Urteil des SozG Duisburg vom 18.07.2003

SozG Duisburg: krankenkasse, versorgung, krankenversicherung, gefahr im verzuge, anerkennung, ärztliche behandlung, innere medizin, behandelnder arzt, abrechnung, therapie

Sozialgericht Duisburg, S 9 KR 78/02
Datum:
18.07.2003
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 9 KR 78/02
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten einer
Funktionsuntersuchung der Halswirbelsäule in einem offenen Kernspintomografen
(MRT) zu erstatten hat. Hierbei handelt es sich um ein bislang in der vertragsärztlichen
Versorgung nicht zugelassenes Diagnoseverfahren.
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Die 1965 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin erlitt im Jahre 1980 einen
schweren Verkehrsunfall, bei dem sie eine Schädelbasisfraktur sowie eine zweifache
Kieferfraktur erlitt und anschließend für 9 Tage im CKoma lag. Darüber hinaus leidet sie
an einem Sicca-Syndrom der Schleimhäute, insbesondere der Augenbindehäute, der
Schleimhauttrakte der oberen Atemwege, Chemikalienintoleranz,
Erschöpfungssyndrom, Trigeminusneuralgie, Dyspep- Dyspepsien sowie
Schwindelattacken. Die Ursache hierfür sieht ihr behandelnder Arzt Dr. L, Arzt für Innere
Medizin und Umweltmedizin, Diagnostik- und Therapiezentrum S, in einer
posttraumatischen Instabilität im ersten Halswirbelsäulengelenk mit überwiegend
cervico-cephvalem Syndrom, die die Folgekrankheiten hervorgerufen habe.
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Im August 2000 beantragte Dr. L für die Klägerin bei der Beklagten die
Kostenübernahme zur Durchführung einer funktionellen MRT im ersten
Halswirbelsäulengelenk. Hierzu führte er aus: Er halte die Untersuchung in einem
offenen MRT-Gerät für erforderlich, um alle Bewegungsabläufe im
Halswirbelsäulengelenk, die Struktur der Ligamenta alaria, die Aufklappbarkeit der
Halswirbelsäulengelenke sowie einen evtl. Myoelonkontakt des Atlaszahnes zu
erfassen. Überdies sei die Untersuchung auch deshalb indiziert, weil differenzial-
therapeutische Maßnahmen sich von den bisherigen unterschieden, die Klägerin noch
sehr jung sei, ohne Behandlung dieser Schädigungsnoxe weitere starke
Gesundheitsschädigungen mit erhöhten Krankheitskosten anfallen würden und vor
allem eine kausale Therapie möglich sei. Er empfahl den insoweit erfahrenen
Radiologen Dr. W in L. Die Kosten für die Untersuchung werden mit ca. 3.500,00 DM
beziffert angegeben. Auf die beigefügten Berichte des Nervenarztes Dr. C vom
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07.03.2000, des Radiologen Dr. I vom 29.02.2000, des Augenarztes Dr. J vom
10.07.1996, des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. P vom 14.11.2000, des Hals-Nasen-
Ohren-Arztes Dr. N vom 19.02.2001, die von Dr. L erstellte ärztliche Epikrise vom
22.02.2001 sowie einen Aufsatz mit dem Titel "Das HWS-Schleudertrauma - moderne
medizinische Erkenntnisse" wird Bezug genommen. Die Beklagte holte hierzu ein
sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage von Frau Dr. L2 vom Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung - MDK - Nordrhein ein, worin sie unter dem 06.04.2001
u.a. ausführte: Zu der beantragten Maßnahme liege bislang weder ein Antrag auf
Überprüfung noch eine Entscheidung des zuständigen Bundesausschusses der Ärzte
und Krankenkassen vor. Die Diagnostik sei überdies noch nicht abgeschlossen;
angesichts der angegebenen Symptomatik sei eine weitere hals-nasen-ohren-ärztliche
orthopädische, neurologische, neurochirurgische, augenärztliche und ggfs. auch
kieferchirurgische Diagnostik erforderlich. Erst nach Abschluss dieser Stufendiagnostik
könnten Angaben zu vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten gemacht werden. Laut
einer sozialmedizinischen Stellungnahme des MDS vom 11.02.2000 sei bezüglich des
Einsatzes der offenen Kernspintomografie im Halswirbelsäulenbereich festzustellen,
dass Funktionsuntersuchungen an der Halswirbelsäule in geschlossenen
Kernspintomografen mit besserer Qualität möglich seien. Der Einsatz der offenen
Kernspintuntersuchung sei daher für die hier vorliegende Fragestellung medizinische
nicht notwendig. Abgesehen davon befinde sich die Funktionsdiagnostik derzeit noch
im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung und stelle keine Leistung der
gesetzlichen Krankenversicherung dar. Auch sei kein offener Kernspintomograf auf dem
Markt, der die apparativen Anforderungen des § 135 Abs. 12 Nr. 2 des
Sozialgesetzbuches Fünftes Buch - SGB V - erfülle. Auch von den Berufsorganisationen
der Radiologen werde auf die nicht gesicherte Gerätequalität von offenen
Kernspintomografen verwiesen.
In einem weiteren auf Veranlassung der Beklagten von Frau Dr. B vom MDK Nordrhein
eingeholten sozialmedizinischen Gutachten nach Aktenlage vom 23.05.2001 vertrat sie
unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Unterlagen ebenfalls die
Auffassung, eine Indikation für die beantragte Untersuchung bestehe nicht; es werde
eine weitere orthopädische Betreuung und ggfs. Diagnostik im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung empfohlen.
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Mit Bescheid vom 27.06.2001 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die offene
Kernspintomografie unter Bezugnahme auf die vom MDK eingeholten Gutachten ab. Im
übrigen führte sie aus: Da die offenen Kernspintomografen vom Bundesausschuss der
Ärzte und Krankenkassen noch nicht beurteilt und bewertet worden seien und deren
diagnostischer und therapeutischer Nutzen bezogen auf ein bestimmtes Krankheitsbild
noch nicht medizinisch-wissenschaftlich anerkannt sei, gehöre die offene
Kernspintomografie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Da die fehlende Anerkennung der offenen Kernspintomografie im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung auch nicht auf einen Mangel des gesetzlichen
Leistungssystems beruhe, seien die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht
gegeben. Insoweit ständen vertragliche Untersuchungsmöglichkeiten wie die
Funktionsuntersuchung in einem geschlossenen Kernspintomografen zur Verfügung.
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Hiergegen erhob die Klägerin am 25.07.2001 bei der Beklagten Widerspruch und trug
durch ihren Prozessbevollmächtigten vor: In Anbetracht ihres außergewöhnlichen
Krankheitsbildes und des Umstandes, dass die beantragte Methode durchaus von
namhaften Radiologen bei ihrem Krankheitsbild befürwortet werde, sei eine
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Kostenübernahme angezeigt, zumal sich die für eine sichere Diagnose und eine daran
anschließende erfolgversprechende Therapie notwendige Untersuchung bei ihr wegen
den erforderlichen Bewegungen nicht in einem geschlossen Kernspintomografen,
sondern nur in einem teilweise offenen Gerät durchführen ließe, welches die
notwendigen Drehungen und Bewegungen zulasse. Sie verwies auf eine
Stellungnahme des Radiologen Prof. Dr. M vom 28.12.2001 nebst Anlagen, auf die
Bezug genommen wird.
Zwischenzeitlich ließ die Klägerin die Funktionsuntersuchung am 223./24.08.2001
durch den Radiologen Dr. W in L durchführen. Die hierfür von der Klägerin
aufgewandten Kosten belaufen sich auf 3.557,96 DM.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2002 wies die Beklagte den Widerspruch unter
Darstellung der insoweit einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, der Ergebnisse der
vom MDK eingeholten Gutachten und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -
BSG - zu den nicht anerkannten Methoden sowie zum Systemversagen aus den
Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend führte sie aus: Voraussetzung für
eine Kostenerstattung sei, dass der therapeutische Nutzen der Untersuchungsmethode
objektiv unstrittig nachgewiesen sei; hierfür sei ein allgemein wissenschaftlicher
Nachweis erforderlich; der Erfolg im Einzelfall reiche nicht aus. Gem. höchstrichterlicher
Rechtsprechung sei grundsätzlich die Feststellung der Wirksamkeit in einer für die
sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund
wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken vorgeschaltet. Nur ausnahmsweise,
wenn ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder
wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten
stoße, dürfe darauf abgestellt werden, ob sich die in Anspruch genommene Therapie in
der Praxis durchgesetzt habe. Dieser besondere Ausnahmefall bestehe bei der in Rede
stehenden offenen Kernspintomografie allerdings nicht.
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Die Klägerin hat am 18.07.2002 durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage erhoben,
mit der sie an ihrem Begehren auf Kostenerstattung festhält. Sie trägt unter
Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren
ergänzend vor: Die MRT-Funktionsuntersuchung in der Facharztpraxis für diagnostische
Radiologie Dr. W habe den Nachweis von Instabilitätszeichen im Rahmen einer
funktionell pathologischen Befundkonstellation sowie aussagekräftige neuro-
radiologische Befunde erbracht. Die anlässlich dieser Untersuchung festgestellten
Symptome, die als Anhaltspunkte für ihre erfolgreiche medizinische Behandlung dienen,
wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei konservativen
Untersuchungen und Diagnosemethoden nicht gefunden worden. Bislang gebe es
außer der offenen Kernspintomografie noch keine ausreichenden vertraglichen
Methoden. Auch sei die Wirksamkeit des offenen Kernspintomografen so verbessert
worden, dass sichere Ergebnisse vorliegen, zu dem finde die offene Kernspintomografie
immer breitere Resonanz. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass in ihrem Falle ein
Diagnoseerfolg eingetreten sei. Andere Möglichkeiten einer vertragsärztlichen
Versorgung seien nicht gegeben gewesen. Des weiteren sei zu bedenken, dass es sich
bei dem von Dr. W verwandten Gerät zwar um ein sog Niederfeldgerät, aber um ein
Ganzkörpergerät handele, das komplexe Funktionsabläufe darstellen könne, auf die es
im vorliegenden Fall in besonderem Maße angekommen sei. Zudem sei dieser
Gerätetyp im europäischen Ausland und in den USA für Funktionsuntersuchungen
zugelassen. Durch die genannten Umstände werde die medizinische Notwendigkeit der
Untersuchung im offenen Kernspintomografen belegt, zumal im konservativen
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vertraglichen Bereich die vorhandenen Diagnosemöglichkeiten nicht ausreichend
gewesen seien. Gerade in ihrem speziellen Fall sei es nicht um die Frage der
Strahlenqualität gegangen, sondern vielmehr um die Abbildung der möglicherweise
verletzten Stellen der Halswirbelsäule in unterschiedlichen Lagen und Rotationen.
Mittlerweile werde diese Methode von einer erheblichen Anzahl von Ärzten
angewendet, wie der Blick in die einschlägige Literatur und das Internet zeige. Im
übrigen erscheine die bislang fehlende Anerkennung durch den Bundesausschuss der
Ärzte und Krankenkassen angesichts der weiteren zunehmenden Verbreitung, der
unbestreitbaren Erfolge, generell und in ihrem Falle willkürlich. Schließlich sei sie von
einem zugelassenen Arzt an eine ebenfalls zugelassene Einrichtung überwiesen
worden, so dass der Vorwurf der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges fehlgehe. Bei
dieser Sachlage habe die Beklagte die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt, so
dass ein Anspruch auf Kostenerstattung gegeben sei. Auf die beigefügten Berichte des
Radiologen Dr. W vom 24.08. sowie die der Klägerin erteilten Rechnungen wird Bezug
genommen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 zu verurteilen, ihr die anlässlich einer von Dr.
W vorgenommenen Untersuchung am 23./24.08.2001 in einem offenen
Kernspintomografen entstandenen Kosten in Höhe von 1.814,04 Euro zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte verbleibt demgegenüber bei ihrer in der ablehnenden Entscheidung
vertretenen Rechtsauffassung. Sie trägt vor: Eine Beratung der streitigen Methode habe
nach Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Schreiben vom
11.12.200) bislang nicht stattgefunden. Im übrigen habe sich die Klägerin die Leistung
selbst beschafft, ohne zuvor die abschließende Entscheidung der Beklagten
abzuwarten, so dass ein Kostenerstattungsanspruch ausscheiden müsse. Die Beklagte
verweist des weiteren auf eine Mitteilung von Dr. W vom 06.03.2002, der zufolge die
Niederfeldgeräte oder offenen Kernspintomografen nicht den Anforderungen der
Richtlinien für die apparative Mindestausstattung zur Abrechnung im kassenärztlichen
System entsprächen, so dass eine Abrechnung über die kassenärztliche Vereinigung
nicht möglich sei. Gleiches ergibt sich aus beigefügten Schreiben der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung vom 08.04.und 13.09.1999. Die Beklagte weist darüber hinaus auf
eine Stellungnahme der kassenärztlichen Vereinigung Schwaben vom 30.04.2003, der
zufolge Dr. W nicht über die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von
Leistungen am offenen Kernspintomografen verfügt.
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Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Arbeitsausschuss "Ärztliche
Behandlung" hat auf Anfrage des Gerichts in seinen Schreiben vom 12.11.2002 und
22.01.2003 u.a. mitgeteilt, dass das hier streitige Verfahren bislang auf die gegebene
Indikationsstellung nicht überprüft worden sei. Ein entsprechender Überprüfungsantrag
sei nicht gestellt worden und für absehbare Zeit auch nicht zu erwarten.
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Der Bewertungsausschuss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat in seinem
Schreiben vom 06.02.2003 auf Anfrage des Gerichts u.a. ausgeführt, dass die
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Abrechnungsfähigkeit nach dem EBM sich danach richte, ob das Gerät zugelassen sei
oder nicht bzw. ob es die Voraussetzungen der Kernspintomografie-Richtlinien erfülle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich vorgelegen
haben, und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Kammer konnte die Streitsache in Abwesenheit der Klägerin und ihres
Prozessbevollmächtigten verhandeln und entscheiden, denn sie sind in den
ordnungsgemäß zugestellten Terminsladungen auf diese Möglichkeit ausdrücklich
hingewiesen worden. (vgl. hierzu: BSG in SozR 110 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG
Nr. 5)
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Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 des
Sozialgerichtsgesetzes - SGG - zulässige Klage ist nicht begründet. Es ist nicht zu
beanstanden, dass die Beklagte es mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt hat, der
Klägerin die ihr im Zusammenhang mit der Durchführung der Diagnostik in einem
offenen Kernspintomografen entstandenen Kosten zu erstatten.
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Die Klägerin ist hierdurch nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S 1 SGG beschwert, denn die
Entscheidung der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat unter keinem
ersichtlichen rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch gegenüber der Beklagten auf
Erstattung der ihr in Rechnung gestellten Kosten für die Privatbehandlung in der von Dr.
W in L betriebenen Facharztpraxis für Diagnostische Radiologie. Insoweit hat es dabei
zu verbleiben, dass die streitbefangene Behandlung mittels einer in der
kassenärztlichen Versorgung nicht anerkannten Therapieform durch einen insoweit
nicht zur vertraglichen Behandlung zugelassenen Leistungserbringer nicht zu den von
einer gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehört. Der von der Klägerin
geltend gemachte Erstattungsanspruch setzt zunächst voraus, dass ein entsprechender
Sachleistungsanspruch bestanden hat. Nach dem das Recht der gesetzlichen
Krankenversicherung beherrschenden Sachleistungsprinzip, § 2 Abs. 2 SGB V, haben
die Versicherten gegen ihre Krankenkasse, soweit das Gesetz oder zulässigerweise die
Satzung nicht ausdrücklich Ansprüche auf Geldleistungen vorsehen, keinen Anspruch
auf Kostenersatz für selbstbeschaffte Leistungen.
22
Die grundsätzlich zur Erbringung von Sachleistungen verpflichteten Krankenkassen
sind nur dann berechtigt, einem Versicherten Aufwendungen zu erstatten, wenn dies
ausdrücklich krankenversicherungsrechtlich geregelt ist, § 13 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2
SGB V. Auf eine solche Regelung kann die Klägerin ihr Erstattungsbegehren indessen
nicht mit Erfolg stützen. Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind einem Versicherten
ausnahmsweise Kosten zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass die
Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder
eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und der Versicherte die Leistung deshalb selbst
beschafft hat, soweit die Leistung notwendig war. Insoweit wandelt sich der ursprünglich
gegebene Anspruch auf die Sachleistung "Krankenbehandlung" im Sinne des § 27 SGB
V nach Erbringung der Leistung in einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V
um, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu denjenigen Leistungen
gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Naturalleistungen zu erbringen
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sind, § 2 Abs. 1 S 1 SGB V. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes trägt
§ 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen
eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen und
infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems einzustehen haben. (vgl.
hierzu: Urteil des BSG vom 16.09.1997, Az: 1 RK 28/95) Wortlaut und Zweck dieser
Vorschrift lassen eine Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in
dem sie durch ein etwaiges Systemversagen verursacht ist.
Diejenigen Voraussetzungen, die nach Maßgabe der in § 13 Abs. 3 SGB V getroffenen
Regelungen ausnahmsweise einen Kostenerstattungsanspruch begründen, können im
vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt werden. Zum einen handelt es sich bei der
streitbefangenen Behandlung nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Von einer
Notfallbehandlung kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Art der eingetretenen
gesundheitlichen Störung sofortiges ärztliches Handeln erfordert und es dem
Versicherten im Hinblick auf die Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht
zugemutet werden kann, sich sofort zur Verfügung stehende nichtkassen- oder
nichtvertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten entgehen zu lassen, um sich in die
Behandlung eines Kassenarztes oder eines Vertragsbehandlers zu begeben, deren
Hilfe vielleicht zu spät käme. Eine solche Fallkonstellation kann z. B. bei einer
lebensbedrohlichen Verletzung auftreten. Von einer vergleichbaren Situation ist im
Hinblick auf die bei der Klägerin vorliegenden Störungen chronischer Art nicht
auszugehen. Insoweit hat die Klägerin nicht dartun können, dass wegen der
beschriebenen Gefahr im Verzuge und der besonderen Dringlichkeit einer sofortigen
Intervention gerade die Diagnostik durch Einsatz eines offenen Kernspintomografen
unaufschiebbar war.
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Zum anderen hat die Beklagte die von der Klägerin begehrte Leistung nicht zu Unrecht
verweigert, so dass sie hierdurch gezwungen war, sich die Behandlung auf eigene
Kosten zu verschaffen. Der insoweit begehrten Kostenerstattung steht, was die
Behandlung am 23./24.08.2001 anbelangt, bereits der Umstand entgegen, dass die
Klägerin den vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Da sie ihren
Anspruch auf § 13 Abs. 3 SGB V stützt, muss zwischen dem die Haftung der
Krankenkasse begründenden Umstand (bei Alternative 1: Unvermögen zur rechtzeitigen
Leistung; bei Alternative 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil der Versicherten
(Kostenlast) ein Kausalzusammenhang bestehen, ohne den die Bedingung des § 13
Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist. (vgl.
hierzu: Entscheidungen des BSG Band 79, 125 ff.) Dies bedeutet zunächst, dass die
Krankenkasse nur für solche Leistungen aufzukommen hat, die sie auch bei
rechtzeitiger bzw. ordnungsgemäßer Bereitstellung der geschuldeten Leistung hätte
gewähren müssen. Des weiteren folgt hieraus, dass Kosten für eine selbstbeschaffte
Leistung, soweit sie nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war, nur zu ersetzen sind,
wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hat.
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Ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden demzufolge
immer dann aus, wenn sich Versicherte die streitige Behandlung aufgrund eines
privaten Behandlungsvertrages selbst beschafft haben, ohne sich zuvor mit der
Krankenkasse in Verbindung zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten.
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Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es
unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher
Höhe dafür Kosten anfallen. Den Krankenkassen muss mithin zur Vermeidung von
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Missbräuchen vorab die Prüfung ermöglicht werden, ob die beanspruchte Behandlung
im Rahmen des vertragsärztlichen Versorgungssystems bereitgestellt werden kann,
und, falls dies nicht möglich ist, ob sie zum Leistungsumfang der gesetzlichen
Krankenversicherung gehört, insbesondere den Anforderungen der Geeignetheit,
Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung genügt. Die
Versicherten sind deshalb vor Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des
Systems gehalten, sich an ihre Krankenkasse zu wenden und die Leistungsgewährung
zu beantragen. Sie dürfen der Entscheidung der Krankenkasse insbesondere nicht
dadurch vorgreifen, dass sie die erstrebte Behandlung zunächst privat durchführen
lassen und die erforderliche Prüfung in das Verfahren der Kostenerstattung verlagern.
Bereits der Wortlaut der vorgenannten Vorschrift zeigt, dass das Gesetz von dem
Erfordernis einer vorherigen Einschaltung der Krankenkasse ausgeht, denn die zu
ersetzenden Kosten müssen "dadurch" entstanden sein, dass die Krankenkasse eine
Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Erst die endgültige Weigerung der Krankenkasse
gibt dem Versicherten im Einzelfall das Recht, sich die benötigte Behandlung selbst zu
beschaffen und die Erstattung der dafür aufgewendeten Kosten zu verlangen, soweit die
Leistung notwendig war. Bei einem anderen Verständnis hätte es der differenzierenden
Regelung mit der Unterscheidung zwischen unaufschiebbaren und sonstigen
Leistungen nicht bedurft. Zwar hat das BSG zum früheren Recht der
Reichsversicherungsordnung die Auffassung vertreten, der Versicherte brauche die
Leistung dann nicht vorher zu beantragen, wenn von vornherein feststehe, dass die
Beklagte sie ihm verweigern werde. Diese Rechtsprechung kann für das geltende Recht
jedoch nicht übernommen werden. Der jetzige eindeutige Gesetzeswortlaut lässt eine
solche Ausnahme nicht mehr zu. Demzufolge scheidet eine Kostenerstattung für die Zeit
vor der endgültigen Leistungsablehnung mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2002
bereits von vornherein aus. (vgl. hierzu: Urteil des BSG vom 11.10.1994, Az: 1 RK
26/92; Urteil vom 24.09.1996, Az: 1 RK 33/95; Urteil vom 06.02.1997, Az: 3 RK 9/96;
Urteil vom 10.02.1993, Az: 1 RK 31/92 sowie Beschluss vom 15.04.1997, Az: 1 BK
31/96)
Das Gericht hält die vorstehend dargelegten Grundsätze für zutreffend. Die Klägerin hat
zwar die Kostenübernahme vor Durchführung der Behandlung bei der Beklagten
beantragt, sie hat aber die Diagnostik in Kenntnis der Ablehnung der Kostenübernahme
durch die Beklagten durchführen lassen, ohne die Erteilung des
Widerspruchsbescheides abzuwarten. Insoweit sind die ihr im August 2001
entstandenen Kosten aufgrund ihrer eigenen Entscheidung über die vorzeitige
Durchführung der Untersuchung entstanden und nicht etwa dadurch, dass die Beklagte
die beantragte Leistung abgelehnt hat. Wie ausgeführt, hat die Klägerin den
Beschaffungsweg vor Inanspruchnahme der Leistungen von Dr. W nicht eingehalten.
Eine solche Verfahrensweise begründet keinen Ausnahmefall, in dem die
Rechtsprechung eine Umwandlung eines Sachleistungsanspruchs in einen
Kostenerstattungsanspruch zulässt.
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Auch im übrigen sind die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nicht erfüllt. Dem
steht zum einen entgegen, dass die streitige Behandlung auf privater Grundlage durch
einen für diese ambulante Behandlungsform nicht zugelassenen Leistungserbringer
erfolgt ist. Unstreitig verfügt Dr. W bereits seinen eigenen Angaben zufolge (so im
Schreiben vom 06.03.2002 an das Sozialgericht Hildesheim) und den Ausführungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Bezirksstelle Schwaben (Schreiben vom
30.01.2003) nicht über die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von
Leistungen der Kernspintomografie am offenen Kernspintomografen, da diese
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Apparaturen nicht die Anforderungen an die apparative Ausstattung gem. Anlage 1 der
Kernspintomografie-Vereinbarung erfüllen. Zum anderen handelt es sich bei der
Therapieform um eine in der kassenärztlichen Versorgung nicht anerkannte
Behandlungsmethode, die deshalb nicht zu den von der Beklagten geschuldeten
Vertragsleistungen gehört.
Die Klägerin hat als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse keinen Anspruch
gegenüber der Beklagten auf Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen
außerhalb des kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgungssystems, sondern nur auf
Inanspruchnahme der im Rahmen des für die gesetzliche Krankenversicherung
geltenden Sachleistungsprinzips zur Verfügung gestellten Leistungen von
Vertragsärzten und zugelassenen Leistungserbringern im Rahmen der kassenärztlichen
Versorgung. (vgl. hierzu: Urteil des BSG vom 10.05.1995, Az: 1 RK 14/94) Die
Kostenerstattung stellt eine bedeutende Ausnahme vom Sachleistungsprinzip als einem
Strukturelement der sozialen Krankenversicherung dar. Die Möglichkeit der
Privatbehandlung auf eigene Kosten mit nachfolgender Kostenerstattung war und ist
dem System der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung fremd. Derjenige
Versicherte, der einen privaten Behandlungsvertrag mit einem Arzt oder einem
sonstigen Behandler abschließt, muss sich deshalb auch hinsichtlich der Kostentragung
wie ein Privatpatient behandeln lassen. Da Vertragsleistungen von Vertragsärzten und
Vertragsbehandlern ohne weitere zusätzliche Vereinbarungen zwischen Arzt/Behandler
und Patient gegen Vorlage des Berechtigungsausweises bzw. aufgrund entsprechender
Verordnung erbracht werden, ist den Versicherten in solchen Fällen auch bewusst, dass
die begehrte Leistung nicht Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung ist. Die
Beklagte ist demzufolge aus dem zwischen ihr und der Klägerin bestehenden
Versicherungsverhältnis nicht verpflichtet, die von der Klägerin in Anspruch
genommenen Leistungen der Facharztpraxis für Diagnostische Radiologie Dr. W als
Sachleistungen zu erbringen. Welche Behandlung, durch welchen Personenkreis, in
welcher Einrichtung die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse zu gewähren
verpflichtet ist, richtet sich nach den geltenden gesetzlichen Vorschriften und der hierzu
ergangenen Rechtsprechung.
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Nach § 27 Abs. 1 S 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf
Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen,
ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zur
kassenärztlichen Versorgung gehört die hier streitige Methode ausdrücklich nicht.
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Die Anwendung von sog Außenseiterheilmethoden und neuen Behandlungsmethoden
zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist aber erst dann zulässig, wenn der
zuständige Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Empfehlungen über die
Anerkennung des diagnostischen und/oder therapeutischen Nutzens der neuen
Methode, die notwendige Qualifikation der sie anwendenden Ärzte und die apparativen
Anforderungen abgegeben hat. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
beschließt gem. § 135 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 S 2 Nr. 1 und Nr. 6 SGB V in Richtlinien
Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und oder therapeutischen
Nutzens einer neuen Methode bzw. eines Heilmittels nach Überprüfung gem. den hierfür
erlassenen Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden - BUB-Richtlinien -. Diese Überprüfung hat das Ziel
festzustellen, ob eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode das Stadium von
Wissenschaft, Forschung und Erprobung verlassen hat und als allgemein anerkanntes
gesichertes medizinisches Verfahren in die ambulante vertragsärztliche Versorgung
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übernommen werden kann oder nicht. Hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens gilt,
dass der jeweils zuständige Arbeitsausschuss auf Antrag der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes
der Krankenkassen dazu Stellung nimmt, ob die für die Anerkennung einer neuen
Untersuchungs- oder Behandlungsmethode erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
Diese Stellungnahmen sind gem. § 23 Abs. 2 S 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte von
den Ärzten und den Krankenkassen zu beachten. Zu der hier streitigen Diagnostik
mittels einer offenen Kernspintomografie hat sich der zuständige Arbeitsausschuss
bislang nicht geäußert.
Fehlt es - wie im vorliegenden Fall - an einer positiven Stellungnahme des zuständigen
Ausschusses zur Frage des Einsatzes der streitigen Methode, so hat der Arzt gegenüber
der Krankenkasse grundsätzlich die Pflicht, eine solche Behandlungsmethode nicht
anzuwenden und die Krankenkasse ist im Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung
verpflichtet, gegenüber den Versicherten eine solche Behandlungsmethode als
Sachleistung abzulehnen. Eine Diagnostik mittels der streitigen Methode gehört
demzufolge nicht zu den von den gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten
Leistungen. Dies ergibt sich aus § 135 SGB V i.V.m. den Vorschriften der BUB-
Richtlinien. Nach der Rechtsprechung zu diesem Problemkreis sind solche
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden solange von der Abrechnung zulasten der
gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen, bis der zuständige Bundesausschuss sie
als zweckmäßig anerkannt und die Voraussetzungen für ihre Erbringung geregelt hat
(vgl. hierzu grundlegend: Urteile des BSG vom 16.09.1997, Az: 1 RK 28/95; 1 RK 17/95;
1 RK 14/96: 1 RK 30/95 und 1 RK 32/95). Als Teil der Regelungen des Vierten Kapitels
des SGB V über die "Beziehungen der Krankenkassen zu ihren Leistungserbringern"
steht § 135 SGB V zwar nicht unmittelbar mit den Leistungsansprüchen der Versicherten
im Zusammenhang. Wie das BSG in seinem Urteil vom 16.09.1997, in dem es um die
Frage der Kostenerstattung bei Anwendung von Therapieverfahren ging, die bislang
nicht zum allgemein akzeptierten Standard der medizinischen Versorgung in der
gesetzlichen Krankenversicherung gehören, zutreffend ausgeführt hat, wird durch § 135
SGB V ebenso wie durch andere kassenärztliche Vorschriften, die bestimmte Arten von
Behandlungen aus der vertragsärztlichen Versorgung ausschließen oder ihre
Anwendung an besondere Bedingungen knüpfen, aber zugleich der Umfang der den
Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen festgelegt. Das BSG hat
die Verbindlichkeit dieser Richtlinien bislang immer ausdrücklich bestätigt; sie haben
demzufolge die Qualität von Rechtsnormen und regeln im Rahmen der gesetzlichen
Ermächtigung den Umfang und die Modalitäten der Krankenbehandlung mit bindender
Wirkung sowohl für die behandelnden Vertragsärzte als auch für die Versicherten. Darf
ein Arzt eine Behandlungsmethode nicht als Kassenleistung abrechnen, weil sie in
Richtlinien entweder ausgeschlossen oder nicht empfohlen ist, gehört sie auch nicht zur
Behandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V, die der Versicherte als Sachleistung oder
ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 13 SGB V im Wege der
Kostenerstattung beanspruchen kann. Solange der Bundesausschuss keine positive
Empfehlung über die Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode abgegeben hat,
so ist seine Entscheidung für die Verwaltung, d.h. für die Krankenkassen und für die
Gerichte, verbindlich. Ein Versicherter, der sich eine nicht anerkannte Diagnosemethode
auf eigene Rechnung verschafft, kann auch in einem nachfolgenden
Kostenerstattungsverfahren nicht mehr mit Erfolg einwenden, die Methode sei
gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall auch wirksam bzw. weiterführend
gewesen. Seine noch im Urteil vom 05.07.1995 (Az: 1 RK 6/95) vertretene Ansicht, ein
Kostenerstattungsanspruch könne bestehen, wenn eine neue Methode sich auch ohne
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Anerkennung durch den Bundesausschuss als generell zweckmäßig erwiesen habe,
hat das BSG in seinen Urteilen vom 16.09.1997 nicht aufrecht erhalten. Insoweit kann
auch nicht mehr auf den Erfolg im Einzelfall abgestellt werden. Im Falle des Fehlens
einer Anerkennung durch den Bundesausschuss ist deshalb jede Abrechnung von nicht
anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen
Krankenkassen ausgeschlossen.
Die ärztliche Behandlung wird im Rahmen des für die Beklagte nach § 72 SGB V
verbindlichen Arzt-/Ersatzkassenvertrages - EKV - gewährt. Die Sicherstellung der
vertragsärztlichen Versorgung als Sachleistung ist der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung übertragen worden. Durch den EKV ist eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Beachtung der
gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet. Die Klägerin hat demgemäss nach § 27
i.V.m. § 28 SGB V Anspruch auf Kostenübernahme nur im Rahmen des für die Beklagte
verbindlichen EKV, der zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem
Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. geschlossen worden ist. Danach sind
Vertragsleistungen nur diejenigen Leistungen, die in den Gebührentarifen dieses
Vertrages aufgeführt sind. Für die hier streitige Behandlung finden sich indessen keine
entsprechenden Gebührenregelungen, so dass deren Abrechnungsfähigkeit bereits aus
diesem Grunde entfällt, wie der Bewertungsausschuss der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt hat. Nur ausnahmsweise kann
ein Kostenerstattungsanspruch dennoch gegeben sein, wenn die fehlende
Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems
beruht. Ein solcher Systemmangel kann darin bestehen, dass das
Anerkennungsverfahren trotz Erstellung der für eine Überprüfung notwendigen formalen
und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird. Die
Ermächtigung in § 92 Abs. 1 S 2 i.V.m. § 135 Abs. 2 SGB V besagt nicht, dass es dem
Bundesausschuss völlig freigestellt ist, ob und wann er sich mit einem Antrag auf
Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und/oder Behandlungsmethode befassen
und hierzu eine Empfehlung abgeben will. Wird die Einleitung oder Durchführung des
Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und
kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden,
wäre dem Auftrag des Gesetzes widersprochen und muss eine sich daraus ergebende
Versorgungslücke zugunsten des Versicherten geschlossen werden. Vielmehr ist der
Bundesausschuss weder in der Vergangenheit noch derzeit mit der
indikationsbezogenen Prüfung der Aussagefähigkeit einer offenen Kernspintomografie
befasst gewesen bzw. beauftragt. Insoweit sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar,
dass der Bundesausschuss das Anerkennungsverfahren verzögerlich durchführt.
Solche Fehlerquellen sind für das Gericht nicht nachvollziehbar und werden auch nicht
durch Tatsachen belegt.
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Im vorliegenden Sachverhalt ist kein zu berücksichtigender Systemmangel vorgetragen
oder ersichtlich. Es bleibt Sache der Anwender, dem zuständigen Arbeitsausschuss
"Ärztliche Behandlung" die entsprechenden prüffähigen Unterlagen und
Studienergebnisse vorzulegen, damit der Ausschuss entsprechend seinem Auftrag tätig
werden kann. Demgegenüber trägt die Klägerin nichts dazu vor, dass es insoweit
erhebliche Erkenntnisse gebe, die der Bundesausschuss bislang unberücksichtigt
gelassen habe. Auch soweit es um Erkrankungen geht, deren Entstehung und Verlauf
noch weitgehend unerforscht sind und die mit den herkömmlichen Mitteln nicht wirksam
zu beeinflussen oder zu erkennen sind, kann die Unkenntnis der Ursache und des
Verlaufs einer Krankheit nach den gesetzlichen Vorgaben nicht dazu führen, dass
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jedwede Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethode, die in der ärztlichen Praxis
erprobt oder vereinzelt angewandt wird, von den gesetzlichen Krankenkassen zu
bezahlen ist. In diesen Fällen ist für die Anerkennung der therapeutischen oder
diagnostischen Zweckmäßigkeit einer Methode notwendig, dass sie sich in der Praxis
durchgesetzt hat. Veröffentlichungen zu dieser Methode in der ärztlichen Fachliteratur
sowie eine Berichterstattung in den Medien vermögen die geforderten
wissenschaftlichen Studien nicht zu ersetzen. Neue Verfahren, die noch nicht
hinreichend erprobt sind oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, sich aber
nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen aus,
denn es ist nicht deren Aufgabe, die medizinische Forschung zu finanzieren. Es hat
daher dabei zu verbleiben, dass auch wenn die Ursache der Krankheit unbekannt ist,
anerkannte Behandlungsmethoden fehlen und die gewählte Behandlung bzw.
Diagnostik im Einzelfall zu einem Behandlungserfolg geführt hat oder ein solcher
wissenschaftlich zumindest eine gute Möglichkeit hatte, dies grundsätzlich keine weitere
Ausnahme vom Sachleistungsprinzip rechtfertigt, etwa durch generelle Zuordnung zu
den Fällen einer unaufschiebbaren Behandlung oder eines Mangels im
Versorgungssystem, für die die Krankenkasse uneingeschränkt einzustehen hätte.
Bei dieser Sachlage kann das Begehren der Klägerin auf Kostenerstattung keinen
Erfolg haben, denn ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Erstattung solcher Kosten,
die durch eine selbstbeschaffte Leistung außerhalb des Systems entstanden sind, und
zwar auch dann nicht, wenn die Leistungen nach Art und Umfang den Rahmen der
kassenüblichen Versorgung nicht überschreiten und entsprechende Leistungen von
Kassenärzten oder Vertragskrankenhäusern erspart worden sind. Soweit die Klägerin
zur Begründung ihres Erstattungsanspruchs Kostengesichtspunkte anführt, ist dem
entgegenzuhalten, dass solche Kompensationserwägungen dem Recht der
gesetzlichen Krankenversicherung fremd sind. Auch die Vorschriften über die
Budgetierung der von Vertragsärzten und Vertragskrankenhäusern zulasten der
gesetzlichen Krankenkassen veranlassten Ausgaben setzen voraus, dass als
Sachleistungen ausgeschlossene Leistungen nicht privat liquidiert und im Wege der
Kostenerstattung gegenüber der Krankenkasse geltend gemacht werden. Es liegt
insbesondere nicht im Willen des Gesetzgebers, dass außervertragliche Behandlungen
aufgrund privater Behandlungsverträge erbracht und abgerechnet werden, die über die
Kostenerstattung das für Vertragsärzte bzw. Vertragskliniken festgesetzte Budget
belasten und schmälern.
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Der Beklagten ist diesbezüglich auch kein Ermessensspielraum dergestalt eingeräumt,
der ihr eine Kostenerstattung für Behandlungen außerhalb des Systems ermöglicht.
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Das Gericht vermag auch die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die
dem Bundesausschuss übertragenen Befugnisse nicht zu teilen, denn insoweit handelt
es sich um ein paritätisch besetztes sachverständiges Gremium, dem ein
Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist. Auch das BSG sieht den Bundesausschuss
aufgrund seiner Struktur als gemeinsames Gebilde der ihn tragenden Körperschaften
als verbandsdemokratisch legitimiert an, verbindliche Regelungen nicht nur gegenüber
den Mitgliedern der Körperschaften, sondern auch mit Außenwirkung auf die
Vertragsärzte und die Versicherten zu schaffen.
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Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahrensweise des Bundesausschusses der
gesetzlichen Ermächtigung widerspricht oder das Verfahren rechtsstaatliche Grundsätze
verletzt hätte, liegen dem Gericht nicht vor. Nach § 92 Abs. 1 S 1 SGB V haben die
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Richtlinien auch die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu berücksichtigen. Bei seiner
Entscheidung steht dem Bundesausschuss wie jedem Normgeber ein durch die
gesetzliche Ermächtigung begrenzter Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu. Seine
Entscheidung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie höherrangigem Recht widerspricht
und ob das Verfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt. Hieran zu zweifeln, sieht
die Kammer indessen keinen Anlass, zumal auch prüfungsrelevante
Grundrechtsverstöße nicht vorgetragen sind.
Im vorliegenden Fall fehlt es demzufolge an den Voraussetzungen für eine
Kostenerstattung jedenfalls deshalb, weil die Klägerin weder durch eine unrechtmäßige
Leistungsablehnung noch aufgrund eines Systemversagens gezwungen gewesen war,
sich eine notwendige Therapie selbst zu beschaffen.
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Es bleibt daher festzuhalten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung
hat, denn sie hat sich Leistungen außerhalb des Systems der gesetzlichen
Krankenversicherung privatärztlich selbst beschafft, ohne dass ihr hierfür - über
nachvollziehbare und verständliche persönliche Gründe hinaus - ein rechtlich
beachtlicher Grund zugebilligt werden kann.
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Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG,
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