Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 29.12.2006

SozG Frankfurt: unterkunftskosten, nebenkosten, heizung, wohnung, anteil, wasser, veröffentlichung, sozialhilfe, bezifferung, reparatur

Sozialgericht Frankfurt
Gerichtsbescheid vom 29.12.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 58 AS 518/05
Hessisches Landessozialgericht L 7 AS 240/07
Unter Abänderung des Bescheides vom 14.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2005 wird die
Beklagte verurteilt, dem Kläger den 20,74 EUR übersteigenden Betrag an monatlichen Stromkosten als zusätzliche
Unterkunftskosten für den von dem Bescheid vom 14.06.2005 umfassten Zeitraum monatlich zu zahlen. Im Übrigen
wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung etwa entstandenen
außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger nach dem SGB II zu gewährenden Unterkunftskosten.
Mit Bescheid der Beklagten vom 14.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2005 wurden dem
Kläger neben der monatlichen Regelleistung in Höhe von 345 EUR auch Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe
von monatlich 571,43 EUR als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewilligt. Von
letztgenanntem Betrag war die monatliche "Gesamtmiete" (Nettomiete plus Nebenkosten) in Höhe von 519,43 EUR
sowie der an das Energieversorgungsunternehmen Mainova zu entrichtende monatliche Abschlagsbetrag für Erdgas in
Höhe von 52 EUR umfasst. Den dem Kläger von der Mainova ebenfalls in Rechnung gestellten monatlichen
Abschlagsbetrag für Strom in Höhe von 41 EUR nahm die Beklagte von der Bewilligung der Unterkunftskosten aus.
Mit seiner nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens am 19.09.2005 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main
eingereichten Klage macht der Kläger geltend, auch die Stromkosten seien von der Beklagten als Bestandteil der
Unterkunftskosten zu übernehmen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 14.06.2005 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.08.2005 zu verurteilen, auch die monatlichen Stromkosten als Unterkunftskosten zu
übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide. Nach ihrer Auffassung sind diejenigen Nebenkosten nicht als
Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II zu übernehmen, die sich auf Bedarfslagen
beziehen, die bereits von der Regelleistung nach § 20 SGB II abgedeckt würden. Dies sei bei den Stromkosten der
Fall. Sie seien in der dem Kläger bewilligten monatlichen Regelleistung von 345 EUR bereits enthalten.
Mit Schreiben vom 28.11.2005 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, über den Rechtsstreit
gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid
zu entscheiden; den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zunehmen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist
und die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich hierzu zu äußern.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger kann beanspruchen, dass die monatlichen Stromkosten von der Beklagten als Unterkunftskosten
übernommen werden, soweit sie den Betrag von monatlich 20,74 EUR übersteigen.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat der Hilfebedürftige Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Hierzu gehören neben der Miete die Mietnebenkosten,
insbesondere diejenigen, die sich aus dem Mietvertrag ergeben oder vom Vermieter auf die Mieter umgelegt werden
(Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 22 mit weiteren Nachweisen). Zur Vermeidung einer doppelten
Bedarfsdeckung sind jedoch diejenigen Nebenkosten herauszurechnen, die sich auf Bedarfslagen beziehen, die
bereits von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfasst werden (Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 Rdnr. 13).
Es ist davon auszugehen, dass in der monatlichen Regelleistung von 345 EUR auch Stromkosten bis zur Höhe von
20,74 EUR enthalten sind.
Das Gericht teilt insoweit die Auffassung anderer Sozialgerichte, die ebenfalls eine Minderung der Leistungen für
Unterkunft und Heizung um einen auch die Stromkosten betreffenden Betrag für zulässig erachtet haben, weil dieser
bereits im Regelsatz von 345 EUR enthalten ist (Sozialgericht Freiburg, Gerichtsbescheid vom 12.08.2005 - S 9 AS
1048/05 -; Sozialgericht Dresden, Urteil vom 06.09.2005 - S 21 AS 21/05 -; Sozialgericht Aurich, Urteil vom
12.10.2005 - S 15 AS 159/05 -; vgl. auch Sozialgericht Berlin, Urteil vom 02.08.2005 - S 63 AS 1311/05 -).
Hinsichtlich der Berechnung der im Regelsatz berücksichtigten Energiekosten folgt das Gericht der Rechtsprechung
des Sozialgerichts Freiburg (a. a. O.). Dieses hat hierzu folgendes ausgeführt:
"Aus § 20 SGB II sowie der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 15/1516, S. 56) ist ersichtlich, dass für die
Höhe der Regelleistung die Vorschriften des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) über die Regelsätze
einschließlich der Regelsatzverordnung (RSV) maßgeblich sind. Diese wurden vom Verordnungsgeber - der
Verordnungsbegründung zufolge (Bundesratsdrucksache 206/04, s.a. info also 2004, S. 184 ff.) - auf der Grundlage
der Verbrauchsausgaben der untersten 20 v. H. der nach ihren Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der zum 1.
Juli 2003 hochgerechneten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 des Statistischen Bundesamts (EVS) unter
Mitwirkung von Sachverständigen ermittelt. Die Verordnungsbegründung lässt eine exakte Bezifferung der Beträge,
die jeweils einzelnen Bedarfen zuzuordnen sind, nicht zu. Dort wird lediglich angegeben, welcher Prozentsatz des so
genannten Eckregelsatzes auf welche Ausgabenabteilung nach der EVS entfällt. Für die Abteilung 04 "Wohnung,
Wasser, Strom, Gas u. a. Brennstoffe", der der verfahrensgegenständliche Warmwasser- und Energiebedarf
zuzuordnen ist, wird ein Satz von 8 % (dies entspricht 27,60 Euro) angegeben. Darin sind allerdings neben den laut
Verordnungsgeber lediglich " weitgehend" - und eben nicht in vollem Umfang - zu berücksichtigenden Stromkosten
gemäß EVS auch die "voll" anzuerkennenden Positionen für Reparatur und Instandhaltung der Wohnung enthalten.
Nach der Veröffentlichung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) "Zum Leben zu wenig" (Berlin
2004) sowie nach Roth/Thome, Leitfaden Sozialhilfe/ALG II von A bis Z, Frankfurt am Main 2005, S. 173 schließlich
können die Stromkosten - und damit die im Regelsatz berücksichtigten Energiekosten - aus der fortgeschriebenen
EVS 1998 mit 20,74 Euro (die Reparaturen mit 3,50 Euro und die Instandhaltungs- bzw. Renovierungsaufwendungen
mit 1,69 Euro) berechnet werden."
Es ist mithin davon auszugehen, dass von den Stromkosten des Klägers dieser Betrag von 20,74 EUR bereits von
der Regelleistung umfasst ist. Der darüber hinausgehende Anteil ist von der Beklagten zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Hierdurch wird dem Anteil des Obsiegens bzw. Unterliegens der
Beteiligten angemessen Rechnung getragen.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da keiner der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe vorliegt.