Urteil des SozG Duisburg vom 24.01.2006

SozG Duisburg: echte rückwirkung, anspruchsdauer, auszahlung, verminderung, datum, umrechnung, arbeitsentgelt, leistungsanspruch, arbeitsmarkt, vergleich

Sozialgericht Duisburg, S 12 (32) AL 45/05
Datum:
24.01.2006
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 12 (32) AL 45/05
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld ab 01.01.2005.
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Die Beklagte hatte dem Kläger durch Bescheid vom 14.07.2004 Arbeitslosengeld ab
01.06.2004 nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.175,00
EUR und Leistungsgruppe C/1 nach einem wöchentlichen Leistungssatz von 487,13
EUR = täglich 69,59 EUR für eine Anspruchsdauer von 780 Tagen bewilligt. Diese
Leistung erhielt der Kläger bis zum 31.12.2004. Das ungerundete wöchentliche
Bemessungsentgelt hatte 1.177,20 EUR betragen.
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Mit Änderungsbescheid vom 02.01.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger
Arbeitslosen-geld ab 01.01.2005 nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 168,17
EUR in Höhe von täglich 68,47 EUR.
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Zur Begründung seines am 27.01.2005 erhobenen Widerspruchs rügte der Kläger die
Berechnung des täglichen Leistungssatzes und den Auszahlungszeitraum für 360 Tage
pro Jahr. Nach seiner Berechnung müsse ihm ein täglicher Zahlbetrag von 71,27 EUR
bewilligt werden. Der pauschale Abzug der Sozialversicherung von 21 % könne nicht
vollständig vom Bemessungsentgelt abgezogen werden, denn sein Bemessungsentgelt
liege über der Beitragsbemessungsgrenze für die Kranken- und Pflegeversicherung.
Ferner sei das Bemessungsentgelt mit 365 Tagen pro Jahr ermittelt worden, der
Auszahlungszeitraum jedoch auf 360 Tage pro Jahr festgelegt. Ermittlungs- und
Auszahlungszeitraum müssten gleich sein.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des
Klägers als unbegründet zurück.
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Die Höhe des Arbeitslosengeldes sei aufgrund der mit dem 3. Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 mit Wirkung zum 01.01.2005
erfolgten Änderungen des SGB III unter Zugrundelegung des mit Bescheid vom
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13.07.2004 festgestellten Bemessungsentgeltes neu festzusetzen gewesen.
Bemessungsentgelt sei nach § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 01.01.2005
geltenden Fassung (neue Fassung – n.F.) das durchschnittlich auf den Tag entfallende
beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt
habe. Das Bemessungsentgelt betrage ausgehend von den im Bescheid vom
13.07.2004 getroffenen Feststellungen täglich 168,17 EUR. Nach § 133 Abs. 1 SGB III
n.F. sei Leistungsentgelt das um pauschale Abzüge verminderte Bemessungsentgelt.
Abzüge seien
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1.eine Sozialversicherungspauschale von 21 % des Bemessungsentgelts, 2.die
Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der
Finanzen aufgrund des § 51 Abs. 4 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes bekannt
gegebenen Programmablaufplans bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach §
10 c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in dem Jahr, in dem der Anspruch
entstanden sei, ergibt 3.der Solidaritätszuschlag ohne Berücksichtigung von
Kinderfreibeträgen.
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Ein individueller Abzug der Sozialversicherungspauschale sei nicht möglich. Nach §
133 Abs. 2 SGB III n.F. richte sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohn-
steuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, auf der
Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen gewesen sei, hier Lohnsteuerklasse III.
Nach § 134 SGB III n.F. werde das Arbeitslosengeld für Kalendertage berechnet und
geleistet. Sei es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, sei dieser mit 30 Tagen
anzusetzen.
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Das tägliche Bemessungsentgelt von 168,17 EUR sei um die in § 133 Abs. 1 Nr. 1 bis 3
SGB III n.F. genannten Abzüge zu reduzieren. Bei dem Kläger sei ein Kind im Sinne des
§ 32 Abs. 1, 3 bis 5 Einkommensteuergesetz zu berücksichtigen, so dass der tägliche
Leistungssatz 67 % des Leistungsentgelts von 102,19 EUR betrage, folglich 68,47 EUR.
Daraus errechne sich ein monatlicher Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von
1.576,20 EUR (68,47 EUR x 30).
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Zur Begründung seiner am 04.03.2005 erhobenen Klage meint der Kläger, es müsse die
Steuertabelle 2005 zugrunde gelegt werden. Außerdem müsse bei dem Pauschalabzug
nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 SGB III n.F. die Beitragsbemessungsgrenze für die
Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt werden, denn sein Bemessungsentgelt
liege über dieser Grenze. Außerdem müsse Arbeitslosengeld für 365, statt 360 Tage pro
Jahr bewilligt werden. Im übrigen habe eine Neubemessung zum 01.01.2005 gemäß §
434 j Abs. 5 SGB III gar nicht stattfinden dürfen.
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Mit Wirkung zum 01.04.2005 ist bei dem Kläger kein Kind im Sinne von § 32 Abs. 1, 3
und 5 Einkommensteuergesetz mehr zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 18.04.2005
hat die Beklagte dem Kläger ab 01.04.2005 Arbeitslosengeld bei im übrigen
unveränderten Leistungsdaten nach einem Prozentsatz von 60 %, entsprechend einem
täglichen Leistungssatz von 61,31 EUR bewilligt. Mit Bescheid vom 20.07.2005 hat sie
die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 19.07.2005 wegen
Arbeitsaufnahme ab 19.07.2005 aufgehoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung
hat der Kläger mitgeteilt, dass die Beklagte ihm mit Wirkung zum 17.12.2005
Arbeitslosengeld zu dem im Bescheid vom 18.04.2005 genannten Leistungsdaten
wiederbewilligt hat. Das Datum des Bescheides konnte er nicht angeben.
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Daraufhin haben die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung folgenden
Teilvergleich geschlossen:
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"Es besteht Einigkeit, dass nach Klageerhebung weitere Bescheide ergangen sind, die
nach § 96 Abs. 2 SGG Gegenstand des Verfahrens sind. Dazu gehört der Bescheid vom
18.04.2005 für die Leistungshöhe ab 01.04.2005 nach Wegfall des Kindermerkmals.
Außerdem ein Bescheid, mit dem der Kläger am 17.12.2005 nach Unterbrechung durch
Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung wieder Arbeitslosengeld
erhalten hat. Es besteht Einigkeit, dass die Beklagte für den Fall, dass der Kläger ab
01.01.2005 rechtskräftig höhere Leistungen erhält, diese Entscheidung entsprechend
auf die Folgebescheide anwenden wird und das Gericht die Überprüfung auf den
Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2005
beschränken kann."
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 02.01.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08.02.2005 zu verurteilen, dem Kläger ab 01.01.2005
Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 71,27 EUR berechnet für 365 Tage pro Jahr zu
bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten
Gründen für rechtmäßig. Durch den Bescheid vom 02.01.2005 sei keine Neubemessung
erfolgt. Es sei lediglich eine Umrechnung des bisher geltenden wöchentlichen Entgelts
von 1.177,02 EUR auf ein tägliches Arbeitsentgelt von 168,17 EUR erfolgt. Außerdem
seien die sich zur Berechnung des täglichen Zahlbetrages aus den mit Wirkung zum
01.01.2005 erfolgten Änderungen des SGB III ergebenden Berechnungsschritte
umgesetzt worden. Auch eine Auszahlung der Leistung für 365 Kalendertage könne
nicht erfolgen, denn zum 01.01.2005 sei § 139 SGB III a.F. durch § 134 SGB III n.F.
ersetzt worden. Nach dieser Vorschrift sei ein Monat mit 30 Tagen anzusetzen, wenn
Arbeitslosengeld für einen vollen Kalendermonat zu zahlen sei. § 434 j Abs. 5 SGB III
sei beachtet worden. Nach § 434 j Abs. 5 a SGB III sei die Steuertabelle 2004 bei der
Leistungsbemessung zugrunde zu legen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Prozessakten und der den Kläger betreffenden Leistungsakten der
Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Zurecht hat die Beklagte das dem Kläger ab 01.01.2005 zugewiesene Arbeitslosengeld
auf täglich 68,47 EUR, bzw. ab 01.04.2005 und ab 17.12.2005 auf 61,31 EUR
festgesetzt.
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Durch das 3. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – Hartz III Gesetz -
vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848 ff.) - hat der Gesetzgeber gemäß Artikel 124 Abs. 3 mit
Wirkung zum 01.01.2005 die Regelungen über die Bemessung des Arbeitslosengeldes
grundlegend geändert. Die bisherigen Regelungen wurden stark vereinfacht und in den
neuen §§ 130 bis 134 SGB III zusammengefasst. Die §§ 135 bis 139 SGB III wurden
aufgehoben. Ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld vor dem 01.01.2005 entstanden, ist
das Bemessungsentgelt nach § 434 j Abs. 5 SGB III nach dem vor dem 01.01.2005
geltenden Recht nur neu festzusetzen, soweit dies aufgrund eines Sachverhaltes
erforderlich ist, der nach dem 31.12.2004 eingetreten ist.
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Zum 01.01.2005 hatte eine Umstellung der laufenden Leistungsfälle auf Berechnung
des Leistungsentgelts nach § 133 Abs. 1 SGB III n.F. stattzufinden. Denn für die
laufenden Leistungsfälle bestimmt § 434 j Abs. 5a SGB III, dass § 133 Abs. 1 SGB III
n.F. mit der Maßgabe gilt, dass als Lohnsteuer die Lohnsteuer nach der
Lohnsteuertabelle des Jahres 2004 zu berücksichtigen ist.
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Nach § 133 Abs. 1 S. 1 SGB III n.F. ist Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge
verminderte Bemessungsentgelt. Grundlage für die Bemessung des dem Kläger ab
01.01.2005 zustehenden Arbeitslosengeldes ist das Bemessungsentgelt, das bei
Entstehen des Anspruchs am 01.06.2004 durch den bestandskräftigen Bescheid vom
14.07.2004 festgesetzt worden ist, hier ein gerundetes wöchentliches
Bemessungsentgelt von 1.175,00 EUR, das auf ein ungerundetes wöchentliches Entgelt
von 1.177,20 EUR zurückgeht. Diese bestandskräftige Bemessung ist gemäß § 434 j
Abs. 5 SGB III nicht zu überprüfen und auch nicht neu vorzunehmen. Vor-zunehmen ist
lediglich eine Umrechnung des bisherigen Bemessungsentgelts auf den einzelnen Tag,
hier wie von der Beklagten korrekt berechnet auf 168,17 EUR. Die Überlegungen des
Klägers, dass der Bemessung ein vollständiges Kalenderjahr zugrunde liege, also 365
bzw. unter Berücksichtigung des Schaltjahres 2004 366 Tage, während andererseits die
Leistungsbewilligung gemäß § 134 SGB III n.F. nur für 360 Tage im Jahr erfolge, ist bei
der Bestimmung des täglichen Bemessungsentgeltes unbeachtlich, denn eine
Neubemessung hat gerade nicht stattzufinden.
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Wegen der sich nach § 133 Abs. 1 SGB III n.F. neu vorzunehmenden Berechnung des
täglichen Leistungssatzes wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im
Widerspruchsbescheid verwiesen und gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren
Dar-stellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Die Berücksichtigung der
Lohnsteuertabelle des Jahres 2005 ist nach § 434 j Abs. 5 a SGB III ausdrücklich
ausgeschlossen. Ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld – wie hier – vor dem 01.01.2005
entstanden, so gilt § 133 Abs. 1 SGB III n.F. mit der Maßgabe, dass als Lohnsteuer die
Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle des Jahres 2004 zu berücksichtigen ist. Die
Sozialversicherungspauschale ist nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 SGB III n.F.
einheitlich in Höhe von 21 % des Bemessungsentgeltes zu berücksichtigen. Eine
Differenzierung zwischen den Beitragsbemessungsgrenzen der Arbeitslosen- und
Rentenversicherung einerseits und der Kranken- und Pflegeversicherung andererseits
findet nicht statt. Die Neuregelung des Leistungsentgelts, also des um die
pauschalierten Abzüge verminderten Bemessungsentgelts, setzt die
Sozialversicherungsbeiträge pauschal an. Bezugsgröße ist im Gegensatz zur
vorherigen Regelung nicht ein aktueller und somit ständig wechselnder Beitragssatz,
sondern vielmehr das Bemessungsentgelt selbst. Hierdurch fallen aufwändige
Berechnungen weg und haben die Änderungen bei den Beitragssätzen zu den
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Sozialversicherungen ab 01.01.2005 keine Auswirkungen mehr auf die Höhe des
Arbeitslosengeldes (Rolfs in Gagel, SGB III, Kommentar, § 133 RdNr 10). Insgesamt
führt diese Neuregelung zu einer weiteren erheblichen Verwaltungsvereinfachung.
Solche Pau-schalierungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken
(BVerfGE 63, 355, 262 ff, ebenso BSG, 7 RAr 28/95, Urteil vom 03.08.1995, SozR 3-
4100 § 136 Nr. 4 mwN). Sie tragen dem öffentlichen Interesse an erheblicher
Verwaltungsvereinfachung Rechnung und entsprechen dem bei der Bestimmung des
Leistungsentgelts auch bis 31.12.2004 geltenden Recht, wonach Leistungsentgelt das
um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen,
verminderte Bemessungsentgelt war (§ 136 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2004
geltenden Fassung, zuvor schon § 111 Abs. 1 AFG). In diesem Zusammenhang ist seit
jeher anerkannt, dass individuelle Besonderheiten des steuerrechtlichen und
sozialversicherungsrechtlichen Einzelfalles aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung
unberücksichtigt zu bleiben haben (individuelle Steuerfreibeträge bleiben
unberücksichtigt; für die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gewoge-nes
Mittel der allgemeinen Beitragssätze).
Die Auszahlung des Arbeitslosengeldes für 30 Tage pro vollem Kalendermonat
entspricht § 134 Satz 2 SGB III n.F. und ist nicht zu beanstanden. Durch diese
Neuregelung wird eine längst überfällige Angleichung an die übrigen
Sozialleistungsbereiche vorgenommen. Entsprechende Regelungen finden sich in § 41
Abs. 1 Satz 2 SGB II, § 47 Abs. 1 Satz 6 und 7 SGB V, § 123 Abs. 1, 1. Halbsatz SGB VI,
§ 47 Abs. 5 Satz 2 SGB VII, § 37 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB XI. Erklärter Wille des
Gesetzgebers war eine Angleichung an die übrigen Sozialversicherungszweige und die
Vermeidung verwaltungsaufwändiger monatlicher wiederkehrender
Bearbeitungsvorgänge, z.B. bei der Berücksichtigung von Abzweigun-gen und
Pfändungen, wie sie die Leistungsberechnung bis zum 31.12.2004, die zu
unterschiedlichen Monatsbeiträgen führte, mit sich brachte (BT-Drs 15/1515 S. 85, 86).
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§ 134 S. 2 SGB III n.F. führt im übrigen zu einer einheitlichen Handhabung bei der
Berechnung von Zeiten. Schon seit Inkrafttreten des SGB III ist in § 339 S. 2 SGB III
bestimmt, dass bei der Anwendung der Vorschriften über die Dauer eines Anspruchs auf
Arbeitslosengeld ein Monat 30 Kalendertagen entspricht. Damit wird klargestellt, dass
die nach § 127 Abs. 2 SGB III in Monaten bestimmte Anspruchsdauer unabhängig von
der Anzahl der Tage pro Monat einheitlich in 30 Tage pro Monat umzurechnen ist und
mit Monaten im Sinne von § 127 Abs. 2 SGB III nicht Kalendermonate gemeint sind
(Gagel in Gagel, SGB III, Kommentar, 19. EL Oktober 2002, § 339 RdNr 1). Eine
Anspruchsdauer von 12 Monaten entspricht damit einem Leistungsanspruch für 360
Tage und nicht für 365 Tage. Nach § 139 SGB III a.F. führte dies bis zum 31.12.2004
dazu, dass bei einer Anspruchsdauer von 12 Monaten (= 360 Tage) ein am 01.01.eines
Jahres entstandener Anspruch am 26.12. des Jahres endete. Ein Anspruch für 24
Monate (= 720 Tage) endete am 21.12. des Folgejahres. Der Verbrauch von weiteren 5
Tagen im ersten Anspruchsjahr führte zwar dazu, dass das Kalenderjahr 365
Anspruchstage hatte, bedeutete aber gleichzeitig ein früheres Anspruchsende. § 134 S.
2 SGB III n.F. führt dazu, dass bei einer Anspruchsdauer von 12 Monaten ein am 01.01.
eines Jahres entstandener Anspruch am 31.12. des Jahres endet. Ein Anspruch für 24
Monate endet am 31.12. des Folgejahres. Durch die Auszahlung von Arbeitslosengeld
für rechnerisch nur 360 Tage pro Jahr mindert sich auch der Leistungsanspruch gemäß
§ 128 Abs. 1 Ziffer 1 SGB III nur um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf
Arbeitslosengeld erfüllt worden ist. Das bedeutet, dass die fünf Leistungstage, die
rechnerisch in einem Kalenderjahr nicht ausgezahlt werden, auch nicht zur
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Anspruchsminderung führen, sondern dazu, dass der Anspruch für diese fünf Tage zu
einem späteren Zeitpunkt verbraucht werden kann.
Die sich aus der gesetzlichen Neuregelung ergebenden Auswirkungen können somit
nicht einseitig auf das Kalenderjahr 2005 bezogen werden, sondern müssen den
Restanspruch ab 01.01.2005 insgesamt berücksichtigen. Ein Verlust von fünf
Leistungstagen tritt bei einer Gesamtbetrachtung nicht ein.
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Unbedenklich ist, dass es durch die Umstellung bei der Berechnung der
Leistungsentgelte zu geringfügigen Verminderungen der täglichen Nettoleistung im
Vergleich zwischen 2004 und 2005 kommt (Gagel in Gagel, SGB III, Kommentar, § 434 j
RdNr 10). Die Verminderung von Leistungsansprüchen zum Jahreswechsel ist dem
Arbeitsförderungsrecht nicht fremd. Sie ist beispielsweise vorgekommen durch
Herabsetzung der Nettolohnersatzquote von 63 auf 60 % zum 01.01.1994 oder die
Berücksichtigung des Solidaritätszuschlages und des Beitrages zur Pflegeversicherung
ab 01.01.1995. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Absenkungen der
Leistungen zum Jahreswechsel hatte das Bundessozialgericht nicht (BSG, 7 RAr 66/95,
Urteil vom 09.05.1996 [Herabsetzung der Netto-lohnersatzquote zum 01.01.1994]; BSG,
7 RAr 28/95, Urteil vom 03.08.1995 [Absenkung der Leistungssätze wegen Einführung
des Solidaritätszuschlages und der Beiträge zur Pflegeversicherung]). Bedenken gegen
die leistungssenkenden Auswirkungen der zum 01.01.2005 wirksam gewordenen
Rechtsänderung hat das Gericht im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BSG
nicht.
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Die Verminderung des täglichen Leistungsentgelts ab 01.04.2005 durch den Bescheid
vom 18.04.2005 von 68,47 EUR auf 61,31 EUR hat ihre Grundlage in § 129 Nr. 2 SGB
III, denn ab 01.04.2005 war bei dem Kläger kein Kind im Sinnes des
Einkommensteuergesetztes mehr zu berücksichtigen. Statt des erhöhten
Leistungssatzes von 67 Prozent stand dem Kläger nur nach der allgemeine
Leistungssatz von 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts zu. Nach diesem
allgemeinen Leistungssatz war dem Kläger auch ab 17.12.2005 Arbeitslosengeld
wieder zu bewilligen.
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Die Umstellung der Berechnung des Leistungsentgelts hatte gemäß § 434 j Abs. 5a
SGB III unter Außerachtlassung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X
einheitlich für alle laufenden Leistungsfälle zum 01.01.2005 stattzufinden. § 434 Abs. 5a
SGB III hat über seinen materiellrechtlichen Regelungsinhalt hinaus ähnlich wie schon
§ 242 q Abs. 5 AFG im Zusammenhang mit der Herabsetzung der Nettolohnersatzquote
zum 01.01.1994 verfahrensrechtlichen Charakter und stellt eine Sondervorschrift zu § 48
SGB X dar.
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Das BSG hat im Zusammenhang mit § 242 q Abs. 5 AFG ausgeführt (7 RAr 66/95, Urteil
vom 09.05.1996 - SozR 3-4100 § 111 Nr. 13), dass §§ 242 q Abs. 5 iVm Abs. 2 Satz 3,
111 Abs 2. Satz 6 AFG in Abweichung zu der strengeren Regelung des § 48 SGB X
generell eine rückwirkende Änderung ab 1. Januar 1994 durch neuen Bescheid unter
Abänderung des früheren Bewilligungsbescheids zulasse. Dies sei jedenfalls dann
verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Änderungsbescheid zeitnah zum
Jahreswechsel, also innerhalb eines Zeitraums ergangen sei, in dem der Arbeitslose
noch mit einer rückwirkenden Änderung habe rechnen müssen. Dies verstoße nicht
gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (Vertrauensschutz). Eine echte
Rückwirkung liege hierin nicht, weil nicht durch ein Gesetz nachträglich ändernd in
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abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen werde
(BVerfGE 57, 361, 391; 68, 287, 306; 72, 175, 196) und Rechtsfolgen nicht für einen vor
der Verkündung des Gesetzes liegenden Zeitraum auftreten sollen (BVerfGE 72, 200,
242; 63, 343, 353; BSGE 71, 202, 206 f = SozR 3-4100 § 45 Nr. 3). Dies treffe für die
Absenkung des Leistungssatzes mit Wirkung ab 01.01.1994 gerade nicht zu, weil die
AFG-Leistungsverordnung für das Jahr 1994 und die Gesetzesänderung zu § 111 Abs.
1 AFG vor dem 1. Januar 1994 verkündet worden seien und nur Neuregelungen für die
Zeit ab 01.01.1994 bestimmten. Diese Überlegungen gelten uneingeschränkt auch für §
434 j Abs. 5a SGB III. Dieser wurde durch das 4. SGB III-Änderungsgesetz vom
19.11.2004 (BGBl I S. 2902) mit Wirkung zum 01.01.2005 eingefügt und bringt den
Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass alle laufenden Leistungsfälle auf die ab
01.01.2005 geltende Berechnung des Leistungsentgelts umzustellen sind, denn für
diese Fälle wird die Anwendung der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004 ausdrücklich
angeordnet. Der Änderungsbescheid vom 02.01.2005 ist auch noch zeitnah zum
Jahreswechsel ergangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Der Zulassung der Berufung bedurfte es im Hinblick auf die sich aus der Gesamtdauer
des Leistungsanspruchs und der Differenz zwischen bewilligter und erstrebter
Leistungen ergebenden Summe, die 500,00 EUR übersteigt, nicht.
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