Urteil des SozG Freiburg vom 01.02.2008

SozG Freiburg: Arbeitslosengeld II, Unterkunft und Heizung, Zugunstenverfahren, Nebenkostennachforderungen des Vermieters, Unterkunftskosten und keine Mietschulden, rückwirkende Geltendmachung

SG Freiburg Urteil vom 1.2.2008, S 12 AS 3204/06
Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Zugunstenverfahren - Nebenkostennachforderungen des Vermieters - Unterkunftskosten und
keine Mietschulden - rückwirkende Geltendmachung - keine Unangemessenheit der Heizkosten
Leitsätze
1. Nebenkostennachforderungen eines Vermieters im Rahmen einer Jahresabrechnung sind Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22
Abs. 1 SGB II, nicht Mietschulden im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. Der entsprechende Bedarf entsteht nicht im Verbrauchszeitraum, sondern erst mit
Fälligkeit der Nachforderung.
2. Die Übernahme einer solchen Nachforderung durch den Leistungsträger nach dem SGB II ist im Rahmen des § 44 SGB X auch dann noch
möglich, wenn sie erst nach Fälligkeit der Forderung geltend gemacht wird; dem stehen weder § 37 SGB II noch § 60 SGB I entgegen. Insbesondere
sind solche Kosten dem Grunde nach von einem Antrag auf laufende Leistungen nach § 37 SGB II umfasst, auch wenn sie der Höhe nach erst
nachträglich beziffert werden.
3. Zeitliche Grenzen der rückwirkenden Berücksichtigung solcher Nachforderungen im Rahmen der laufenden Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende ergeben sich lediglich aus § 44 Abs. 4 SGB X, § 195 BGB und § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB. Eine Differenzierung nach Gründen,
weswegen die Forderung erst nach ihrer Fälligkeit geltend gemacht wurde (Verschulden, mangelnde Mitwirkung, Verwirkung), ist - außer nach § 44
Abs. 1 Satz 2 SGB X bei vorsätzlichen Falschangaben - nicht zulässig.
4. Heizkosten nach § 22 Abs. 1 SGB II sind grundsätzlich in der tatsächlichen Höhe zu übernehmen. Soweit sie sich als unangemessen hoch
erweisen, dürfen sie nur dann lediglich in angemessener Höhe berücksichtigt werden, wenn der Betroffene zuvor auf deren Unangemessenheit
hingewiesen wurde und daher Gelegenheit hatte, sein Verhalten anzupassen.
5. Für die Feststellung der Unangemessenheit von Heizkosten ist eine Vergleichsberechnung mit den anderen Wohnparteien des gleichen Hauses
ein taugliches Indiz; allerdings sind auch weitere Gesichtspunkte wie die Lage der Wohnung im Haus und die damit oft verbundene Qualität der
Isolierung (z. B. Dachgeschosswohnung, Kellerwohnung), die Zahl der Personen im Haushalt und das Alter der Personen im Haushalt (hier:
neugeborenes Baby) zu berücksichtigen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.5.2006 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Nebenkostennachforderung des Vermieters vom 25.10.2005 für die Wohnung B-Straße in Freiburg in Höhe von
423,62 EUR zu übernehmen.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger dem Grunde nach.
Tatbestand
1
Die Klage richtet sich auf die Übernahme einer Nebenkostennachforderung des ehemaligen Vermieters der Kläger in Höhe von 423,62 EUR.
2
Die Kläger zu 1. und 2. sind Eheleute. Im Jahr 2004 bezogen sie Arbeitslosenhilfe und ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Sie lebten zu diesem Zeitpunkt in einer knapp 29 qm großen Einzimmerwohnung in der B-Straße in Freiburg,
ab Oktober 2004 gemeinsam mit ihrer neu geborenen Tochter, der Klägerin zu 3. Seit dem 1.1.2005 beziehen die Kläger als
Bedarfsgemeinschaft Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) von der Beklagten. Zum 1.6.2005
zogen die Kläger in eine größere Wohnung um. Mit Rechnung vom 25.10.2005 machte der Vermieter der Wohnung B-Straße eine
Nachforderung von Wohn- und Nebenkosten in Höhe von 423,62 EUR geltend, wovon 315,68 EUR auf die Heizkosten und 107,95 EUR auf die
sonstigen Betriebskosten entfielen. Der Betrag sei bis zum 2.12.2005 zu begleichen. Der Zeitraum, auf den sich diese Abrechnung bezieht,
erstreckt sich vom 1.1. - 31.12.2004.
3
Am 3.1.2006 beantragte der Kläger zu 1. bei der Beklagten die Übernahme dieser Kosten. Zu dieser Zeit bezogen die Kläger laufende
Leistungen gemäß einem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 10.11.2005, der sich auf den Zeitraum vom 1.12.2005 - 31.5.2006 erstreckte.
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Mit Bescheid vom 25.1.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Nebenkostenabrechnung sei erst nach ihrer Fälligkeit bei der Beklagten
eingereicht worden. Es handele sich damit nicht um einen laufenden Bedarf, sondern um aus der Vergangenheit stammende Mietschulden, die
nach dem SGB II nicht übernommen werden könnten. Gegen diese Entscheidung legte der Bevollmächtigte der Kläger am 13.2.2006
Widerspruch ein, der jedoch mit‚ Widerspruchsbescheid vom 29. 5.2006 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Nebenkostennachforderungen
müssten innerhalb eines Monats ab Erhalt, d.h. bis zum Eintritt der Fälligkeit, bei der Beklagten geltend gemacht werden. Ansonsten käme eine
Übernahme nach dem Grundsatz, dass Schulden aus der Vergangenheit nicht übernommen werden könnten, nicht mehr in Betracht. Die
Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II, nach dem in Ausnahmefällen Mietschulden übernommen werden könnten, lägen hier nicht vor.
Darüber hinaus komme die Übernahme der Nebenkostennachforderung allenfalls in Höhe von 135,00 EUR in Betracht, da die Nebenkosten
unangemessen hoch seien.
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Mit ihrer am 30.6.2006 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter. Die von der Beklagten gesetzte Frist zur
Geltendmachung der Nebenkostennachforderung von einem Monat sei zu gering. Mietrechtlich sei davon auszugehen, dass einem Mieter eine
angemessene Prüffrist einzuräumen sei, bevor er zur Begleichung der Nachforderung verpflichtet sei. Diese betrage mehr als einen Monat. Es
sei daher davon auszugehen, dass der Antrag bei der Beklagten auf Übernahme dieser Kosten noch innerhalb der Prüffrist und damit rechtzeitig
gestellt worden sei. Die entstandenen Aufwendungen seien auch angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2006 zu verurteilen, die
Nebenkostennachforderung ihres ehemaligen Vermieters vom 25.10.2005 in Höhe von 423,62 EUR zu übernehmen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
10 Sie hält die mit der Klage angefochtene Entscheidung für rechtsfehlerfrei.
11 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Bedarfsgemeinschaft der Kläger betreffenden
Verwaltungsakte der Beklagten, die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
12 Das Gericht kann nach § 124 Abs. 2 SGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser
Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
13 Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und statthaft als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54
Abs. 4 SGG.
14 Die Klage ist auch begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Übernahme der Nebenkostennachforderung ihres ehemaligen
Vermieters für den Zeitraum vom 1.1. - 31.12.2004 durch die Beklagte. Die anderslautenden mit der Klage angefochtenen Bescheide sind daher
rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.
15 Der Anspruch der Kläger leitet sich aus § 22 Abs. 1 SGB II her, da es sich bei den geltend gemachten Kosten um Kosten der Unterkunft und
Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II handelt und nicht etwa um Mietschulden im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. Nebenkostennachforderung
fallen begrifflich grundsätzlich unter Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II ( Berlit in Münder, Lehr- und Praxiskommentar
zum SGB II, 2. Auflage 2006, § 22 Rn. 30). Der Bedarf nach der Deckung dieser Kosten entstand dabei nicht in dem Zeitraum, auf den sich die
Nebenkostennachforderung bezieht (also hier im Jahr 2004). Denn in diesem Zeitraum mussten nur die mit dem Vermieter vereinbarten
Abschlagszahlungen entrichtet werden; höhere Zahlungen waren damals nicht geschuldet. Der Bedarf entstand vielmehr erst zu dem Zeitpunkt,
als die Nebenkostennachforderung fällig wurde, hier also am 2.12.2005. Diese Kosten stellen also einen Bedarf nach Kosten der Unterkunft im
Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II im Monat Dezember 2005 dar.
16 Im Monat Dezember 2005 standen die Kläger im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 10.11.2005
waren ihnen unter anderem auch laufende Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für Dezember 2005 bewilligt worden. Diese
erwiesen sich allerdings im Nachhinein als zu niedrig, da darin die - der Beklagten noch nicht bekannte - Nebenkostennachforderung noch nicht
berücksichtigt war. Der Antrag der Kläger vom 3.1.2006 auf Übernahme auch dieser Kosten stellt demnach in der Sache einen Antrag nach § 44
SGB X dar, gerichtet auf Überprüfung, ob im Bescheid vom 10.11.2005 für Dezember 2005 Kosten der Unterkunft und Heizung in voller
zustehender Höhe übernommen wurden. Dieser Antrag war auch begründet, da die Beklagte im Bescheid vom 10.11.2005 in der Tat von dem
unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war, dass im Dezember 2005 Unterkunftskosten nur in Höhe der laufenden Mietzahlungen für die damals
bewohnte Wohnung anfallen würden und keine weiteren Kosten. Der Bescheid vom 10.11.2005 wäre daher nachträglich im Wege des § 44 SGB
X dahingehend zu korrigieren gewesen, dass auch die Nebenkostennachforderung hätte berücksichtigt werden müssen.
17 Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass die Kläger die Nebenkostennachforderung des Vermieters
verspätet, nämlich erst nach deren Fälligkeit, bei der Beklagten geltend gemacht hätten. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass ein Bescheid -
auch wenn er bestandskräftig ist - auf der Grundlage eines unrichtigen Sachverhalts erging, etwa weil - wie hier - zu Ungunsten der
Leistungsbezieher von einem zu niedrigen Bedarf ausgegangen worden war, so ist der Bescheid nach § 44 SGB X zu korrigieren. Eine
Differenzierung danach, weswegen die Beklagte von falschen Tatsachen ausging und insbesondere ob der Leistungsbezieher dies durch sein
Verhalten (z. B. durch unvollständige, unrichtige oder verspätete Mitteilungen von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse) selbst verursacht
oder gar verschuldet hat, ist im Gesetz nur in § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X bei vorsätzlichen Falschangaben - für die es im vorliegenden Fall keine
Anhaltspunkte gibt - vorgesehen. Zum generellen Anspruchsverlust in der Sache führt eine verspätete Geltendmachung eines höheren Bedarfs
also nicht. Das rechtliche Konstrukt einer „Verwirkung“ der Korrekturmöglichkeiten des § 44 SGB X - etwa wegen Verletzung von
Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I - findet im Gesetz keine Stütze.
18 Eine zeitliche Begrenzung, wie weit zurückwirkend auch ein bestandskräftiger Bescheid im Rahmen des § 44 SGB X noch zu Gunsten des
Leistungsbeziehers abgeändert werden muss, findet sich lediglich in der Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X. Im Falle einer
Nebenkostennachforderung eines Vermieters sind in Einzelfällen sogar kürzere Fristen für eine rückwirkende Korrektur denkbar, so zum
Beispiel, wenn die Nachforderung - in der Regel nach drei Jahren, § 195 BGB - bereits zivilrechtlich verjährt wäre oder wenn der Anspruch des
Vermieters von vorne herein nicht bestünde, weil dieser nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB die rechtzeitige Rechnungstellung versäumt hätte. Im
vorliegenden Fall liegt aber keine dieser Ausnahmen vor. Eine generelle Begrenzung der Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf wenige Wochen,
wie von der Beklagten angenommen, entbehrt aber der gesetzlichen Grundlage.
19 Die Beklagte kann die Kläger auch nicht darauf verweisen, dass Leistungen nach dem SGB II nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht für Zeiten vor
der Antragstellung erbracht werden. Dies trifft zwar generell auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19ff. SGB
II und gegebenenfalls auch auf Einzelleistungen wie die nach § 23 Abs. 3 SGB II, Mehrbedarfe nach § 21 SGB II oder Darlehen nach § 23 Abs. 1
SGB II. Einen Antrag nach § 37 SGB II, der auch die hier streitigen Kosten umfasste, hatten die Kläger jedoch rechtzeitig gestellt, und zwar mit
dem Fortzahlungsantrag vom 9.11.2005, mit dem sie die Weitergewährung laufender Leistungen einschließlich Kosten der Unterkunft nach § 22
Abs. 1 SGB II ab dem 1.12.2005 dem Grunde nach beantragt hatten. Am 3.1.2006 präzisierten sie durch die Vorlage der
Nebenkostennachforderung lediglich die Höhe ihres Bedarfs nach Kosten der Unterkunft für Dezember 2005. Dass die genaue Höhe der
anfallenden Kosten der Unterkunft im Dezember 2005 erst zu diesem Zeitpunkt mitgeteilt wurde, lässt nicht den Charakter des
Fortzahlungsantrags als Antrag nach § 37 SGB II entfallen. Denn für eine Antragstellung im Sinne des § 37 SGB II reicht eine Geltendmachung
dem Grunde nach aus.
20 Die hier vertretene Auffassung steht auch nicht im Gegensatz zu dem sozialhilferechtlichen Grundsatz, dass Schulden aus der Vergangenheit
nicht durch den Leistungsträger übernommen werden können, oder im Falle von Mietschulden nur in dem extremen Ausnahmefall, dass
deswegen der Verlust der Wohnung droht, § 22 Abs. 5 SGB II. Von dem Fall, dass die Übernahme echter Schulden beantragt wird, ist der
vorliegende Fall, dass sich im Rahmen des § 44 SGB X ein rechtzeitig dem Grunde nach geltend gemachter und auch dem Grunde nach
berücksichtigter Bedarf nachträglich als höher erweist als bisher angenommen, streng zu unterscheiden.
21 Die Beklagte war also verpflichtet, im Rahmen des § 44 SGB X den im Monat Dezember 2005 durch die Nebenkostennachforderung erhöhten
Bedarf an Kosten der Unterkunft und Heizung der Kläger nach § 22 Abs. 1 SGB II zu decken. Da es sich bei Ansprüchen nach § 22 Abs. 1 SGB II
um Individualansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft handelt, der nach Kopfteilen auf die einzelnen Mitglieder umgerechnet wird,
waren auch alle im Verfahren aufgetreten Kläger aktiv legitimiert und nicht etwa nur die Mieter der ehemaligen Wohnung oder die Adressaten der
Nebenkostenabrechnung.
22 Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass den Klägern die Übernahme der Nebenkostennachforderung in voller
tatsächlicher Höhe zusteht. Die Beklagte hat hilfsweise argumentiert, die Nachzahlung sei - gemessen an dem durchschnittlichen Verbrauch der
anderen Wohneinheiten in dem damals bewohnten Mehrfamilienhaus B-Straße - unangemessen hoch. Insbesondere seien die Heizkosten
angesichts der geringen Wohnungsgröße unangemessen hoch. Hierzu weist die Kammer jedoch darauf hin, dass auch Heizkosten nach § 22
Abs. 1 SGB II grundsätzlich in der tatsächlichen Höhe zu übernehmen sind und eine Reduzierung auf ein geringeres Maß nur dann gerechtfertigt
ist, wenn erstens konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Verbrauch unangemessen, d. h. unwirtschaftlich war und zweitens die Betroffenen
zuvor (beispielsweise bei einer Nebenkostenabrechnung im Vorjahr) auf die Unwirtschaftlichkeit ihres Verhaltens hingewiesen wurden und
daher die Gelegenheit hatten, ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Bereits die zweite Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Aber auch an der
ersten dürfte es mangeln. Eine Vergleichsberechnung mit den anderen Wohnparteien des gleichen Hauses ist zwar ein taugliches Indiz dafür, ob
der Verbrauch eines Leistungsbeziehers unwirtschaftlich ist oder nicht. Allerdings sind auch andere Gesichtspunkte mit einzubeziehen, wie etwa
die Position der Wohnung im Haus und die damit oft verbundene Qualität der Isolierung (z. B. Dachgeschosswohnung, Kellerwohnung), die Zahl
der Personen im Haushalt, die Art der Personen im Haushalt (hier beispielsweise ab Oktober 2004 ein neugeborenes Baby) und Besonderheiten
im Alltagsablauf, wie z. B. hier eine zu vermutende durch die Arbeitslosigkeit der Kläger zu 1. und 2. sowie ab Oktober 2004 durch die Betreuung
der neugeborenen Klägerin zu 3. verursachte häufige Anwesenheit der Bewohner in ihrer Wohnung tagsüber. Im Ergebnis kann hier also die zu
zahlende Nachforderung nicht auf ein - wie auch immer zu berechnendes - angemessenes Maß reduziert werden, da keine hinreichenden
Anhaltspunkte vorliegen, dass der Verbrauch tatsächlich angesichts der Lebensumstände der Kläger unangemessen war, bzw. da die Kläger
jedenfalls nicht vorab auf eine etwaige Unangemessenheit des Verbrauchs hingewiesen wurden.
23 Die Kläger können daher die Übernahme der gesamten angefallenen Nachforderung verlangen. Der Klage war daher in vollem Umfang
stattzugeben.
24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.
25 Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144
Abs. 2 Nr. 1 SGG. Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem Beschluss vom 15.3.2007 (Az. L 12 AS 618/07 NZB)
ausgeführt, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde der gleichen Beklagten gegen ein Urteil des SG Freiburg vom 28.11.2006 (Az. S 13 AS
3941/06), das die gleiche hier streitige Rechtsfrage zum Gegenstand hatte und sie ebenso wie die hier erkennende Kammer beantwortete, als
unbegründet zurückgewiesen wurde.