Urteil des SozG Duisburg vom 27.05.2002

SozG Duisburg: aufschiebende wirkung, vertragsarzt, versorgung, anstellung, psychiatrie, weiterbildung, gemeinschaftspraxis, rechtskraft, genehmigungsverfahren, widerspruchsverfahren

Sozialgericht Duisburg, S 19 KA 40/00
Datum:
27.05.2002
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 19 KA 40/00
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen zu 7).
Tatbestand:
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Streitig ist, ob der Beklagte dem Beigeladenen zu 7) zu Recht die Genehmigung erteilt
hat, die Beigeladene zu 9) in dessen Praxisbetrieb zu beschäftigen.
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Die Beigeladene zu 9) durchlief von Oktober 1991 bis September 1994 eine
Weiterbildung auf dem Gebiet "Psychiatrie" und war von Januar 1995 bis Januar 1999
in der Praxis des Beigeladenen zu 7), der als Arzt für Neurologie und Psychiatrie seit
1990 mit dem Arzt Dr. I eine gebietsübergreifende Gemeinschaftspraxis an dem Sitz T
Gasse 00, E, betreibt, als Assistentin zur Weiterbildung beschäftigt. Unter dem
12.03.1999 beantragte der Beigeladene zu 7) die Genehmigung, die Beigeladene zu 9)
ab dem Quartal II/99 als angestellte Ärztin in seiner Praxis beschäftigen zu dürfen. Mit
Urkunde vom 17.03.1999 erkannte die Ärztekammer Nordrhein die Beigeladene zu 9)
als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie an.
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Mit Beschlüssen vom 24.03.1999 entzog der Zulassungsausschuss für Ärzte - E - dem
Beigeladenen zu 7) die Zulassung als Vertragsarzt und lehnte dessen Antrag auf
Genehmigung der Beschäftigung der Beigeladenen zu 9) ab. Der Beigeladene zu 7)
erhob Widerspruch: Der Beschluss über die Entziehung der Zulassung sei noch nicht
bestandskräftig, weil er auch gegen diesen Beschluss Widerspruch erhoben habe.
Deshalb sei er weiterhin ein Vertragsarzt mit sämtlichen Rechten und Pflichten.
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Die Beigeladenen zu 3), 4) und 5) sprachen sich dafür aus, dem Widerspruch
stattzugeben. Mit Beschluss vom 16.02.2000 genehmigte der Beklagte die Anstellung
der Beigeladenen zu 9) als ganztagsbeschäftigte Ärztin und stellte ein
Gesamtpunktzahlvolumen als Obergrenze für die Quartale I/00 bis IV/00 fest: Sowohl
der Beigeladenen zu 7) als auch dessen Partner Dr. I hätten eine
Verpflichtungserklärung zur Beschränkung des Praxisumfangs unterzeichnet. Das durch
die Zulassung erworbenen Statusrecht als Vertragsarzt umfasse auch das Recht auf
Anstellung eines Arztes. Derartige Statusrechte könnten solange ausgeübt werden, wie
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die Zulassung nicht mit bindender Wirkung entzogen sei. Eine Gefährdung der
Versorgung der Patienten sei weder vorgetragen worden noch sonstwie ersichtlich.
Die Klägerin trägt zur Begründung der dagegen binnen Monatsfrist erhobenen Klage
vor: Die Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 9) als ganztagsbeschäftigte
Ärztin hätte nicht erteilt werden dürfen. Eine solche Genehmigung können aufgrund der
daraus resultierenden Weisungsrechte des anstellenden Vertragsarztes nur dann erteilt
werden, wenn der betreffende Arzt zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen
Krankenkassen geeignet sei. Der Zulassungsausschuss habe mit Beschluss vom
24.03.1999 dem Beigeladenen zu 7) die Zulassung als Vertragsarzt deshalb entzogen,
weil dieser gröblich gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen habe und deshalb
ungeeignet zur weiteren Ausübung der vertragsärztlichen Versorgung sei. Der Beklagte
habe mit Beschluss vom 15.11.2000 den vonseiten des Beigeladenen zu 7) dagegen
erhobenen Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Aufgrund der Rechtsprechung
zur Nichtbegründung eines Widerspruchs innerhalb der Widerspruchsfrist sei davon
auszugehen, dass der Beschluss des Beklagten im laufenden Hauptsacheverfahren
(Sozialgericht Duisburg, Az.: S 19 KA 72/00) bestätigt werde und damit die durch den
Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 30.01.2001 (Az.: S 19 KA 1/01 ER)
festgestellte aufschiebende Wirkung der von dem Beigeladenen zu 7) erhobenen Klage
alsbald enden werde.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beschluss des Beklagten vom 16.02.2000 aufzuheben.
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Der Beigeladene zu 7) beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beigeladene zu 7) trägt vor: Die Klägerin wolle das Genehmigungsverfahren
hinziehen und eine gerichtliche Entscheidung verhindern. Dieses Verhalten sei der
beinahe klassische Fall eines Verhaltens, für das nach § 192 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) die Auferlegung von Mutwillenskosten vorgesehen sei.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, den Widerspruchsaktenvorgang des
Beklagten sowie auf die den Beigeladenen zu 7) betreffenden Arztregister- und
Zulassungsakten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt ebenfalls Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Beschluss des Beklagten vom 16.02.2000 beschwert die Klägerin nicht nach § 54
Abs. 2 S. 1 SGG. Dieser Beschluss ist rechtmäßig. Der Beklagte hat dem Beigeladenen
zu 7) zu Recht die Genehmigung erteilt, die Beigeladene zu 9) in der mit Herrn Dr. I
betriebenen fachgebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxis als ganztagsbeschäftigte
Ärztin anzustellen.
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Nach § 136 Abs. 3 SGG sieht die Kammer von einer weiteren Darlegung der
Entscheidungsgründe zunächst ab und verweist auf die Gründe des angefochtenen
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Beschlusses, die sie nach eingehender eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage in
vollem Umfang für zutreffend erachtet.
Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der von einem noch anhängigen
Zulassungsentziehungsverfahren betroffene Vertragsarzt kraft der aufschiebenden
Wirkung, mit der die von seiner Seite eingelegten Rechtsbehelfe nach § 96 Abs. 4 S. 4
des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuch (SGB IV) und § 97 Abs. 1 Nr. 4 SGG in der bis
zum 01.01.2002 geltenden Fassung verbunden sind, sogar dazu befugt wäre, seinen
Vertragsarztsitz zu verlegen (§ 24 Abs. 4 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte -
Ärzte-ZV) oder zur Neubesetzung ausschreiben zu lassen (§ 103 Abs. 4 SGB V).
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Soweit die Klägerin geltend macht, dass die durch den Beschluss des Gerichts vom
30.01.2001 (Az.: S 19 KA 1/01 ER) festgestellte aufschiebende Wirkung der von dem
Beigeladenen zu 7) erhobenen Klage (Az.: S 19 KA 72/00) alsbald enden werden, ist
dieses Vorbringen nicht geeignet, im vorliegenden Fall von den rechtlichen
Konsequenzen, die sich aus der in § 97 Abs. 1 Nr. 4 SGG statuierenden
aufschiebenden Wirkung ergeben, einer Ausnahme zu machen. Die Erfolgsaussichten
der Klage, die der Beigeladene zu 7) gegen den Beschluss des Beklagten vom
15.11.2000 erhoben hat, sind in diesem Rechtsstreit nicht zu berücksichtigen. Zudem ist
die zu § 44 Ärzte-ZV bisher ergangene Rechtsprechung, auf die der Beklagte seinen
Beschluss vom 15.11.2000 stützt, Gegenstand eines derzeit noch bei dem
Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahrens (Az.: 1 BvR
848/01), in welchem es unter anderem um die Frage gehen dürfte, ob die von dem
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vertretene Auslegung, wonach § 44 S. 1
Ärzte-ZV auch die Begründung des Widerspruchs innerhalb der in § 84 Abs. 1 SGG
statuierten Monatsfrist zwingend vorschreibt und für den Fall, dass die Begründung erst
nach Ablauf dieser Frist bei dem Berufungsausschuss eingeht, es dem
Berufungsausschuss gestattet, einen innerhalb der Monatsfrist erhobenen Widerspruch
als unzulässig zurückzuweisen, mit verfahrensrechtlichen Grundrechten wie Art. 19 Abs.
4 Grundgesetz (GG) bzw. Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf 193 Abs. 1 SGG. Die Kammer hat dabei
berücksichtigt, dass der Beigeladene zu 7) einen hinreichenden Anlass gehabt hat, die
im Widerspruchsverfahren erlangte Genehmigung gegen die Anfechtungsklage der
Klägerin mit anwaltlicher Hilfe zu verteidigen. Den übrigen Beteiligten und dem
Beklagten sind keine im Rahmen von § 193 Abs. 2 bis Abs. 4 SGG erstattungsfähigen
Aufwendungen entstanden.
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