Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 14.06.2007

SozG Frankfurt: beginn der frist, krankenkasse, rehabilitation, ausbildung, sachleistung, kritik, entstehungsgeschichte, verjährung, unfallversicherung, ausschluss

Sozialgericht Frankfurt
Gerichtsbescheid vom 14.06.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 18 KR 931/05
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Krankengeldzahlungen.
Bei der Versicherten der Klägerin wurde vom 07.11.2001 bis 12.12.2001 eine Rehabilitationsmaßnahme in der
Trägerschaft der Beklagten und vom 17.12.2001 bis 27.01.2002 eine stufenweise Wiedereingliederung durchgeführt.
Während der stufenweisen Wiedereingliederung gewährte die Klägerin der Versicherten Krankengeld in Höhe von
1.615,40 Euro.
Die Klägerin hat am 21.12.2005 (Bl. 1 Gerichtsakte) Klage zum Sozialgericht Frankfurt/Main erhoben (Klageschrift
vom 19.12.2005).
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte hätte für die Zeit der stufenweisen Wiedereingliederung an die Versicherte
Übergangsgeld nach den §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), 28 Sozialgesetzbuch
Neuntes Buch (SGB IX) zahlen müssen. Nach diesen Vorschriften seien seit dem 01.07.2001 auch die
Rentenversicherungsträger zur Übernahme der Kosten der stufenweisen Wiedereingliederung verpflichtet, wenn diese
Maßnahme im Rahmen einer Reha-Maßnahme durchgeführt werde. Die Beklagte vertrete die Auffassung, nur dann
zur Leistung verpflichtet zu sein, wenn zeitgleich mit einer Reha-Maßnahme eine stufenweise Wiedereingliederung
durchgeführt werde. Die Klägerin gehe davon aus, dass dies weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit dem
gesetzgeberischen Willen zu vereinbaren sei. Diese Auffassung sei dadurch bekräftigt worden, dass der Gesetzgeber
zur Klarstellung § 51 Abs. 5 SGB IX eingeführt habe, wonach Übergangsgeld im Anschluss an Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation gezahlt werden solle. In den Gesetzesmaterialien zum "Gesetz zur Förderung der
Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen" vom 23.04.2004 (Drucksache 15/1783) zu Nr. 5 (§ 51)
heiße es: "Die Ergänzung stellt klar, dass entsprechend den Vorgaben des § 28 neben den gesetzlichen
Krankenkassen alle weiteren Träger der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch ihre Leistungen die
Möglichkeiten der stufenweisen Wiedereingliederung unterstützen sollen. Die Klarstellung wurde erforderlich, weil in
der Umsetzung des § 28 zur Frage der Übergangsgelderbringung Auslegungsfragen aufgetreten sind. Entsprechend
dem Gebot der vollständigen und umfassenden Leistungserbringung (§ 4 Abs. 2 Satz 2) soll der primär zuständige
Rehabilitationsträger auch für eine sich unmittelbar anschließende stufenweise Wiedereingliederung verantwortlich
sein. Um eine kontinuierliche Übergangsgeldzahlung sicherzustellen, sind die Feststellungen nach § 28 regelmäßig
spätestens bis zum Abschluss der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu treffen, etwa im Verfahren nach §
11 Abs. 1."
Diese Ausführungen zeigten, dass die Verpflichtung anderer Sozialleistungsträger zur Zahlung von Leistungen
während einer stufenweisen Wiedereingliederung nicht erst seit dem 01.05.2004 bestehe. Der Gesetzgeber habe durch
die Einführung von § 51 Abs. 5 SGB IX keine Neuregelung vorgenommen, sondern eine Klarstellung. Damit sei
deutlich geworden, was er mit den Regelungen von §§ 28 SGB IX und 15 SGB VI gemeint habe.
Die Klägerin beruft sich auch auf ein Urteil des Sozialgerichts Heilbronn (vom 15.09.2005, S 8 R 124/04).
Der Erstattungsanspruch sei am 14.11.2002 angemeldet worden. Die Klägerin legt hierzu das Schreiben an die
Beklagte vom 14.11.2002 (Bl. 32 Gerichtsakte) vor und trägt ergänzend vor, dass die Beklagte dieses Schreiben
unbeantwortet gelassen habe.
Die Klägerin beantragt (nach Abtrennung weiterer Verfahren) sinngemäß, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
1.615,40 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, von der Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung habe sie erstmals durch
Schreiben der Klägerin vom 19.12.2005 Kenntnis erhalten. Der Eingang des Erstattungsanspruchs könne bei der
Beklagten nicht verbucht werden. Da die Klägerin anscheinend seinerzeit auf eine Erinnerung verzichtet habe, habe
der Verlust des Schriftstückes nicht festgestellt werden können. Am 19.12.2005 sei die Frist des § 111 Satz 1
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bereits abgelaufen gewesen. Die Ausschlussfrist beginne mit Ablauf des
letzten Tages zu laufen, für den die Leistung erbracht worden sei. Sie ende grundsätzlich mit dem Ablauf des Tages
im zwölften Monat, der durch seine Benennung oder Zahl dem Anfangstag der Frist entspreche (§ 188 Abs. 2 und 3
BGB). Die Ausschlussfrist ende am 27.01.2003. Auch die Regelung des § 111 Satz 2 SGB X führe zu keinem
anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift beginne die Frist, innerhalb derer ein Erstattungsanspruch geltend gemacht
werden könne dann, wenn der Leistungsträger, der die Leistung erbracht habe, davon Kenntnis erhalten habe, dass
ein anderer Leistungsträger über seine Leistungspflicht entschieden habe. Eine Entscheidung über die Leistungspflicht
gegenüber der Versicherten sei von der Beklagten nicht getroffen worden, da ein entsprechendes
Verwaltungsverfahren bei der Beklagten nicht anhängig gewesen sei. Für die Fristenberechnung könne daher nur von
dem nach § 111 Satz 1 SGB X maßgebenden Zeitpunkt ausgegangen werden. Anderenfalls verlöre die gesetzliche
Ausschlussfrist ihren Sinn, weil ein möglicherweise erstattungspflichtiger Leistungsträger regelmäßig erst dann in
derartige Erwägungen eintrete, nachdem der Erstattungsanspruch bereits an ihn herangetragen worden sei (vgl.
Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB X, K § 111 Rz. 10 sowie BSG-Urteil vom 10.05.2005, B 1 KR 20/04 R). Das
Versäumen der Ausschlussfrist habe den völligen Verlust des Anspruchs auf Erstattung zur Folge. Der Ausschluss
nach § 111 SGB X sei von Amts wegen zu beachten.
Weiter trägt die Beklagte vor, ihre Verpflichtung zur Zahlung von Übergangsgeld für Zeiten der stufenweisen
Wiedereingliederung ab 01.05.2004 werde nicht bestritten. Für die Beklagte fehle jedoch bis zum 01.05.2004
(Einführung des § 51 Abs. 5 SGB V) die rechtliche Grundlage zur Zahlung von Übergangsgeld anlässlich einer
stufenweisen Wiedereingliederung. Dies habe der Gesetzgeber erkannt. Gemäß dem Referentenentwurf zum Gesetz
zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen (Stand 05.09.2003) habe § 51 Abs. 5
SGB IX rückwirkend zum 01.07.2001 in Kraft treten sollen. Im Gesetzgebungsverfahren sei dieser Entwurf jedoch
dahingehend überarbeitet worden, dass eine rückwirkende Geltung speziell für § 51 Abs. 5 SGB IX im Gesetz nicht
mehr vorgesehen worden sei (vgl. Artikel 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung
schwerbehinderter Menschen vom 23.04.2004, BGBl. I S. 606). Hieraus werde die Absicht des Gesetzgebers
erkennbar, für Zeiten vor dem 01.05.2004 stufenweise Wiedereingliederung außerhalb von Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation nur durch § 74 SGB V zu ermöglichen. Diese für die gesetzliche Krankenkasse geltende
Vorschrift sei durch das SGB IX nicht geändert worden.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakte der Klägerin und der Beklagten zu dem
Rechtsstreit beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine
besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten
wurden vorher gehört. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Klage ist zulässig; sie ist statthaft als Leistungsklage erhoben worden.
Die Klage führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg.
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 105 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch
(SGB X) geltend, der nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen ist.
Der Anspruch auf Erstattung ist nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht
spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach
Satz 2 der Vorschrift beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte
Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht
Kenntnis erlangt hat.
Die Klägerin hat zwar vorgetragen und durch Vorlage des Schreibens vom 14.11.2002 nachzuweisen versucht, dass
sie den Erstattungsanspruch an diesem Tag angemeldet habe. Im letzten Absatz dieses Schreibens heißt es: "Wir
bitten Sie, die Anmeldung der Erstattungsanspruchs auf beiliegendem Schreiben zu bestätigen und auf die Einrede
der Verjährung zu verzichten." Ein derartiges Bestätigungsschreiben der Beklagten wurde von der Klägerin jedoch
nicht vorgelegt. Die Beklagte hat angegeben, dass sie das Schreiben vom 14.11.2002 nicht erhalten habe. Dies wirkt
auch glaubhaft, weil sich das Anschreiben vom 14.11.2002 oder ein Bestätigungsschreiben der Beklagten weder in
der Verwaltungsakte der Klägerin noch in der Verwaltungsakte der Beklagten befinden.
Da die Geltendmachung daher nicht schon am 14.11.2002, sondern erst mit der Klageschrift erfolgt ist, ist die Frist
des § 111 Satz 1 SGB X abgelaufen.
Fraglich ist jedoch, ob sich aus § 111 Satz 2 SGB X etwas anderes ergibt. Nach dem Wortlaut des § 111 Satz 2 SGB
X wäre der Fristenlauf noch nicht in Gang gesetzt worden, weil die Klägerin von einer Entscheidung der Beklagten
über ihre Leistungspflicht schon deshalb keine Kenntnis erlangen konnte, weil eine derartige Entscheidung der
Beklagten gar nicht getroffen wurde. Es stellt sich daher die Frage, ob Satz 2 des § 111 SGB X (auch) auf die
vorliegende Fallgestaltung anwendbar ist, generell, ob Satz 2 in jedem Fall des § 111 SGB X den Fristenbeginn regelt.
Dies ist unter Heranziehung der Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 10.05.2005 (B 1 KR
20/04 R) zu verneinen. Das BSG sieht in § 111 Satz 2 SGB X einen gegenüber dessen Satz 1 "hinausgeschobenen"
Beginn des Laufs der Frist für bestimmte Fälle. Begründet wird dies vom BSG (aa0) mit der Entstehungsgeschichte
des § 111 Satz 2 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung:
§ 111 SGB X sei mit dem Dritten Kapitel des SGB X durch das Sozialgesetzbuch - Zusammenarbeit der
Leistungsträger und ihrer Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) in das SGB X eingefügt
worden und am 1. Juli 1983 in Kraft getreten. Während Satz 1 des § 111 SGB X seit seinem Inkrafttreten nicht
geändert worden sei, habe Satz 2 mit Wirkung vom 1. Januar 2001 eine neue Fassung erhalten. In seiner
ursprünglichen Fassung habe § 111 Satz 2 SGB X (aF) folgenden Wortlaut gehabt: "Der Lauf der Frist beginnt
frühestens mit Entstehung des Erstattungsanspruchs". In der Rechtsprechung sei § 111 Satz 2 SGB X aF dahin
ausgelegt worden, dass die Erstattungsansprüche entstünden, sobald ihre gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen
(BSG SozR 1300 § 104 Nr 6 S 13 f; BSGE 65, 31, 38 = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 24). Sei der Leistungsanspruch des
Versicherten kraft Gesetzes entstanden, sei es auch für den Beginn des Laufs der Frist des § 111 Satz 2 SGB X aF
nicht auf die Erteilung eines entsprechenden Bescheides durch den erstattungspflichtigen Träger angekommen, da
diese Entscheidung materiell-rechtlich nur deklaratorische Bedeutung gehabt habe (vgl BSG, Urteil vom 9. Februar
1989 - 3 RK 25/87, USK 89145; BSG, Urteil vom 19. März 1996 - 2 RU 22/95, SozR 3-1300 § 111 Nr 4 S 10 mwN).
Ebenso wenig sei es für den Lauf der Ausschlussfrist darauf angekommen, ob der erstattungsberechtigte Träger von
seinem Erstattungsanspruch Kenntnis gehabt habe (vgl BSGE 65, 31, 39 = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 25; SozR 1300 §
111 Nr 3 S 11 f; zum Ganzen von Wulffen, aaO, § 111 RdNr 3 mwN). Diese Grundsätze habe der 2. Senat des BSG
in seinem Urteil vom 19. März 1996 (2 RU 22/95, SozR 3-1300 § 111 Nr 4 S 10 f mwN) gegen Einwände verteidigt und
zur Begründung vor allem auf den Wortlaut des Gesetzes, die Entstehungsgeschichte sowie den Zweck der Vorschrift
hingewiesen: § 111 SGB X bezwecke, dass der Erstattungsberechtigte kurze Zeit nach der Leistungserbringung
wisse, welche Ansprüche auf ihn zukämen und er gegebenenfalls für die zu erwartenden Belastungen entsprechende
Rückstellungen bilden könne. Zum anderen diene die kurze Frist der raschen Abwicklung des Erstattungsverfahrens
und damit der Rechtssicherheit, weshalb der Gesetzgeber den Beginn der Frist auch von leicht feststellbaren,
objektiven Umständen (Leistungserbringung, Ablauf des Zeitraums für den sie erfolgen) abhängig gemacht habe.
Bereits in der Gesetzesbegründung zu § 111 SGB X sei darauf hingewiesen worden, zur Erreichung des
Beschleunigungseffekts müsse letztlich in Kauf genommen werden, dass Erstattungsgläubiger in Fällen, in denen die
Ermittlung des Erstattungsanspruchs schwierig sei, keinen Finanzausgleich erhielten. Diese Auslegung des § 111
SGB X habe u. a. dazu geführt, dass zB ein Erstattungsanspruch der Bundesanstalt für Arbeit (BA) gegen den Träger
der Unfallversicherung in einem Fall verneint worden sei, in welchem einer ehemaligen Arbeitslosenhilfe(Alhi)-
Empfängerin, nachdem deren Alhi-Bezug schon über ein Jahr abgeschlossen gewesen sei, nunmehr durch einen
Träger der Unfallversicherung rückwirkend Versichertenrente für die Zeit des Alhi-Bezugs bewilligt worden sei. Das
BSG habe den Erstattungsanspruch auf Grund der Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X als ausgeschlossen
angesehen, obwohl dem Arbeitsamt der Anspruch auf Versichertenrente erst auf Grund der übersandten Durchschrift
des Bewilligungsbescheides bekannt geworden sei (vgl BSG, Urteil vom 19. März 1996 - 2 RU 22/95, SozR 3-1300 §
111 Nr 4). Entsprechend habe das BSG bei Erstattungsansprüchen in Verhältnis anderer Sozialleistungsträger
zueinander entschieden (vgl BSGE 86, 78, 81 f = SozR 3-1300 § 111 Nr 8 S 28 f; BSGE 81, 103, 105 f = SozR 3-
1300 § 105 Nr 4 S 6 f jeweils zu Erstattungsansprüchen einer Krankenkasse gegen eine Berufsgenossenschaft;
BSGE 65, 31, 39 = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 25 zu einem Erstattungsanspruch eines Versorgungsträgers gegen eine
Krankenkasse; BSG SozR 1300 § 111 Nr 3 S 12 Erstattungsanspruch eines Sozialhilfeträgers gegen eine
Krankenkasse; BSG Urteil vom 28. November 1990 - 5 RJ 50/89, USK 90174 Erstattungsanspruch eines
Sozialhilfeträgers gegen einen Träger der Rentenversicherung). Diese Auslegung des § 111 SGB X durch das BSG
sei in der Folgezeit auf Kritik gestoßen. Dem Gesetzgeber sei von Trägern der Sozialversicherung eine Klarstellung,
notfalls die Streichung des § 111 SGB X vorgeschlagen worden (vgl Heimrich, DRV 1999, 130 bis 149; kritisch auch
Meyer, DOK 1989, 326; Ricke/Morus, BG 1995, 209 ff; Ricke, SGb 2001, 152 f). Der Gesetzgeber sei zwar nicht der
Forderung gefolgt, den Erstattungsanspruch generell erst mit einer auch lediglich deklaratorischen Entscheidung des
leistungsverpflichteten Leistungsträgers über einen Anspruch des Versicherten entstehen zu lassen (so zB die
Forderung von Heimrich, DRV 1999, 130, 149). Er habe die Kritik allerdings aufgegriffen und durch Art 10 Nr 8 des 4.
Euro-Einführungs-Gesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 1983) Satz 2 des § 111 SGB X neu gefasst, der in
seiner seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung nunmehr folgenden Wortlaut habe: "Der Lauf der Frist beginnt
frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des
erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat." In der Begründung des
Gesetzentwurfs werde insbesondere auf die der Entscheidung des 2. Senats des BSG vom 19. März 1996 (vgl BSG
SozR 3-1300 § 111 Nr 4) zu Grunde liegende Situation hingewiesen, die Rechtsprechung des BSG im Ergebnis als
unbefriedigend dargestellt und ausgeführt, durch die Neufassung des Satzes 2 werde klargestellt, welcher Zeitpunkt
für den Beginn der Frist zum Ausschluss des Erstattungsanspruchs des erstattungsberechtigten gegenüber dem zur
Erstattung verpflichteten Sozialleistungsträger maßgebend sei. Damit könnten Erstattungsansprüche auch Leistungen
des Erstattungsberechtigten und -verpflichteten für Zeiträume erfassen, deren Ende länger als zwölf Monate
zurückliege. Es sei nicht sachgerecht, in solchen Fällen auf die möglicherweise mehrere Jahre zurückliegende
Entstehung des Erstattungsanspruchs abzustellen, weil der erstattungsberechtigte Träger in solchen Fällen keine
Möglichkeit gehabt habe, seinen Erstattungsanspruch fristgerecht geltend zu machen (vgl BT-Drucks 14/4375, S 60
zu § 111 SGB X).
§ 111 Satz 2 SGB X nF setze, so das BSG (aa0) voraus, dass eine sachliche Entscheidung des
erstattungspflichtigen Leistungsträgers gegenüber dem leistungsberechtigten Versicherten in der Sache bereits
vorliege oder zumindest in Betracht komme. Eine derartige materiell-rechtliche Entscheidung sei indessen in aller
Regel ausgeschlossen, wenn es um Erstattungsansprüche von Krankenkassen untereinander, also Trägern desselben
Versicherungszweiges wegen erbrachter Sachleistungen gehe und der Versicherte die Sachleistung bereits von einer
Krankenkasse erhalten habe. Der Bedarf des Versicherten sei insoweit - wenn auch durch einen unzuständigen Träger
- bereits gedeckt worden. Der zuständige Leistungsträger habe keine Befugnis mehr, gegenüber dem Versicherten
nochmals eine materiell-rechtliche Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung gerade dieser Leistungen zu
treffen und die Leistung zu bewilligen. Für einen entsprechenden Antrag des Versicherten fehlte es von vornherein an
der dafür erforderlichen rechtlichen Betroffenheit. Denn sein Anspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger sei
sowohl faktisch also als auch rechtlich kraft der Fiktion des § 107 SGB X erfüllt. Eine sachliche Entscheidung des
unzuständigen Trägers über dessen Leistungspflicht im Verhältnis zum Versicherten sei damit ausgeschlossen.
Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats müssten Leistungserbringer oder Kostenträger, die dem
Krankenversicherten zu einer von ihm beanspruchten Sachleistung verholfen hätten, bei Zweifeln über die
Leistungspflicht der Krankenkasse regelmäßig selbst gegen die betroffene Krankenkasse vorgehen; eine rechtliche
Handhabe dafür, dass der Versicherte, der die begehrte Leistung erhalten habe, die krankenversicherungsrechtliche
Leistungspflicht anschließend losgelöst von seiner tatsächlichen Kostenbelastung abstrakt klären lasse, gebe es
demgegenüber nicht (vgl zB BSGE 86, 66, 75 = SozR 3-2500 § 13 Nr 21 S 97; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 25 S 121;
zuletzt Senats-Urteil vom 16. Februar 2005 - B 1 KR 18/03 R - zur Veröffentlichung bestimmt).
Unter Zugrundelegen dieser Ausführungen des BSG zur Auslegung von § 111 Satz 2 SGB X, denen sich das
erkennende Gericht anschließt, ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass eine Entscheidung der Beklagten über ihre
Leistungspflicht (gegenüber der Versicherten) nicht vorlag, jedoch in Betracht gekommen wäre. Rechtliche Gründe wie
in dem vom BSG geschilderten Fall einer Sachleistung von Trägern desselben Versicherungszweiges, die die
Beklagte an einer Bescheiderteilung gegenüber dem Versicherten hindern könnten, liegen zwar nicht vor. Allerdings ist
dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X den Zweck hatte,
Erstattungsberechtigten einen Erstattungsanspruch auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen sie (mangels
Bescheiderteilung) keine Möglichkeit gehabt hatten, den Erstattungsanspruch fristgerecht nach Satz 1 des § 111 SGB
X geltend zu machen.
Dies ist im vorliegenden Fall anders, weil die Klägerin, wie schon die Geltendmachung der Erstattungsanspruchs im
Schreiben vom 14.11.2002 zeigt, sehr wohl innerhalb der Frist des § 111 Abs. 1 SGB X die Möglichkeit hatte, den
Erstattungsanspruch geltend zu machen und dies auch getan hat (wobei allerdings der Nachweis des Zugangs dieses
Schreibens nicht gelungen ist). Würde in einem derartigen Fall trotz Ablaufs der Frist des § 111 Satz 1 SGB X Satz 2
der Vorschrift angewandt, so würde das der Vorschrift des § 111 SGB X zugrunde liegende vorrangige Ziel rascher
Rechtssicherheit (vgl BT-Drucks 14/4375, S 60 zu § 111 und BT-Drucks 9/95, S 26 zu § 117 des Entwurfs: "schnelle
Klarstellung der Verhältnisse" sowie S 40 zu Art I § 117 Satz 2 des Entwurfs, zitiert nach BSG, 10.05.2005, aa0)
nicht erreicht bzw. konterkariert werden. § 111 Satz 2 SGB X würde damit auch zum "Notanker" des
Erstattungsberechtigten in den Fällen, in denen der Erstattungsberechtigte (bei fehlender Bescheiderteilung durch den
Erstattungsverpflichteten) die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 111 Satz 1 SGB X
nicht nachweisen kann. Eine derartige Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 111 Satz 2 SGB X hat der
Gesetzgeber nach dem oben Ausgeführten aber erkennbar nicht beabsichtigt.
Daher steht für die Kammer fest, dass im vorliegenden Fall, in dem die Möglichkeit zur fristgerechten
Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 111 Satz 1 SGB X für die Klägerin bestanden hat, § 111 Satz 2
SGB X nicht zur Anwendung kommt.
Da der Zugang des Schreiben vom 14.11.2002 bei der Beklagten nicht nachgewiesen ist, das Gericht vielmehr
aufgrund der oben genannten Umstände (Fehlen des Schreibens in beiden Verwaltungsakten) von einem Nichtzugang
ausgehen musste, ist der Erstattungsanspruch von der Klägerin erst mit der Klageschrift geltend gemacht worden. Zu
diesem Zeitpunkt war die Frist des § 111 Satz 1 SGB X bereits abgelaufen.
Da es sich bei § 111 um eine Ausschlussfrist handelt, deren Versäumung den Verlust des Erstattungsanspruchs zur
Folge hat (BSG, SozR 1300 § 111 Nr 1) und der Ablauf der Ausschlussfrist für die Gerichte von Amts wegen - und
nicht nur wie bei der Verjährung auf Einrede - zu beachten ist (vgl BSG, Urt v 6. 12. 1989, 2 RU 30/89; sa BSGE 65,
27; zuletzt Urt v 28. 3. 2000, SozR 3-1300 § 111 Nr 8; Palandt, Anm 4 a vor § 194) (beide Fundstellen zitiert nach von
Wulffen in ders., SGB X, Kommentar, 5. Auflage 2005, § 111 Rz. 8), konnte die Klage keinen Erfolg haben und war
ohne weitere Sachprüfung abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die
Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG.