Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 13.08.2010

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Sozialgericht Frankfurt
Beschluss vom 13.08.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 17 AS 1246/10 ER
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig einen Betrag von 4.550,00 EUR darlehensweise
zur Begleichung der Mietschulden in Bezug auf die Wohnung in der A-Straße in A-Stadt, 1. Obergeschoss, zu
gewähren.
2. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um die vorläufige Gewährung eines
Darlehens auf Grundlage des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) für die Begleichung von Mietrückständen.
Die im Jahr 1983 geborene Antragstellerin zu 1) wohnt gemeinsam mit ihrem im Jahr 1985 geborenen
Lebensgefährten, dem Antragsteller zu 4), und deren in den Jahren 2004 und 2007 geborenen Kindern in einer
Mietwohnung in A-Stadt. Die Nettomiete für diese im 1. OG eines Wohnhauses gelegene Wohnung beträgt monatlich
500,00 EUR, die Nebenkostenvorauszahlung 150,00 EUR. Des Weiteren sind die Antragsteller Mieter einer weiteren
Wohnung im Parterre desselben Hauses, für die monatlich eine Nettomiete von 250,00 EUR und eine
Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 50,00 EUR anfällt. Diese Wohnung wurde von dem Antragsteller zu 4) als
Büro genutzt.
Die Antragsteller beziehen laufend Leistungen nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Mit Bescheid vom
7.12.2009 wurden den Antragstellern Leistungen für den Zeitraum Dezember 2009 bis Mai 2010 bewilligt in Höhe von
etwa 1.200,00 EUR monatlich. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit wurde bei dieser Leistungsbewilligung nicht
angerechnet.
Nachdem der Antragsteller zu 4) zu einem Termin nicht erschienen war, erfolgte am 17.12.2009 eine vorläufige
Zahlungseinstellung. Der Antragsgegner habe von Tatsachen Kenntnis erlangt, die zum Wegfall des
Leistungsanspruchs führten.
Mit Schreiben vom 22.12.2009 wies der Antragsteller zu 4), der ein Unternehmen zum Handel mit Elektronikbedarf
gegründet hatte, auf Schwierigkeiten bei der geschäftlichen Etablierung und nur geringe Gewinnspannen hin.
Am 27.1.2010 teilte der Antragsteller zu 4) mit, die Gewinnspannen hätten sich seit Jahresbeginn erheblich erhöht.
Mit Bescheid vom 29.1.2010 wurde aufgrund einer Einkommensschätzung des Antragstellers zu 4) von dem
Antragsgegner ein anrechenbares Einkommen des Antragstellers zu 4) in Höhe von 1.088,74 EUR Einkommen aus
selbstständiger Tätigkeit berücksichtigt und den Antragstellern Leistungen für die Monate Februar bis Mai 2010
zwischen etwa 30 und 90 EUR monatlich gewährt.
Hiergegen wurde Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, dass tatsächlich kein Einkommen, sondern nur Verlust
erzielt werde.
Die Antragsteller stellten wegen der Einkommensanrechnung am 25.2.2010 einen gerichtlichen Eilantrag (S 17 AS
335/10 ER). Der Antragsgegner hat nach Vorlage weiterer Unterlagen zu den Verdiensten im Rahmen dieses
Eilverfahren eine geänderte Einkommensanrechnung vorgenommen und Leistungen nachträglich bewilligt. Mit
Bescheiden vom 22.4.2010 wurden für die Monate Januar und Februar 2010 jeweils 641,04 EUR und für März 2010
709,04 EUR gewährt. Mit Bescheid vom 29.4.2010 wurden Leistungen für die Monate April und Mai 2010 in Höhe von
jeweils 709,04 EUR gewährt.
Wegen zwischenzeitlich angefallener Mietrückstände beantragten die Antragsteller am 9.3.2010 die Übernahme von
Mietschulden. Hierzu wurde ein Schreiben des Vermieters vorgelegt, das Rückstände aufgrund ausbleibender
Mietzahlungen für die beiden Wohnungen sowie wegen Nichtzahlung der Mietkaution in Höhe von insgesamt 4.200
EUR ausweist, wobei hiervon 2.600 EUR auf die Wohnung im 1. OG entfallen.
Mit Schreiben vom 6.4.2010 erfolgte die fristlose und hilfsweise eine fristgerechte Kündigung durch den Vermieter,
erneut mit Schreiben vom 28.4.2010. Der Antrag auf Übernahme der Mietschulden – insoweit stellten die Antragsteller
am 3.5.2010 einen weiteren bzw. geänderten Antrag auf Übernahme eines Betrages von 3.250,00 EUR – wurde mit
Bescheid vom 20.5.2010 abgelehnt. Selbst bei Übernahme des Betrages vom 3.250,00 EUR läge noch ein weiterer
Mietrückstand vor, der die fristlose Kündigung weiterhin stütze.
Mit weiterem Bescheid vom 20.5.2010 wurden den Antragstellern Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2010
in Höhe von 1.178,00 EUR monatlich bewilligt. Die monatliche Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum wurde mit
Bescheid vom 26.5.2010 auf 1.311,00 EUR erhöht.
Nachdem die Antragsteller am 29.5.2010 einen Mietrückstand für die als Büro genutzte Wohnung in Höhe von 1.500
EUR sowie am 30.5.2010 die Miete für Juni für die Wohnung im 1. OG an die Vermieter überwiesen hatten,
beantragten sie am 31.5.2010 ein Darlehen für Mietrückstände in Höhe von 3.900,00 EUR in Bezug auf die
Rückstände für die Wohnung im 1. OG.
Der Vermieter erhob schließlich Räumungsklage. Diese ist den Antragstellern unstreitig am 21.6.2010 zugestellt
worden. Zur Glaubhaftmachung der Zustellung an diesem Datum ist im Übrigen eine entsprechende eidesstattliche
Versicherung der Antragstellerin zu 1) sowie ein diesbezüglicher Postzustellungsumschlag vorlegt worden.
Mit Bescheid vom 9.7.2010 wurde der am 29.5.2010 gestellte Antrag auf Übernahme der Mietschulden in Höhe von
3.900,00 EUR abgelehnt.
Hiergegen wurde am 13.7.2010 Widerspruch eingelegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.7.2010 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.1.2010, geändert
durch die Bescheide vom 22.4.2010 und 29.4.2010 zurückgewiesen. Die Einkommensanrechnung sei zutreffend
erfolgt.
Mit Bescheid vom 21.7.2010 erging ein Änderungsbescheid, der einen Antrag der Antragsteller auf Direktzahlung der
Miete an den Vermieter umsetzt.
Gegen den Bescheid vom 29.1.2010, geändert durch die Bescheide vom 22.4.2010 und 29.4.2010, in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.7.2010 erhoben die Antragsteller am 22.7.2010 Klage (S 17 AS 1223/10).
In Bezug auf die beantragte Übernahme der Mietschulden haben die Antragsteller mit Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten am 27.7.2010 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Dieser Antrag ist mit
Schriftsatz vom 5.8.2010 hinsichtlich der Höhe des beantragten Darlehens erweitert worden. Statt ursprünglich
3.900,00 EUR ist die Gewährung eines Darlehens über 4.550,00 EUR beantragt worden. Deswegen hatte sich die
Prozessbevollmächtigte auch bereits mit Schreiben vom 28.7.2010 an den Antragsgegner gewendet. Die
Mietrückstände seien auf die unregelmäßigen Zahlungen des Antragsgegners zurückzuführen, nachdem die Höhe des
Einkommens des Antragstellers zu 4) umstritten gewesen sei. Es seien zwischenzeitlich nur Nachzahlungen am
28.4.2010 in Höhe von 1.230,80 EUR für den Zeitraum Februar und März 2010 und am 3.5.2010 in Höhe von 1.122,08
EUR für den Zeitraum April und Mai 2010 erfolgt. Nachzahlungen für Dezember und Januar stünden noch aus. Die
Antragsteller hätten ihre Situation nicht zu verantworten, da sie keine Geldmittel zur Begleichung der Mietzahlungen
gehabt hätten. Der Verlust der Wohnung stehe nicht fest. Vielmehr könne die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung
durch Begleichung der Mietschulden bis zum Ablauf der Heilungsfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB am 21.8.2010
abgewendet werden. Die Wirksamkeit der verschuldensabhängigen ordentlichen Kündigung sei im zivilgerichtlichen
Verfahren zu klären, wobei dies bis zur endgültigen Klärung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen könne.
Die Antragsteller beantragen (sinngemäß), die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
den Antragstellern vorläufig ein Darlehen in Höhe von 4.550,00 EUR zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wird angeführt, nicht der Antragsgegner, sondern die Antragsteller hätten die Mietrückstände zu
verantworten, da die Mitwirkungspflicht in Bezug auf die Vorlage von Kontoauszügen zur Überprüfung der
Hilfebedürftigkeit erst Mitte April 2010 erfüllt worden sei. Die Übernahme der Mietschulden sei nach § 22 Abs. 5 SGB
II nicht gerechtfertigt, da hier ein längerfristiger Erhalt der Wohnung aufgrund der erfolgten ordentlichen Kündigung
nicht gewährleistet sei. Dies sei auch im Rahmen des intendierten Ermessens zu berücksichtigen. Der Vermieter
wolle das Mietverhältnis in jedem Fall beenden. Im Übrigen hätten die Antragsteller die geleistete Nachzahlung
zweckentfremdet und für die Tilgung von Mietschulden in Bezug auf das Büro genutzt. Der Nachzahlungsbetrag hätte
zur Begleichung der Mietschulden in Bezug auf die Wohnung verwendet werden müssen. Auch dies sei bei der
Ermessensausübung nach § 22 Abs. 5 SGB II zu berücksichtigen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der zu
den Antragstellern geführten Leistungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Eilantrag war in der genannten Form auszulegen, da im Rahmen des Eilverfahrens nur vorläufige Leistungen
begehrt werden können.
Der Eilantrag hat Erfolg.
Der Eilantrag ist zulässig. Der Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweise Übernahme der Mietrückstände
steht zunächst nicht entgegen, dass bislang im Verwaltungsverfahren nur über einen Teilbetrag in Höhe von 3.900,00
EUR des beantragten Darlehens für die Begleichung des Mietrückstandes entschieden worden ist. Der Antragsgegner
hat durch die Aufrechterhaltung des Zurückweisungsantrags konkludent den Darlehensantrag auch über 4.550,00 EUR
abgelehnt. Im Übrigen wäre ein Verweis auf eine förmliche Verwaltungsentscheidung in Bezug auf den geltend
gemachten weiteren Darlehensbetrag nicht zumutbar, da wegen des drohenden Ablaufs der Heilungsfrist des § 569
Abs. 3 Nr. 2 BGB die Sache sehr eilig ist und im Übrigen aufgrund der Rechtsansicht des Antragsgegners ohnehin mit
einer ablehnenden Entscheidung des Antragsgegners zu rechnen wäre. Unter diesen Voraussetzungen ist auch
hinsichtlich des weiteren Darlehensbetrages das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben (vgl. Keller, in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rnr. 26b).
Der Eilantrag ist auch begründet.
Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines
Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1); es kann eine einstweilige
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Satz 2).
Neben dem Anordnungsgrund, also dem Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, setzt die
Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz den Anordnungsanspruch, also den materiellrechtlichen Anspruch auf die
Leistung, voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll (vgl.
std. Rspr. des Hess. Landessozialgerichts, z.B.: Beschl. v. 09.06.2006, Az.: L 9 SO 13/06 ER; Keller, in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. z. SGG, 8. Auflage, Rn. 26c zu § 86b).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches
System gegenseitiger Wechselbeziehung (vgl. st. Rspr. des Hess. Landessozialgerichts, z.B. Beschl. v. 29.06.2005,
Az.: L 7 AS 1/05 ER): Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag
auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein
schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so
vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens,
wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer
Folgenabwägung zu entscheiden. Sind dabei grundrechtliche Belange des Antragstellers berührt, haben sich die
Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen (Bundesverfassungsgericht – BVerfG ,
Beschluss v. 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05 und im Anschluss daran die st. Rspr. des Hess. Landessozialgerichts,
z.B. Beschl. v. 18.09.2006, Az.: L 7 SO 49/06 ER).
Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind – unter Beachtung der Grundsätze der objektiven
Beweislast – glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO –); die
richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und
des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rn.
16b).
Nach diesen Maßstäben hat der Eilantrag Erfolg.
Der Anspruch der Antragsteller richtet sich nach der Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II. Diese Vorschrift lautet wie
folgt:
Sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können auch Schulden übernommen werden, soweit
dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen
übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.
Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
Die Tatbestandsvoraussetzungen der Erbringung von Leistungen für Unterkunft und Heizung und des Vorliegens von
Mietschulden sind gegeben. Ebenso droht vorliegend Wohnungslosigkeit im Sinne des § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II
aufgrund der erfolgten fristlosen und ordentlichen Kündigung und der anhängigen Räumungsklage. Für die Möglichkeit
eines vorrangigen Vermögenseinsatzes nach § 12 Abs. 1 SGB II bestehen keine Anhaltspunkte.
Der Eintritt der Rechtsfolge eines gebundenen Ermessens nach § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II in Bezug auf die Gewährung
des Darlehens hängt aber weiterhin vom Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtfertigung und Notwendigkeit der
Schuldenübernahme gemäß § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II ab. Eine Mietschuldenübernahme kommt grundsätzlich nur in
Bezug auf angemessene Unterkünfte in Betracht. Dies ist hier unstreitig gegeben. Weiterhin muss die beantragte
Schuldenübernahme zur Sicherung der bisherigen Unterkunft überhaupt geeignet ist, um im Sinne des § 22 Abs. 5 S.
2 SGB II gerechtfertigt und notwendig zu sein. Die Übernahme von Mietschulden hat den Zweck, die bisherige
Wohnung zu erhalten. Dieser Zweck kann nicht erreicht werden, wenn trotz Schuldenübernahme der Erhalt der
Wohnung nicht gesichert werden kann. Dies lässt sich im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht abschließend
beurteilen. Allerdings liegt bislang jedenfalls kein Räumungstitel vor. Vielmehr wird die Wirksamkeit der
ausgesprochenen Kündigung derzeit noch im amtsgerichtlichen Verfahren überprüft. Vorliegend wird die Begleichung
der hier streitgegenständlichen Mietrückstände in Bezug auf die Wohnung im 1. OG zur Unwirksamkeit der fristlosen
Kündigung führen, da die Heilungsfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB noch nicht abgelaufen ist. Unstreitig hat der Lauf
dieser zweimonatigen Frist erst am 21.6.2010 mit der Zustellung der Klage an diesem Tag begonnen. Hierfür ist im
Übrigen zur Glaubhaftmachung noch eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin zu 1) sowie die Kopie des
entsprechenden Postzustellungsumschlages vorgelegt worden. Die Zustellung der Räumungsklageschrift und damit
der Beginn der Frist am 21.6.2010 entspricht im Übrigen dem Inhalt der Verwaltungsakte, da dort eine Vorsprache am
21.6.2010 wegen der erhaltenen Räumungsklage dokumentiert ist. Die insoweit noch nachgereichte eidesstattliche
Versicherung und eine Kopie des Postzustellungsumschlags zur Räumungsklageschrift mussten dem Antragsgegner
nicht vor der Entscheidung des Gerichts weitergeleitet werden, da er von dem Umstand der genannten Frist bereits
Kenntnis hatte.
Die Nachzahlung der ausstehenden Miete wendet jedenfalls die anderenfalls wahrscheinlich zu erwartende Räumung
auf Grundlage der fristlosen Kündigung, zu der der Vermieter aufgrund des Zahlungsrückstandes berechtigt war, ab.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist nicht gewiss, dass die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte
Kündigung wirksam ist und ebenfalls die Räumungsklage trägt. Zwar lässt der nachträgliche Ausgleich der
Rückstände innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nur die fristlose Kündigung unwirksam werden und nicht
ohne Weiteres auch die fristgemäße Kündigung. Indes ist die nachträgliche Zahlung bei der Prüfung, ob der Mieter
seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB), zu berücksichtigen
(BGH, Urt. v. 16.2.2005, Az.: VIII ZR 6/04). Daher kann jedenfalls nicht mit Gewissheit von der Wirksamkeit der
fristgerechten Kündigung ausgegangen werden, zumal der Mietrückstand nicht auf einen mangelnden Zahlungswillen,
sondern auf das tatsächliche Fehlen der erforderlichen Mittel infolge der geringen und später korrigierten
Leistungsgewährung durch den Antragsgegner zurückzuführen ist (vgl. dazu noch unten). Dies dürfte bei der
Beurteilung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung ebenfalls zu berücksichtigen sein.
Bedenken hinsichtlich der Rechtfertigung der Mietschuldenübernahme können hier im Hinblick darauf bestehen, dass
die Antragsteller bzw. der Antragsteller zu 4) über einen gewissen Zeitraum nicht hinreichend seinen
Mitwirkungspflichten nachgekommen ist in Bezug auf die Vorlage von Unterlagen zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit
und hierdurch eine Ursache für die Mietschulden gesetzt hat. Auch ist die zwischenzeitlich erfolgte Nachzahlung nicht
für die vorrangige Sicherung der Wohnung, sondern aus nicht nachvollziehbaren Gründen für die Tilgung von Schulden
für das Büro verwendet worden. Ob dieser Gesichtspunkt letztlich einer Mietschuldenübernahme entgegensteht oder
im Hinblick auf die Mitverantwortung des Antragsgegners (dazu unten) nicht von entscheidender Bedeutung ist, bedarf
ebenso weiterer Prüfung, wie die Frage, ob – wie die Antragsteller geltend machen – noch Zahlungen für die Monaten
Dezember und Januar offen sind, die für die Begleichung der Mietschulden verwendet werden könnten. Eine weitere
Aufklärung kann im vorliegenden Eilverfahren vor allem auch im Hinblick auf den mittlerweile nahen Ablauf der
Heilungsfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB indes nicht geleistet werden. Der drohende Ablauf der Heilungsfrist und der
damit wohl unabwendbare Erfolg der Räumungsklage begründet im Übrigen eine besondere Eilbedürftigkeit im Sinne
eines Anordnungsgrundes.
Unter diesen Umständen ist auf Grund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese geht im Ergebnis zu Gunsten der
Antragsteller aus.
Bei der Folgenabwägung sind für die Kammer die folgenden Gesichtpunkte ausschlaggebend: Eine Verpflichtung des
Antragsgegners zu vorläufigen Leistungen in Form eines Darlehens führt nur zu einer gewissen fiskalischen
Belastung. Dem gehen vorliegend die Interessen der Antragsteller vor. Dies gilt im Ergebnis auch unter
Berücksichtigung des Aspekts, dass der Antragsteller zu 4) aufgrund einer Überschätzung des zu erwartenden
Erwerbseinkommens die Anrechnung eines entsprechend hohen Einkommens bei der Leistungsberechnung durch den
Antragsgegner bewirkt und damit eine Ursache für die Mietrückstände gesetzt hat. Denn insoweit ist es für die
Kammer nicht gut nachvollziehbar, dass der Antragsgegner die nicht näher begründete grobe Schätzung des
Antragstellers zu 4) zu seinen zukünftigen Gewinnaussichten genügen ließ, den Antragstellern durch eine
entsprechend hohe Einkommensanrechnung die Leistungen auf nahezu Null abzusenken. Nicht zuletzt auch wegen
der noch im Dezember 2009 von dem Antragsteller zu 4) angeführten Schwierigkeiten bei der Etablierung seines
Unternehmens und der Erzielung hinreichender Gewinne erscheint die Zugrundelegung der wenige Wochen später
übertrieben optimistischen Gewinnschätzungen für die Folgemonate übereilt. Eine verantwortliche Betrachtung der
Situation der Bedarfsgemeinschaft mit zwei kleinen Kindern hätte zur der Überlegung führen müssen, dass die
einfache Zugrundelegung der groben Gewinnschätzung – deren Zweifelhaftigkeit offensichtlich war – unter anderem
das Risiko des kurzfristigen Entstehens von Mietschulden birgt, wenn sich die Schätzung als unzureichend erweist.
Letzteres ist – wie im Grunde fast absehbar war – dann auch eingetreten. Insofern sieht das Gericht auch eine nicht
unerhebliche Mitverantwortung des Antragsgegners bei dem Zustandekommen der Mietschulden. Vor diesem
Hintergrund und im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung der Abwendung der Wohnungsräumung für die Antragsteller
– und zwar insbesondere auch für die beiden zwei und sechs Jahre alten Antragsteller zu 2) und 3), die selbst keine
Obliegenheiten verletzt haben – war zugunsten der Antragsteller zu entscheiden.
Nach Ansicht der Kammer ist es entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht erforderlich, eine
Rückzahlungsverpflichtung in den Eilbeschluss ausdrücklich aufzunehmen. Vielmehr folgt die Rückzahlungspflicht
bereits aus dem Umstand, dass nur zur vorläufigen Gewährung eines Darlehens verpflichtet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.