Urteil des SozG Hildesheim vom 28.01.2010

SozG Hildesheim: allein erziehende mutter, eltern, haushalt, historische auslegung, verfassungskonforme auslegung, leistungsanspruch, reduktion, bedürftigkeit, einverständnis, duldung

Sozialgericht Hildesheim
Urteil vom 28.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 40 AY 158/08
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.
Juli 2008 verurteilt, den Klä-gern für den Monat August 2008 Leistungen gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG zu be-willigen und
unter Anrechnung für diesen Zeitraum bereits gewährter Leis-tungen nach § 3 AsylbLG auszuzahlen.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewer-berleistungsgesetz (AsylbLG)
für den Monat August 2008, die der Beklagte unter Berufung auf § 2 Abs. 3 AsylbLG ablehnt.
Die 1992 und 1995 geborenen Kläger sind syrische Staatsangehörige und reisten ge-meinsam mit ihrer allein
erziehenden Mutter am 30. Juli 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre Mutter verfügte ab dem 26. Juni
2008 über eine Aufenthaltserlaub-nis nach § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) mit einer Gültigkeitsdauer bis
zum 25. Juni 2010 und bezog infolgedessen ab Juli 2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB
II). Die Kläger verfügten zunächst über Duldungen, bis ihnen der Beklagte am 7. August 2008 ebenfalls
Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 Auf-enthG, befristet bis zum 15. Juli 2010, erteilte. Während ihres
Aufenthalts in Deutschland erhielten die Kläger nach Angaben des Beklagten über einen Zeitraum von 48 Monaten –
also seit ihrer Einreise – Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2008 bewilligte der Beklagte den Klägern "für den Monat 8/2008" Leistungen nach § 3
AsylbLG in Höhe von 322,74 Euro (Kläger zu 1) bzw. 302,27 Euro (Kläger zu 2) und führte zur Begründung aus, dass
eine Bewilligung höhe-rer Leistungen gem. § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht erfolgen könne, da die Mutter keine Leis-tungen
nach § 2 Abs. 1 AsylbLG beziehe.
Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2008 zurück. Zur Begründung
verwies er auf den Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG
Hiergegen richtet sich die am 4. August 2008 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhobene Klage.
Die Kläger sind der Auffassung, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG angesichts des Leistungsbezugs ihrer Mutter nach dem
SGB II dahingehend verfassungskonform auszulegen sei, dass die Leistungsbeschränkung im Falle der Kläger nicht
greife und ihnen Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren seien.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 11. Juli 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli
2008 zu verurteilen, den Klägern jeweils Leistungen gem. § 2 AsylbLG unter Anrechnung gewährter Leistungen zu
gewäh-ren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich auf den eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG, der in diesem Fall voraussetze, dass die Mutter
der Kläger Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bezieht.
Die Beteiligten haben im schriftlichen Verfahren ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der beigezogenen
Vorprozessakte zum Az.: S 40 AY 156/08 ER sowie der Verwaltungsvorgänge der Leistungs- und Ausländerbehörden
des Beklagten verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Gem. § 124 Abs. 2 SGG erfolgt die Entscheidung des Gerichts im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne
mündliche Verhandlung.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist rechtswidrig. Die Kläger sind durch den Bescheid vom 11. Juli 2008
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2008 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da sie in dem
Monat August 2008 einen An-spruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des Sozialge-
setzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) hatten.
1. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG waren die Kläger als Inhaber einer Duldung leistungsberechtigt nach dem AsylbLG.
In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich deren Leistungsberechti-gung dem Grunde nach gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1, 2. Alt.
AsylbLG auf den gesamten Monat August 2008. Nach dieser Vorschrift endet die Leistungsberechtigung nämlich erst
mit Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt, was hier mit der Erteilung der
Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG am 7. August 2008 geschehen ist; diese Titel haben eine
Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten, so dass die Kläger auch nicht nach § 1 Abs. 2 AsylbLG
leistungsberechtigt waren (vgl. hierzu Ober-verwaltungsgericht - OVG - Lüneburg, Urteil vom 04. Februar 1999, Az.: 4
M 137/99).
2. Der Leistungsanspruch der Kläger bemisst sich im August 2008 nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.
a) Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen
Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach §
3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Die Kläger erfüllen die Leistungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, da sie während ihres Aufenthalts in
Deutschland über einen Zeitraum von 48 Monaten Grundleis-tungen nach § 3 AsylbLG bezogen haben und ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht vorliegt. Wegen der Minderjährigkeit der
Kläger und der nicht möglichen Zurechnung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Eltern (vgl. Bun-dessozialgericht -
BSG -, Urteil vom 17. Juni 2008, Az.: B 8/9b AY 1/07 R) kommt ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 AsylbLG
im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Ein solches, die Aufenthaltsdauer beeinflussendes Verhalten wird den Klägern
vom Beklagten auch nicht vorgeworfen.
b) Dem Leistungsanspruch der Kläger nach § 2 Abs. 1 AsylbLG steht auch nicht § 2 Abs. 3 AsylbLG entgegen.
Danach erhalten minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben,
Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen
nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhält.
Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG scheint ein Leistungsanspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG der im
streitgegenständlichen Zeitraum minderjährigen Kläger an sich ausge-schlossen, obwohl sie die leistungsrechtlichen
Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllten. Ihre mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende, allein
erziehende Mutter bezog im August 2008 Leistungen nach dem SGB II und nicht Leistungen nach § 2 Abs. 1
AsylbLG.
Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 AsylbLG ist jedoch nach dem Willen des Ge-setzgebers und zur Vermeidung
eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) im Wege der Auslegung teleologisch
zu reduzieren. Die zu-sätzliche Leistungsvoraussetzung für minderjährige Kinder gilt nur in denjenigen Fällen, in denen
die im gleichen Haushalt lebenden Eltern bzw. das Elternteil selbst leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sind.
Eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation ist von der Verfassung nicht
vorgeschrieben. Eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften -
in Ausnahmefällen sogar abweichend von ihrem Wortlaut - gehört vielmehr zu den anerkannten, verfassungsrechtlich
nicht zu be-anstandenden Auslegungsgrundsätzen. Bei einem nach wortlautgetreuer Auslegung dro-henden
Grundrechtsverstoß ist eine zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung der Norm entgegen dem
Wortlaut sogar geboten (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 7. April 1997, Az.: 1 BvL 11/96, NJW
1997, 2230, 2231). Eine verfassungskonforme Auslegung findet allerdings dort ihre Grenzen, wo sie mit dem Wortlaut
und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde; im Wege der Auslegung darf einem nach
Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der
auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen
Punkt verfehlt werden (BVerfG, a. a. O.).
Der Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 AsylbLG, seine Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der
einschlägigen Regelungen sprechen eindeutig gegen eine Leis-tungseinschränkung nach § 2 Abs. 3 AsylbLG, wenn
die betroffenen Kinder in Haushalts-gemeinschaft mit ihren nicht nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Eltern
leben.
aa) Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 AsylbLG in der seit dem 1. Juni 1997 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 1 des
Gesetzes vom 26. Mai 1997, BGBl. I 1130) ist eine einheitliche Normierung der Leistungsansprüche innerhalb einer
Familie. Nach der Gesetzhistorie hatte der Gesetzgeber diejenigen Fälle vor Augen, in denen allein die Eltern um Asyl
nachsuchen und deren im gleichen Haushalt lebenden Kinder als Inhaber einer Duldung nach der nicht Gesetz
gewordenen Entwurfsfassung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG (BT-Drs. 13/2746) Anspruch auf höhere Leistungen
gehabt hätten. Bei sämtlichen Familienmitgliedern die gleiche Motivation zu Grunde gelegt, Schutz in Deutschland zu
erhalten, sei eine leistungsrechtliche Besserstellung der minderjährigen Kinder in diesen Fällen sachlich nicht
gerechtfertigt (BT-Drs. 13/2746, S. 16). Korrespondierend mit § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG wird darin ein akzessorisches
Leistungsverhältnis zwischen den Eltern bzw. einem Elternteil und ihren in Haushaltsgemeinschaft lebenden
minderjährigen Kindern gesehen (vgl. Hohm, in: GK-AsylbLG, § 2 Rn. 228). Nach aktueller Gesetzeslage dürfte der
Hauptanwendungsfall der Norm sein, dass den Eltern ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1
AsylbLG vorzuwerfen ist und infolgedessen auch de-ren im gleichen Haushalt lebenden Kinder bis zur Volljährigkeit
gem. § 2 Abs. 3 AsylbLG keine privilegierten Leistungen beanspruchen können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008,
Az.: B 8/9b AY 1/07 R; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008, Az.: B 8 AY 12/07 R).
Nach Maßgabe dieses Gesetzeszwecks ist eine Schlechterstellung von minderjährigen, im Haushalt der Eltern
lebenden Kindern, deren Eltern bereits über einen Aufenthaltstitel verfügen, der eine Leistungsberechtigung nach dem
SGB II oder SGB XII vermittelt, vom Gesetzgeber nicht gewollt. Vielmehr entspricht es dem eindeutigen Willen des
Gesetzgebers, dass eine Leistungseinschränkung nach § 2 Abs. 3 AsylbLG nur in denjenigen Fäl-len eintreten soll, in
denen die im gleichen Haushalt lebenden Eltern Grundleistungen nach § 3 AsylbLG beziehen bzw. im Falle vorrangig
nach § 7 AsylbLG einzusetzenden Einkommens oder Vermögens beziehen würden. Der Gesetzgeber hat also bei der
Anwendung der Norm die Leistungsberechtigung der Eltern dem Grunde nach gem. § 1 Abs. 1 AsylbLG
vorausgesetzt; eine leistungsrechtliche Privilegierung der Kinder nach § 2 Abs. 1 AsylbLG gegenüber ihren Eltern soll
nur innerhalb des Leistungssystems des AsylbLG verhindert werden.
Um dem Willen des Gesetzgebers gerecht zu werden, muss § 2 Abs. 3 AsylbLG im Wege der teleologischen
Reduktion so ausgelegt werden, dass die Leistungsberechtigung der Eltern oder des Elternteils nach dem AsylbLG
weitere Tatbestandsvoraussetzung des Relativsatzes in § 2 Abs. 3 AsylbLG ist.
bb) Eine allein am Wortlaut orientierte Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG ohne diese Einschränkung und ein
einhergehender Leistungsbezug auf dem Niveau der Grundleistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG würden im vorliegenden
Fall auch gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu
anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwi-schen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art
und solchem Gewicht beste-hen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (sog. neue Formel, st. Rspr.
BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980, Az.: 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88; 93,
386, 397). Art 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber also, we-sentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches
ungleich zu behandeln (BVerfG, Be-schluss vom 11. Januar 2005, Az.: 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, 174). Zwar
hat der Gesetzgeber bei Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen
weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 1999, Az.: 1 BvL 8/97, BVerfGE 100, 195, 205;
BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002, Az.: B 2 U 12/02 R, BSGE 90, 172, 178). Ungleichbehandlung und
rechtfertigender Grund müssen aber in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfG, Beschluss vom
6. Juli 2004, Az.: 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, 171). Je nach Regelungsgegens-tand und Differenzierungsmerkmal
reichen die Anforderungen an den Differenzierungs-grund dabei vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen
Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2002, Az.: 2 BvR 400/98, 2 BvR
1735/00, BVerfGE 107, 27, 45 f; BVerfG, Beschluss vom 28. Mai 2008, Az.: 1 BvR 2257/06). Differenzierungen, die
dem Gesetzgeber verboten sind, dürfen auch von den Gerichten im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften
nicht für Recht erkannt werden (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1991, Az.: 1 BvR 538/90, BVerfGE 84, 197, 199).
Ist von mehreren Auslegungen nur eine mit dem Grundgesetz vereinbar, muss diese gewählt werden (BVerfG,
Beschluss vom 11. Januar 2005, Az.: 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, 182 f.; vgl. auch BSG, Urteil vom 19.
Februar 2009, Az.: B 10 KG 2/07 R).
(1) Die im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG heranzuziehende Vergleichsgruppe besteht aus den minderjährigen
Leistungsberechtigten, die die Leistungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen und die mit ihren
privilegierte Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG beziehenden Eltern (bzw. Elternteil) in einem Haushalt leben. Bei
dieser Vergleichsgruppe ist die weitere Leistungsvoraussetzung des § 2 Abs. 3 AsylbLG erfüllt und ein Anspruch der
minderjährigen Kinder nach § 2 Abs. 1 AsylbLG begründet. (2) Eine sich am Wortlaut ausrichtende Auslegung des § 2
Abs. 3 AsylbLG würde bei min-derjährigen Haushaltsangehörigen, die selbst die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1
AsylbLG erfüllen, aber mit einem Leistungen nach dem SGB II beziehenden Elternteil zusammenleben, zu einem
Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 3 AsylbLG führen und damit zu einer Ungleichbehandlung, da dieser
Personenkreis auf den Grundleistungsbe-zug nach §§ 1, 3 ff. AsylbLG zu verweisen wäre.
(3) Eine solche Ungleichbehandlung ist gemessen an dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sachlich nicht
gerechtfertigt.
Wie dargelegt, ist der sachliche Grund der Leistungseinschränkung durch § 2 Abs. 3 AsylbLG darin zu sehen, eine
leistungsrechtliche Besserstellung von minderjährigen Kindern gegenüber den im gleichen Haushalt lebenden Eltern –
bei aufenthaltsrechtlich gleicher Interessenslage – zu vermeiden, wenn die Eltern nur Grundleistungen nach § 3
AsylbLG beziehen. Soweit ein Elternteil nach § 2 Abs. 1 AsylbLG leistungsrechtlich privilegiert ist, also nach dem
Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von 48 Monaten ohne rechtsmissbräuchliche
Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer, ist es nicht mehr gerechtfertigt, die im gleichen Haushalt lebenden Kinder,
die selbst die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008, Az.: B 8/9b AY
1/07 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2008, Az.: L 20 AY 5/07), auf den Bezug von Grundleistungen zu
verweisen. Noch immer leistungsberechtigt nach dem AsylbLG, verfügen diese Eltern unverändert über kein
verfestigtes Aufenthaltsrecht in Deutschland. Verglichen mit der Gruppe der minderjährigen Kinder, deren Eltern eine
dauerhafte Bleibeperspektive mit entsprechendem Aufenthaltsstatus haben, ist eine Ungleichbehandlung durch die
Einschränkung nach § 2 Abs. 3 AsylbLG sachlich nicht zu begründen (ebenso im Ergebnis: SG Aachen, Urteil vom
30. Januar 2007, Az.: 20 AY 20/06; SG Freiburg, Urteil vom 24. Januar 2008, Az.: S 4 SO 5144/06). Der Leistungsan-
spruch der Eltern dieser Vergleichsgruppe richtet sich bei Bedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII. Eine
leistungsrechtliche Besserstellung der (noch) nach dem AsylbLG leis-tungsberechtigten Kinder im gleichen Haushalt
ist ausgeschlossen.
cc) Die hier gewonnene Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zu der verwaltungs- und sozialgerichtlichen
Rechtsprechung zu § 1 Abs. 1 AsylbLG, nach der die Leistungsbe-rechtigung nach dem AsylbLG dem Grunde nach
auch dann unberührt bleibt, wenn ein Elternteil lebensunterhaltssichernde Leistungen nach einem anderen
Leistungsgesetz bezieht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 2001, Az.: 5 B 94/00; LSG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2008, Az.: L 20 AY 5/07). Die entschiedenen Fälle betrafen jeweils nach dem AsylbLG
leistungsberechtigte Minderjährige, die in ihrer Per-son die nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erforderliche Vorbezugszeit nicht
erfüllten und ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe begehrten. Bezogen auf
die Leistungsberechtigung dem Grunde nach besteht insoweit kein allgemeiner Anspruch aller Familienangehöriger auf
familieneinheitliche Leistungsgewährung (vgl. BVerwG, a. a. O.; vgl. auch BSG vom 17. Juni 2008, Az.: B 8/9b AY
1/07 R). Die hier strittige Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG war hingegen nicht Gegenstand dieser Rechtsprechung.
dd) Nach dieser Auslegung lautet der Tatbestand des § 2 Abs. 3 AsylbLG - teleologisch reduziert - sinngemäß:
Minderjährige Kinder, die mit ihren "nach dem AsylbLG leistungsberechtigten" Eltern oder einem "nach dem AsylbLG
leistungsberechtigten" Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 nur, wenn
mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 er-hält.
Übertragen auf den vorliegenden Fall lebten die minderjährigen Kläger im August 2008 nicht mit einem "nach dem
AsylbLG leistungsberechtigten" Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft, da ihre allein erziehende Mutter
leistungsberechtigt nach dem SGB II war. Ihr Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG ist in § 1 Abs. 1 Nr. 3
AsylbLG nicht genannt und hat eine Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten, so dass die Mutter der
Kläger im August 2008 auch nicht gem. § 1 Abs. 2 AsylbLG nach dem AsylbLG leistungsberechtigt war. § 2 Abs. 3
AsylbLG ist hier nicht einschlägig.
3. Bei der Gewährung der Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für den Monat August 2008 hat der Beklagte den Wert
der erbrachten Leistungen nach § 3 AsylbLG (322,74 Euro bzw. 302,27 Euro) zu berücksichtigen und von den nach §
2 AsylbLG i. V. m. dem SGB XII dem jeweiligen Kläger zustehenden Leistungen in Abzug zu bringen (vgl. BSG, Urteil
vom 17. Juni 2008, Az.: B 8 AY 13/07).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Der Streitwert der Klage erreicht den für die Berufung maßgeblichen Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
SGG in Höhe von 750 Euro nicht. Das Gericht hat die Berufung gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die streitige Frage des Anwendungsbereichs des § 2 Abs. 3 AsylbLG ist
nach dem Kenntnisstand des Gerichts bislang weder ober- noch höchstrichterlich beant-wortet worden.
Erstinstanzliche Entscheidungen bestätigen das hier gewonnene Ergebnis (SG Aachen, Urteil vom 30. Januar 2007,
Az.: 20 AY 20/06; SG Freiburg, Urteil vom 24. Januar 2008, Az.: S 4 SO 5144/06). Angesichts des nicht seltenen
Falls der vorzeitigen Erteilung eines Aufenthaltstitels für die im gleichen Haushalt lebenden Eltern Minderjähriger, etwa
nach der Regelung des § 104a AufenthG, liegt die Klärung der hier streitigen Rechtsfrage - über das
Individualinteresse der Kläger hinaus - im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die
Weiterentwicklung des Rechts zu för-dern.
Rechtsmittelbelehrung:
G.