Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 30.11.2007

SozG Frankfurt: recht der europäischen union, austritt, zwangsmitgliedschaft, veranlagung, quelle, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, gerichtsakte, gestaltung, dokumentation

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Gericht:
SG Frankfurt 16.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 16 U 6/05
Dokumenttyp:
Gerichtsbescheid
Quelle:
Gründe
1. Die Beklagte erteilte dem Kläger am 11.01.2002 einen Aufnahmebescheid und
einen Bescheid über die Veranlagung zu den Gefahrklassen. Aktenkundig ist
sodann der Beitragsbescheid der Beklagten für 2003 vom 21.4.2004. Mit
Schreiben vom 11.8.2004 kündigte der Kläger die Pflichtmitgliedschaft, er wolle
sich privat gegen die bestehenden Risiken absichern. Gegen die Antwort der
Beklagten, ein Austritt sei nicht möglich, erhob der Kläger Widerspruch und trug
vor, die Zwangsmitgliedschaft verstoße gegen Grundrechte des Grundgesetzes
und gegen den EG-Vertrag. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.10.2004 den
Antrag auf Austritt ab. Der Kläger erhob Widerspruch, die Beklagte erteilte den
Widerspruchsbescheid vom 09.12.2004.
Die Klage ging am 03.01.2005 bei Gericht ein.
Die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten verstoße gegen das Recht der
Europäischen Union und gegen das Grundgesetz. Vorgelegt wird ein Beschluss des
Sächsischen LSG vom 24.7.2007 mit der Anregung, das Verfahren auszusetzen
oder sich dem Vorlagebeschluss anzuschließen.
Auf die Anträge in der Klageschrift wird Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat einen Aktenauszug sowie ein Urteil des BSG und einen Beschluss des
BVerfG eingesandt.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
2. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen.
a) Obwohl der Kläger das Ruhen des Verfahrens beantragt hatte und die
Beklagte sich damit einverstanden erklärte, ruht das Verfahren nicht, weil
es keinen gerichtlichen Ruhensbeschluss gibt; das SG kam einfach nicht
früher zur Bearbeitung dieser Streitsache. Ein Ruhen wäre wohl auch
gesetzlich nicht zulässig gewesen (vgl. LSG Darmstadt NJW 1985, 992).
b) Die 16. Kammer des SG Frankfurt am Main hat bereits mit Urteil vom
31.01.2005 – S 16 U 3933/03 – abgedruckt in Sammlung Breithaupt 2005,
S. 478 ff – sich zur Frage des Austritts aus einer BG wegen
grundgesetzlicher und europarechtlicher Argumente sehr ausführlich
geäußert. Dieses Urteil ist auch der Klägerseite durchaus bekannt (vgl.
deren Schreiben vom 08.3.2005). Gleichwohl werden die Gründe dieses
Urteils nirgendwo und mit keinem Wort irgendwie angegriffen oder auch
nur erwähnt. Die 16. Kammer sieht daher keinerlei Grund zur
Neuaufnahme dieser Diskussion.
c) Dem Vorlagebeschluss des Sächsischen LSG kann das Gericht nicht
folgen. Es handelt sich erstens um den Beschluss eines Einzelrichters, der
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folgen. Es handelt sich erstens um den Beschluss eines Einzelrichters, der
zweitens im Plädoyer – Stil Gegenargumente noch nicht einmal erwähnt,
geschweige denn diskutiert. Dass unter "öffentlicher Gewalt" im Freistaat
Sachsen wohl nur noch die Landespolizei verstanden werden dürfte,
erscheint zumindest kurzschlüssig, könnte aber reizvolle Alternativen in
Richtung einer allgemeinen Umkrempelung des Verwaltungsrechts bieten.
d) Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass selbst bei
unterstellter Europarechtswidrigkeit der gegenwärtigen Vorschriften der
deutschen gesetzlichen Unfallversicherung der Gesetzgeber mehrere
Möglichkeiten der abweichenden Regelung und neuen Gestaltung hätte
(vgl. Schreiben vom 27.8.2007, Bl. 31 ff, 33 GA). Dann aber ist eine
Klagestattgabe logisch nicht denkbar.
e) Der Kläger hat den Streitwert mit 405 € angegeben. Die Beklagte hat dem
nicht widersprochen, andere Erkenntnisse liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.