Urteil des SozG Gelsenkirchen vom 30.08.2010

SozG Gelsenkirchen (antrag, zpo, bewilligung, erklärung, aussicht, gefährdung, entstehen, kläger, bundesverfassungsgericht, bedürftigkeit)

Sozialgericht Gelsenkirchen, S 12 AY 252/10
Datum:
30.08.2010
Gericht:
Sozialgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 12 AY 252/10
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und
Beiordnung von Rechtsanwältin C aus D wird zurückgewiesen.
Gründe:
1
I.
2
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung des vollen Differenzbetrages
zwischen den Regelsätzen des § 2 AsylbLG und den tatsächlich gewährten Leistungen
nach § 3 AsylbLG für den Zeitraum 14.01.2006 bis 31.08.2007. Dies hatte die Beklagte
mit Bescheid vom 04.03.2010 und Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 abgelehnt
unter Hinweis auf weggefallenen Bedarf.
3
Dagegen richtet sich die am 10.06.2010 erhobene Klage, für die zugleich
Prozesskostenhilfe beantragt worden ist. Die Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse ist bisher nicht vorgelegt worden.
4
II.
5
Der Antrag war zurückzuweisen.
6
Gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung
(ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten
aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
7
Es bedarf keiner Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der
Klägerin und auch die hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage kann offen bleiben. §
121 Abs. 2 ZPO verlangt nämlich als zusätzliche Voraussetzung, dass die Vertretung
durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Das ist hier nicht der Fall.
8
Zu der hier streitigen Frage der Anwendung des Aktualitätsgrundsatzes im
9
Asylbewerberleistungsrecht bei der Nachbewilligung von Leistungen aufgrund einer
Überprüfung gemäß § 44 SGB X ist seit dem 25.06.2010 ein Revisionsverfahren unter
dem Aktenzeichen B 8 AY 1/10 R vor dem Bundessozialgericht anhängig. Es kann den
Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens zugemutet werden, eine
Musterentscheidung des Bundessozialgerichts abzuwarten und das eigene Verfahren
so lange ruhend zu stellen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.11.2009
-1 BvR 2455/08 -). Das Bundesverfassungsgericht hat dargelegt, dass einem Kläger
durch das Abwarten unmöglich Rechtsnachteile entstehen können. Nach dem
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist bei bereits anhängigem
Revisionsverfahren eine anwaltliche Hilfe nicht erforderlich und Prozesskostenhilfe ist
zu versagen. Zwar besteht eine Gefährdung des Nachzahlungsanspruchs der Klägerin,
da die theoretische Möglichkeit besteht, dass ihre Bedürftigkeit demnächst durch
Arbeitsaufnahme entfällt. Dieses Risiko wird durch das Ruhen des Verfahrens aber
nicht erhöht. Eine eventuelle Entscheidung in der Streitsache der Klägerin würde
nämlich bestimmt nicht rechtskräftig werden, bevor die Musterentscheidung des
Bundessozialgerichts ergangen ist. Bis dahin ist das Betreiben ihres Verfahrens durch
die Klägerin folglich entbehrlich.
Bei Antragstellung zusammen mit der Klageerhebung war das Revisionsverfahren zwar
noch nicht beim Bundessozialgericht anhängig. Für die Bewilligung oder Versagung
von Prozesskostenhilfe ist aber der Zeitpunkt der Bewilligungsreife maßgebend. Diese
tritt erst ein, wenn der vollständige Antrag mit den erforderlichen Unterlagen vorliegt.
Hier ist bisher Bewilligungsreife noch nicht eingetreten, da es noch an der in § 117 Abs.
2 ZPO vorgeschriebenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse der Klägerin fehlt. Bewilligungsreife kann darum zeitlich erst nach dem
Beginn des Musterverfahrens vor dem Bundessozialgericht eintreten.
10