Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 30.01.2008

SozG Frankfurt: berufliche tätigkeit, berufskrankheit, masseur, belastung, anerkennung, umschulung, spezialisierung, entstehung, tendovaginitis, zwang

Sozialgericht Frankfurt
Urteil vom 30.01.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 10 U 3969/03
1. Der Bescheid vom 4. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2003 wird
aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt festzustellen, dass bei dem Kläger die arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen
Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. Ziffer 2101 der Anlage
1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vorliegen und ein Zwang zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit
besteht.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen einer Berufskrankheit i. s. d. Ziff. 2101 der Anl. 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (BKVO) zu entschädigen ist. Insbesondere geht es um die Frage, ob die
Sehnenscheidenentzündung an den Fingergliedern auf seine berufliche Tätigkeit als Masseur zurückzuführen ist.
Der im Jahre 1943 geborene Kläger hat zunächst den Beruf des Krankenpflegers erlernt und sodann eine Ausbildung
zum Masseur und medizinischen Bademeister absolviert. Ab 1965 war er in diesem Beruf zunächst abhängig
beschäftigt und ab 1/1969 arbeitete er als selbständiger Masseur in einer eigenen Praxis in N ... Ab 1/1977 betrieb er
eine zweite Massagepraxis in S. Der Kläger gibt an, dass er im Laufe der Jahre zahlreiche Fortbildungen absolviert
und dadurch verschiedene spezielle Massagetechniken wie etwa die Marnitztherapie, Quermassage nach Cyriax,
Bindegewebsmassage, Reflexzonentherapie nach Jost Thomas, Fußreflexzonentherapie u. a. erlernt hat. Hierzu wird
auf Bl. xxx der BG-Akten verwiesen.
Etwa 1985 traten Beschwerden an beiden Händen auf und es wurde ein Carpaltunnelsyndrom diagnostiziert. Nachdem
der Kläger infolge dieser Erkrankung im Jahre 1991 an der rechten Hand operiert worden war, hat er beide Praxen im
Jahre 1993 aufgegeben und von Juli 1993 bis Ende 1995 eine Umschulung zum Krankengymnasten absolviert. Seit
1/1996 ist der Kläger als Krankengymnast und Physiotherapeut in selbständiger Praxis mit ca. 55 % Massagetätigkeit
tätig.
Im Februar 1992 hatte der Kläger beantragt, das beidseitige Carpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit anzuerkennen,
weil diese Erkrankung auf seine handbelastende Tätigkeit als Masseur zurückzuführen wäre. Er hatte um Prüfung
gebeten, ob eine Umschulung in Betracht käme.
Die Beklagte hatte Ermittlungen durchgeführt und unter anderem Befundberichte des behandelnden Neurologen Dr. A.
und des Orthopäden Dr. S. zu den Akten genommen. Dieser hatte bei dem Kläger im 2/1992 neben dem
Carpaltunnelsyndrom eine Sehnenscheidenentzündung der Beugesehne des rechten Daumens (tendovaginitis
stenosans) diagnostiziert (Befundbericht vom 28.07.1992). Beide Ärzte hatten eine Umschulung befürwortet. Eine
Begutachtung in der BG-Unfallklinik B-Stadt (9/92) hatte ergeben, dass das Carpaltunnelsyndrom nicht als
Berufskrankheit anzuerkennen wäre.
Sodann hatte die Beklagte mit Bescheid vom 09.06.1993 den BK-Antrag des Klägers mit der Begründung abgelehnt,
dass die Voraussetzungen der in Betracht kommenden BK 2106 nicht erfüllt wären. Bei dem Kläger läge das in dieser
BK-Ziff. geforderte Krankheitsbild "Drucklähmungen der Nerven" nicht vor.
Die Kosten der Umschulungsmaßnahme zum Krankengymnasten wurden daher von der damaligen
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) getragen.
Nachdem der Kläger im Januar 1996 seine selbständige Tätigkeit als Physiotherapeut und Masseur aufgenommen
hatte, traten vermehrt Beschwerden in den Beugesehnen der Fingerglieder auf. Wegen rezidivierender
Sehnenscheidenentzündungen der Finger- und Daumenbeuger waren zwischen August 1997 und Juli 2002 sechs
operative Maßnahmen erforderlich (Spaltung des Ringbändchens). Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Bl. xxx
der Gerichtsakten verwiesen.
Im Februar 2000 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, die Folgen der Sehnenscheidenentzündungen als
Berufskrankheit nach Ziff 2101 anzuerkennen. Zur Begründung hat er angeführt, dass er als selbstständiger Masseur
von 1969 bis 1990 wöchentlich etwa 57,5 Stunden und danach bis 1993 etwa 47,5 Stunden gearbeitet habe. Bedingt
durch diese langen Arbeitszeiten sowie durch den Einsatz spezieller punktueller Behandlungstechniken sei es zu
einer spezifischen Überlastung der Fingerbeugesehnen beider Hände gekommen.
Die Beklagte hat Ermittlungen durchgeführt und zahlreiche Befundberichte und medizinische Unterlagen der
behandelnden Ärzte beigezogen, unter anderem von dem Orthopäden Dr. S., dem Unfallchirurgen Dr. H. (10/00) sowie
von den Handchirurgen Dr. L. und Prof. Dr. L., der im 7/99 eine Karpaldachspaltung der linken Hand durchgeführt hat.
Die von ihm veranlasste histologische Untersuchung des entnommenen Sehnengewebes ergab, dass es sich um
"fibrös verdicktes Sehnengleitgewebe (bei Carpaltunnelsyndrom)" handelt (Befundbericht Prof. Dr. H. vom
19.07.1999).
Dipl.-Ing. W. vom Präventionsdienst der Beklagten gelangte in seiner Stellungnahme vom 01.08.200 zu dem
Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der Berufskrankheit 2101 erfüllt seien. Bei
der Masseurtätigkeit des Klägers handele es sich um eine monotone, einseitige, langanhaltende, mechanische
Belastung der Hände. Insbesondere hätten die verlängerte Arbeitszeit, wie sie bei freiberuflichen
Masseuren/Krankengymnasten/Physiotherapeuten üblich sei und der Umfang und die Schwere der verwendeten
speziellen Techniken zur Überbeanspruchung geführt. Dieser Stellungnahme lag eine ausführliche Beschreibung der
vom Kläger verwendeten Massagetechniken zugrunde (Bl. xxx der BG-Akten).
Dr. C. stellte in seinem orthopädischen Gutachten vom 18.12.2001 fest, dass bei dem Kläger ohne Zweifel eine
Erkrankung der Sehnenscheiden i. S. einer tendinitis stenosans an inzwischen 5 Fingern vorliegen würde. Unter
Berücksichtigung des intraoperativ beschriebenen Lokalbefundes und des histologischen Befundes des entnommenen
Sehnengleitgewebes fänden sich keine Hinweise für eine weichteilrheumatische Erkrankung. Da aber bereits ein
Carpaltunnelsyndrom festgestellt worden sei, müsse von einer anlagebedingten Minderbelastbarkeit des
Kollagengewebes beider Hände ausgegangen werden. Der Kläger sei aufgrund der besonderen Spezialisierung von
Massagetechniken sicherlich einer besonderen beruflichen Exposition ausgesetzt gewesen, so dass aus seiner Sicht
diese berufliche Belastung zumindest vorübergehend zu einer wesentlichen Verschlechterung des anlagebedingten
Leidens geführt habe. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition und der
Sehnenscheidenentzündung sei anzunehmen. Eine BK im Sinne der Ziff 2101 liege dennoch nicht vor, weil die
Störung durch chirurgische Eingriffe einfach zu beseitigen sei. Es bestehe kein Zwang zur Aufgabe des Berufs und es
liege keine MdE in rentenberechtigendem Sinne vor. Es bestünde auch keine Gefahr, dass der Kläger wegen dieser
Erkrankung in Zukunft seine berufliche Tätigkeit aufgeben müsse. Es wäre aber ratsam, die Massagetechniken
abzuändern.
Die Landesgewerbeärztin lehnte ebenfalls das Vorliegen einer Berufskrankheit 2101 ab, weil der Beruf noch nicht
aufgegeben sei. Sie hielt es aber für wahrscheinlich, dass die Erkrankung des Klägers neben einer genetischen
Disposition wesentlich durch die berufliche Exposition verursacht worden sei. Falls sich das Krankheitsbild nicht
durch einen chirurgischen Eingriff beheben lasse, seien aus ihrer Sicht berufliche Reha-Maßnahmen nach § 3 BKVO
angezeigt. Ausweislich der Ausführungen des Präventionsdienstes sei ein Umändern der Massagetechniken nicht
möglich (Stellungnahme vom 07.03.2002).
Sodann sollte der Präventionsdienst anhand einer Checkliste von Barrot, die dieser im Rahmen seiner Studie
"Arbeitstechnische Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit 2101" (ErgoMed 1999), klären,
inwieweit angesichts der hier aufgeführten Kriterien die jeweiligen Tätigkeiten des Klägers zu beurteilen seien. Der
Präventionsdienst gelangte in seinen Stellungnahmen vom 24.07.2002 und 23.01.2003 zu dem Ergebnis, dass im
Rahmen der Masseurtätigkeit von 1969 bis 1993 die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2101 erfüllt seien.
Die repititiven Bewegungsabläufe hätten praktisch den gesamten Arbeitstag eingenommen. Administrative Tätigkeiten
seien anschließend verrichtet worden. Nach seiner Umschulung ab 1996 hätte der Kläger noch zu 55 %
Massagetätigkeiten ausgeübt. Diese Massageanteile hätten sich dadurch ergeben, dass die jeweils behandelnden
Ärzte zusätzlich zu den krankengymnastischen/physiotherapeutischen Behandlungen Massagen verordnet hätten.
In seiner ergänzenden Äußerung vom 17.02.03 empfahl Dr. C. eine fachärztliche Begutachtung, um eine
rheumatische Erkrankung auszuschließen.
Sodann wurde der Präventionsdienst um weitere ergänzende Äußerung gebeten. Es sei nicht eindeutig
nachvollziehbar, welchen besonderen beruflichen Bedingungen der Kläger ausgesetzt gewesen sei und wie lang diese
einzelnen belastenden Bewegungsabläufe gedauert hätten. Auch sei nicht eindeutig, ob das Kriterium des zeitnahen
Auftretens der Beschwerden Berücksichtung gefunden hätte.
In seiner Stellungnahme vom 02.05.2003 stellte Herr Dipl.-Ing. W. fest, dass er nach Rücksprache mit Herrn Dr. med.
R., Hauptverwaltung, Abteilung Grundlagen der Prävention und Rehabilitation der Abteilung nunmehr zu dem Ergebnis
gelangt sei, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2101 doch nicht erfüllt seien. Weder sei das
erforderliche Maß der Repetitivität erfüllt noch die Langzeitigkeit. Eine belastende Einzeltätigkeit müsse 120 mal
innerhalb von 3 Minuten für mindestens 3 Stunden an einem Tag ausgeführt werden. Diese Voraussetzung sei im
Falle des Klägers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Es könne zwar durchaus
vorkommen, dass derselbe Griff von Anfang bis Ende durchgeführt werde. Viele der angewandten Techniken würden
auch unzweifelhaft eine belastende Tätigkeit darstellen. Diese würden aber üblicherweise nur jeweils für einen
Zeitraum von ca. einer halben Stunde ausgeführt. Der nächste Patient benötige dann meistens eine andere
Behandlungsart. Vor allem wegen der Heterogenität der Tätigkeiten eines Masseurs seien die arbeitstechnischen
Voraussetzungen für die Entstehung der Berufskrankheit 2101 nicht erfüllt.
Dr. C. äußerte sodann, dass die Anerkennung einer Berufskrankheit nun nicht mehr in Betracht komme. Gestützt auf
die Äußerung des Präventionsdienstes erteilte die Beklagte am 04.08.2003 einen Ablehnungsbescheid. Die
"Sehnenentzündung der Ringbändchen und des Handwurzelkanals" sei nicht auf die berufliche Tätigkeit als Masseur
zurückzuführen. Diese führe nicht zu Beanspruchungen, die geeignet seien, das vorliegende Erkrankungsbild zu
verursachen. Es würden hier keine einseitigen, monotonen, langandauernden, mechanischen, monoton
wiederholenden Tätigkeiten über die wesentliche Zeit einer Arbeitsschicht ausgeübt.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass die Massagen von den behandelnden Ärzten nicht nur
zusätzlich verschrieben worden seien, sondern die Anwendung von Massagetechniken während einer Behandlung von
Krankengymnastik seien als zusätzliche Leistung in den Rahmenverträge mit den Krankenkassen vorgeschrieben.
Weiter machte der Kläger geltend, dass sich entgegen der Auffassung des Dr. C. angesichts der vorliegenden
histologischen Untersuchungsergebnisse eine genetisch bedingte Minderbelastbarkeit des Sehnengleitgewebes nicht
habe feststellen lassen. Nach dem Gutachten des Herrn Prof. Dr. med. H. vom 19.07.1999 würden auch keine
Atypien des Sehnengleitgewebes bestehen, sondern es habe sich um ein fibrös verdicktes Sehnengleitgewebe
gehandelt. Außerdem sei festgestellt worden, dass die Sehnenscheiden mit ausgeprägten Fibrosen behaftet gewesen
seien und es sei ein vernarbtes Sehnenscheidengewebe vorgefunden worden. Schließlich hätte eine genetisch
bedingte Minderbelastbarkeit unweigerlich auch zu anderen Erkrankungen etwa im Strecksehnen- oder
Ellenbogenbereich geführt. Immerhin habe Herr Dr. C. in seinem Gutachten festgestellt, dass die Erkrankung der
Beugesehnen aufgrund der besonderen beruflichen Exposition verursacht worden sei. Dies sei auch von der
Landesgewerbeärztin Frau Dr. M.-H. bestätigt worden. Es bestünden trotz der operativen Maßnahmen noch immer
Schmerzen der Beugesehnen und zudem sei die Kraftausdauer während der Durchführung der Therapien noch immer
sehr beeinträchtigt. Schließlich habe der Präventionsdienst zunächst eindeutig festgestellt, dass die
arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit 2101 gegeben seien. Er habe auch
eindeutig festgestellt, dass durch die Spezialisierung sowie Behandlung mit gezielten Behandlungstechniken nach wie
vor mehr als die angegebenen 3 Stunden belastende Bewegungen durchgeführt worden seien. Diese Meinung sei erst
später mit Schreiben vom 02.05.2003 revidiert worden.
Nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage wies die Beklagte den Widerspruch durch
Widerspruchsbescheid vom 13.10.2003 zurück. Da die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, sei
das Krankheitsbild des Klägers weder durch die berufliche Tätigkeit entstanden noch wesentlich verschlimmert
worden.
Mit der dagegen am 06.11.2003 erhobenen Klage setzt der Kläger sein Begehren fort. Er sei nach wie vor der
Auffassung, dass er eindeutig die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Ziff 2101 erfülle.
Angesichts der von ihm verwandten speziellen Massagetechniken habe er jedenfalls in den Jahren 1969 bis zur
Umschulung 1993 täglich deutlich mehr als 3 Stunden identische belastende Bewegungen ausgeübt. Gerade wegen
seiner speziellen Massagetechniken seien zahlreiche Patienten gerade zu ihm geschickt worden und er habe pro
Stunde etwa 3 Patienten behandelt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch das arbeitsmedizinische Gutachten des Prof. Dr. B.-A.f. Dieser ist in seinem
Gutachten vom 29.05.2006 zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund einer Vielzahl von Studienergebnissen und
Literaturhinweisen zu anderen Berufen die Tätigkeit des Masseurs sehr wohl hinreichend repetitiv und deswegen
grundsätzlich geeignet sei, eine Berufskrankheit 2101 der Anlage zur BKV zu verursachen. Der Kläger erfülle 11 von
25 der in der Checkliste von Barrot aufgeführten Gefährdungsfaktoren, die das Tenodvaginitis Risiko signifikant
erhöhen würden. Eine Anerkennung dieses Erkrankungsbildes als Berufskrankheit käme lediglich deswegen nicht in
Betracht, weil der Kläger die gefährdende Tätigkeit tatsächlich noch nicht unterlassen habe. Diesem Gutachten war
eine umfangreiche Bilddokumentation über die verschiedenen Massagetechniken des Klägers beigefügt.
Hiergegen hat die Beklagte eingewandt, dass es bislang keine epidemiologischen Studien zu dem Berufsbild der
Masseure gebe und die vorhandenen Studien nicht ohne weiteres auf dieses Berufsbild übertragbar seien. Unter
Hinweis auf die ärztliche Stellungnahme der Frau Dr. S. vom 30.10.2006 hat sie weiter vorgetragen, dass es bei
Masseuren zwar durchaus durch berufliche Überbelastung zu Entzündungen der Sehnen und des Sehnegleitgewebes
kommen könne. Ein chronischer oder rezidivierender Reizzustand werde jedoch erst nach einem Zeitraum von ca.
einem halben bis zu einem Jahr erreicht, danach trete eine Adaption an die Belastung ein. Da die Erkrankung des
Klägers erst etwa 20 Jahre nach Beginn seiner belastenden Tätigkeit aufgetreten sei, sei ein ursächlicher
Zusammenhang unwahrscheinlich. Ohnehin seien im Tätigkeitsprofil des Masseurs und medizinischen Bademeisters
sowie Physiotherapeuten "eher keine überwiegend kurzzyklischen, repetitiven, feinmotorischen Handtätigkeiten mit
hoher Bewegungsfrequenz sowie hochfrequenten , gleichförmigen feinmotorischen Tätigkeiten bei unphysiologischer
achsenungünstiger Auslenkung im Handgelenk oder repetitiven Manipulationen mit statischen und dynamischen
Anteilen mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftaufwendung und keine Tätigkeiten mit
forcierter Dorsalextension der Hand" zu sehen. Daher werde eher kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der
beruflichen Tätigkeit und der Sehnenscheidenentzündung der Fingerglieder gesehen.
Prof. Dr. B.-A.f hält diese Äußerung für widersprüchlich (Stellungnahme vom 23.02.2007). Einerseits werde die
Tätigkeit als Masseur grundsätzlich als gefährdend i. S. d. Berufskrankheit 2101 angesehen und eine Erkrankung i. S.
d. Berufskrankheit werde danach anerkannt, wenn sie innerhalb eines Zeitraumes von bis zu einem Jahr nach Beginn
der Einwirkung auftrete. Andererseits werde verneint, dass die Tätigkeit repetitiv sei, in axenungünstiger
Handgelenkstellung erfolge und mit forcierter Dorsalflexion der Hand einhergehe. Wenn die Beklagte für die Annahme
einer repetitiven Tätigkeit eine Gelenkbewegung alle 12 Sekunden fordere, so widerspreche dies der internationalen
Literatur. Hier werde bereits eine Gelenkbewegung alle 30 Sekunden als gefährdend angesehen. Es sei von der
Beklagten auch nicht begründet worden, weshalb die erforderliche Häufigkeit der Gelenkbewegungen im Vergleich zur
internationalen Literatur um 40 % erhöht worden sei. Es sei auch nicht zu akzeptieren, dass die Beklagte eine
ungünstige Gelenkstellung bei der Tätigkeit als Masseur in Frage stelle. Anhand der vorgelegten Bilddokumentation
sei dies eindeutig belegt worden. Schließlich halte er die Auffassung der Beklagten für falsch, dass eine Tendopathie
bei Masseuren nur bei erstmaliger Diagnose während des ersten Berufsjahres anerkannt werden könne. Empirische
Studien hierfür lägen definitiv nicht vor. Es treffe zwar zu, dass bislang keine epidemiologischen Studien zum
Tendopathierisiko von Masseuren durchgeführt worden seien. Er habe aber im Detail dargestellt, das die Tätigkeit des
Masseurs wegen ihrer Repetitivität und dem Erfordernis von Krafteinwirkung auf den Körper des Patienten geeignet
sei, eine Tendopathie auszulösen.
Hierauf entgegnet die Beklagte unter Hinweis auf die arbeitsmedizinische Stellungnahme der Frau Dr. S. vom
19.6.2007 sowie auf das Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2005 (Az.: L 1 U 18/03), dass die von Prof. Dr.
B.-A.f bei dem Kläger festgestellte Kumulation von 11 (von 25) Gefährdungsfaktoren, die das Tendovaginitis-Risiko
signifikant erhöhen würden, sich gerade nicht auf immer gleiche Einzeltätigkeiten, sondern auf die Gesamtheit der
vom Kläger ausgeführten Massagevorgänge beziehe. Hierdurch fehle es beim Kläger am Merkmal einer monotonen
und repetitiven Arbeitsausführung. Je nach geführtem Massagegriff seien deshalb durchaus auch die Auslenkung der
Handgelenke oder die Griffweite der Hände unterschiedlich.
Der Kläger sieht sein Begehren durch die überzeugenden Feststellungen des Prof. Dr. B.-A.f bestätigt. Das von der
Beklagten erwähnte Urteil des LSG Schleswig-Holstein sei auf ihn nicht anwendbar. Dort sei es um eine völlig andere
Erkrankung gegangen - nämlich um eine Epikondylitis - und dort hätten auch verschiedene anlagebedingte
Erkrankungen vorgelegen, während bei ihm kein Vorschaden habe nachgewiesen werden können. Angesichts des
gravierenden Beschwerdebildes in den Fingern sei er bereit seine Praxis aufzugeben, sobald die Beklagte ihrerseits
bereit sei, seine Erkrankung an den Fingern als Berufskrankheit anzuerkennen.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 04.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2003
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen festzustellen, dass bei ihm die arbeitstechnischen und
arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m.
Ziff. 2101 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vorliegen und er auch gezwungen ist, seine
gefährdende Tätigkeit als Masseur aufzugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid nach wie vor für zutreffend und verweist hierzu insbesondere auf die diversen
arbeitsmedizinischen Äußerungen von Fr. Dr. S ... Es sei unrealistisch anzunehmen, dass im täglichen Ablauf einer
Massagepraxis drei Stunden infolge – also mindestens 6 Patienten – zufällig die gleiche/identische Erkrankung haben
und so immer die gleichen Spezialbehandlungen erforderlich seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakten der
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die rechtzeitig erhobene Klage ist zulässig und in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang auch begründet. Der
Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Feststellung, dass bei ihm die arbeitstechnischen und
arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m.
Ziff. 2101 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vorliegen und dass ein Zwang zur Unterlassung der
gefährdenden Tätigkeit besteht.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger seine Tätigkeit als Masseur bislang tatsächlich aufgegeben hat. Vorliegend
kommt nämlich jedenfalls eine Feststellung i. S. d. § 9 Abs. 4 SGB VII in Betracht. Danach hat die Beklagte bereits
vor Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die
Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind, wenn die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit die
Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten voraussetzt und ein Versicherter noch eine gefährdende Tätigkeit
verrichtet.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger erfüllt die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung
einer Berufskrankheit nach Ziff 2101. Diese Berufskrankheit erfordert auf arbeitstechnischem Gebiet, dass es sich bei
der beruflichen Tätigkeit um einseitige, monotone, langandauernde, mechanische Tätigkeiten handelt, die zur
Überbeanspruchung der Finger, Hände und/oder Arme führt (vgl. Merkblatt zur Berufskrankheit 2101).
Arbeitsmedizinisch ist eine infolge einer versicherten Tätigkeit erlittene Erkrankung der Sehnenscheiden oder des
Sehnengleitgewebes oder der Sehnen- oder Muskelansätze erforderlich, die zur Unterlassung oder das
Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Unstreitig liegt bei dem Kläger ein BK-typisches Krankheitsbild vor. Es handelt sich um eine tendinitis stenosans an
den Beugesehnen der Daumen- und Fingerbeuger. Diese Erkrankung hat zwischen 1997 und Juli 2002 bereits zu 6
operativen Maßnahmen an nahezu sämtlichen Fingern geführt. Der Kläger erfüllt zur Überzeugung der Kammer auch
die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK 2101. Die vom Kläger in den Jahren 1965 bis
1993 verrichteten Massagetätigkeiten waren jedenfalls geeignet, die bei ihm vorliegende tendinitis stenosans zu
verursachen.
Dabei kann dahinstehen, ob die Tätigkeit als Masseur generell geeignet ist, eine tendinitis stenosans hervorzurufen.
Aufgrund der besonderen Umstände im konkreten Fall des Klägers sind die beruflichen Bedingungen der BK 2101
jedenfalls als erfüllt anzusehen. Die Hände des Klägers, insbesondere aber seine Finger waren einer besonderen
beruflichen Belastung i. S. der BK 2101 ausgesetzt.
So hat der Kläger zur Überzeugung der Kammer als selbständiger Masseur mit zeitweise 2 Massagepraxen von 1969
bis 1990 wöchentlich etwa 57 bzw. danach bis 1993 etwa 47 Stunden Massagetätigkeiten ausgeübt. Dies bedeutet,
dass er bis zur Umschulung bereits 24 Jahre lang täglich mindestens 9 Stunden ausgehend von einer 6-Tage-Woche
und noch weitaus mehr Stunden bei einer 5-Tage-Woche Massagetätigkeiten ausgeübt hat. Nach seiner Umschulung
zum Krankengymnasten und Physiotherapeuten im Jahre 1995 hat der Kläger zwar auch weiterhin Massagetätigkeiten
ausgeübt, der Anteil war naturgemäß geringer, er belief sich nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der
Beklagten auf etwa 55 bzw. 65 % der gesamten Arbeitszeit (Stellungnahme vom 23.01.2003).
Hinzu kommt im Fall des Klägers, dass er sich durch zahlreiche Zusatzausbildungen besondere Massagetechniken
wie etwa die Marnitztherapie, Quermassage nach Cyriax, Bindegewebsmassage, Reflexzonentherapie nach Jost
Thomas etc. angeeignet hat. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, dass viele Patienten gerade wegen dieser
speziellen Massagetechniken zum Kläger überwiesen worden sind, was wiederum bedeutet, dass der Kläger
insbesondere diese Massagetechniken anzuwenden und daher trotz wechselnder Patienten relativ gleichförmige
Finger- und Handbewegungen auszuüben hatte. Schon aus diesen Gründen - außergewöhnlich lange Arbeitzeiten des
selbstständig tätigen Klägers und besondere Spezialisierung - ist die Masseurtätigkeit des Klägers als deutlich
belastender anzusehen als die eines anderen "üblichen" Masseurs. So sahen auch der von der Beklagten gehörte
Gutachter Dr. C. (Gutachten vom 18.12.2001) und die Landesgewerbeärztin (Stellungnahme vom 07.03.2002) in dieser
Spezialisierung eine besondere berufliche Exposition. Diese Ansicht vertrat - zumindest zunächst - auch der
Präventionsdienst (01.08.2000).
Bei der Frage, ob eine berufliche Exposition geeignet ist, ein bestimmtes, BK-typisches Erkrankungsbild zu
verursachen, kommt es maßgeblich auch darauf an, welches Bewegungssegment durch die berufliche Einwirkung am
meisten belastet ist, d. h., die Beurteilung des Gefährdungsgrades einer Tätigkeit kann nicht losgelöst betrachtet
werden von dem betroffenen Körperteil. So sind bei verschiedenen Tätigkeiten im Rahmen der BK 2101 etwa die
Finger anders belastet als die Hände, Arme, Ellenbogen oder Schulter.
So ist dem Kläger jedenfalls darin zu folgen, dass bei sämtlichen Massagetechniken insbesondere Druck auf die
Finger mit Belastung der Beugesehnen ausgeübt wird. Selbst beim Ausstreichen der behandelten Muskelpartien
kommt es zu einer Zugbelastung auf die Muskulatur der Fingerbeuger. Angesichts dieser besonderen Belastung der
Fingermuskulatur ist von untergeordneter Bedeutung, dass auch unterschiedliche Massagetechniken zur Anwendung
kommen. Dies gilt insbesondere im Fall des Klägers, da er - wie oben bereits eingehend erörtert - wegen der
Spezialisierung trotz wechselnder Patienten immer wieder die gleichen, insbesondere finger- und
handmuskulaturbelastenden Massagetechniken anzuwenden hatte. Bei der Tätigkeit des Klägers handelt es sich zur
Überzeugung der Kammer um eine ausgeprägt repetitive Tätigkeit mit regelhaften Bewegungen mit Beugung und
Streckung der Finger mit einer Häufigkeit von etwa einer Bewegung pro Sekunde. Daher kann vorliegend auch
dahinstehen, ob für das Merkmal der Repetitvität i. S. d. BK 2101 grundsätzlich eine Gelenkbewegung alle 12
Sekunden - so die Beklagte - oder nur alle 30 Sekunden - so der gerichtliche Sachverständige - erforderlich ist.
Aus alledem folgt, dass es sich bei der Massagetätigkeit des Klägers zumindest in den Jahren 1969 bis 1993 um eine
hinreichend monotone, kurzzyklische, einseitige, langanhaltende mechanische Belastung der Fingerbeugesehnen
gehandelt hat, die regelhaft zusätzlich mit einer großen Kraftanstrengung verbunden war. Die Tätigkeit des Klägers
hat mithin zu einer hinreichenden Überbeanspruchung i. S. d. BK 2101 geführt, so dass die arbeitstechnischen
Voraussetzungen sind in seinem Fall jedenfalls als erfüllt anzusehen sind.
Wenn die Beklagte die Tätigkeit eines Masseur für weder hinreichend repetitiv noch hinreichend langanhaltend hält
und sich dabei auf die Studie von Barrot sowie auf das Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2005 (AZ.: L 1 U
18/03) stützt, so vermag dies nicht zu überzeugen. Sie stellt auf das übliche Tätigkeitsbild eines Masseur ab und
verkennt dabei die besonders belastungsintensiven Arbeitsbedingungen im konkreten Fall des Klägers und lässt
zudem unberücksichtigt, dass vorliegend gerade die besonders belasteten Fingerbeugesehnen betroffen sind.
Die von Barrot beispielhaft aufgeführten, als hinreichend schädigend i. S. d. BK 2101 anerkannten Tätigkeiten wie
etwa den immer wiederkehrenden Rückhandschlag eines Tennis- oder Tischtennisspielers, die repetitiven
Arbeitsverrichtungen eines Obstpflückers, Drehers oder Montierers erschienen der Kammer in diesem
Zusammenhang als wesentlich geringer finger-und handbelastend als die konkrete Tätigkeit des Klägers. So ist es für
die Kammer nicht nachvollziehbar, dass beim Obstpflücken das Merkmal der Repetitivität erfüllt sein soll, wenn
hierfür nach Auffassung der Beklagten doch eine belastende Einzeltätigkeit von immerhin 120-mal innerhalb von 3
Minuten erforderlich ist. Von einem Masseur verlangt die Beklagte einen monotonen Bewegungsablauf über 3
Stunden, also 6 Patienten in Folge, die mit den gleichen Massagetechniken zu behandeln sind. Demgegenüber soll
der immer wiederkehrende Rückhandschlag eines Tennisspielers, dem noch eine Reihe anderer Schlagtechniken zur
Verfügung stehen und eine nicht unerhebliche Zeit zwischen den einzelnen Schlägen vorliegt, das Kriterium eines
"immer wiederkehrenden Bewegungsablauf" erfüllen. Dies mag die Beklagte grundsätzlich überdenken.
Ebensowenig ist das Urteil des LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) geeignet, das Ergebnis in Zweifel zu ziehen. Es ist
schon deshalb nicht ohne weiteres auf den Fall des Klägers übertragbar, weil es im dort zugrundeliegenden Fall um
einen Masseur ging, der an einer beidseits chronischen "Epicondylitis" litt. Es wurde bereits näher dargelegt, dass es
bei der Beurteilung des Gefährdungsrisikos maßgeblich auch auf den konkret betroffenen Körperteil ankommt. Es
kann dahinstehen, ob die beruflichen Einwirkungen eines Masseurs bezogen auf den Ellenbogen- oder Armbereich
grundsätzlich eine hinreichende Belastung i. S. d. BK 2101 darstellt. Dies brauchte die Kammer nicht zu entscheiden,
denn der konkret zu entscheidende Fall des Klägers ist anders gelagert.
Die Kammer hält es auch für hinreichend wahrscheinlich, dass das aufgetretene Erkrankungsbild an den Finger- und
Daumenbeugern ursächlich auf die Masseurtätigkeit des Klägers zurückzuführen ist. Die hinreichende
Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach Feststellung, Prüfung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände
des Einzelfalles im medizinischen Bereich auch unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-
wissenschaftlichen Lehrmeinung insgesamt mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht. Ausgehend von
diesen Grundsätzen ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Masseurtätigkeit des Klägers und dem bei ihm
aufgetretenen Erkrankungsbild an den Finger- und Daumenbeugern anzunehmen. Zu diesem Ergebnis gelangen auch
Dr. C. und die Landesgewerbeärztin. Dem steht nicht entgegen, dass die Tendovaginitis der Finger- und
Daumenbeuger erst nach mehr als 20-jähriger Tätigkeit aufgetreten ist. Zwar mag der Trainingszustand eine Rolle
spielen und es mag nach medizinischen Studien auch ungewöhnlich sein, dass eine tendovaginitis erst viele Jahre
nach der Arbeitsaufnahme auftritt. Hierbei handelt es sich aber nicht um ein Ausschlusskriterium, d.h. ein spätes
Auftreten dieses Krankheitsbildes spricht nicht zwingend gegen einen beruflichen Zusammenhang. Anders würde es
keinen Sinn machen, wenn etwa Pollmann für eine beruflich bedingte epicondylitis eine 35-jährige, schädigende
Tätigkeit verlangt (zitiert im Urteil des LSG Schleswig-Holstein, a. a. O., S. 10)
Dem Ursachenzusammenhang steht auch kein relevanter genetischer Vorschaden entgegen. Angesichts der
histologischen Untersuchung vom 19.07.1999 hat sich eine genetisch bedingte Minderbelastbarkeit des
Sehnengleitgewebes nicht finden lassen, es wurde vielmehr ein fibrös verdicktes Sehnengleitgewebe mit vernarbtem
Sehnenscheidengewebe festgestellt. Dr. C. fand auch keine Hinweise auf eine weichteilrheumatische Erkrankung.
Selbst wenn man wegen des im Jahre 1985 aufgetretenen Carpaltunnelsyndroms eine genetische Disposition beim
Kläger annehmen wollte, so tritt diese nach den Feststellungen der Landesgewerbeärztin im Verhältnis zur beruflichen
Belastung als unwesentliche Teilursache zurück. Dr. B.-A. hält dieses Beschwerdebild für beruflich bedingt, doch
auch hierüber brauchte die Kammer nicht zu entscheiden.
Angesichts der Schwere des Erkrankungsbildes, welches immerhin schon zu 6 operativen Maßnahmen geführt hat,
besteht ein Zwang zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit.
Die Kammer sah keine Veranlassung, entsprechend dem Hilfsantrag der Beklagten ein arbeitswissenschaftliches
Gutachten zur Frage einzuholen, ob bei dem Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit
2101 vorliegen. Hierzu hätte in den vergangenen Jahren hinreichend Gelegenheit bestanden. Dieser Antrag stellt nach
Auffassung der Kammer eine unzumutbare Verzögerung des vorliegenden Rechtsstreits dar, zumal die
arbeitstechnischen Voraussetzungen wegen der besonderen Gegebenheiten des Falles als eindeutig erfüllt anzusehen
sind. Sobald der Kläger die gefährdende Tätigkeit aufgibt, hat die Beklagte die tendovaginitis stenosans an den
Beugesehnen der Daumen- und Fingerbeuger als Berufskrankheit nach Ziff 2101 anzuerkennen. Dann wird die
Beklagte zu prüfen haben, inwieweit die Erwerbsfähigkeit des Klägers infolge dieses Krankheitsbildes eingeschränkt
ist. Übergangsleistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung hat sie schon jetzt zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.