Urteil des SozG Duisburg vom 01.07.2003

SozG Duisburg: arbeitslosenhilfe, freibetrag, rückkaufswert, verwertung, beleihung, rente, gewinnanteil, rehabilitation, versicherungspflicht, haus

Sozialgericht Duisburg, S 12 AL 56/03
Datum:
01.07.2003
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 12 AL 56/03
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 12 AL 174/03
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Streitig ist, ob dem Kläger ab 01.01.2003 Arbeitslosenhilfe zusteht.
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Der am 00.00.0000 geborene ledige Kläger meldete sich am 03.12.2002 arbeitslos und
beantragte Arbeitslosenhilfe ab 01.01.2003. Zuvor hatte er aufgrund eines am
27.09.1997 entstandenen Anspruchs bis zu dessen Erschöpfung am 27.04.1998
Arbeitslosengeld bezogen, vom 04.05.1998 bis 03.08.1999 wegen Teilnahme an einer
Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation Übergangsgeld, sodann vom 04.08.1999 bis
07.01.2002 Arbeitslosenhilfe, zuletzt nach einem Bemessungsentgelt von 265,- Euro
und Leistungsgruppe A/0 mit einem Leistungssatz von 130,20 Euro. Vom 08.01. -
30.09.2000 bezog er erneut Übergangsgeld wegen Teilnahme an einer Maßnahme zur
beruflichen Rehabilitation. Vom 01.10.2002 bis zur Kündigung des Arbeitgebers
innerhalb der Probezeit zum 31.12.2002 war er versicherungspflichtig beschäftigt. Im
Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung legte der Kläger sein Sparbuch vor, das nach
Gutschrift der Zinsen für das Jahr 2002 ein Guthaben von 3.804,62 Euro auswies.
Ferner legte er Bescheinigungen der Viktoria-Versicherungs-AG vom 06.02.2003 über
zwei Rentenversicherungen vor, deren Rückkaufswert zum 01.01.2003 mit 7.319,78
Euro einschließlich Gewinnanteil in Höhe von 4.106,96 Euro und 9.066,34 Euro
einschließlich Gewinnanteil in Höhe von 1.739,20 Euro abzüglich Kapitalsertragssteuer
und Solidaritätszuschlag in Höhe von 703,23 Euro beziffert wurde.
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Mit Bescheid vom 29.01. und Widerspruchsbescheid vom 26.02.2003 lehnte die
Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gestützt auf §§ 190 Abs. 3 Nr. 5 und 193
Abs. 2 SGB III i.V.m. § 1 Alhi-VO in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung im
wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über ein Vermögen mit einem
Gesamtwert von 20.190,73 Euro, das grundsätzlich verwertbar sei. Dieses Vermögen
übersteige den nach § 1 Abs. 2 S. 1 Alhi-VO gewährten Freibetrag von 8.600,- Euro (43
Jahre x 200,- Euro). Das zu berücksichtigende Vermögen von 11.590,74 Euro führe zur
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Ablehnung des Antrages.
Zur Begründung seiner am 05.03.2003 erhobenen Klage vertritt der Kläger die
Auffassung, seine bei der Viktoria-Versicherung am 01.09.1980 und 01.01.1992
abgeschlossenen Rentenversicherungen dürften bei den Ermittlungen seines
Vermögens nicht berücksichtigt werden. Sie dienten seiner Alterssicherung und seien
erforderlich, weil er als Epileptiker bisher im Berufsleben nur wenige rentenrechtlich zu
berücksichtigende Versicherungsjahre zurückgelegt habe. Ihr Verbrauch würde zu
einem nicht wieder gutzumachenden Schaden führen. Seit dem 01.01.2003 müsse er
sich privat krankenversichern, wofür ein monatlicher Betrag von 125,35 Euro
aufzubringen sei. Das zuständige Sozialamt erbringe im Hinblick auf sein Vermögen
keine Leistungen. Rente wegen Erwerbsminderung habe er beantragt, darüber sei aber
noch nicht entschieden. Nach einer Auskunft der BfA betrüge seine fiktive Rente bei
voller Erwerbsminderung monatlich 654,87 Euro. Sein Sparvermögen habe er seit
Januar 2003 kontinuierlich verbraucht, indem er Teilbeträge auf sein Girokonto
überwiesen habe. Die Lebensversicherung mit dem Rückkaufswert von 9.066,34 Euro
habe er zwischenzeitlich beliehen und dafür 7000,- Euro erzielt. Von diesem Geld lebe
er jetzt. Dieses Geld sei auf sein Sparbuch ausgezahlt worden. Das Sparbuch weise
aktuell ein Guthaben von 3.104,62 Euro aus.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.01.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.02.2003 zu ver- urteilen, ihm ab 01.01.2003
Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten
Gründen für rechtmäßig. Der Kläger sei nicht bedürftig. Sein Vermögen sei, soweit es
den Freibetrag übersteige, zu berücksichtigen und führe zur Verneinung des Anspruchs.
Eine Privilegierung der privaten Rentenversicherung des Klägers sei in der Alhi-VO
nicht vorgesehen. Die Rentenversicherungen seien auch beleihbar, was sich schon an
der tatsächlich vom Kläger durchgeführten Beleihung zeige.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Prozessakten, der den Kläger betreffenden Leistungsakten der Beklagten und der
beigezogenen Akten des Sozialgerichts Duisburg, S 12 AL 93/03 ER verwiesen. Diese
Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung von
Arbeitslosenhilfe ab 01.01.2003 abgelehnt.
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Das Gericht nimmt zunächst Bezug auf die ausführliche und zutreffende Darstellung der
Beklagten zu den Rechtsgrundlagen und sieht insoweit gemäß § 136 Abs. 3 SGG von
einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
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Ergänzend ist zunächst auszuführen, dass gemäß § 4 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung
2003 bereits die ab 01.01.2003 geltende Fassung des § 1 Alhi-VO zur Anwendung
kommt. Der Kläger hat im 4. Quartal des Jahres 2002 keinen Anspruch auf
Arbeitslosenhilfe gehabt. In dieser Zeit war er versicherungspflichtig beschäftigt.
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Das am 01.01.2003 vorhandene Vermögen des Klägers schließt einen Anspruch auf
Arbeitslosenhilfe aus. Zu berücksichtigen ist nach § 1 Abs. 1 Alhi-VO das gesamte
verwertbare Vermögen des Arbeitslosen, soweit es den Freibetrag übersteigt. Das
Vermögen des Klägers besteht aus drei Teilen, nämlich des Sparguthabens, über das er
verfügen kann und dies auch tut, und aus zwei privaten Rentenversicherungen, die
durch Rückkauf und darüber hinaus auch durch Beleihung verwertbar sind. Tatsächlich
hat der Kläger auch bereits eine der Rentenversicherungen beliehen und dafür 7.000,-
Euro erzielt. Dieses verwertbare Vermögen übersteigt den Freibetrag, der anders als
von der Beklagten errechnet, nicht 8.600,- Euro, sondern 8.400,- Euro beträgt, denn der
am 00.00.0000 geborene Kläger hatte zum Stichtag 01.01.2003 erst das 00. Lebensjahr
vollendet. Keiner der drei Vermögenswerte ist nach der abschließenden Aufzählung in §
1 Abs. 3 Alhi-VO nicht zu berücksichtigen. Da es sich nicht um Haus, Kraftfahrzeug-
oder selbstgenutztes Wohneigentum handelt, scheiden diese
Privilegierungstatbestände aus. Die privaten Rentenversicherungen des Klägers
gehören nicht zu den nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des
Einkommenssteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögen und zählen auch nicht
zum privilegierten alterssichernden Vermögen, denn der Kläger ist nicht nach § 231
SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
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Die Verwertung des Vermögens ist auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne
von § 1 Abs. 3 Ziff. 6 Alhi-VO. Bei dem Sparvermögen liegt dies auf der Hand.
Ausweislich der Eintragungen im Sparbuch sind über die seit Januar 2003 erfolgten
Auszahlungen bisher nicht einmal Vorschusszinsen angefallen. Bei den beiden
Rentenversicherungen liegt der Rückkaufwert einschließlich Überschussbeteiligung
über dem eingezahlten Kapital, so dass auch hier nicht von unwirtschaftlicher
Verwertung ausgegangen werden kann, wenn von der Rückkaufsmöglichkeit Gebrauch
gemacht wird. Der Kläger ist auch nicht gezwungen, im Rahmen der Verwertung sein
gesamtes Vermögen anzugreifen, denn dieses besteht aus drei voneinander
unabhängigen Vermögenswerten, die ohne Einfluss aufeinander verbraucht werden
können. Da der Rückkaufswert der am 01.01.1980 abgeschlossenen
Rentenversicherung unterhalb des Freibetrages von 8.400,- Euro liegt, kann der Kläger
diese Rentenversicherung jedenfalls unangetastet lassen.
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Das nach § 1 Abs. 3 Ziff. 3 und 4 Alhi-VO privilegierte Altersvorsorge- vermögen ist in
beiden Vorschriften abschließend genannt. Diese Regelungen sind in bewusster
Abkehr von der bis zum 31.12.2001 geltenden Regelung des § 6 Alhi-VO alter Fassung
genannten Privilegierung formuliert worden und deshalb nicht auf andere Formen der
Alterssicherung übertragbar. Eine über § 1 Abs. 3 Alhi-VO hinausgehende
Zumutbarkeitsprüfung findet nicht statt.
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Die Alhi-VO 2003 ist auch durch die Verordnungsermächtigung des § 206 Ziff. 1 SGB III
gedeckt. Danach ist das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, im
Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung zu
bestimmen, inwieweit Vermögen zu berücksichtigen ist. Dies erlaubt eine Abkehr von
der bis zum 31.12.2001 geltenden Regelung in § 6 Alhi-VO a.F. ebenso wie eine
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Reduzierung der in § 1 Abs. 2 genannten Freibeträge von 520,- Euro je vollendetem
Lebensjahr des Arbeitslosen auf 200,- Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen
ab 01.01.2003.
Ausgehend vom Gesamtwert des Vermögens des Klägers am 01.01.2003 in Höhe von
20.190,74 Euro betrug das zu berücksichtigende Vermögen nach Abzug des
Freibetrages von 8.400,- Euro 11.790,74 Euro. Selbst wenn man bei der höheren
Rentenversicherung des Rückkaufswertes von 9.066,34 Euro nur den Beleihungswert
von 7.000,- Euro zugrunde legt, wird dieser Freibetrag deutlich überschritten. Auch das
jetzt noch vorhandene Vermögen mit Rückkaufswert 7.319,78 Euro für die bisher nicht
angetastete Rentenversicherung und Sparbuchguthaben aktuell 3.104,62 Euro
übersteigt am Tag der mündlichen Verhandlung noch den Freibetrag.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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