Urteil des SozG Gelsenkirchen vom 10.10.2008

SozG Gelsenkirchen: eltern, haushalt, anrechenbares einkommen, verfassungskonforme auslegung, ausnahme, freibetrag, erlass, verwaltungsakt, zukunft, familie

Sozialgericht Gelsenkirchen
Urteil vom 10.10.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Gelsenkirchen S 5 AS 103/07
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 AS 113/08
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt ½ der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die
Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob die Beklagte die zuvor erfolgte Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites
Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) an den Kläger für den Monat März 2007 rechtmäßig teilweise
aufgehoben hat.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger bezieht seit dem 03.08.2005 Arbeitslosengeld II von der Beklagten. Seit dem
01.08.2006 bewohnt er eine gemeinsame Wohnung mit seiner Lebensgefährtin, Frau X (geb.: 00.00.0000), in der
Johannesstr. 93 in Bottrop. Diese ist die leibliche Mutter der Kinder X1 (geb.: 00.00.0000) und X2 (geb.: 00.00.0000).
Beide minderjährigen Kinder leben bei ihren Großeltern in Polen. Am 07.08.2006 teilte der Kläger den am 01.08.2006
erfolgten Zuzug der Frau X der Beklagten mit. Daraufhin änderte diese die Leistungsbewilligung an ihn dahingehend
ab, dass ihm ab dem 01.08.2006 Leistungen gemeinsam mit Frau X als Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II
gewährt wurden. Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 19.09.2006 bewilligte die Beklagte ihnen mit Bescheid vom
19.09.2006 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 01.10.2006 bis 31.03.2007 in Höhe von 969,47 EUR monatlich fort.
Daneben bewilligte die Familienkasse Bochum der Frau X mit Bescheiden vom 15.02.2007 Kindergeld für den
Zeitraum ab August 2006; für die Zeit ab Januar 2007 in Höhe von monatlich 137,60 EUR für jedes der beiden Kinder.
Die Leistungshöhe ergebe sich bei Bildung der Differenz des Kindergeldanspruches der Frau X nach deutschem Recht
in Höhe von 154,00 EUR pro Kind monatlich sowie des Anspruchs auf Familienleistungen nach polnischem Recht in
Höhe von 16,40 EUR pro Kind monatlich. Mit weiterem Schreiben vom 15.02.2007 teilte die Familienkasse Bochum
der Frau X mit, dass das bewilligte Kindergeld ab März 2007 laufend in Höhe von jeweils 137,60 EUR pro Kind an sie
ausgezahlt werde. Für die Monate August 2006 bis Februar 2007 seien von der Beklagten Sozialleistungen gewährt
sowie diesbezüglich ein Erstattungsanspruch gemäß § 74 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i. V. m. §§ 103,
104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) geltend gemacht
worden. In Erfüllung dieses Erstattungsanspruchs würden die nunmehr nachbewilligten Leistungen in Höhe von
1888,62 EUR an die Beklagte ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 20.02.2007 - adressiert an den Kläger - änderte die Beklagte die mit Bescheid vom 19.09.2006
erfolgte Leistungsbewilligung dahingehend ab, dass diesem sowie Frau X für den Monat März 2007 abweichend
Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 724,27 EUR bewilligt wurden. Zur Begründung ist im Bescheid ausgeführt:
"Ab dem 01.03.2007 wird Ihrer Lebensgefährtin das Kindergeld in Höhe von 137,60 EUR pro Kind als Einkommen
angerechnet." Aus dem dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen ergibt sich ein monatlicher addierter
Gesamtleistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 969,47 EUR sowie um 30,00 EUR Freibetrag
bereinigtes, anzurechnendes Kindergeldeinkommen der Frau X in Höhe von 275,20 EUR.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 06.03.2007 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.02.2007 ein.
Es sei zwar richtig, dass Frau X Kindergeld in Höhe von 137,60 EUR pro Kind beziehe, dieses stelle jedoch kein
Einkommen im Sinne des SGB II der Frau X bzw. der Bedarfgemeinschaft dar, da es letztlich deren Kindern zugute
kommen solle. Auch der Kläger trage Kosten der Kinder. Vor diesem Hintergrund könne die monatliche
Kindergeldzahlung nicht als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft gewertet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Das der Frau X
gewährte monatliche Kindergeld sei im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II an den Kläger sowie Frau
X bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Kindergeldberechtigte und damit Anspruchsinhaber hinsichtlich des
Kindergeldes seien grundsätzlich die Eltern, hier Frau Wladowska, nicht hingegen die Kinder selbst. Kindergeld stelle
eine Leistung an Eltern dar. Zur Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 SGB II gehörten der Kläger sowie Frau X. Deren
monatlicher Gesamtbedarf betrage 969,47 EUR (zweimal 311,00 Regelleistung zuzüglich 347,47 EUR monatlicher
Gesamtkosten der Unterkunft und Heizung). Die Bedarfsgemeinschaft verfüge über monatliches Einkommen aus dem
Kindergeldbezug der Frau X in Höhe von 275,20 EUR (zweimal 137,60 EUR). Dieses sei um einen Freibetrag gemäß §
11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II-Verordnung (ALG II-VO) in Höhe von monatlich
30,00 EUR zu bereinigen. Bei Gegenüberstellung des anzurechnenden Einkommens in Höhe von 245,20 EUR sowie
des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 969,47 EUR ergebe sich ein ungedeckter Gesamtbedarf in
Höhe von 724,27 EUR monatlich. Leistungen in dieser Gesamthöhe seien dem Kläger sowie Frau X gewährt worden.
Mit seiner am 16.05.2007 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom
20.02.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2007 und damit die Gewährung von Leistungen
nach dem SGB II ohne Anrechnung des der Frau X gewährten Kindergeldes als deren Einkommen bzw. Einkommen
der Bedarfsgemeinschaft. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei Kindergeld als Einkommen des jeweiligen Kindes
anzusehen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt werde. Zwar lebten die Kinder der Frau
X in Polen bei ihren Großeltern, doch müsse Frau X für deren Lebensunterhalt aufkommen und tue dieses indem sie
das erlangte Kindergeld den Kindern zu Verfügung stelle. Sie besuche diese etwa 5 - 6 mal pro Jahr und zahle bei
dieser Gelegenheit an die Großeltern einen Zuschuss zu den Unterhaltskosten der Unterkunft inklusive Heizung und
Wasser sowie den Strom- und Telefonkosten. Darüber hinaus begleiche sie den monatlichen Schulbeitrag sowie die
weiteren Kosten der Schule. Auch erwerbe sie im Rahmen dieser Besuche die für die Kinder notwendigen
Kleidungsstücke und trage darüber hinaus die Unkosten der Unfallversicherung der Kinder. Vermögen oder sonstige
Einkünfte der Kinder seien nicht vorhanden. Aus § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG II-VO könne nicht gefolgert werden, dass
Kindergeld für nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende, minderjährige Kinder nicht als eigenes Einkommen
dieser, sondern als Einkommen der Eltern zu berücksichtigen sei. Bei einer derartigen Auslegung der vorgenannten
Vorschrift ergebe sich ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG). Soweit
Einkommen von volljährigen, nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebenden Kinder nicht als deren Einkommen
berücksichtigt werde, müsse dieses auch für für nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende, minderjährige Kinder
gewährtes Kindergeld gelten. Bei anderweitiger Auslegung und Handhabung ergebe sich zudem ein Verstoß gegen
Art. 6 Abs. 1 GG. Es gebe keinen sachlichen Grund, der es rechtfertige, das Kindergeld, welches einem
Hilfebedürftigen für nicht in seinem Haushalt lebende, minderjährige Kinder gewährt werde, anders als bei volljährigen
Kindern, als Einkommen des jeweiligen Hilfebedürftigen selbst zu berücksichtigen. Bei entsprechender
Differenzierung, wie von der Beklagten vorgenommen, ergebe sich für den Kläger und Frau X weder eine
steuerrechtliche Privilegierung, noch eine sonstige Förderung der Familie, da das gewährte Kindergeld in voller Höhe
zur Anrechnung gelange und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts herangezogen werde. Der Kläger und Frau X
würden aufgrund des Leistungsbezug nach dem SGB II gegenüber anderen Familien benachteiligt. Eine ausdrückliche
gesetzliche Regelung hinsichtlich der Einkommensanrechnung des für minderjährige, nicht im Haushalt des
Hilfebedürftigen lebende Kinder gewährten Kindergeldes sei nicht ersichtlich. Diese Regelungslücke sei durch
verfassungskonforme Auslegung zu schließen.
Mit Bescheid vom 04.07.2007 hat die Beklagte den Bescheid vom 20.02.2007 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 08.05.2007 nochmals dahingehend abgeändert, dass die Bewilligung von Leistungen
nach dem SGB II nunmehr gegenüber dem Kläger für den Zeitraum 01.03.2007 bis 31.03.2007 nur in Höhe von 122,60
EUR aufgehoben wird. Ihre abweichende Entscheidung stützt sie auf § 48 Satz 1 Nr. 3 SGB X. Der Bescheid werde
gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.02.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2007 in der
Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen auf ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren Bezug. Kindergeld
stelle Einkommen des Kindergeldberechtigten dar. Das Vorbringen des Klägers, er bzw. Frau X müssten für den
Lebensunterhalt der Kinder der Frau X in Polen aufkommen, sei bisher in keiner Weise belegt worden. Bei den
Ausgaben die zu Gunsten des Klägers geltend gemacht würden, handele es sich allenfalls um freiwillige Ausgaben die
nicht dazu führen könnten, dass Kindergeld nicht als Einkommen des Klägers bzw. der Frau X anzurechnen sei. Da
die Kinder nicht zu Bedarfsgemeinschaft gehörten sei das gewährte Kindergeld als Einkommen der Frau Wladowska
als Kindergeldberechtigter zu berücksichtigen.
Im Verhandlungstermin am 10.10.2008 hat das Gericht den Kläger persönlich angehört. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie
der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 20.02.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
08.05.2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2007 nicht im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 1 SGG
beschwert. Der Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat zu Recht die gegenüber dem Kläger mit Bescheid
vom 19.09.2006 erfolgte Leistungsbewilligung für den Monat März 2007 in Höhe von 122,60 EUR gegenüber diesem
aufgehoben.
Der Bescheid vom 04.07.2007 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Dieser ist nach
Erlass des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2007 ergangen und ändert die mit Bescheid vom 20.02.2007
gegenüber dem Kläger erfolgte teilweise Leistungsaufhebung für den Monat März 2007 dahingehend ab, dass diese
seitens der Beklagten von ursprünglich 245,20 EUR auf die Hälfte, nunmehr 122,60 EUR, vermindert wurde. Der
streitgegenständliche Bescheid stellt trotz der ursprünglichen Bezeichnung als "Änderungsbescheid" einen
Teilaufhebungsbescheid hinsichtlich der zuvor gewährten Leistungen nach dem SGB II an den Kläger gemäß §§ 45 ff.
SGB X dar. Die dem Kläger sowie der mit ihm - unstreitig - in Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II
lebenden Frau X mit Bescheid vom 19.09.2006 u. a. für den Monat März 2007 gewährten Leistungen nach dem SGB
II in Höhe von 969,47 EUR werden mit diesem ausschließlich gegenüber dem Kläger in Höhe von (nunmehr noch)
122,60 EUR für den Monat März 2007 vermindert und damit teilweise aufgehoben.
Ermächtigungsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung gegenüber dem Kläger kann vorliegend
ausschließlich § 48 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sowie § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes
Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) seien. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben,
soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen die bei Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung
vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der
Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen
oder Vermögen erzielt wird, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hätte. Als Zeitpunkt der
Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum
aufgrund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§
48 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
Der Fortbewilligungsbescheid vom 19.09.2006 der Beklagten stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Sinne
von §§ 31 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X da. Nach dessen Bekanntgabe an den Kläger erfolgte eine wesentliche
Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Gestalt, dass der Frau X als Mitglied der
Bedarfsgemeinschaft, deren Mitgliedern mit Bescheid vom 19.09.2006 Leistungen nach dem SGB II unter anderem
für den Monat März 2007 bewilligt wurden, Kindergeld seitens der Familienkasse Bochum mit Bescheid vom
15.02.2007 für die Zeit ab Januar 2007 in Höhe von 137,60 EUR pro Monat für jedes ihrer beider Kinder (insgesamt:
275,20 EUR) bewilligt wurde. Dieses ist im Rahmen der Leistungsbewilligung nach dem SGB II an den Kläger sowie
Frau X gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, 3 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen und mindert deren Gesamtbedarf im
Monat März 2007 und damit ihren jeweiligen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II. Gemäß § 11 Abs. 1
Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen, Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der
Leistungen nach dem SGB II selbst, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen die
eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach
dem Bundesentschädigungsgesetz, für Schäden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur
Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der Kinderzuschlag nach § 6a
Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II).
Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder soweit es bei dem jeweiligen Kind zur
Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Durch § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB II
wird im Gegensatz zu § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht der Begriff des Einkommens als solcher bestimmt. Vielmehr
enthalten die Sätze 2 und 3 Regeln für die Zuordnung des Kindergeldzuschlags nach § 6a BKGG und des
Kindergeldes zu den Personen einer Bedarfsgemeinschaft (Mecke in: Eicher/Spellbrink Kommentar zum SGB II, 2.
Auflage 2008, § 11, Rn. 88). § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II stellt systematisch eine Ausnahme zum kindergeldrechtlichen
Grundsatz, dass Kindergeldberechtigte im Sinne von § 62 EStG die Eltern sind, dar. Grundsätzlich ist Kindergeld
vollständig Einkommen der Eltern wenn das Kind nicht mehr im Haushalt, also nicht mehr in der
Bedarfsgemeinschaft, lebt (Mecke in: Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 11, Rn. 89; Brühl in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007,
§ 11, Rn. 19, m.w.N.). Die zwei Kinder der Frau X leben in Polen bei ihren Großeltern und gehören gemäß § 7 Abs. 3
Nr. 4 SGB II nicht zur Bedarfsgemeinschaft des Klägers und der Frau X. Die Ausnahme des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB
II vom vorstehend dargestellten kindergeldrechtlichen Grundsatz, findet damit vorliegend keine Anwendung. Das der
Frau X für ihre Kinder gewährte Kindergeld in Höhe von 137,60 EUR pro Kind monatlich stellt anrechenbares
Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II der Frau X, nicht hingegen ihrer Kinder, dar. Dieses folgt auch aus § 1
Abs. 1 Nr. 8 ALG II-VO in der Fassung vom 20.10.2007 (Bundesgesetzblatt I, S. 2622). Danach ist Kindergeld für
volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende,
volljährige Kind weitergeleitet wird, nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu berücksichtigen. In diesem Fall
stellt es vielmehr Einkommen des volljährigen Kindes selber dar. Die in den Jahren 1993 und 1994 geborenen Kinder
der Frau X sind jedoch nicht volljährig. Diese hatten im März 2007 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet. Eine
ausdrückliche, dem § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG II-VO entsprechende, gesetzliche oder untergesetzliche Regelung für
minderjährige, außerhalb des Haushalts des Hilfebedürftigen lebende Kinder existiert nicht. Deshalb ist hinsichtlich der
Anrechenbarkeit des für die Kinder der Frau X an diese gezahlten Kindergeldes vom kindergeldrechtlichen Grundsatz
auszugehen. Das der Frau CX für ihre Kinder gewährte Kindergeld in Höhe von 137,60 EUR pro Kind für den Monat
März 2007 stellt Einkommen dieser, nicht hingegen Einkommen ihrer Kinder, dar. Dieses ist nach Verminderung um
den Freibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-VO, der Berechnung der Beklagten -
wie von dieser im Rahmen ihres Widerspruchsbescheides vom 08.05.2007 dargestellt – folgend, in Höhe von 30,00
EUR monatlich auf den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen. Diesbezüglich wird gemäß § 136 Abs.
3 SGG auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen, welcher das Gericht insoweit folgt.
Daraus ergibt sich ein gemäß § 41 Abs. 2 SGB II gerundeter Individualanspruch des Klägers auf Bewilligung von
Leistungen nach dem SGB II in Form von Arbeitslosengeld II gegenüber der Beklagten für den Monat März 2007 in
Höhe von 362,00 EUR. Da ihm die Beklagte mit Bescheid vom 19.09.2006 Leistungen in Höhe von 484,73 EUR
(484,74 EUR, je nach Rundung des auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufzuteilenden
Gesamtbewegungsbetrages von 979,47 EUR) bewilligt hat, liegt ihm gegenüber für den Monat März 2007 ein seinen
Anspruch in Höhe von 122,73 EUR bzw. 122,74 EUR übersteigende Leistungsbewegung vor. Diese hat die Beklagte
ihm gegenüber mit streitgegenständlichem Bescheid in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.04.2006
berichtigt. Soweit sie dabei aufgrund der Nichtbeachtung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II eine um 13
Cent bzw. 14 Cent verminderte Leistungsaufhebung verfügt hat, ist dieses für die Rechtsmäßigkeit des
streitgegenständlichen Bescheides irrelevant. Der Kläger wird durch die fehlende Rundung jedenfalls nicht beschwert.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die Kammer nicht der Ansicht, dass hinsichtlich der Frage der
Anrechnung von für minderjährige, nicht im Haushalt des jeweiligen Hilfebedürftigen lebende Kinder gezahlten
Kindergeldes als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II, eine Regelungslücke, welche durch das Gericht durch
Auslegung zu schließen wäre, vorliegt. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II und § 1 Abs. 1
Nr. 8 SGB II Ausnahmeregelungen hinsichtlich der grundsätzlichen Zuordnung von an Eltern gewährten Kindergeldes
als deren Einkommen im SGB II geschaffen. Dass er eine solche Ausnahme vom Grundsatz nicht auch für
minderjährige, nicht im Haushalt des Hilfebedürftige lebende Kinder schaffen wollte, folgt direkt und explizit aus der
gesetzlichen Regelung. Für das Gericht ist vor dem Hintergrund des mit dem SGB II eingeführten
Gesamtleistungssystems der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie der Sozialhilfe gemäß dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber diesen Fall bei Schaffung der
gesetzlichen Grundlagen nicht bedacht und beachtetet haben könnte. Insbesondere vor dem Hintergrund der Regelung
des § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II, wonach vom anzurechnenden Einkommen Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher
Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten
Unterhaltsverpflichtung festgelegten Betrages abzusetzen sind, ist weder ersichtlich, dass eine Regelungslücke
vorliegt noch, dass der Kläger unangemessen benachteiligt werden könnte. Soweit die Lebensgefährtin des Klägers,
Frau X, dass ihr gewährte Kindergeld im Rahmen der Unterhaltsgewährung für ihre nicht im Haushalt lebenden Kinder
an diese bzw. die Großeltern, welche diese Kinder in Polen betreuen, weiter gibt, steht es ihr offen, bei Titulierung
bzw. Beurkundung dieser Unterhaltsverpflichtung die entsprechenden Ausgaben von ihrem - aus der Gewährung von
Kindergeld resultierenden - Einkommen abzusetzen. Täte sie dieses, ergäbe sich leistungsrechtlich sowie rechnerisch
das gleiche Ergebnis wie wenn bei Auslegung der in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG II-VO über
deren Wortlaut hinaus das gewährte Kindergeld nicht als Einkommen der Frau X bzw. des Klägers, sondern vielmehr
als Einkommen der Kinder der Frau X angesehen würde. Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass –
soweit entgegen des Wortlauts der vorgenannten Normen – eine Berücksichtigung des gezahlten Kindergeldes als
Einkommen der Kinder der Frau X erfolgen würde, faktisch Sozialleistungen für nicht zur Bedarfsgemeinschaft
gehörende Kinder seitens der hiesigen Beklagten auf der Grundlage des SGB II finanziert würden. Für das Gericht ist
nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine derartige Konsequenz, welche vorliegend zudem zur Folge hätte, dass
faktisch Sozialleistungen nach deutschem Recht im Ausland bezogen würden, mit Schaffung des SGB II etablieren
wollte. Ein solcher Wille des Gesetzgebers hätte sich jedenfalls in einer ausdrücklichen, gesetzlichen oder zumindest
untergesetzlichen Norm manifestieren müssen, wie dieses im Rahmen der Kindergeldgewährung in sonstigen Fällen
durch Schaffung der vorgenannten Normen erfolgte. Zudem ist für das Gericht nicht ersichtlich, aus welchen Gründen
es für die Kinder der Frau X als nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörende ggf. hilfebedürftige Personen im Sinne des
SGB II und SGB XII nicht zumutbar seien sollte, entsprechende Sozialleistungen aufgrund eigenen Anspruchs – im
Zweifel ohne Anrechnung der Frau X gewährten Kindergeldes – in Anspruch zu nehmen. Zwar ist dem Gericht nicht
bekannt, in welcher Form solche Sozialleistungen auch nach polnischem Recht gewährt werden können und werden,
insbesondere ob für einen dortigen Leistungsbezug eine vorrangige Inanspruchnahme von unterhaltsverpflichteten
Dritten – hier insbesondere der Frau X – Voraussetzung ist. Lebten die Kinder der Frau X außerhalb des Haushalts
dieser im Geltungsbereich deutschen Rechts, käme der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII in Betracht.
Jedoch ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Benachteiligung des Klägers bzw. der Frau X eintreten sollte,
soweit diese sich um entsprechende Sozialleistungen bemühten. Die Kammer hat sich – im Hinblick auf die geltend
gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken – nicht veranlasst gesehen, dass Verfahren auszusetzen und die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle einzuholen (Art.
100 GG). Die Kammer ist nicht von der Verfassungswidrigkeit der streitentscheidenden Normen des SGB II überzeugt
(Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 18/06 R und Urteil vom 06.12.2007, Az.: B 14/7b
AS 54/06 R). Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit reichen für eine Vorlage zur Entscheidung nicht aus (BVerfGE 78,
S. 107, 117).
Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass die hinsichtlich der Anrechnung gewährten Kindergeldes als Einkommen
im SGB II enthaltenen Regelungen einen Verfassungsverstoß bedingen. Insbesondere eine Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG sowie des Schutzes von Ehe und Familie im Sinne von Art. 6 Abs. 1
GG in nicht gerechtfertigter Art und Weise sind vor dem Hintergrund der vorstehend aufgezeigten, vom Gesetzgeber
vorgesehenen Alternativen zur Bewertung des für minderjährige, nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder
bezogenen Kindergeldes nicht ersichtlich. Ggf. ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, aus welchen Gründen der
Gesetzgeber eine unterschiedliche Behandlung von volljährigen bzw. minderjährigen, außerhalb der
Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern im Rahmen der Einkommensanrechnung nach dem SGB II gewählt hat.
Jedoch ist es ihm im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraum möglich die Zurechnung von Einkommen
hinsichtlich dieser unterschiedlichen Personengruppen an unterschiedliche gesetzliche Voraussetzungen zu knüpfen
bzw. den jeweiligen Mitgliedern dieser Personengruppen den Bezug unterschiedlicher, jedoch im Grundsatz gleich
hoher Leistungen zu ermöglichen. Für das Gericht ist eine darin liegende verfassungswidrige Ungleichbehandlung
nicht ersichtlich.
Die Rechtsfolge der Aufhebung der zuvor erfolgten Leistungsbewilligung in größerer Höhe ergibt sich sodann hier aus
§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20.02.2007 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 06.03.2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2007 erfolgte eine
teilweise Leistungsaufhebung ausschließlich mit Wirkung ab dem 01.03.2007 und damit für die Zukunft im Sinne der
vorgenannten Vorschrift. Ob darüber hinaus, wie von der Beklagten mit Bescheid vom 04.07.2007 geprüft, die
Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorliegen, kann vor dem Hintergrund der seitens der
Familienkasse Bochum geleisteten Erstattungszahlungen an die Beklagte, welche eine Aufhebung mit Wirkung vom
Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisses an als nicht notwendig und möglich erscheinen lasst, dahinstehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass im Zeitpunkt der
Klageerhebung, am 16.05.2007, die Beklagte die Leistungsbewilligung gegenüber dem Kläger für den Monat März
2007 rechtswidrig noch in doppelter Höhe verfügt hatte. Vor dem Hintergrund bestehender Individualansprüche auf
Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R) und der daraus
folgenden Notwendigkeit der individuellen Leistungsaufhebung gegenüber einem jeden Mitglied der
Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R und Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14 AS
55/07 R; Spellbrink, NZS 2007, S. 121; Udsching/Link, SGb 9/07, S. 513, m.w.N.; Mecke in: Eicher/Spellbrink,
a.a.O., § 9, Rn. 29, m.w.N.) stellt sich die streitgegenständliche Entscheidung der Beklagten ausschließlich in Höhe
von 122,60 EUR, wie von dieser mit Bescheid vom 04.07.2007 verfügt, nicht hingegen in Höhe von 245,20 EUR, als
rechtmäßig dar. Hinsichtlich der zuvor verfügten darüber hinausgehenden Leistungsaufhebung hat die Beklagte
Veranlassung zur Klageerhebung geboten. Dem Verhältnis der für rechtmäßig befundenen Aufhebung sowie des
bereits seitens der Beklagten selber im Rahmen des Klageverfahrens aufgehobenen Teils der ursprünglich verfügten
Gesamtaufhebung folgend, ergibt sich die im Tenor festgesetzte Kostenquote.
Die Kammer hat die Berufung zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG
zugelassen, da die Rechtssache aufgrund der bisher nicht abschließend obergerichtlich geklärten Frage der
Anrechnung von für außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebende, minderjährige Kinder gewährten Kindergeldes als
Einkommen im Sinne des SGB II grundsätzliche Bedeutung hat.