Urteil des SozG Gießen vom 23.10.2007

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Gericht:
SG Gießen 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 9 SF 24/06 KR
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 193 Abs 2 SGG
Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens
Gründe
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 23.01.2006 beantragte die Antragstellerin die
Festsetzung der Kosten für das Privatgutachten von Prof. Dr. H. vom 25.11.2005 in
Höhe von 1.596,16 €. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.03.2006 lehnte die
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Erstattung der Kosten für das
Privatgutachten ab, da das Privatgutachten im Laufe des Rechtsstreits eingeholt
worden sei und das Sozialgerichtsgesetz einen Antrag nach § 109 SGG vorsehe.
Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, die Kosten des Privatgutachtens müssten
übernommen werden, da es sich um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz
gehandelt habe und nicht davon auszugehen gewesen sei, dass das Gericht von
Amts wegen ein Gutachten einholen werde.
Gemäß § 193 Abs. 2 SGG sind die notwendigen Kosten zu erstatten. Notwendig
sind solche Aufwendungen, die die Beteiligten zurzeit der Vornahme
verständigerweise für notwendig halten durften (Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG-
Kommentar, Randnr. 7 zu § 193 SGG). Erstattungsfähig sind in diesem Rahmen
unter anderem die Kosten zur Vorbereitung eines Rechtsstreits, wozu
ausnahmsweise auch Kosten für ein Privatgutachten zählen können, wenn das
Gutachten nötig oder mindestens für den Ausgang des Rechtsstreits förderlich war
(Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG-Kommentar, Randnr. 9 a zu § 193 SGG). Dies ist
beispielsweise dann der Fall, wenn der Kläger für die Begründung des Verfahrens
sonst nicht zu schwierigen Fachfragen oder medizinischen Ausführungen der
anderen Verfahrensbeteiligten sachkundig Stellung nehmen kann. Die Einholung
eines Privatgutachtens ist im Klageverfahren regelmäßig nicht erforderlich, da das
Gericht von Amts wegen ermittelt und der Kläger auch die Möglichkeit hat, einen
Antrag nach § 109 SGG zu stellen. Im einstweiligen Rechtsschutz ist die Situation
eine andere. Die Antragsgegnerin hat vorliegend ausführliche Stellungnahmen des
medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zur Kostenübernahme des
Medikamentes Herceptin eingeholt. Die Antragstellerin konnte die Stellungnahmen
des medizinischen Dienstes nur durch Vorlage eines Privatgutachtens erschüttern,
da im einstweiligen Rechtsschutz die Kammer kein Gutachten nach § 109 SGG
eingeholt hätte. Die Kammer hat sich auch auf das Gutachten von Prof. Dr. H. in
seinem Beschluss vom 05.12.2005 gestützt. Das vorgelegte Privatgutachten war
folglich für den Ausgang des Rechtsstreits förderlich. Die Kosten für das
Privatgutachten sind daher dem Grunde nach zu erstatten.
Die Antragsgegnerin hat jedoch die Kosten des Privatgutachtens nicht in der
beantragten Höhe, sondern nur in Höhe von 1178,56 € zu erstatten.
Bezüglich der Höhe der Gutachtenskosten ist zu prüfen, ob die Stundensätze und
die in Ansatz gebrachte Stundenzahl angemessen sind. Für die Prüfung der
Angemessenheit können aber die Regelungen des Justizvergütungs- und
Entschädigungsgesetzes (JVEG) weder unmittelbar noch in entsprechender
Anwendung herangezogen werden. Nur bei ganz erheblicher Abweichung der
Stundensätze und der Stundenzahl des Privatgutachters bedarf es einer Korrektur
(BGH, Beschluss vom 25.01.2007 - VII ZP 74/06).
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Prof. Dr. H. berechnete einen Stundensatz von 90 € und stellte für das
Aktenstudium 4 Stunden, für das Literaturstudium 3 Stunden, für die Ausarbeitung
des Gutachtens 6 Stunden und für Diktat und Korrektur 2 Stunden in Rechnung.
Die Stundensätze betragen nach dem JVEG 50,00 € bis 85,00 €. Die Gutachterin
überschreitet damit nur unwesentlich den Stundensatz, so dass ein Stundensatz
von 90,00 € noch als angemessen anzunehmen ist. Die geltend gemachte
Stundenzahl ist jedoch nicht angemessen. Die Gutachterin berechnete für das
Aktenstudium 4 Stunden. Die Antragstellerin legte die der Gutachterin zur
Verfügung gestellte Akte vor. Die Akte umfasst 141 Seiten. Für das Aktenstudium
werden üblicherweise eine Stunde für die Durchsicht von 50 bis 60 Seiten
angenommen. Für das Aktenstudium sind vorliegend maximal drei Stunden zu
berücksichtigen. Auch der Zeitbedarf für die Ausarbeitung des Gutachtens ist nicht
angemessen. Die Gutachterin berechnete sechs Stunden. Für die Ausarbeitung
des Gutachtens beziehungsweise der Beurteilung wird eine Stunde pro Seite der
schriftlich niedergelegten Beantwortung der Beweisfrage gerechnet. Die
Beurteilung umfasst in dem Gutachten nur drei Seiten, so dass hierfür drei
Stunden zu berücksichtigen sind.
Die angemessenen Gutachtenskosten sind wie folgt zu berechnen:
Der Beschluss ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.