Urteil des SozG Freiburg vom 11.06.2008

SozG Freiburg (antragsteller, bundesrepublik deutschland, antrag, ausländer, freiburg, buch, sozialhilfe, hauptsache, aufnahme, sicherung)

SG Freiburg Beschluß vom 11.6.2008, S 6 AS 2573/08 ER
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ausländer ohne Identitätspapier - Erwerbsunfähigkeit - kein
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 - Leistungsanspruch auf Leistungen nach dem SGB 12 -
sozialgerichtliches Verfahren - Kostenentscheidung - analoge Anwendung des § 193 SGG
Leitsätze
Ein Ausländer, der nicht über Identitätspapiere verfügt, ist nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II. Er hat
keinen Anspruch nach dem SGB II, auch nicht nach § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II. Er kann jedoch nach dem Dritten
Kapitel des SGB XII anspruchsberechtigt sein.
Tenor
Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 26.5.2008 bis zu
einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30.9.2008, vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt nach
dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches zu gewähren.
Die Beigeladene hat dem Antragsteller dessen notwendige außergerichtliche Kosten dem Grunde nach zu
erstatten.
Gründe
I.
1
Die bisherigen Beteiligten streiten in dem durch den am 26.5.2008 erhobenen Antrag eingeleiteten Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
an den Antragsteller. Parallel ist unter dem Aktenzeichen S 6 AS 2584/08 des Sozialgerichts Freiburg ein
Klageverfahren anhängig, in dem um die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 21.2.2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.4.2008 gestritten wird, mit dem die Antragsgegnerin die
Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Begründung abgelehnt hat, dass der
Antragsteller wegen fehlender Ausweispapiere nicht erwerbsfähig sei.
2
Der nach eigenen Angaben am 3.1.1949 geborene Antragsteller ist nach seinen Angaben polnischer
Staatsangehöriger, der sich nach eigenen Angaben seit etwa zehn Jahren als Wohnsitzloser in Deutschland
aufhält. Mit Beschluss aus dem Dezember 2007 hat das Amtsgericht Freiburg – Vormundschaftsgericht – für
den Antragsteller eine Betreuerin bestellt, deren Aufgabenkreis die Vermögenssorge, die Entgegennahme und
das Öffnen der Post, die Gesundheitsfürsorge und die Wohnungsangelegenheiten umfasst. Nach Angaben der
P., einer Einrichtung für Obdachlose in Freiburg, gegenüber der Antragsgegnerin aus dem Januar 2008 ist der
Antragsteller dort „seit Jahren bekannt“ und habe sich zu diesem Zeitpunkt seit etwa 8 Monaten täglich dort
aufgehalten. Weder der Antragsteller noch seine Betreuerin sind im Besitz gültiger Identitätspapiere für den
Antragsteller. Es sei aber beim polnischen Konsulat in München die Ausstellung eines vorläufigen
Identitätsdokuments beantragt worden.
3
Am 12.6.2007 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts. Nachdem der Antragsteller auf die Anforderung der Vorlage weiterer
Unterlagen nicht reagierte, stellte die Antragsgegnerin das Verfahren ein.
4
Am 19.2.2008 ging beim D. W. Freiburg, das eine andere Obdachloseneinrichtung unterhält, ein ausgefüllter
Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ein. Darauf ist als Tag der Antragstellung der
11.12.2007 vermerkt, nachdem die Betreuerin des Antragstellers behauptete, an diesem Tag einen formlosen
Antrag gestellt zu haben. Mit Bescheid vom 21.2.2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit der
Begründung ab, dass kein Leistungsanspruch bestehe, weil der Antragsteller keine
Ausweispapiere/Freizügigkeitsbescheinigung habe vorlegen können. Die Entscheidung beruhe auf § 8 Abs. 2
SGB II. Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller am 25.2.2008 Widerspruch, den er damit
begründete, dass er seit über 12 Jahren in Freiburg lebe. Er sei im Verlauf der Antragstellung immer kooperativ
gewesen. Nunmehr sei ein vorläufiger Pass beantragt worden, wofür nach Angaben des Konsulats eine
Bearbeitungszeit von mindestens sieben Wochen erforderlich sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.4.2008
wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers im Wesentlichen mit der gleichen Begründung
zurück. Ohne Personalpapiere oder Freizügigkeitsbescheinigung sei ein Anspruch nicht feststellbar.
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Am 26.5.2008 hat der Antragsteller sowohl Klage als auch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
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Am 26.5.2008 hat der Antragsteller sowohl Klage als auch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
zum Sozialgericht Freiburg erhoben, mit denen er die (vorläufige) Verpflichtung der Antragsgegnerin zur
Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt. Er ist der Auffassung, dass die
Frage, ob ihm eine Arbeit erlaubt werden könnte, nicht vom Vorliegen von Ausweispapieren abhänge. Angaben
zur Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts hat der Antragsteller bislang nicht gemacht. Hilfsweise ist er der
Auffassung, dass die Beigeladene Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches – Zwölftes
Buch – Sozialhilfe (SGB XII) erbringen müsse.
6
Mit Beschlüssen vom 30.5.2008 hat die Kammer die Beigeladene, die zuständiger Träger der Sozialhilfe ist,
nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowohl zu dem Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes als auch zum Hauptsacheverfahren beigeladen.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch –
Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu gewähren,
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hilfsweise,
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die Beigeladene zu verpflichten, ihm vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des
Sozialgesetzbuches – Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) zu gewähren.
11 Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
13 Sie ist der Auffassung, dass der Antragsteller nicht im Sinne des SGB II erwerbsfähig sei, weil ihm mangels
Papieren eine Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden könnte.
14 Die Beigeladene
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stellt keinen ausdrücklichen Antrag.
16 Sie ist der Auffassung, dass der Antragsteller auch keine Leistungen nach dem SGB XII beanspruchen könne,
weil er dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sei.
17 Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren sowie wegen der
Ergebnisse der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen
Verwaltungsakten der Antragsgegnerin über den Antragsteller (1 Bd. Alg-II-Akten) verwiesen.
II.
18 Der zulässige Antrag ist im Sinne der mit dem Hilfsantrag begehrten vorläufigen Verpflichtung der
Beigeladenen begründet.
19 Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden
könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928
bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend.
20 Maßgebliche Vorschrift ist vorliegend § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, denn dem Antragsteller geht es nicht um die
Sicherung eines bereits bestehenden Zustandes, sondern um die gegenwärtige und künftige Gewährung von
Leistungen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der
Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung.
Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs – hier der Klage vom 14.3.2008 gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 21.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.4.2008 –
(Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind
glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei sind die
diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes
verbundenen Belastungen – insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Die
Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes für
die Bundesrepublik Deutschland (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen
Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4
GG) unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine
vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren
Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des
Antragstellers vorzunehmen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig
die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (zu all dem LSG Baden-Württemberg,
15.8.2005 – L 7 SO 3804/05 ER-B, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
21 Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass ihm gegenüber der Beigeladenen ein Anordnungsanspruch zur
Seite steht. Im Unterschied dazu besteht gegenüber der Antragsgegnerin kein Anordnungsanspruch.
22 Der Antragsteller hat keinen Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für
Arbeitsuchende (SGB II).
23 Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze
nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige), Leistungen nach dem SGB II.
24 Der Antragsteller ist nicht erwerbsfähig.
25 Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit
außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Gemäß
§ 8 Abs. 2 SGB I können Ausländer nur im Sinne von Absatz 1 erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme
einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.
26 Der Antragsteller ist unstreitig Ausländer, denn Ausländer in diesem Sinne ist jeder, der nicht Deutscher ist.
Dies gilt unabhängig davon, ob und welche andere(n) Staatsangehörigkeit(en) der Antragsteller sonst hat.
Jedoch ist dem Antragsteller derzeit weder die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt noch könnte sie ihm
erlaubt werden.
27 Regelungen über die Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung finden sich im Gesetz über den Aufenthalt,
die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG; hier
z. B. §§ 18, 39–42 AufenthG), im Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III; hier z. B. §
284 SGB III) und in über- und zwischenstaatlichen Normen (z. B. Art. 39 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft [EG], Artt. 6, 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei
über die Entwicklung der Assoziation [ARB 1/80]). Die Vorschriften unterscheiden dabei einmal nach der
Staatsangehörigkeit der betroffenen Person: Während Unionsbürger, die nicht ausschließlich Staatsbürger
eines der mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten (Bulgarien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen,
Ungarn, Polen, Rumänien, Slowenien, Slowakei) sind, keinerlei Erlaubnis bedürfen, sieht § 284 SGB III für
diesen Personenkreis eigenständige Regelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU oder
Arbeitsberechtigung-EU vor. Für andere Ausländer sind die entsprechenden Regelungen im AufenthG
niedergelegt. Wieder andere Kriterien gelten für Staatsangehörige der Türkei.
28 Die Vorschriften, die für alle Ausländer gelten, die keine Sonderregeln in Anspruch nehmen können,
unterscheiden schließlich nach dem Aufenthaltsstatus. Nach § 39 AufenthG kann die Bundesagentur für Arbeit
(BA) eine Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel, der die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, erteilen, wenn
dies in zwischenstaatlichen Vereinbarungen, durch ein Gesetz oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist. Die
auf Grund von § 42 AufenthG erlassene Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland
lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung (BeschVerfV) stellt Mindestanforderungen an den
Aufenthaltsstatus auf. So muss nach deren Vorschriften mindestens eine Duldung vorliegen.
29 Solange der Antragsteller nicht über Papiere verfügt, kann nicht festgestellt werden, ob und welche
Staatsangehörigkeit(en) er besitzt und welchem Aufenthaltsregime er deshalb unterliegt. Infolgedessen kann
nicht festgestellt werden, dass ihm die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist und kann ihm die Aufnahme
einer Beschäftigung nicht erlaubt werden.
30 Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Leistungen nach § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II. Nach dieser
Vorschrift erbringen die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende bis zur Entscheidung der gemeinsamen Einigungsstelle über eine Meinungsverschiedenheit
hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit. Diese Vorschrift ist aber auf den vorliegenden Fall nicht
anwendbar.
31 Zum einen ist die Vorschrift im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit nur auf die Fälle anwendbar, in denen um das
Vorliegen von Erwerbsfähigkeit im medizinischen Sinn (§ 8 Abs. 1 SGB II) gestritten wird. Dies ergibt sich
schon aus den in § 44a Abs. 1 Satz 2 SGB II genannten Behörden und Trägern, die gegen die Entscheidung
der Agentur für Arbeit über die Erwerbsfähigkeit Widerspruch einlegen können. So kann nach § 44a Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 SGB II ein anderer Träger, der bei voller Erwerbsminderung Leistungen zu erbringen hätte,
Widerspruch erheben, nicht dagegen der Träger, der für einen nicht im Rechtssinne erwerbsfähigen, aber auch
nicht erwerbsgeminderten Hilfebedürftigen wie den Antragsteller Leistungen erbringen müsste.
32 Zum anderen zielt sie von ihrem Sinn und Zweck her darauf ab, Fälle tatsächlicher Unklarheit für eine
Übergangszeit zu regeln. So liegt der Fall hier aber nicht: Die für die Leistungsgewährung entscheidenden
Tatsachen sind alle bekannt. Zudem steht fest, dass der Antragsteller derzeit aus Rechtsgründen nicht
erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB II ist.
33 Andere Vorschriften im SGB II, aus denen sich ein Anspruch des Antragstellers ableiten ließe, sind nicht
ersichtlich.
34 Der Antragsteller hat aber einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt.
35 § 17 Abs. 1 SGB XII bestimmt, dass ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen besteht, soweit bestimmt wird,
dass die Leistung zu erbringen ist. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Ausländern, die sich – wie der
Antragsteller – im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu leisten.
Leistungsberechtigt für die Hilfe zum Lebensunterhalt ist dabei nach § 19 Abs. 1 SGB XII, wer seinen
notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln, insbesondere aus
dem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann.
36 Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass diese Voraussetzungen bei ihm erfüllt sind. Dies ergibt sich
schon aus seinen Angaben in den bei der Verwaltungsakte befindlichen Formblättern zu seinem Antrag auf
Leistungen nach dem SGB II. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht zutreffen, bestehen nicht.
37 Der Anspruch ist auch nicht ausgeschlossen.
38 Ein Anspruchsausschluss ergibt sich weder aus § 23 Abs. 2 oder 3 SGB XII noch aus § 21 SGB II.
39 Nach § 23 Abs. 2 SGB XII erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes
(AsylbLG) keine Leistungen der Sozialhilfe. Dafür, dass der Antragsteller Leistungsberechtigter nach dieser
Vorschrift ist, bestehen keine Anhaltspunkte.
40 Nach § 23 Abs. 3 SGB XII haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren
Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie deren Familienangehörige keinen
Anspruch auf Sozialhilfe. Auch hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.
41 Gemäß § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als
Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt.
42 Der Antragsteller ist jedoch – wie gezeigt – nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II, weil
er nicht erwerbsfähig ist. Der Personenkreis, der dem Grunde nach leistungsberechtigt ist, ist in § 7 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II niedergelegt. Es handelt sich dabei um erwerbsfähige Hilfebedürftige
bestimmten Alters und Personen, die mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Der Antragsteller ist
indes – wie gezeigt – nicht erwerbsfähig. Auf die Frage, ob er einem der Leistungsausschlussgründe in § 7
SGB II unterfällt, kommt es danach nicht an.
43 Für den Antragsteller streitet auch ein Anordnungsgrund. Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sind der
Sicherung des unmittelbaren Überlebens zu dienen bestimmt; in aller Regel liegt bei einem Anspruch hierauf
auch ein Anordnungsgrund vor. Anhaltspunkte dafür, dass dies hier nicht so ist, sind nicht ersichtlich.
44 Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG. Die Kammer hat sich dabei
nicht gehindert gesehen, der Beigeladenen die Tragung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers
aufzuerlegen, obwohl die Beigeladene keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat. Denn sinngemäß hat sie
durch ihre Auffassung, dem Antragsteller stünden keine Leistungen zu, durchaus einen Ablehnungsantrag
hinsichtlich des letztlich erfolgreich gewesenen Hilfsantrages gestellt.