Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 14.04.2008

SozG Frankfurt: therapie, krankenversicherung, stationäre behandlung, label, hessen, universität, sachleistung, dermatologie, verordnung, arzneimittel

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Gericht:
SG Frankfurt 25.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 25 KR 2180/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 1 SGB 5, § 27 Abs 1 S
2 Nr 3 SGB 5, § 31 Abs 1 SGB
5, § 31 Abs 2 S 1 SGB 5, § 12
Abs 1 SGB 5
Krankenversicherung - Kostenübernahme eines Off-Label-
Use von intravenösem Immunglobulin bei Autoimmun-
Urtikaria
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für eine Therapie mit
intravenösen Immunglobulinen zur Behandlung einer Autoimmun-Urtikaria.
Die 1947 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet seit 1998
an einer chronischen Autoimmun-Urtikaria bei Nachweis von Autoantikörper und
einem positiven autologen Serumtest nach Greavs mit Quincke-Symptomatik.
Unter „Urtica“ versteht man eine Hautveränderung, welche auf eine im
Bindegewebe der Haut lokalisierte Flüssigkeitsansammlung (Ödem)
zurückzuführen ist und außerdem einen quälenden Juckreiz auslöst. Diese Urticae
oder Quaddeln können am gesamten Hautorgan, aber auch an Schleimhäuten
auftreten. Kommt es zu Ödemen im Bereich von Zunge oder Rachen bzw.
Kehlkopf tritt Atemnot auf (Quincke-Symptomatik).
Am 9. Januar 2004 beantragte die Hautklinik des Klinikums der J. G. - Universität
PK. für die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme einer ambulanten
intravenösen Therapie mit hochdosierten Immunglobulinen. Hierzu führte Prof. Dr.
K. aus, dass trotz intensiver Ursachensuche und systemischer Therapien (diverse
hochdosierte Antihistaminika – auch in Kombination mit H 1– und H 2 - Blocker,
mikrobiologische Therapien, Histamin-Gewöhnungstherapien) keine Besserung der
Symptomatik habe erreicht werden können. Seit einigen Monaten sei eine orale
Kortison - Therapie unumgänglich. Aufgrund der weiterhin bestehenden
Symptomatik, die mittlerweile auch eine depressive Grundstimmung nach sich
ziehe, sowie der Unwirksamkeit der bisherigen Medikation sei aus ärztlicher Sicht
eine Therapie mit hochdosierten Immunglobulinen indiziert. Zunächst sei ein
befristeter Heilversuch in 4-wöchigen Abständen über 6 Monate vorgesehen.
Eine Zulassung von Immunglobulinen zur Behandlung einer (Autoimmun-)
Urtikaria besteht nicht.
In einem von der Beklagten eingeholten sozialmedizinischen Gutachten des
Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen vom 5. Februar 2004
gelangte der Hautarzt - Allergologe Dr. L. zu der Beurteilung, dass eine
schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende
Erkrankung als erfüllt anzusehen sei. Konkrete Therapiealternativen könnten nicht
aufgezeigt werden. Aufgrund der Datenlage bestehe aber keine begründete
Aussicht, dass ein Behandlungserfolg zu erzielen sei. Für kein Immunglobulin -
Präparat sei eine Zulassung zur Behandlung einer Autoimmun-Urtikaria beantragt
worden. Eine entsprechende Phase – III - Studie liege nicht vor. Auch durch
außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse sei ein
wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht. Die beantragte
Behandlung sei bislang nicht als anerkannte medizinische Standarttherapie
anzusehen und als ein experimentelles Therapieverfahren einzustufen.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2004 den Antrag ab.
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Hiergegen legte die Klägerin am 16. Februar 2004 Widerspruch ein. In einem von
ihr vorgelegten Schreiben vom 22. Februar 2004 führte Prof. Dr. K. aus, die
Behandlung mit hochdosierten intravenösen Immunglobulinen sei insbesondere
bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen eine seit ca. 20 Jahren etablierte
gängige Therapie. Aufgrund der zu geringen Zahl von therapierefraktären
Patienten mit Autoimmun-Urtikaria würden keine Phase – III - Studien existieren
und auch in Zukunft nicht initiiert werden. Die gute Wirksamkeit bei hochdosierten
Immunglobulinen im Rahmen der Urtikaria könne anhand von Publikationen
nachgewiesen werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 23.
April 2004 zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie im Wesentlichen
aus, dass die Voraussetzungen für den Einsatz von hochdosierten
Immunglobulinen außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes nicht erfüllt
seien. Nach der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung vom 5. Februar 2004 seien wissenschaftlich nachprüfbare
Aussagen über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels bei dem bestehenden
Krankheitsbild nicht feststellbar.
Im August 2004 und Dezember 2004 wurde die Klägerin mit 2 Zyklen des
Immunglobulins Intratect® in der Hautklinik des Universitätsklinikums PK.
ambulant behandelt. Hierfür entstanden ihr keine Kosten. Nach der Immunglobulin
- Therapie trat jeweils ein Hand- und Fußekzem auf, weshalb vom 4. Januar 2005
bis 12. Januar 2005 eine stationäre Behandlung erforderlich wurde.
Mit der am 1. Juni 2004 beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage hat
die Klägerin die Übernahme der Behandlungskosten weiter verfolgt. Sie hat
geltend gemacht, dass sie unter dem Gesichtspunkt des Off – Label - Use einen
Anspruch auf Kostenübernahme der Therapie mit hochdosierten Immunglobulinen
habe. Es handele sich um eine so selten auftretende Erkrankung, dass ein
Zulassungsverfahren mit den erforderlichen Studien nicht durchgeführt werden
könne. Eine Studie der Universitätsfrauenklinik PK. an 10 Patienten liege vor. Die
Klägerin verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Oktober
2004 (B 1 KR 27/02 R – BSGE 93, 236 = SozR 4 – 2500 § 27 Nr. 1 –
Photodynamische Therapie mit dem Arzneimittel Visudyne®). Die Klägerin sei
austherapiert und die Behandlung mit Immunglobulinen habe eine Besserung
erzielt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 6. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
23. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer
Therapie mit hochdosierten Immunglobulinen im Rahmen der vertragsärztlichen
Verordnung als Sachleistung zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des
Widerspruchsbescheides für zutreffend. Da keine Phase – III - Studie publiziert
worden sei, sei der vom Bundessozialgericht mit Urteilen vom 26. September
2006 (B 1 KR 1/06 R – SozR 4 – 2500 § 31 Nr. 5; B 1 KR 27/05 R; B 1 KR 15/06 R; B 1
KR 14/06 R) geforderte Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht. Ergänzend hat die
Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung in Hessen vom 16. Februar 2005 vorgelegt. Darin führt Dr. L.
aus, die hochdosierte Gabe von Immunglobulinen bei der Autoimmun-Urtikaria sei
bisher nur in unkontrollierten Studien mit kleiner Fallzahl untersucht worden. Von
einer singulären Erkrankung könne man eigentlich nicht sprechen.
Das Gericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen Befundberichte der Klinik und
Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Universität PK. vom 24. Februar
2005 und des Prof. Dr. K. vom 22. Februar 2006/28. Februar 2006 eingeholt. Des
Weiteren hat das Gericht eine Auskunft des Paul – Ehrlich - Instituts, Bundesamt
für Sera- und Impfstoffe, vom 13. August 2007 eingeholt sowie Beweis erhoben
durch Einholung eines hautfachärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. B., Zentrum
der Dermatologie und Venerologie des Klinikums der KN.-Universität B-Stadt am
Main vom 17. Dezember 2007. Wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung wird
auf Bl. 171 bis 180 der Gerichtsakte verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des
Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist auch sachlich
begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 23. April 2004 war aufzuheben. Denn die Klägerin hat
einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Therapie mit hochdosierten
Immunglobulinen im Rahmen der vertragsärztlichen Verordnung als Sachleistung.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ist eine
Krankenkasse zur Versorgung des bei ihr versicherten Mitglieds mit den für eine
Krankenbehandlung notwendigen Arzneimitteln verpflichtet. Der Anspruch eines
Versicherten unterliegt jedoch den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V
ergebenden Einschränkungen. Er umfasst hiernach nur solche Leistungen, die
zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem
allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Diese
Anforderungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
nicht erfüllt, wenn das verabreichte Medikament nach der Vorschriften des
Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist (Urteil vom 8.
Juni 1993 – 1 RK 21/91 – BSGE 72, 252 = SozR 3 – 2200 § 182 Nr. 17 – Goldnerz -
Aufbaucreme; Urteil vom 8. März 1995 – 1 RK 8/94 – SozR 3 – 2500 § 31 Nr. 3 –
Edelfosin®; Urteil vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 19/96 R – BSGE 82, 233 = SozR 3 –
2500 § 31 Nr. 5 – Jomol; Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R – Tomudex®). Der
Gesichtspunkt der Gewährleistung optimaler Arzneimittelsicherheit gebietet es,
dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, also die Einhaltung der
Mindestsicherheits- und Qualitätsstandards in einem dafür vorgesehenen
Verfahren nachgewiesen worden sind (BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 – B 1 KR
21/02 R – BSGE 93, 1 = SozR 4 – 2500 § 31 Nr. 1). Denn ein Arzneimittel kann
auch dann, wenn es zum Verkehr zugelassen ist, grundsätzlich nicht zu Lasten der
Krankenversicherung in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich
die Zulassung nicht erstreckt.
Eine solche zulassungsüberschreitende Anwendung (sog. Off – Label - Use) liegt
hier vor, weil eine arzneimittelrechtliche Zulassung des nach § 77 Abs. 2
Arzneimittelgesetz (AMG) zuständigen Paul – Ehrlich - Instituts von
Immunglobulinen nur für die Behandlung bestimmter Autoimmunkrankheiten
besteht; eine Zulassung zur Behandlung der Autoimmun-Urtikaria liegt jedoch
weder in Deutschland noch in Europa noch in den USA vor.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. März 2002 – B
1 KR 37/00 R – BSGE 89, 184 = SozR 3 – 2500 § 31 Nr. 8 – Sandoglobulin®; Urteil
vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R - SozR 4 – 2500 § 31 Nr. 5 – Ilomedin®;
Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 27/05 R - Cabaseril®; Urteil vom 27. März
2007 – B 1 KR 17/06 R - Polyglobin) ist wegen des Vorrangs des Arzneimittelrechts
ein Off – Label - Use zu Lasten der Krankenversicherung auf die Fälle beschränkt,
in denen einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf
an der Arzneitherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit
und Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt sind. Die Verordnung
eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten
Anwendungsgebiet kommt deshalb nur in Betracht, wenn es (1) um die
Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität
auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn (2) keine andere
Therapie verfügbar ist und wenn (3) aufgrund der Datenlage die begründete
Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg
(kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Damit letzteres angenommen werden kann, müssen Forschungsergebnisse
vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation
zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn – entweder die
Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer
kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo)
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kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo)
veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch
relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen – oder außerhalb eines
Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlich sind, die über
Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet
zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund
deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen
Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Die erste Voraussetzung ist unstreitig zu bejahen. Die Klägerin leidet an einer
chronischen Autoimmun-Urtikaria mit Quincke-Symptomatik. Der Sachverständige
Prof. Dr. B. gelangt in seinem hautfachärztlichen Gutachten vom 17. Dezember
2007 zu der Beurteilung, dass diese nicht seltene Erkrankung noch weitgehend
unerforscht ist. Wegen der Quinke-Symptomatik sei die Erkrankung potenziell
lebensbedrohlich. Aufgrund der Quincke-Symptomatik sowie des quälenden
Juckreizes, welche ein normales Berufs- und Sozialleben unmöglich mache,
beeinträchtige die Erkrankung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig. Der
Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Hessen sah in seinem
sozialmedizinischen Gutachten vom 5. Februar 2004 eine schwerwiegende, die
Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung der Klägerin
ebenfalls als erfüllt an.
Die Erkrankung der Klägerin ist nach übereinstimmender Auffassung des
Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen und des gerichtlichen
Sachverständigen auch nicht anders therapierbar. Dr. L. konnte in seinem
sozialmedizinischen Gutachten vom 5. Februar 2004 konkrete
Therapiealternativen nicht aufzeigen. Prof. Dr. B. führt hierzu in seinem Gutachten
aus, dass mit Antihistaminika, gegebenenfalls in Kombination mit
Glukokortikosteroiden, zur Behandlung der Erkrankung der Klägerin eine allgemein
anerkannte, medizinischem Standart entsprechende Behandlung zur Verfügung
stehe. Diese erfüllte formal jedoch den Sachverhalt einer Off – Label - Anwendung,
da die in der Regel erforderliche Dosierung weit über derjenigen der Zulassung
liege. Diese Therapie sei bei der Klägerin ohne Erzielung eines ausreichenden
Therapieerfolgs durchgeführt worden. Für den Einsatz der Immunglobuline in der
bisher praktizierten Weise gebe es für die Klägerin keine Behandlungsalternative.
Auch die dritte Voraussetzung, das heißt ob aufgrund der Datenlage die
begründende Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein
Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen ist, für die Behandlung der
chronischen Autoimmun-Urtikaria der Klägerin mit hochdosierten Immunglobulinen
ist erfüllt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund des
hautfachärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. B. vom 17. Dezember 2007 fest. Zwar
bestätigt der Sachverständige, dass bisher keine Phase – III - Studie zur Therapie
der Autoimmun-Urtikaria mit Immunglobulinen publiziert ist. Er weist darauf hin,
dass es für keine Therapie eine publizierte Phase – III - Studie zur Wirksamkeit
und/oder Sicherheit für die Behandlung der Autoimmun-Urtikaria gibt. Der
Sachverständige gelangt im Weiteren jedoch zu der Beurteilung, dass in den
einschlägigen Fachkreisen Konsens über den Nutzen der Immunglobulin-Therapie
bei Autoimmun-Urtikaria herrsche. Dieser stütze sich auf die Publikationen von
Fallserien und sei in einem Konsensus - Papier niedergelegt. Es handele sich somit
um eine evidenz-basierte Therapie bei dieser Indikation. Er nimmt insoweit Bezug
auf die Veröffentlichungen von Enk/Hertl/Messer/Meurer/Rentz/Zillikens; Einsatz
hochdosierter intravenöser Immunglobuline in der Dermatologie; Journal der
Deutschen Dermatologischen Gesellschaft Band 1 Ausgabe 3 März 2003 sowie
von O’Donnell et. al.; Intravenous immunoglobulin in autoimmune chronic urticaria;
British Journal of Dermatology 1998; 138: 101 – 106.
Die Kammer folgt des Weiteren der Beurteilung des gerichtlichen
Sachverständigen, dass die Behandlung der Klägerin mit hochdosierten
Immunglobulinen nach Art, Dauer und Schwere der Erkrankung zur Besserung,
Verhütung einer Verschlimmerung und Linderung von Beschwerden notwendig,
zweckmäßig, ausreichend und wirtschaftlich ist, da alle anderen Therapieoptionen
bei ihr keine entsprechende Effektivität gezeigt hatten. Der zu erwartende Nutzen
einer Therapie der Klägerin mit Immunglobulinen übersteige die zu
berücksichtigenden Risiken schon aus der Sicht eines Arztes bei Weitem. Die
Bewertung durch betroffene Patienten sei noch viel eindeutiger. Es bestünden
eindeutige Hinweise darauf, dass die Immunglobulin-Therapie bei der Klägerin das
Fortschreiten der Erkrankung aufhalten bzw. Komplikationen verhindern könne.
Andere Therapien seien in den Jahren 1998 bis 2004 wenig effektiv gewesen, so
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Andere Therapien seien in den Jahren 1998 bis 2004 wenig effektiv gewesen, so
dass der Verlauf insgesamt als progredient eingestuft wurde. Danach habe sich
eine deutliche Besserung über einen längeren Zeitraum eingestellt. Laut Angaben
der Klägerin im Rahmen der ambulanten Untersuchung am 12. Dezember 2007
komme es derzeit lediglich zu ca. 2 Schüben der Urtikaria pro Jahr.
Da die Klägerin aus den vorstehend dargelegten Gründen einen Anspruch auf
Kostenübernahme für eine Therapie mit intravenösen Immunglobulinen als
Sachleistung hat, war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.