Urteil des SozG Duisburg vom 05.04.2005

SozG Duisburg: arbeitsunfähigkeit, krankengeld, firma, kurzarbeit, arbeitsentgelt, unterbrechung, arbeitsunfall, unfallversicherung, krankenversicherung, behandlung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Sozialgericht Duisburg, S 7 (27) KR 48/02
05.04.2005
Sozialgericht Duisburg
7. Kammer
Urteil
S 7 (27) KR 48/02
Krankenversicherung
nicht rechtskräftig
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der Bescheide
vom 10.10.2001 und 28.02.2002 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 31.03.2002 für den Zeitraum vom
19.10.2000 bis 28.10.2000 sowie vom 10.12.2000 bis 26.12.2001 und
vom 18.01.2002 bis 14.03.2002 Krankengeld unter Zugrundelegung
eines Regelentgeltes in Höhe von 152,43 EUR nach Maßgabe der
gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Die Beklagte trägt die
außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.
Tatbestand:
Umstritten ist die Höhe des Krankengeldes.
Der am 19.07.1950 geborene Kläger war nach einer abgebrochenen Schlosserausbildung
und einer im Jahre 1972 durchgeführten Umschulung zum Schweißer bei verschiedenen
Arbeitgebern tätig. Zuletzt arbeitete er als Schweißer bei der Firma T. Das Arbeitsverhältnis
endete durch Kündigung des Arbeitgebers. In diesem Zusammenhang kam es zu einem
Klageverfahren zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht
Siegburg (AZ: 4 Ca 4103/99 G), das am 08.03.2000 durch einen gerichtlichen Vergleich
endete. In dem Vergleich wurde u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch
ordentliche betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers zum 30.09.2000, die genaue
Höhe des Stundenlohnes bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses und die Höhe einer
Abfindung vereinbart. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vergleiches wird auf Blatt
76 der Gerichtsakten Bezug genommen.
Unter dem 29.09.2000 schloss der Kläger dann mit der H mbH (H) einen auf den Zeitraum
vom 01.10.2000 bis 30.09.2002 befristeten Anstellungsvertrag. Nach dem Inhalt der
Präambel zu diesem Vertrag war es Sinn und Zweck des Arbeitsverhältnisses, die
Chancen des Klägers zur dauerhaften Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu
verbessern. Nach § 2 des Vertrages galten die Bedingungen der "Strukturkurzarbeit Null"
gemäß § 175 SGB III. In dem Vertragszeitraum hatte der Kläger grundsätzlich einen
Anspruch auf Auszahlung des auf der Basis von 80 % des Bemessungsentgeltes
berechneten Strukturkurzarbeitergeldes als Leistung des Arbeitsamtes sowie auf gewisse
zusätzliche Leistungen (z.B. Urlaubs- und Feiertagsentgelt), die von dem ehemaligen
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Arbeitgeber zu finanzieren waren. Zu den weiteren Einzelheiten bezüglich der Rechte und
Pflichten der Vertragsparteien aus dem Vertrag vom 29.09.2000 wird auf Blatt 71 bis 74
sowie 116/117 der Gerichtsakte verwiesen. Tatsächlich erhielt der Kläger von der H in der
Zeit von Oktober 2000 bis März 2001 die auf Blatt 26 der Verwaltungsakte ausgewiesenen
Zahlungen. In dem Zeitraum von März 2002 bis September 2002 wurden ihm die Beträge
gezahlt, die auf Blatt 117 der Gerichtsakte genannt sind. Vom 27.12.2001 bis zum
17.01.2002 absolvierte er eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation zu Lasten des
Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung und bezog in diesem Zusammenhang
Übergangsgeld. In der Zeit vom 01.10.2000 bis 15.10.2000 sowie vom 19.10.2000 bis
28.10.2000 zahlte die Beklagte dem Kläger Krankengeld. Nach einer kurzen
Unterbrechung zahlte sie wiederum Krankengeld für die Zeit vom 10.12.2000 bis
14.03.2002 ausschließlich des Zeitraumes, für den der Kläger Übergangsgeld vom Träger
der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt. Bei der Berechnung des Krankengeldes legte
sie für die Zeit vom 28.09.2000 bis 15.10.2000 die bei der Firma T erzielten Verdienste in
den Monaten Juni, Juli und August des Jahres 2000 unter Berücksichtigung der in den
letzten 12 Monaten bezogenen Einmalzahlungen zugrunde, woraus sich ein Regelentgelt
in Höhe von 152,43 EUR ergab. Für die Zeit ab dem 19.10.2000 zahlte sie dem Kläger ein
niedrigeres Krankengeld und zwar in einer Höhe von 90 % des vom Arbeitsamt zu
gewährenden Kurzarbeitergeldes. Nach dem 30.09.2002 war der Kläger arbeitslos
gemeldet und bezog Leistungen des Arbeitsamtes. Hinsichtlich der Höhe der seit dem
01.10.2002 gezahlten Beträge durch das Arbeitsamt ist ein Klageverfahren vor dem
Sozialgericht Duisburg unter dem AZ: S 16 AL 2/03 anhängig, welches im Hinblick auf das
vorliegende Klageverfahren im Einverständnis der Beteiligten ruhend gestellt wurde.
Die vorstehend beschriebenen Krankengeldzahlungen erfolgten vor folgendem
medizinischen Hintergrund: Seit 1998 litt der Kläger zunehmend unter linksseitigen,
teilweise aber auch rechtsseitigen Schulterbeschwerden. Im Mai 2000 wurde eine
arthroskopische Operation der linken Schulter bei festgestellter kleiner
Rotatorenmanschettenruptur sowie eines älteren Abrisses der langen Bizepssehne und
Verschleiß des Acromialgelenkes durchgeführt. Am 26.07.2000 kam es zu einem
Arbeitsunfall des Klägers, bei dem sich dieser im Rahmen eines Treppensturzes eine
Verletzung des rechten Schultergelenkes zuzog (Ein in der Folgezeit gegen den Träger der
gesetzlichen Unfallversicherung durchgeführtes Klageverfahren im Hinblick auf die aus
dem Arbeitsunfall resultierenden Leistungsansprüche, welches vor dem Sozialgericht
Duisburg unter dem AZ: S 6 (17) U 153/01 geführt wurde, endete am 06.08.2003 durch
Klagerücknahme.). Nach dem Arbeitsunfall befand sich der Kläger bei dem Orthopäden Dr.
B in Behandlung. Am 07.08.2000 wurde ein Magnetresonanztomographie des rechten
Schultergelenkes in der Praxis Q/S in P durchgeführt. Für die Zeit vom 28.09.2000 bis zum
15.10.2000 bescheinigte der praktische Arzt Dr. I dem Kläger Arbeitsunfähigkeit aufgrund
einer Entzündung des linken Schultergelenkes. Am 18.10.2000 bescheinigte Dr. B dann
durchgehend weitere Arbeitsunfähigkeit wegen einer Bursitis der rechten Schulter, eines
Impingementsyndroms der rechten Schulter sowie einer chronisch rezidivierenden
Cervicobrachial- und Lumboischialgie. In der Zeit vom 30.11.2000 bis 08.12.2000 kam es
zu einem stationären Krankenhausaufenthalt des Klägers im N. Dort wurde eine offene
Schulterrevision rechts mit einer Acromioplastik nach Neer durchgeführt, wobei der Kläger
postoperativ mit einem Thorax-Abduktionsgips bis zum 15.01.2001 versorgt wurde.
Im Juli 2001 wandte er sich gegen die Absenkung der Höhe des Krankengeldes an die
Beklagte. Darin vertrat er die Auffassung, es liege ein durchgehender Tatbestand der
Arbeitsunfähigkeit vor. Er bat um Überprüfung der Höhe der Zahlungen sowie um
Konkretisierung der Zahlungszeiträume, da die H überzahltes Arbeitsentgelt
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zurückgefordert habe. Demgegenüber wies die Beklagte darauf hin, dass aus ihrer Sicht
am 18.10.2000 eine neue Zeit der Arbeitsunfähigkeit begonnen habe, nachdem die
vorhergehende Arbeitsunfähigkeitszeit am 15.10.2000 beendet gewesen sei. Aus diesem
Grunde liege ein neuer Anspruch auf Zahlung von Krankengeld, einen Tag nach der
ärztlichen Feststellung gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V vor. Dieser Anspruch bestünde
jedoch zunächst lediglich bis zum 28.10.2000, da ab dem 29.10.2000 eine maximal
sechswöchige Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber beginne. Aufgrund dessen ruhe
der Anspruch vom 29.10. bis 09.12.2000. Die Berechnung der Höhe des Krankengeldes
richte sich nach der Höhe des Kurzarbeitergeldes. Dagegen wandte der Kläger ein, dass
das Krankengeld nach seiner Auffassung nicht unter Zugrundelegung des
Kurzarbeitergeldes zu zahlen, sondern nach der Höhe des zuletzt bei der Firma T erzielten
Arbeitsentgeltes zu berechnen sei. Dies ergebe sich entweder bei Annahme einer
durchgehenden Arbeitsunfähigkeit aus § 47 SGB V oder alternativ bei nicht durchgehender
Arbeitsunfähigkeit aus § 47 b Abs. 3 SGB V, wonach bei Eintritt von Arbeitsunfähigkeit
während des Bezuges von Kurzarbeitergeld für die Berechnung der Höhe des
Krankengeldes ebenfalls das zuletzt vor dem Arbeitsausfall erzielte Arbeitsentgelt
zugrunde zu legen sei. Zu einer Lücke im Nachweis der Arbeitsunfähigkeitszeiten
zwischen den Bescheinigungen des Dr. I und des Dr. B sei es nur deswegen gekommen,
weil Dr. B den Kläger terminlich nicht früher habe behandeln können.
Mit Bescheid vom 10.10.2001 lehnte die Beklagte den geltend gemachten Anspruch auf
Zahlung eines höheren Krankengeldes bzw. Gewährung von Krankengeld in einem
größeren zeitlichen Umfang ab. Grundsätzlich bestehe ein Anspruch auf Zahlung von
Krankengeld in der Zeit vom 28.09.2000 bis 15.10.2000 sowie vom 19.10.2000 bis
28.10.2000 und dann wieder vom 10.12.2000 an. Die erste Unterbrechung ergäbe sich
daraus, dass erst am 18.10.2000 eine weitere Arbeitsunfähigkeit durch Dr. B bescheinigt
worden sei. Die weitere Unterbrechung bis zum 10.12.2000 beruhe darauf, dass
Krankengeld erst nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs auf Grundlage des neuen
Beschäftigungsverhältnisses gezahlt werden könne. Zur Begründung wurde insoweit
maßgebend auf das Ende der Beschäftigung bei der Firma T zum 30.09.2000 und den
Beginn der Beschäftigung bei der H zum 01.10.2000 abgestellt, was insbesondere nach
der einheitlichen Beurteilung der Spitzenverbände der Krankenkassen automatisch zu dem
Beginn eines neuen Mitgliedschaftsverhältnisses zum 01.10.2000 geführt habe. Eine
Fortzahlung des Krankengeldes unter Zugrundelegung des Verdienstes aus der "alten"
Beschäftigung sei dafür nur bis zum 15.10.2000 möglich. Über diesen Zeitpunkt
hinausgehend sei keinesfalls eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit belegt. Denn insoweit
bestünde nicht nur eine zeitliche Lücke zwischen den beiden maßgeblichen
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die Bescheinigung wiesen auch inhaltlich
unterschiedliche Diagnosen nämlich einmal bezogen auf die rechte und einmal bezogen
auf die linke Schulter aus. Selbst eine rückwirkende Feststellung einer durchgehenden
Arbeitsunfähigkeitszeit würde wegen der Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Ziffer 5 SGB V
keine andere Beurteilung rechtfertigen. Ob die H gegenüber dem Kläger ihrerseits
Rückforderungsansprüche geltend mache, betreffe das Verhältnis des Klägers zu der
Beklagten nicht.
Gegen den Bescheid vom 10.10.2001 ging der Kläger zunächst nicht vor. Er stellte jedoch
am 03.12.2001 einen Antrag auf Überprüfung, weil nach seiner Auffassung die Höhe des
Krankengeldes nicht zutreffend berechnet worden sei. Zur Begründung bezog er sich im
Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen. Mit Bescheid vom 28.02.2002 erklärte die
Beklagte daraufhin den Widerspruch für zulässig, weil der Bescheid vom 10.10.2001 eine
unzutreffende Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Inhaltlich behielt sie jedoch ihre
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bisherige Rechtsauffassung bei. Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der
Kläger ergänzend geltend, dass nicht das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der
Krankenkassen, sondern die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die
Beurteilung des Falles verbindlich sei. Nach dieser Rechtsprechung werde bei einem
einheitlichen Versicherungsfall als Bezugspunkt für die Berechnung des Krankengeldes
die letzte Beschäftigung zugrundegelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2002 wies
die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie darin aus, dass in der hier
vorliegenden Fallkonstellation unter Berücksichtigung von § 186 Abs. 1 SGB V die
Rechtsprechung des BSG der Entscheidung der Beklagten nicht entgegen stehe.
Am 05.04.2002 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der er
sein Begehren auf Zahlung eines höheren Krankengeldes über den 18.10.2000 hinaus
weiter verfolgt. Er beansprucht die Berechnung des Krankengeldes nach der Höhe des
Regelentgelts, welches sich aus seinem Verdienst vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am
28.09.2000 ergibt. Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen weiterhin darauf, dass
eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit nur zufällig aufgrund organisatorischer
Schwierigkeiten nicht bescheinigt worden sei. Tatsächlich habe lückenlos
Arbeitsunfähigkeit bestanden, weil die Beschwerden an der linken Schulter nicht mit dem
15.10.2000 ausgeheilt gewesen seien. Die Krankschreibung des Dr. B aufgrund der
Beschwerden in der rechten Schulter habe allein abrechnungstechnische Gründe gehabt,
da Herr Dr. B den Kläger ab dem 18.10.2000 zunächst nur wegen der Beschwerden in der
rechten Schulter aufgrund des Arbeitsunfalles habe behandeln wollen. Andererseits habe
Dr. I, den der Kläger aufgesucht habe, nachdem er zunächst keinen Termin bei Dr. B
bekommen hatte, zunächst nur die linke Schulter behandeln wollen, weil er kein
Durchgangsarzt sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 10.10.2001 und 28.02.2002 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2002 zu verurteilen, ihm für die
Zeiträume vom 19.10.2000 bis 28.10.2000 sowie vom 10.12.2000 bis 26.12.2001 und vom
18.01.2002 bis zum 14.03.2002 Krankengeld unter Zugrundelegung eines Regelentgeltes
in Höhe von 152,43 EUR nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Kläger wegen des Beginns des neuen
Beschäftigungsverhältnisses am 01.10.2000 keinen Anspruch auf Zahlung von
Krankengeld auf Grundlage des Verdienstes aus dem vorangegangenen
Beschäftigungsverhältniss über den 15.10.2000 hinaus habe. Jede andere Beurteilung
führe zu einer Besserstellung gegenüber den Kollegen, die mit dem Kläger gleichzeitig bei
der Firma T ausgeschieden seien und bei fehlender Erkrankung nur strukturelles
Kurzarbeitergeld erhalten hätten. Ferner ergebe sich auch aus den beigezogenen
Befundberichten des Dr. B und des Dr. I, dass keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit
vorgelegen habe. Die Vorschrift des § 47 b Abs. 3 SGB V hält die Beklagte für nicht
anwendbar. Hierzu führt sie aus, die Zahlung von Krankengeld verfolge den Zweck der
Lebensstandardsicherung. Selbst wenn dies aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht
ausdrücklich hervorgehe, dürfe ein Arbeitsunfähiger in keinem Fall besser gestellt werden,
als der Arbeitsfähige. Dies ergebe sich auch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz.
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Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte bei den behandelnden
Ärzten Dr. I, Dr. B und Q/S eingeholt. Ferner sind die Akten der beim Sozialgericht
Duisburg anhängigen bzw. anhängig gewesenen Verfahren mit den Az: S 6 (17) U 153/01,
S 22 SB 58/01 sowie S 16 AL 2/03 beigezogen worden. Hinsichtlich des Sach- und
Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt
der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Der Inhalt sämtlicher Akten ist
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Bescheide vom 10.10.2001 und 28.02.2002 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 31.03.2002 sind rechtswidrig, soweit die Beklagte darin die
Berechnung der Höhe des Krankengeldes für die fraglichen Zeiträume unter
Zugrundelegung eines Regelentgeltes in Höhe von 152,43 EUR abgelehnt hat. Der
Anspruch des Klägers auf Berechnung seines Krankengeldes unter Zugrundelegung des
vorgenannten Regelentgeltes ergibt sich aus §§ 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 Nr. 2 sowie 47 b Abs.
III SGB V.
Dem Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen steht zunächst nicht entgegen, dass
sich der Kläger erst im Juli 2001 mit seine Begehren an die Beklagte gewandt hat. Denn zu
diesem Zeitpunkt war die Berechnung bzw. die Höhe des Krankengeldanspruches noch
nicht bestandskräftig festgestellt. Die Bewilligung von Krankengeld stellt zwar einen
Verwaltungsakt dar (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht § 44 SGB V Rz.
27 m.w.N.) und kann daher grundsätzlich in Bestandskraft erwachsen. Nach den
Umständen des Falles hat die Beklagte dem Kläger hier das Krankengeld aber ab dem
19.10.2000 nicht aufgrund von mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung
versehenen formellen Bescheiden sondern auf andere Weise bewilligt, so dass eine
Bestandskraft der Entscheidungen bis zum Juli 2001 noch nicht eingetreten war.
Die Voraussetzungen für die Gewährung eines höheren Krankengeldes sind erfüllt.
Dem Grunde nach setzt der Anspruch des Klägers auf Krankengeld gem. § 44 Abs. 1 SGB
V zunächst die Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit nach dem 18.10.2000 voraus.
Hiervon gehen die Beteiligten überstimmend aus. Auch nach Überzeugung der Kammer
war der Kläger in den hier fraglichen Zeiträumen zwischen dem 18.10.2000 und dem
15.03.2002 arbeitsunfähig im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB V. Von Bedeutung ist dabei
jedoch die von den Beteiligten nicht problematisierte Frage, welcher Maßstab für die
Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers anzulegen ist, d.h. aufgrund welcher
Bezugstätigkeit die Arbeitsunfähigkeit bestimmt werden muss. Nach der Rechtsprechung
des BSG (vgl. hierzu insbesondere die Urteile vom 19.09.2002, AZ: B 1 KR 32/01 R u.a.) ist
insoweit maßgebend, woran die den Krankengeldanspruch vermittelnde
Versicherteneigenschaft im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit anknüpfte. Im
Einklang mit der Auffassung der Beklagten ist dies im vorliegenden Fall die Beschäftigung
im Rahmen des Anstellungsvertrages zwischen dem Kläger und der H seit dem
01.10.2000. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er
insbesondere wegen seiner Schulterbeschwerden objektiv seit dem 28.09.2000 nicht in der
Lage gewesen ist, seine Tätigkeit bei der Firma T als Schweißer zu verrichten, ist wegen
des zwischenzeitlichen Abschlusses des Anstellungsvertrages mit der H eine Änderung
der Bezugstätigkeit eingetreten. Die Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aus der
Tätigkeit bei der Firma T bestand aufgrund des Bezuges von Krankengeld gem. § 192 Abs.
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1 Nr. 2 SGB V nur bis zum 15.10.2000 fort. Da nach dem 15.10.2000 die Arbeitsunfähigkeit
nicht durchgehend weiter festgestellt war, bzw. die Arbeitsunfähigkeit der Beklagten nicht
rechtzeitig angezeigt wurde, führte dies zu einem Ruhen des Anspruches nach § 49 Abs. 1
Ziffer 5 SGB V. Für eine Fortdauer eines Versicherungsverhältnisses aus einer
Beschäftigung reicht jedoch ein Krankengeldanspruch dem Grunde nach nicht aus (vgl.
Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht § 192 SGB V Randziffer 18/19, 11 m.w.N.).
Ein Fortbestehen der Mitgliedschaft aufgrund der Beschäftigung bei der Firma T kommt
nach Überzeugung der Kammer auch nicht aufgrund der Vorschrift des § 192 Abs. 1 Nr. 4
SGB V in Betracht. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger und die Firma T
bzw. die H die Zahlung des Kurzarbeitergeldes von der rechtlichen Konstruktion her
ausdrücklich im Rahmen eines neuen, von dem bisherigen Beschäftigungsverhältnis
rechtlich unabhängigen Anstellungsvertrages regeln wollten. Nach Auffassung der Kammer
ist demnach als Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem
18.10.2000 hier also von der Tätigkeit bzw. Beschäftigung bei der H auf Grundlage des
Anstellungsvertrages vom 29.09.2000 auszugehen.
Dies führt jedoch im Ergebnis nicht zu einem Nachteil für ihn, da auch unter
Zugrundelegung dieses Maßstabes von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist.
Problematisch ist insoweit zwar, dass nach den Ausführungen der H in dem Schreiben vom
09.11.2004 sämtliche Mitarbeiter und damit auch der Kläger im Rahmen des befristeten
Anstellungsvertrages keine klassische Arbeitsleistung erbrachten, da sie Strukturkurzarbeit
Null gem. § 175 SGB III (heute § 216 b SGB III) verfuhren. Dies führt nach Überzeugung der
Kammer jedoch nicht dazu, dass letztlich auch die für die Beurteilung der
Arbeitsunfähigkeit heranzuziehenden körperlichen Anforderungen der Tätigkeiten auf ein
Minimum zu reduzieren wären. Maßgebend sind vielmehr die Tätigkeiten heranzuziehen,
die auf Grundlage des Arbeitsvertrages von dem Kläger zu verlangen gewesen wären; und
zwar auch dann, wenn ihm diese nicht konkret abverlangt wurden. Nur so wird man nach
Auffassung der Kammer den Besonderheiten gerecht, die sich aus einer Anstellung im
Rahmen von Kurzarbeit Null in einer Beschäftigungsgesellschaft ergeben. Nach dem Inhalt
dieses Vertrages war der Kläger nicht von der Verpflichtung jeglicher Arbeitsleistung
freigestellt. So gehörte es nach § 3 des Vertrages zu seinen Pflichten, an den angebotenen
Veranstaltungen/Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Diese Tätigkeiten waren im
Falle des Klägers nicht nur leichter Art. Nach den Ausführungen der H in dem Schreiben
vom 09.11.2004 unter Ziffer 4 handelt es sich insoweit nicht nur um Orientierungs- und
Feststellungsmaßnahmen, sondern auch um Qualifizierungen in seinem bisherigen
Berufsbereich, d.h. bsplw. Erwerb weiterer Prüfungszeugnisse bzw. Zertifikate im
Schweißerbereich. Zu derartigen Qualifizierungsmaßnahmen musste der Kläger nach dem
Inhalt des Anstellungsvertrages grundsätzlich in der Lage sein, um seinen vertraglichen
Verpflichtungen nachkommen zu können. Dementsprechend war das Tätigkeitsprofil,
welches für die Tätigkeit bei der H zugrunde zu legen ist, nicht nur körperlich leichter Art,
sondern anzulehnen an das Anforderungsprofil, welches der bisherigen Tätigkeit bei der
Firma T entsprach. Abstriche sind insoweit lediglich hinsichtlich der zeitlichen Intensität zu
machen, da der Erwerb von Zertifikaten im Schweißbereich keine körperlichen
Anforderungen im Sinne einer vollschichtigen Schweißertätigkeit stellt. Zu fordern ist
jedoch zumindest eine wenn nicht vollwertige so doch jedenfalls grundsätzliche
Belastbarkeit beider Schultergelenke. Diese war bei dem Kläger jedoch jedenfalls in der
Zeit nach dem 18.10.2002 nicht mehr gegeben. Hiefür stützt sich die Kammer auf die im
laufenden Verfahren beigezogenen ärztlichen Befunde, insbesondere des behandelnden
Arztes Dr. I vom 05.11.2002 und des Dr. B vom 30.07.2002 (Bl. 35/40 GA) sowie auf die
Ausführungen in den Gutachten des Dr. X vom 10.12.2002 bzw. des Dr. I2 vom 03.03.2003
(vgl. dazu Akte Sozialgericht Duisburg Az.: S 6 (17) U 153/01). Unter Berücksichtigung der
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vorstehend benannten Befunde und dem Ergebnis des stationären
Krankenhausaufenthaltes zwischen dem 30.11.2000 bis zum 08.12.2000 ist nach
Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass jedenfalls ab Oktober 2000 die
Verschleißerscheinungen an beiden Schultergelenken so stark fortgeschritten waren, dass
eine Belastbarkeit für Schweißertätigkeiten in nennenswertem Umfang und damit auch für
kürzere Qualifizierungsmaßnahmen nicht mehr gegeben war. Denn die behandelnden
Ärzte hielten in ihren Befundberichten nur allenfalls noch leichte körperliche Arbeiten für
zumutbar. Aus den genannten Gutachten ergibt sich unter Berücksichtgung des
Ergebnisses der stationären Krankenhausbehandlung im N in P eine ausgeprägte
Bewegungsstörung und Belastungsinsuffizienz beider Schultergelenke. Dass sich diese
Gesundheitsstörungen im Verfahren gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
nicht zugunsten des Klägers auswirkten steht der Beurteilung im vorliegenden Fall nicht
entgegen, denn die Ursache einer Gesundheitsstörung ist für den Leistungsanspruch in der
gesetzlichen Krankenversicherung anders als in der gesetzlichen Unfallversicherung
unbeachtlich.
Dem Grunde nach liegt damit ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Krankengeld
in den streitbefangenen Zeiträumen vor. Denn auch vom zeitlichen Umfang her war sein
Leistungsanspruch jedenfalls vor dem 14.03.2002, nicht erschöpft (vgl. § 48 SGB V).
Der Höhe nach steht der geltend gemachte Anspruch dem Kläger ebenfalls in vollem
Umfang zu. Daraus, dass nach dem Inhalt der vorstehenden Ausführungen Bezugspunkt
für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dem Grunde nach nicht die Beschäftigung bei
der Firma T, sondern bei der H gewesen ist, folgt nicht automatisch, dass
Anknüpfungspunkt für die Höhe des Krankengeldes ebenfalls die Beschäftigung bei der H
sein muss. Denn die Berechnung der Höhe des Krankengeldes ergibt sich im vorliegenden
Fall nicht ​ wie normalerweise ​ ausschließlich aus § 47 SGB V, sondern entscheidend aus
der Spezialregelung des § 47 b Abs. III SGB V. Insofern folgt die Kammer der
Argumentation des Klägers. Nach der zuletzt genannten Vorschrift erhalten Versicherte, die
während des Bezuges von Kurzarbeiter- oder Winterausfallgeld arbeitsunfähig erkrankt
sind, Krankengeld nach dem regelmäßigen Arbeitsentgelt, das zuletzt vor Eintritt des
Arbeitsausfalls erzielt wurde (Regelentgelt). Diese Voraussetzungen liegen ​ was auch von
der Beklagten nicht bestritten wird ​ dem Wortlaut nach vor. Denn wenn man hier ​ wie
vorstehend ausgeführt ​ von einer Unterbrechung des Krankengeldbezuges ausgeht, der
eine Veränderung der Grundlage des Versicherungsverhältnisses des Klägers bewirkt,
muss zwangsläufig auch bejaht werden, dass die Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges
von Kurzarbeitergeld im Sinne von § 47 b Abs. 3 SGB V eingetreten ist.
Die Anwendung des § 47 b Abs. III SGB V ist nicht dadurch gehindert, dass sich
möglicherweise abweichend von der gedachten gesetzgeberischen Konzeption die
Kurzarbeit hier nicht im Rahmen des ursprünglichen Beschäftigungsverhältnisses, sondern
im Rahmen eines durch einen neuen Anstellungsvertrag begründeten
Beschäftigungsverhältnisses (nämlich bei der H) vollzogen hat. Denn insoweit handelte es
sich lediglich um eine besondere formale Ausgestaltung bzw. Abwicklung der
Strukturkurzarbeit Null, die in der Rechtspraxis üblich ist (vgl. dazu Spellbrink/Eicher,
Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003 § 18 Rz. 20, 24/25) und keine inhaltlichen
Unterschiede zur "normalen" Kurzarbeit im Rahmen des bestehenden
Beschäftigungsverhältnisses aufweist, so dass eine abweichende Behandlung derartiger
Fälle nicht gerechtfertigt ist (vgl. dazu auch Urteil des Sozialgerichts Berlin vom
12.04.2002, AZ: S 75 KR 4408/00, Randziffer 16).
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Die in der Literatur vertretene Gegenansicht (vgl. Pivit, Höhe des Krankengeldes bei
struktureller Kurzarbeit gem. § 175 SGB III, NZS ´03, 472-475) überzeugt die Kammer nicht.
Die dortigen Ausführungen bestätigen vielmehr, dass es sich bei der Regelung in § 47 b
Abs. 3 SGB V letztlich um eine vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Spezialregelung
handelt, die eine Ausnahme zu dem in § 47 SGB V zugrunde gelegten Grundsatz der
"strengen" Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes darstellt. Dies wird gerade durch die in
dem Aufsatz beschriebene historische Entwicklung der Vorschrift aus der Regelung des §
164 AFG belegt. Daher greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch, dass der Kläger
durch die hier vertretene Auffassung, was die Höhe des Krankengeldanspruches angeht,
besser gestellt wird, als die Versicherten, die ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis mit der H
standen, jedoch anders als der Kläger nicht erkrankten. Vor dem Hintergrund der
Entwicklung des § 47 b Abs. 3 SGB V kommt insbesondere eine von der Autorin geforderte
teleologische Reduktion der Regelung nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht.
Denn dies wäre nur dann möglich, wenn durch die einschränkende Auslegung das
eigentliche Ziel der Regelung verwirklicht werden könnte. Ziel der Regelung war es jedoch,
wie sich gerade aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. V/2291 S. 90 zu § 161 AFG)
ergibt, den Versicherten, die Kurzarbeitergeld beziehen ​ ggf. in Abweichung zu den
üblichen Berechnungsvorschriften ​ nicht nur den Entgeltersatz im Hinblick auf die im
Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit aktuell bezogenen Leistungen der
Arbeitsverwaltung zu sichern, sondern in jedem Fall die Zahlung eines ausreichenden
Krankengeldes sicher zu stellen, wobei schon damals vom Gesetzgeber gesehen und
ausdrücklich in Kauf genommen wurde, dass dadurch in manchen Fällen zwangsläufig
eine Privilegierung von arbeitsunfähigen Versicherten gegenüber arbeitsfähigen Beziehern
von Kurzarbeitergeld eintreten kann. Insofern widerspricht die Entscheidung der Kammer
auch nicht der Rechtsprechung des BSG in Bezug auf die Entgeltersatzfunktion des
Krankengeldes (vgl. insbesondere Urteil des BSG vom 30.03.2004 Az. B 1 KR 32/02).
Denn hier geht es um die Auslegung einer Spezialregelung, die eine Ausnahme von dem
Prinzip des strengen Entgeltersatzes darstellt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass
nach der in dem vorstehend zitierten Aufsatz vertretenen Auffassung, das Krankengeld
jedenfalls in Höhe des strukturellen Kurzarbeitergeldes und nicht, wie von der Beklagten
tatsächlich umgesetzt, nur in Höhe eines Bruchteils dessen zu zahlen wäre.
Nach alledem steht fest, dass der Kläger zu Recht die Berechnung des Krankengeldes
aufgrund des Verdienstes beansprucht, den er in dem Zeitraum vor Eintritt des
Arbeitsausfalls, also zuletzt vor dem 28.09.2000 erzielt hat. Dies führt zur Gewährung eines
Krankengeldes unter Zugrundelegung eines Regelentgeltes in Höhe von 152,43 EUR,
welches die Beklagte auf Grundlage der bisher von dem Kläger vorgelegten
Verdienstbescheinigungen in der Vergangenheit errechnet hat und an dessen Höhe die
Kammer deswegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anlass hatte zu
zweifeln.
Die Beklagte war nach Auffassung der Kammer dennoch nur dem Grunde nach zu
verurteilen, die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
da für die fraglichen Zeiträume auch noch Zahlungen der H in Form von Kurzarbeiter- bzw.
Arbeitsentgelt geleistet wurden, so dass insoweit die Vorschriften des § 49 Abs. 1 Nr. 1
bzw. Nr. 3 SGB V zur Anwendung gelangen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.