 2,-- EUR, zu (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG).
12 Außerdem hat er Anspruch auf Ersatz des von ihm verauslagten Portos - hier: 1,45 EUR - (§ 19 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG).
13 Seine Gesamtentschädigung ist deshalb in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin auf 6,95 EUR
festzusetzen.
14 Die Entscheidung über die Gebühren und Kosten folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.
15 Dieser Beschluss ergeht endgültig, weil der Beschwerdewert den Betrag von 200,00 EUR nicht übersteigt (§
4 Abs. 3 JVEG). Gründe, die Beschwerde dennoch zuzulassen, liegen nicht vor. Denn die zur Entscheidung
stehende Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung und ist überdies in der Rechtsprechung bereits
entschieden.