Urteil des SozG Duisburg vom 29.01.2008

SozG Duisburg: diabetes mellitus, ernährung, erlass, hypertonie, hauptsache, lebensmittel, senkung, verfügung, fürsorge, gefahr

Sozialgericht Duisburg, S 10 AS 153/07 ER
Datum:
29.01.2008
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 10 AS 153/07 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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I. Im Streit ist die Gewährung höherer Leistungen unter Anerkennung eines Mehrbedarfs
wegen krankheitsbedingter kostenaufwendiger Ernährung.
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Die am 07.07.1953 geborene Antragstellerin erhält seit Januar 2005 Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung.
Aufgrund einer ärztlichen Bescheinigung des praktischen Arztes ter Haar vom 16.09.
2004, nach der die Antragstellerin an einer Hypertonie, einem Diabetes mellitus Typ II b,
einer kardialen Dreigefäßerkrankung und einer Hyperlipidämie leidet, wurde bei der
Antragstellerin ab Januar 2005 ein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung i.H.v.
monatlich 35,79 Euro anerkannt und entsprechend höhere Leistungen gezahlt.
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Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 02.03.2007 wurde der Antragstellerin mitgeteilt,
dass die Gewährung des Mehrbedarfs für Ernährung erneut geprüft werden müsse.
Gleichzeitig wurden mit Bescheid vom 02.03.2007 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007 i.H.v. 635,- Euro
monatlich bewilligt, die sich aus der Regelleistung i.H.v. 345,- Euro und Leistungen für
Unterkunft und Heizung i.H.v. 290,- Euro zusammensetzten und keinen Mehrbedarf für
kostenaufwendige Ernährung berücksichtigten.
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Die Antragsgegnerin holte eine gutachterliche Stellungnahme der Internistin Frau F.
vom Gesundheitsamt der Stadt D. ein, die zu dem Ergebnis kam, dass bei den
Erkrankungen der Antragstellerin das konsequente Einhalten einer Reduktionskost
erforderlich sei, wobei diese Kostform nicht mit einem erhöhten finanziellen Aufwand
einhergehe und keinen Mehrbedarf begründe. Es bedürfe vielmehr einer
ausgewogenen kalorienreduzierten Mischkost, die reich an Ost, Gemüse und
Ballaststoffen sein solle, mit moderatem Fleischkonsum und regelmäßiger Aufnahme
von Seefisch verbunden sein solle und bei der pflanzliche Fette gegenüber tierischen
Fetten zu bevorzugen seien. Darüber hinaus sollten über den Tag verteilt mehrere
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kleine Mahlzeiten aufgenommen werden. Auf der Grundlage dieser ärztlichen
Beurteilung lehnte die Antragsgegnerin die Anerkennung eines Mehrbedarfs für
kostenaufwendige Ernährung mit Bescheid vom 14.05.2007 ab.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin im Rahmen einer persönlichen
Vorsprache vom 23.05.2007 Widerspruch und legte einen Bescheid des
Versorgungsamtes Duisburg vor, mit dem ein GdB von 80 und das Merkzeichen "G"
anerkannt wurde. Sie wies darauf hin, dass sie insbesondere wegen eines Diabetes
mellitus und einer Fettstoffwechselstörung eine lipidsenkende Kost benötige, die sehr
kostenaufwendig sei. Die Antragstellerin legte eine ärztliche Bescheinigung des
behandelnden Arztes ter Haar vom 12.06.2007 vor, nach der bei ihr eine koronare
Dreigefäßerkrankung, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, ein Zustand nach
Stenteinlage im Bereich der linken Halsschlagader wegen Stenose bei
Fettstoffwechselstörung und ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus bestehe. In der
Bescheinigung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin auf eine
kohlenhydratreduzierte und fettarme Kost dringend angewiesen sei, um ein weiteres
Fortschreiten ihrer generalisierten Gefäßerkrankung zu verhindern. Ein Mehraufwand für
eine kostenaufwendige Ernährung sei sicherlich nicht gegeben.
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Darauf hin holte die Antragsgegnerin eine weitere gutachterliche Stellungnahme der
Internistin F. vom 02.07.2007 ein, in der festgestellt wurde, dass sich weder aus den im
Bescheid des Versorgungsamtes D. aufgeführten Erkrankungen noch aufgrund der vom
behandelnden Arzt mitgeteilten Gesundheitsstörungen ein medizinisch zu
begründender Mehrbedarf ergebe. Angesichts der vorliegenden Risikokonstellation für
das Fortschreiten der Gefäßerkrankungen bei Vorliegen eines Diabetes mellitus, eines
Bluthochdrucks, einer Fettstoffwechselstörung und des Übergewichts sei vor allem eine
Gewichtsreduktion medizinisch erforderlich, was auch vom behandelnden Arzt bestätigt
werde. Insoweit sei das konsequente Einhalten einer Reduktionskost notwendig, die in
einer ausgewogenen kalorienreduzierten Mischkost bestehen müsse und nicht mit
erhöhten Kosten einhergehe, so dass sich ein Mehrbedarf für kostenaufwendige
Ernährung medizinischerseits nicht begründen lasse.
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Mit Bescheid vom 11.07.2007 wurde der Widerspruch der Antragstellerin
zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Gewährung eines
Mehrbedarfs voraussetze, dass die erforderliche Kost gegenüber einer normalen
Ernährungsweise auch tatsächlich teurer sei. Bei der Ermittlung der krankheitsbedingten
Mehraufwendungen orientiere sich die Antragsgegnerin an dem Begutachtungsleitfaden
des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe sowie den Ernährungsempfehlungen des
Deutschen-Diabetes-Forschungsinstitutes an der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf. Nach übereinstimmender Auffassung von Diabetologen und auch des
Deutschen-Diabetes-For- schungsinstitutes in Düsseldorf sei bei einer
Diabeteserkrankung nicht die Aufnahme kostenintensiver Diabetiker- und Diätprodukte
erforderlich, sondern eine ausgewogene Mischkost, die mit keinem erhöhten
finanziellen Aufwand einhergehe. Auch hinsichtlich der Gefäßerkrankungen der
Antragstellerin, der Bluthochdruckerkrankung und der Fettstoffwechselstörung sei ein
Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung nicht zu begründen, weil insoweit eine
Gewichtsabnahme und damit das Einhalten einer Reduktionskost im Sinne einer
kalorienreduzierten ausgewogenen Mischkost notwendig sei, die keine erhöhten
finanziellen Aufwendungen verursache. Soweit in der Vergangenheit irrtümlich ein
Mehrbedarf gewährt worden sei, könne dies nicht dazu führen, auch in Zukunft
entsprechende Leistungen zu bewilligen.
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Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 08.08.2007 Klage erhoben, die beim
Sozialgericht Duisburg unter dem Aktenzeichen S 3 (10) AS 154/07 anhängig ist.
Gleichzeitig hat sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, in
deren Rahmen sie die vorläufige Gewährung eines Mehrbedarfs in Höhe der bisher
gezahlten 35,79 Euro monatlich geltend macht. Sie ist der Auffassung, dass sie sich
ohne zusätzliche Gewährung von Leistungen für kostenaufwendige Ernährung nicht
adäquat ernähren könne und an Gewicht zunehmen würde, so dass die Gefahr eines
Schlaganfalls bzw. eines Herzinfarktes drohe.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
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die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr ab dem 08.08.2007 bis zum Abschluss des
Klageverfahrens höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für
kostenaufwendige Ernährung in Höhe von 35,79 Euro monatlich zu gewähren.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie ist weiterhin der Ansicht, die aus medizinischen Gründen erforderliche
Reduktionskost erfordere keine höheren Aufwendungen für die Ernährung.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen
Inhalt der Gerichtsakte und der die Antragstellerin betreffende Verwaltungsakte der
Antragsgegnerin Bezug genommen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
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II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber nicht begründet.
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Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der
Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für
den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist das Bestehen eines
Entschädigungsanspruch, d.h. des materiell-rechtlichen Leistungsanspruches, sowie
das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. der Eilbedürftigkeit der Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile und die damit verbundene Unzumutbarkeit, die
Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
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Dabei ist zu berücksichtigen, das Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht
isoliert nebeneinander stehen, sondern dass eine Wechselwirkung derart besteht, dass
die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw.
Schwere des drohenden Nachteiles (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und
umgekehrt. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet,
ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund
grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die
Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die
Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung statt zugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich
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auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des
Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und
Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu
entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin
umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 Az 1 BvR
569/05). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86
Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag der Antragstellerin auf vorläufige
Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für
aufwendige Ernährung nicht zu entsprechen, da ein Anordnungsanspruch nicht
glaubhaft gemacht ist.
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Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen
Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen, eine Mehrbedarf in
angemessener Höhe. Dabei hat der Gesetzgeber in § 21 Abs. 5 SGB II keine Maßstäbe
dafür aufgenommen, in welchen Fällen eine kostenaufwendige Ernährung durch die
Bewilligung eines Mehrbedarfes auszugleichen ist, bzw. welche Entscheidungskriterien
heranzuziehen sind. Der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 5 SGB II ist jedoch zu
entnehmen, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei Bestimmung der
Angemessenheit des Mehrbedarfes die hierzu vom Deutschen Verein für öffentliche und
soziale Fürsorge entwickelten und an typisierten Fallgestaltungen ausgerichteten
Empfehlungen herangezogen werden können (vgl. BT-Drucksache 15/1516 Seite 57).
Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
(veröffentlicht in: Kleine Schriften des Deutschen Vereins 2. Aufl. 1997 "Empfehlungen
für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe") sind eine geeignete
Entscheidungsgrundlage, da die Erarbeitung dieser Empfehlungen geprägt ist von
einem Zusammenwirken von Wissenschaftlern aus den betroffenen Fachgebieten der
Medizin und der Ernährungswissenschaften (LSG NRW vom 22.03.2007 Az L12 AS
8/06; Hessisches LSG vom 21.08.2007 Az L 6AS 97/07; OVG NRW vom 28.09.2001 Az
16 A 5644/99). Auch nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist
ein Abweichen von den Empfehlungen des Deutschen Vereins jedenfalls
begründungsbedürftig und setzt entsprechende Fachkompetenz voraus (BVerfG v.
20.06.2006 Az 1 BvR 2673/05).
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Ein Anspruch der Antragstellerin auf krankheitsbedingten Mehrbedarf kann nicht aus
den Empfehlungen des Deutschen Vereines hergeleitet werden. Hinsichtlich des
ärztlich bescheinigten Diabetes mellitus Typ II b ergibt sich aus den im Jahre 1997
neugefassten Empfehlungen, dass bei Übergewicht des Kranken bzw. bei Diabetes
mellitus Typ II b ernährungsbedingte Mehrkosten nicht entstehen, da im Gegenteil bei
einer angenommenen Energiezufuhr von 1000 Kcal täglich ein Differenzbetrag von 47,-
DM monatlich des im Regelsatz enthaltenen Ernährungsanteiles nicht in Anspruch
genommen werden muss (vgl. Empfehlungen des Deutschen Vereins Tabelle Seite 36
aaO). Danach haben die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der Einsicht geführt, dass
der früher praktizierte und kostenintensive Eiweißanteil in der Diabetesdiät nicht mehr
empfehlenswert sei, zumal er die Gefahr von Nierenschäden mit sich bringe. Die früher
vertretene, immer noch weit verbreitete und einseitige Einschränkung der
Kohlehydratzufuhr in der Diabetesdiät werde heute als unberechtigt angesehen (vgl.
OVG NRW vom 28.09.01 Az 16 A 5644/99 mwN). Somit ist bei einer Erkrankung an
Diabetes mellitus Typ II b eine kontinuierliche und anhaltende Gewichtsreduktion
geboten, die durch eine Reduktionskost erreicht und ohne Mehraufwendungen
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durchgeführt werden kann (LSG NRW vom 22.03.2007 - Az. L 12 AS 8/06; SG Duisburg
Urteil vom 24.01.2007 - Az. S 7 (17) AS 250/ 05; SG Berlin Urteil vom 18.10.2005 - Az. S
63 AS 1011/05; OVG NRW vom 28.09.2001 - Az. 16 A 5644/99).
Soweit die Antragstellerin nach den ärztlichen Bescheinigungen des behandelnden
Arztes t. H. darüber hinaus an einer koronaren Dreigefäßerkrankung, einer peripheren
arteriellen Verschlusskrankheit, einer Hypertonie und einem Zustand nach
Stentimplantation im Bereich der linken Halsschlagader leidet, ergibt sich aus den
Empfehlungen des Deutschen Vereines ebenfalls kein Mehrbedarf für eine
kostenaufwendige Ernährung. Danach gehören zwar bei den Herz-Kreislaufkrankheiten,
insbesondere bei der Hypertonie und der Ateriosklerose einschließlich der koronaren
Herzkrankheit ernährungsmedizinische Maßnahmen zu den wichtigen Bausteinen im
Gesamttherapiekonzept (Empfehlungen Seite 102 aaO). Die im einzelnen empfohlenen
Ernährungsprinzipien sind jedoch durch die Verwendung geeigneter Lebensmittel aus
dem üblicherweise zur Verfügung stehenden Nahrungsangebot einzuhalten. Eine
Verteuerung der ernährungsbedingten Lebenshaltungskosten ist mit einer bewussten,
den Empfehlungen entsprechenden Lebensmittelauswahl nicht verbunden, sondern es
tritt eher eine Reduzierung dieser Kosten ein (Empfehlungen Seite 103 aaO). Danach
besteht als wichtigstes Prinzip zur Senkung von Übergewicht, dass einen wesentlichen
Risikofaktor für Herz- und Kreislaufkrankheiten darstellt, eine ausgewogene Ernährung
mit reduzierter Energieaufnahme. Dies bedeutet praktisch neben einer geringeren
Fettaufnahme auch insgesamt geringere Verzehrsmengen. Ein Ausweichen auf
industriell hergestellte kalorien- bzw. fettreduzierte (in der Regel teurere) Lebensmittel
ist danach nicht notwendig. Vielmehr führen alle aufgeführten Möglichkeiten zu einer
Senkung der Lebensmittelkosten. Mit einer Verteuerung der Ernährungskosten sei somit
bei der Mehrzahl der kardiovaskulären Krankheiten nicht zu rechnen (Empfehlungen
Seite 104 aaO).
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Somit ergibt sich aus der koronaren Herzkrankheit, der arteriellen Verschlusskrankheit
und der Hypertonie der Antragstellerin kein ernährungsbedingter Mehrbedarf. Etwas
anderes kann nach den Empfehlungen nur bei sehr fortgeschrittenen
Krankheitszuständen gelten, z.B. bei einer dekompensierten Herzinsuffizienz sowie bei
selteneren kardiovaskulären Krankheiten wie angeborenen Herzfehlern (Empfehlungen
Seite 104 aaO). Aus den ärztlichen Bescheinigungen des Hausarztes ergeben sich
jedoch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen entsprechender Komplikationen,
insbesondere keine Hinweise auf kardiale oder renale Ödeme, wie sie in den
Empfehlungen des Deutschen Vereins genannt werden (Empfehlungen Seite 104 aaO).
Somit ist ein entsprechender ernährungsbedingter Mehrbedarf der Antragstellerin weder
wegen der Hypertonie noch wegen der Herzkrankheit und der arteriellen
Verschlusskrankheit glaubhaft gemacht (vgl. zu diesen Krankheitsbildern ebenso:
Hessisches LSG vom 21.08.2007 - Az. L 6 AS 97/07; LSG NRW vom 21.03.2006 - Az. L
20 B 58/05 SO ER).
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Schließlich ist ein krankheitsbedingter Mehrbedarf auch nicht aus einer
Fettstoffwechselstörung herzuleiten, die in der ärztlichen Bescheinigung des Hausarztes
vom 12.06. 2007 aufgeführt ist. Eine entsprechende Erkrankung ist im Bescheid des
Versorgungsamtes Duisburg nicht erwähnt. In der früheren Bescheinigung des
Hausarztes vom 16.04.2004 wird die Fettstoffwechselstörung dahingehend konkretisiert,
dass eine Hyperlipidämie genannt wird. Auch unter Zugrundelegung einer aktuell noch
bestehenden Hyperlipidämie ist es nicht wahrscheinlich, dass insoweit die Einhaltung
einer diesbe-züglichen krankheitsangemessenen Kostform zu Mehrkosten bei der
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Ernährung führt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Empfehlungen des Deutschen
Vereins einerseits Regelwerte für eine lipidsenkende Kost vorsehen (Empfehlungen
Tabelle Seite 36 aaO), andererseits jedoch in den Erläuterungen zu den Herz-
Kreislaufkrankheiten ausgeführt wird, dass die einzuhaltenden Ernährungsprinzipien
durch die Verwendung geeigneter Lebensmittel aus dem üblicherweise zur Verfügung
stehenden Nahrungsan-gebot einzuhalten seien und die Möglichkeiten einer
ausgewogenen Ernährung mit reduzierter Energieaufnahme zu einer Senkung der
Lebensmittelkosten führen (Empfehlungen Seite 103 aaO). Nach Ermittlungen des
Landessozialgerichtes NRW liegen zudem neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vor,
wonach insbesondere bei der Erkrankung der Hyperlipidämie eine Reduktionskost in
Form einer kalorienreduzierten ausgewogenen Mischkost unter Erhöhung der Anteile an
Kohlehydraten und Ballaststoffen zu empfehlen sei, die nicht zu einem erhöhten
Kostenaufwand führen (vgl. LSG NRW vom 20.01.2006 - Az L 20 (9) B 34/05 SO ER
mwN). Danach seien die wesentlichen Kriterien für die Lebensmittelauswahl eine
Reduktion der Gesamtfettmenge, die Bevorzugung hochwertiger pflanzlicher Fette,
Cholesterinarmut, die Auswahl komplexer Kohlenhydrate (wenig Mono- und
Disaccharide) sowie die Vermeidung von Alkohol. Nach diesen neueren
wissenschaftlichen Erkenntnissen entsteht im Rahmen einer entsprechenden
Ernährung kein erhöhter Kostenaufwand. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse und
unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins
auch im Hinblick auf diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Zeit überarbeitet
werden, kann es nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, dass eine
Hyperlipidämie eine Ernährungsweise bedingt, die zu einem Mehrbedarf im Sinne des §
21 Abs. 5 SGB II führt (LSG NRW vom 20.01.2006 Az L 20 (9) B 34/05 SO ER; LSG
NRW vom 21.03.2006 Az L 20 B 58/05 SO ER; LSG NRW vom 20.12.2006 Az L 20 B
286/06 AS ER; LSG NRW vom 29.05.2007 Az L 20 B 28/07 SO ER).
Somit ist unter Zugrundelegung aller geltend gemachten Erkrankungen der
Antragstellerin ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Da ein
Anordnungsanspruch nicht gegeben ist, ist es der Antragstellerin zuzumuten, die
endgültige Klärung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, wobei insbesondere die
Neufassung der Empfehlungen des Deutschen Vereins auf der Grundlage eines
aktuellen Gutachtens der Deutschen Gesellschaft für Ernährung heranzuziehen und
auszuwerten sein wird. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass substantiierte
Darlegungen der Antragstellerin zu einem konkreten, ihr entstehenden
Kostenmehraufwand für die geltend gemachte krankheitsbedingte Ernährung nicht
erfolgt sind (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: LSG NRW vom 08.11.2006 - Az. L 19 B
83/06 AS ER).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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