Urteil des SozG Duisburg vom 13.01.2006

SozG Duisburg: besondere härte, aufnahme einer erwerbstätigkeit, mündliche prüfung, ausbildung, universität, leistungsanspruch, stadt, kreis, einkünfte, belastung

Sozialgericht Duisburg, S 7 (17) AS 245/05
Datum:
13.01.2006
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 7 (17) AS 245/05
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
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Umstritten ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem Zweiten Buch des Sozialgeetzbuches (SGB II).
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Die 1978 geborene Klägerin lebt in eheähnlicher Gemeinschaft mit ihrem 1961
geborenen Lebensgefährten. Sie haben ein gemeinsames Kind, welches am
00.00.2004 geboren wurde. Der Lebensgefährte der Klägerin verfügt über ein
abgeschlossenes Hochschulstudium in Theater- bzw. Literaturwissenschaft. Nach dem
Ende des Studiums im Jahre 1998 nahm er eine Promotion auf, die bisher noch nicht
abgeschlossen ist. Eine feste Arbeitsstelle hat er nicht. Er ist jedoch im Rahmen von
Honorartätigkeiten vorwiegend für zwei unterschiedliche Bildungsinstitute als
Nachhilfelehrer tätig. Daneben führte er in der Vergangenheit vereinzelt im Rahmen von
Lehraufträgen Lehrtätigkeiten an der Universität durch. Aufgrund dieser Tätigkeiten
erzielt er monatlich schwankende Einkünfte, die zwischen 400,00 und maximal 1.500,00
Euro im Monat liegen. In der Regel belaufen sich die Einkünfte auf etwa 500,00 bis
600,00 Euro monatlich.
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Die Klägerin selbst nahm zum Wintersemester 1998 ein Studium an der Universität C in
dem Magisterstudiengang Musikwissenschaft mit den Nebenfächern Theater- und
Literaturwissenschaft auf. Die Regelstudienzeit für diesen Studiengang beträgt neun
Semester. Es besteht grundsätzlich Förderungsfähigkeit nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Am Beginn ihres Studiums erhielt die
Klägerin auch Leistungen nach dem BAföG. Die Leistungen wurde jedoch im Oktober
2000 wegen "nicht nachgewiesener Eignung" eingestellt. Der Magisterstudiengang
Musikwissenschaft besteht an der Universität C nur noch bis einschließlich zum
Wintersemester 2007/2008. Danach ist ein Studium des Faches nur noch im Rahmen
eines Bachelorstudienganges möglich. Eine Umschreibung in den neuen Studiengang
ist für Studierende höherer Semester wie die Klägerin nicht möglich. Ihr Studium ist
mittlerweile insoweit abgeschlossen, als sie nur noch die Magisterarbeit schreiben und
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sich einer mündlichen Prüfung unterziehen muss. Der Besuch universitärer
Lehrveranstaltungen ist nicht mehr erforderlich.
Seit der Aufnahme ihres Studiums war die Klägerin zunächst durchgehend bis zum
Sommersemester 2004 immatrikuliert. Sozialleistungen nahm sie in dieser Zeit nicht in
Anspruch. Wegen der Geburt ihres ersten Kindes ließ sie sich erstmalig für das
Sommersemester 2004 beurlauben und erhielt vor diesem Hintergrund in dem Zeitraum
von April bis Oktober 2004 nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes
(BSHG) Leistungen in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt von dem Oberbürgermeister
der Stadt F. Nachdem sie sich für das Wintersemester 2004/2005 wieder
eingeschrieben hatte, stellte der Sozialhilfeträger seine Leistungen ab dem 01.11.2004
deswegen ein. Im Hinblick darauf ist vor dem Sozialgericht Duisburg unter dem Az: S 2
(27) SO 58/05 ein Klageverfahren anhängig. Wie bereits vor ihrer Beurlaubung war die
Klägerin ab Oktober 2004 wieder vier bis fünf Stunden pro Woche als studentische
Hilfskraft tätig, wofür sie eine Vergütung von 8,72 Euro pro Stunde erhielt.
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Bereits Anfang des Jahres 2005 beantragte sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten
bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für
Arbeitssuchende. Mit Bescheiden vom 17.02., 04.03., 14.03. und 26.04.2005 gewährte
die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung
der Einkünfte, wobei sie den Leistungsanspruch der Klägerin im Hinblick auf deren
Eigenschaft als Studierende "auf Null" setzte. Unter dem 26.04.2005 erteilte die
Beklagte zusätzlich einen Bescheid, in dem sie den geltend gemachten
Leistungsanspruch gegenüber der Klägerin ausdrücklich mit der Begründung ablehnte,
die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor,
weil sie Studentin sei und dem Grunde nach ein Anspruch nach den BAföG habe. Diese
Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Mit ihrem dagegen eingelegten
Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe seit längerer Zeit wegen
Überschreitung der Förderungshöchstdauer keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen
mehr. Außerdem sei sie seit einigen Monaten Mutter und deswegen nicht in der Lage,
neben dem Studium noch für den Lebensunterhalt des Kindes zu sorgen. Mit
Widerspruchsbescheid vom 06.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch unter
Hinweis auf die vorgenannte gesetzliche Regelung zurück. Danach bestehe ein
Anspruch auf Leistungen grundsätzlich nicht, soweit eine Ausbildung absolviert werde,
die wie das Studium der Klägerin dem Grunde nach nach dem BAföG förderungsfähig
sei. Lediglich bei besonderen Härten könnten Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes als Darlehen gewährt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers
sei jedoch das Vorliegen einer "allgemeinen Härte" nicht ausreichend, einen
Leistungsanspruch zu rechtfertigen. Es müssten vielmehr außergewöhnliche,
schwerwiegende, atypische und möglichst nicht selbstverschuldete Umstände
hinzukommen, die einen zügigen Ausbildungsdurchlauf verhinderten und die sonstige
Notlage hervorgerufen haben. Eine besondere Härte liege auch vor, wenn der
Berechtigte ohne die begehrten Leistungen in eine existenzbedrohende Notlage geriete,
die auch nicht bei Unterbrechnung der Ausbildung und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
beseitigt werden könne. Ein besonderer Härtefall liege demnach in der Regel schon
nicht vor, wenn eine Studierende wegen der ihr allein obliegenden Erziehung von
Kindern neben dem Studium keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Da die Klägerin
jedoch nicht alleinerziehend sei, komme eine besondere Härte bei ihr erst recht nicht in
Betracht. Genauso wenig begründe die Überschreitung der Förderungshöchstdauer
eine besondere Härte im Sinne des Gesetzes.
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Zwischenzeitlich wurde die Klägerin erneut schwanger. Die Entbindung wird für den
Monat Februar 2006 erwartet. Vor diesem Hintergrund wurde sie für das Wintersemester
2005/2006 beurlaubt, weswegen die Beklagte seit Oktober 2005 Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes auch an die Klägerin zahlt.
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Bereits am 23.06.2005 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben,
mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt.
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Zur Begründung führt sie aus, die Beklagte vertausche Ursache und Wirkung. Sie sei
derzeit vorwiegend Mutter, weswegen ihr das Studium nur nebenbei möglich sei. Vor
diesem Hintergrund sei nicht verständlich, weswegen der Leistungsanspruch von der
Nebensache Studium abhängig gemacht werde. Wie sie die Zeit neben der
Kinderbetreuung verbringe, sei ihre Privatsache. Es sei nicht einzusehen, weswegen
Personen, die lediglich Alg II beziehen würden und daneben nichts täten, besser gestellt
würden, als sie, die versuche, ihre freie Zeit sinnvoll zu nutzen. Im Übrigen sei eine
Förderung von Studierenden mit Kindern auch familienpolitisch wünschenswert. Nur mit
einem qualifizierten Abschluss habe sie später eine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Der
Magisterstudiengang Musikwissenschaft an der Universität C laufe im Jahre 2007 aus,
so dass eine spätere erneute Aufnahme des Studiums nicht mehr möglich sei. Ihr
Lebensgefährte sei nicht in der Lage, den Familienunterhalt zu bestreiten, da er nur in
begrenztem Umfang auf Honorarbasis arbeite.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.04.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 06.06.2005 zu verurteilen, sie unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem
Widerspruchsbescheid. Nach ihrer Ansicht liegt weiterhin keine besondere Härte im
Sinne des Gesetzes vor.
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Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Die
Prozessakte aus dem Verfahren der Klägerin gegen den Oberbürgermeister der Stadt F
mit dem Az: S 2 (27) SO 58/05 ist zu dem Verfahren beigezogen worden. Der Inhalt
sämtlicher Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Kammer versteht das Klagebegehren so, dass die Klägerin von der Beklagten
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Vergangenheit in der Zeit vom
01.01.2005 bis zum 30.09.2005 und eine Entscheidung über die Verpflichtung der
Beklagten zur Leistung in der Zukunft begehrt.
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Der erste Teil dieses Begehrens ist als kombinierte Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage unproblematisch zulässig.
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Was den Zeitraum ab dem kommenden Sommersemester 2006 angeht, hält die
Kammer die Klage ausnahmsweise als vorbeugende Feststellungsklage für das
zulässig (zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer vorbeugenden
Feststellungsklage vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, § 55 Rz.
8a m.w.N.). Denn es ist zu erwarten, dass nach Beendigung der Beurlaubung, die
derzeit allein auf dem Umstand der zweiten Schwangerschaft und der kommenden
Entbindung beruht, im nächsten Semester dieselbe Streitfrage zwischen den Beteiligten
relevant werden wird. Es ist nach Auffassung der Kammer nicht zumutbar, die Klägerin
diesbezüglich auf die Anstrengung eines erneuten Verwaltungsverfahrens zu
verweisen. Ein Bedürfnis für die begehrte Feststellung ist damit gegeben.
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Die Klage ist aber unbegründet.
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Der Bescheid vom 26.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
06.06.2005 ist rechtmäßig und die Klägerin deswegen nicht beschwert im Sinne von §
54 Abs 2. Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
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Sie hat keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten
über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 19
Satz 1 Nr. 1 SGB II. Sie gehört nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II grundsätzlich nicht zu dem
Kreis der Berechtigten, die die genannte Leistung in Anspruch nehmen können, da sie
sich – wenn auch beurlaubt – derzeit in einem dem Grunde nach im Rahmen des
BAföG-förderungsfähigen Studiengang befindet. Dies ist zwischen den Beteiligten auch
unstreitig.
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Eine Ausnahme von dem generellen Ausschluss aus dem Kreis der Berechtigten kommt
nur dann in Betracht, wenn die Nichtgewährung der Leistungen an den Berechtigten
eine besondere Härte darstellen würde (vgl. § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II). Die
tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Vorschrift sind identisch mit der
Vorgängerregelung im Sozialhilferecht (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in diesem Zusammenhang Grundsätze
aufgestellt, nach denen der unbestimmte Rechtsbegriff der "besonderen Härte"
ausgefüllt werden kann (vgl. Urteil des BSHG vom 14.10.1993. Az: 5 C 16/91) Danach
ist der Inhalt des Begriffs der "besonderen Härte" aus einer Gegenüberstellung zu der
Regelvorschrift, dh dem grundsätzlich vorgesehenen Leistungsausschluss zu
bestimmen. Eine besondere Härte bestehe deshalb nur, wenn die Folgen des
Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der
Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden und vom
Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist. Hilfebedürftige, die eine Ausbildung der in
§ 26 Abs 1 Satz 1 BSHG (jetzt: § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II bzw. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB
XII) genannten Art betreiben und nach den dafür vorgesehenen Leistungsgesetzen nicht
(mehr) gefördert werden, sind in der Regel gehalten, von der Ausbildung ganz oder
vorübergehend Abstand zu nehmen, um für die Dauer der Hilfebedürftigkeit den
Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden. Dies mag als hart
empfunden werden, ist nach der Auffassung des BVerwG aber als vom Gesetzgeber
gewollte Folge eines mehrstufigen Sozialleistungssystems grundsätzlich hinzunehmen.
Ein "besonderer Härtefall" im Sinne des Gesetzes liegt erst dann vor, wenn im Einzelfall
Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe
zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von
den finanziellen Lasten der Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, dh
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als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig, erscheinen lassen.
Diese Kriterien, die die Beklagte im Rahmen ihrer Verwaltungsentscheidung zugrunde
gelegt hat, sind nach Auffassung der Kammer auf die hier entscheidungserhebliche
Vorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II übertragbar. Die an der genannten
Rechtsprechung des BVerwG geäußerte Kritik in Rechtsprechung und Literatur (vgl.
Brühl in: LPK-BSHG 6. Auflage 2003, § 20 Rz. 24 ff m.w.N. bzw. Hauck/Noftz-Valgolio,
SGB II § 7 Rz. 38 f), wonach die Rechtsprechung zur Ausfüllung des Begriffs der
besonderen Härte zu unbestimmt sei und deswegen konkrete Fallgruppen gebildet
werden müssten, bei denen eine besondere Härte im Sinne des Gesetzes anzunehmen
sei, teilt die Kammer im Ergebnis nicht. Die Problematik der Anwendung eines
unbestimmten Rechtsbegriffs besteht immer darin, dass dieser bezogen auf den
jeweiligen Einzelfall konkretisiert werden muss. Hierbei hilft letztlich auch die Bildung
von Fallgruppen nicht weiter, weil dadurch auch keine abstrakt eindeutigen oder
allgemeingültigen Voraussetzungen formuliert werden und jedenfalls bezogen auf die
Fallgruppen weiter zu entscheiden ist, ob der jeweilige Einzelfall von der Fallgruppe
erfasst wird oder nicht. Das Problem der wertenden Betrachtung anhand der Umstände
des Einzelfalles wird damit nicht gelöst.
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Eine besondere Härte kann zu Gunsten der Klägerin deswegen nur angenommen
werden, wenn Umstände vorliegen, die einen Ausschluss der Klägerin aus dem Kreis
der zum Bezug von Alg II Berechtigten als unzumutbar erscheinen lassen. Solche
Gründe sind für die Kammer jedoch weder für den vergangenen Zeitraum vom
01.01.2005 bis zum 30.09.2005 noch für die Zukunft erkennbar.
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Das von dem BVerwG in seinem Urteil als Hauptkriterium genannte Argument der
gesetzgeberischen Trennung der Leistungen zur Förderung von Ausbildungen nach
dem BAföG bzw. dem SGB III von der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts ist nach
Auffassung der Kammer sachgerecht und schwer wiegend. Ihm muss entgegen der
Rechtsauffassung der Klägerin maßgebende Bedeutung bei der Beurteilung der Frage
zukommen, ob eine besondere Härte für die Klägerin vorliegt oder nicht. Der
Gesetzgeber hat die Sozialleistungen zur Förderung der Ausbildung abschließend im
BAföG geregelt. Es würde daher im Ergebnis eine Umgehung dieser gesetzgeberischen
Entscheidung darstellen, wenn allgemeine Sozialhilfeleistungen wie die
Grundsicherung für Arbeitssuchende (sei es auch nur von dem wirtschaftlichen Ergebnis
her) zur finanziellen Förderung von Ausbildung genutzt würden. Das Argument der
Klägerin, sie würde ihre freie Zeit mit einem auf einen Abschluss gerichteten Studium
sinnvoller Verbringen, als andere Personen, die Alg-II-berechtigt seien, ist zwar
nachvollziehbar. Muss aber grundsätzlich aus den vorgenannten systematischen
Erwägungen heraus unbeachtet bleiben, soweit nicht andere Umstände des Falles eine
Unzumutbarkeit des Leistungsausschlusses begründen.
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Solche Umstände sind jedoch nicht erkennbar. Wie die Klägerin selbst vorgetragen hat,
ist es ihr mit Unterstützung ihres Lebenspartners gelungen, in der Vergangenheit seit
Oktober 2004 auch ohne finanzielle Zuwendungen des Oberbürgermeisters der Stadt F
bzw. der Beklagten ihr Studium, wenn auch unter großen Anstrengungen, weiter
fortzuführen und insoweit bereits das Studium abzuschließen, was die Nebenfächer
angeht. Der Verweis der Beklagten auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des
Lebensgefährten der Klägerin bzw. eine weitere Unterstützung durch den Lebenspartner
im häuslichen Bereich erscheint dem Gericht nicht unzumutbar. Der Einwand der
Klägerin, dass ihr Lebenspartner eine feste Anstellung als Lehrer nicht finde, reicht für
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die Begründung einer besonderen Härte nicht aus. Zur Ermöglichung der Beendigung
des Studiums der Klägerin ist es beispielsweise auch zumutbar, dass der Lebenspartner
der Klägerin in größerem Umfang Tätigkeiten ausübt, die seinem Studienabschluss
nicht entsprechen. Darüber hinaus spricht auch nichts dagegen, dass der Lebenspartner
die Klägerin unter Aufgabe seiner Honorartätigkeiten im häuslichen Bereich und damit
vollständig unterstützt. Damit wäre die Klägerin nicht wesentlich anders gestellt, als
Studierende, die beispielsweise nach Ablauf der Förderungshöchstdauer alleine neben
dem Studium für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen.
Auch unter dem Gesichtspunkt des Auslaufens des Magisterstudienganges an der
Universität C kann jedenfalls derzeit nicht von einer besonderen Härte im Sinne des
Gesetzes ausgegangen werden. Denn die Klägerin hätte, wenn sie ihr Studium im
Sommersemester 2006 wieder aufnehmen würde, noch insgesamt vier Semester Zeit,
um ihr Studium ordnungsgemäß abzuschließen. Dies entspricht fast der Hälfte der
Regelstudienzeit. Außerdem muss sie nach ihren Angaben für den Abschluss des
Studiums nur noch die Magisterarbeit anfertigen und eine mündliche Prüfung ablegen.
Universitäre Lehrveranstaltungen muss sie nicht mehr besuchen. Da es sich bei den zu
erbringenden Prüfungsleistungen um Aktivitäten handelt, die von ihrer Vorbereitung und
zeitlichen Gestaltung her gut gesteuert und entzerrt werden können, ist kein Grund
ersichtlich, weswegen diese Leistungen nicht noch im Rahmen der hierfür zur
Verfügung stehenden verhältnismäßig langen Zeit von über vier Semestern erbracht
werden könnten. Es erscheint auch nicht unwahrscheinlich, dass Prüfungen in
Ausnahmefällen, in denen es wie bei der Klägerin nur noch um den formalen Abschluss
des Studiums geht, noch nach dem Wintersemester 2007/2008 abgenommen werden
können, da das Fach Musikwissenschaften als Solches an der Universität C weiter
gelehrt wird.
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Die Kammer ist sich im Klaren, dass die Entscheidung nicht nur für die Klägerin,
sondern auch für ihren Lebenspartner und die beiden Kinder eine nicht unerhebliche
Belastung darstellt und dies die persönliche Lebebensführung in nicht unerheblichem
Maße beeinträchtigt. Für unzumutbar hält die Kammer die Belastung für die betroffenen
Personen jedoch nicht. Dies gilt insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass die in der
Rechtsprechung häufiger kontrovers diskutierten Entscheidungen Fälle betrafen, in
denen es um den Leistungsausschluss für alleinerziehende Studierende ging
(bejahend: BVerwG a.a.O. m.w.N., VGH Mannheim Urteil vom 03.06.1994, Az.: 6 S
1282/94; verneinend: OVG Lüneburg Urteil vom 26.06.2002, Az. 4 LB 35/02 m.w.N.,
OVG Saarlouis Urteil FEVS 53, 326).
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Abschließend ist darauf hinzuweisen, das nach der gesetzlichen Formulierung des § 7
Abs. 5 Satz 2 SGB II auf der Rechtsfolgenseite die Leistung nicht nur im Ermessen der
Beklagten steht (vgl. Hauck/Noftz-Valgolio a.a.O m.w.N), sondern die Leistungen an die
Klägerin (anders als nach § 26 Abs 1 S 2 BSHG) zwingend ohnehin nur noch als
Darlehen erbracht werden können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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