Urteil des SozG Duisburg vom 18.10.2006

SozG Duisburg: körperliche unversehrtheit, chemotherapie, behandlung, krankenversicherung, krankheit, hauptsache, tumor, erlass, einwirkung, versorgung

Sozialgericht Duisburg, S 11 KR 134/06 ER
Datum:
18.10.2006
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 11 KR 134/06 ER
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung
verpflichtet, für den Antragsteller vorläufig, längstens bis zum Abschluss
des Hauptsacheverfahrens die Kosten für die
Hyperthermiebehandlungen zu übernehmen. Die Antragsgegnerin hat
dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Gründe:
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I. Der 1957 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Bei
ihm wurde Mitte Mai 2005 ein Gehirntumor (Glioblastom) festgestellt. Der Tumor wurde
operativ entfernt. Danach erfolgte eine Chemotherapie und Strahlenbehandlung.
Dennoch wurde am 01.09.2005 ein Tumorrezidiv festgestellt. Der Antragsteller begab
sich daraufhin im Oktober 2005 in eine Tiefen-Hyperthermiebehandlung in das
Grönemeyer-Institut Bochum.
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Im Dezember 2005 stellte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf
Erstattung der Kosten für die im Grönemeyer-Institut durchgeführte Behandlung mit der
Begründung, ein Stillstand des Tumorwachstums sei erreicht worden, damit ein Erfolg
dieser Behandlung. Der von der Antragsgegnerin mit einer Begutachtung beauftragte
sozialmedizinische Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MdK) wies darauf hin,
beim Antragsteller sei nach Feststellung des Rezidivs eine chemotherapeutische
Behandlung durchgeführt worden. Zusätzlich sei im Grönemeyer-Institut eine
Hyperthermiebehandlung erfolgt. Dabei sei die Tumorregion für etwa 60 Sekunden auf
eine Temperatur von 42° erhitzt worden. Ein Wachstum des Tumors sei nicht
festzustellen. Das Rezidiv bestehe jedoch weiterhin. Bei der Tiefen-Hyperthermie
handele es sich um ein neues Verfahren im Sinne des § 135 SGB V, dass im Rahmen
einer entsprechenden Überprüfung durch den Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen negativ zu bewerten war. Die verschiedenen Hyperthermieverfahren
befänden sich unter der Nr. 42 in der Anlage B der BUB-Richtlinien und gehörten damit
zu den Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen
erbracht werden dürften. Die Entscheidungen des Bundesausschusses seien
verbindlich für alle Beteiligten. Vom Bundesausschuss negativ beurteilte Verfahren
könnten daher grundsätzlich nicht in die Leistungspflicht der GKV fallen. Hinzuzufügen
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sei, dass unter Berücksichtigung des vorliegenden Berichts vom 28.11.2005 aus der
Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Essen im Rahmen
einer MRT-Untersuchung zunächst lediglich der Verdacht auf ein mögliches
Tumorrezidiv bestanden habe. Sofern überhaupt von einer spezifischen Wirkung der
laufenden Tumortherapie auszugehen sei, sei dieser am ehesten auf die seit Monaten
stattfindende Chemotherapie mit Themodal zurückzuführen, welche dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse aufgrund des Nachweises der
Wirksamkeit in aussagefähigen Studien entspreche. Für die Tiefen-Hyperthermie fehle
hingegen ein entsprechender genereller Wirksamkeitsnachweis, und auch im
vorliegenden Fall könne von einem Nachweis der Wirksamkeit nicht ausgegangen
werden, da der aktuell günstige Verlauf überhaupt der Chemotherapie zuzuschreiben
sei.
Mit Bescheid vom 19.01.2006 erging ein ablehnender Bescheid der Antragsgegnerin.
Sie führte aus: Ein Versicherter, der sich eine in den Richtlinien ausgeschlossene
Behandlung auf eigene Rechnung beschaffe, könne nicht einwenden, die Methode sei
zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen. Der gemeinsame
Bundesausschuss habe das Verfahren negativ bewertet. Die verschiedenen
Hyperthermieverfahren befänden sich jetzt unter der Nr. 42 in der Anlage b der BUB-
Richtlinien und gehörten damit zu den Methoden, die nicht als vertragsärztliche
Leistungen der Krankenkassen erbracht werden dürften. Eine Leistungspflicht der
gesetzlichen Krankenversicherung scheide daher aus. Unter Berücksichtigung
sämtlicher Umstände, tatsächlicher wie rechtlicher Art, bestehe keine Möglichkeit, die
Kosten der beantragten Therapie zu übernehmen. Als Alternative sei eine konsequente
Weiterführung der Tumortherapie angezeigt. Den hiergegen binnen Monatsfrist
erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom
18.04.2006 zurück.
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Der Antragsteller hat hiergegen am 11.05.2006 vor dem Sozialgericht Duisburg Klage
erhoben (S 11 KR 84/06).
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Am 19.07.2006 hat er zudem beim Sozialgericht Duisburg den Erlass einer
einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung führt er aus: Die bei dem
Antragsteller durchgeführte Therapie bestehe aus einer Kombination zwischen
Chemotherapie und Tiefen-Hyperthermiebehandlung stelle eine neue, noch nicht
anerkannte Behandlungsmethode dar, die allerdings bei ihm wirksam sei und
tatsächlich Besserung zeige. Die reine Chemotherapie sei, wie die vorliegenden
Befunde belegten, allein nicht ausreichend. Dies zeige sich bereits daran, dass in der
Pause, in der keine Tiefen-Hyperthermiebehandlung durchgeführt worden sei und allein
die Chemotherapie eingesetzt wurde, der Tumor gewachsen sei. Nach
Wiederaufnahme der Kombinationstherapie seien die Symptome wiederrum rückläufig.
Das Bundesverfassungsgericht habe im Beschluss vom 06.12.2005 entschieden, dass
es mit den Grundrechten nicht vereinbar sei, einen gesetzlich Krankenversicherten, für
dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein
anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur
Verfügung stehe, von einer ärztlich angewandten Behandlungsmethode
auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf
eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Voraussetzung
müsse sein, dass eine schulmedizinische Behandlungsmethode nicht bestehe; die
Chemotherapie alleine reiche jedoch eben nicht aus.
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Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis
zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Kosten für die vom Antragsteller
in Anspruch zu nehmende Tiefen-Hyperthermiebehandlung in Höhe von 145,14 Euro je
Sitzung zuzüglich 60,00 Euro für eine zu erstellende Anamnese je Sitzung zu
übernehmen.
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Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, der begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung scheitere bereits am
Vorliegen eines Anordnungsanspruchs. In der Hauptsache bestehe keine
überwiegende Aussicht auf Erfolg. Der Bundesausschuss habe im Januar 2005
entschieden, dass hinsichtlich der Hyperthermieverfahren bei keinem der überprüften
onkologischen Indikationen nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse der Nutzen, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich zu
bereits zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Methoden
nachgewiesen wurde. Die bestehende Vielfalt von Hyperthermieverfahren befinde sich
immer noch im Stadium der Forschung und Entwicklung. Aus diesem Grund sei
beschlossen worden, diese Therapiemethode in die Anlage B der Richtlinien
aufzunehmen. Die Methode dürfe daher nicht in der kassen- bzw vertragsärztlichen
Versorgung angewendet werden. Eine Kostenbeteiligung scheide daher aus. Soweit
Zweifel am Erfolg der durchgeführten Chemotherapiebehandlung beständen, und von
der Gegenseite der Behandlungserfolg der streitgegenständliche Leistung
zugesprochen werde, werde dies bestritten. Bei der in Anspruch genommenen
schulmedizinischen Methode handele es sich um eine allgemein anerkannte, dem
Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode, deren
Wirksamkeit durch aussagefähige Studien nachgewiesen werde. Aussagefähige
Studien bzgl eines Wirksamkeitsnachweises seien nicht vorgelegt worden. Auch ein
Anordnungsgrund sei nicht geltend gemacht worden. Es sei nicht nachvollziehbar,
warum der Antragsteller, der die Kosten bisher selbst getragen habe, diese nunmehr
nicht weiter tragen könne.
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Das Gericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten des Antragstellers
eingeholt. Der Onkologe Dr. V. wies darauf hin, dass nach Durchführung von vier der
sechs geplanten Chemotherapiekurse kein Patientenkontakt mehr stattgefunden habe.
Eine Abschlussuntersuchung zur Bewertung des Therapieergebnisses habe ebenfalls
nicht stattgefunden. Mit der Tiefen-Hyperthermiebehandlung habe er keine Erfahrungen
und er könne daher zu diesem Therapieverfahren auch keine Stellung beziehen. Dr. H.
wies darauf hin, dass es nach Zustand der durchgeführten Chemotherapie zu gehäuften
Fokalanfällen gekommen sei, die in kleinerer Form zum Teil täglich, in größerem
Ausmaß ein- bis zweimal wöchentlich aufgetreten seien. Die Tiefen-
Hyperthermiebehandlung habe eine Verbesserung des Zustandes erbracht und sei aus
ärztlicher Sicht indiziert, da der Kläger an einer Erkrankung leide, die schulmedizinisch
bisher nicht heilbar sei. Überreicht wurde auch eine Bescheinigung des Grönemeyer-
Instituts von März 2006. Danach wurde beim Antragsteller von Oktober 2005 bis
Dezember 2005 eine Elektrohyperthermie durchgeführt. Kontrollaufnahmen hätten eine
Regress des Tumors und eine Verbesserung der Symptomatik gezeigt. In der
therapiefreien Zeit sei es unter laufender Chemotherapie zu einer Verschlechterung des
klinischen Zustandes gekommen. Eine durchgeführte Kernspintomographie habe einen
Tumorprogress gezeigt. Es seien in einer onkologischen Konferenz andere
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Therapieoptionen erörtert, jedoch keine Alternativen im Sinne einer erneuten OP,
Strahlentherapie einschließlich Gammaneif oder Chemotherapie angeboten worden.
Am 05.02.2006 sei erneut die Kombinationstherapie durchgeführt worden. Die
klinischen Symptome im Sinne von epileptischen Anfällen und Sprachstörungen seien
erneut rückläufig. Eine im August 2006 durchgeführte weitere Kernspinaufnahme zeige
eine weitere Tumorrückbildung, klinische Symptome sowie Gang, Sprach-,
Wortfindungs- und Konzentrationsstörungen hätten sich fast vollständig zurück gebildet.
Seit März 2006 befindet sich der Kläger in der onkologischen Mitbehandlung in der
Privatklinik für integrative Onkologie in Soest. Dort wird nunmehr die kombinierte
Thermo-Chemotherapie durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verbundes der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
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II. Der Antrag ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf
vorläufige Übernahme der Kosten für die Hyperthermiebehandlung.
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Nach § 86 b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des betreffenden Zustandes die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
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Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen materiellen Anspruch
(Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) voraus.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist eine summarische Prüfung der Rechtslage
des Hauptsacheverfahrens und der für die erforderlichen Interessenabwägung
maßgeblichen Gesichtspunkte vorzunehmen.
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Im Fall der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen
Erkrankung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 06.12.2005
betont, dass behördlich und gerichtliche Verfahren der Bedeutung des im Grundrecht
auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art 2 Abs 2 Satz 1 des Grundgesetzes
enthaltenden grundliegenden Wertentscheidung Rechnung tragen müssen und sie bei
der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des
Krankenversicherungsrechts zu berücksichtigen haben. Zwar folge aus den
Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit regelmäßig kein
verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkasse auf Bereitstellung bestimmter
oder spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der
gesetzlichen Krankenversicherungen habe sich jedoch an der objektiv rechtlichen
Pflicht des Staates zu orientieren, sie schützend und fordernd vor die Rechtsgüter des
Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz zu stellen. Daraus leitet das Bundesverfassungsgericht
eine grundrechtsorientierte Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des
Krankenversicherungsrechts auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ab.
Zwar ist der Antragsgegnerin insoweit zuzustimmen, dass nach der sozialgerichtlichen
Rechtsprechung es die Gewährleistung optimaler Sicherheit der Versicherten gebietet,
dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Behandlungsmethode in den
dafür vorgesehenen Verfahren nachzuweisen sind. Gesetzlich wäre die Anwendung der
Behandlungsmethode wegen des Wortlauts von § 135 Abs 1 SGB V von der vorherigen
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Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abhängig, um eine
Versorgung zu bejahen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der gemeinsame
Bundesausschuss ist im Jahr 2005 zu dem Ergebnis gelangt, dass für die
Hyperthermietherapie, die auf sehr unterschiedlichen Bereichen angewendet wird, noch
nicht genug aussagefähige Nachweise vorliegen, um Wirksamkeit und Nebenwirkungen
der Behandlungsmethode abschließend beurteilen zu können. Aus dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts folgt jedoch, dass die Übernahme von Kosten durch die
gesetzliche Krankenversicherung in den Fällen einer lebensbedrohlichen oder
vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheit möglich sein muss, wenn noch keine dem
allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden
existieren, oder solche nicht wirksam sind. Nach dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 ist es mit dem Grundgesetz unvereinbar,
wenn ein gesetzlich Krankenversicherter im Fall einer lebensbedrohlichen Krankheit auf
eine private Finanzierung der Behandlung verwiesen wird, wenn die vom Versicherten
angestrebte Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende
Aussicht auf Heilung oder zumindest eine spürbar positive Einwirkung auf den
Krankheitsverlauf verspricht. Von einer solchen Fallkonstellation muss ausgegangen
weden. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 3 SGB V haben Versicherte Anspruch auf
Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen,
ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dazu
gehören grundsätzlich alle anerkannten Behandlungsmethoden. Aus Sicht des Gerichts
ist es im Fall des Antragstellers jedoch sehr wahrscheinlich, dass eine Chemotherapie
allein in seinem Fall nicht ausreicht, um das Tumorwachstum einzudämmen und die mit
dem Tumor in Zusammenhang stehenden neurologischen Symptome einzugrenzen.
Auch für das Gericht ist es noch nicht abschließend beurteilbar, ob mit der
Hyperthermietherapie letztendlich der begehrte Behandlungserfolg längerfristig
eintreten wird. Die veröffentlichen Erkenntnisse über Qualität und Wirksamkeit der
Methode lassen jedoch Aussagen über den medizinischen Nutzen der Therapie in der
Krebsbekämpfung zu. So wird in einem Bericht in der Ärztezeitung vom 11.07.2006
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für Patienten mit fortgeschrittener
Tumorerkrankung eine Ausbreitung des Krebsgewebes jedenfalls für eine Weile
eingedämmt werden kann, durch Erwärmung des Tumors. Angestrebt werde dabei eine
Erwärmung des Tumors auf über 40°, besser auf über 42° (Erläuterungen des Prof.
Wust in der Charitee Berlin auf dem 23. Jahreskongress der Europlan Society for
Hyperthermieoneology in Berlin). Dass damit therapeutische Erfolge erzielt werden
können, legten mehrere Studien nah, die in den vergangenen Jahren publiziert worden
seien. In durchgeführten Studien habe sich gezeigt, dass das Gesamtüberleben bei
zusätzlicher Verwendung von Hyperthermie signifikant besser sei, als in den
Kontrollgruppen, in denen keine Hyperthermie zusätzlich zur Standardtherapie
angewandt worden sei. Die Folgen seien bei unterschiedlichen Krebsarten
unterschiedlich ausgeprägt. In anderen Ländern, wie zB den Niederlanden gehöre das
Verfahren (zB bei fortgeschrittenen Cervixkarzinomen) zur Regelversorgung. In der
Ärztezeitung wird darauf hingewiesen, dass eine Bezahlung der Therapie durch die
GKV bei Patienten in Studien möglich sei, wenn die Behandlung an stationären Zentren
erfolge, die sich auf die Methode spezialisiert hätten.
Beim Kläger hat sich konkret gezeigt, dass bei ihm die Nebenwirkungen des Tumors
unter der durchgeführten Hyperthermiebehandlung auf jeden Fall rückläufig sind bzw
gar nicht vorhanden sind. Eine Tumorregression ist jeweils auch nur in der Kombination
von Chemotherapie und Hyperthermie erreicht worden.
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Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Angesichts des Krankheitsbildes des Klägers
kann das Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden, da in diesem weitere
umfangreiche medizinische Ermittlungen erforderlich sind, bis zu einer Entscheidung
daher noch Zeit vergehen wird.
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Erst im Hauptsacheverfahren wird zu klären sein, von wem die Kosten der Therapie
endgültig zu tragen sein werden. Der Antragsgegnerin bleibt ggf die Möglichkeit,
etwaige zu Unrecht getragene Kosten von dem Antragsteller zurückzufordern.
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Die Entscheidung des Gerichts betrifft allein die zukünftig durchgeführte
Behandlungszyklen. Über die Möglichkeit der Erstattung bereits verauslagter Kosten
des Klägers wird im Hauptsacheverfahren zu entscheiden sein. Dabei wird auch zu
berücksichtigen sein, dass die ersten Behandlungen durchgeführt worden sind, bevor
überhaupt ein Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt worden ist.
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Zu berücksichtigen ist auch, dass von der Antragsgegnerin vorläufig nur die Kosten der
Hyperthermiebehandlung zu tragen sind. Soweit diese als Kombinationstherapie mit
Chemotherapie durchgeführt werden, ist die Chemotherapiebehandlung unmittelbar
über die gesetzliche Krankenversicherung abrechenbar. Soweit der Kläger sich
inzwischen in eine rein privatärztliche Behandlung in die Privatklinik für intigrative
Onkologie begeben haben sollte, ist zu beachten, dass Behandlungsmethoden, die im
System der gesetzlichen Krankenversicherung bei zugelassenen Leistungserbringern
erbracht werden können, von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu zahlen
sind, wenn diese aufgrund eines privaten Behandlungsvertrages bei privaten Anbietern
durchgeführt werden.
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Die Antragsgegnerin sollte überprüfen, ob eine stationäre Erbringung der
Hyperthermiebehandlung im Rahmen einer Studie möglich ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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