Urteil des SozG Düsseldorf vom 21.12.2005

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Sozialgericht Düsseldorf, S 23 SO 224/05 ER
Datum:
21.12.2005
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 23 SO 224/05 ER
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu
erstatten.
Gründe:
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I. Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Antragstellerin auf Bewilligung einer
Weihnachtsbeihilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe -.
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Die Antragstellerin, die in einer stationären Einrichtung des Diakonischen Werkes O
e.V., dem C I, lebt und Leistungen nach § 35 SGB XII erhält, beantragte mit Schreiben
vom 08.12.2005 gegenüber dem Antragsgegner eine Weihnachtsbeihilfe.
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Eine Entscheidung darüber erging bisher nicht. Der Antragsgegner teilte jedoch
telefonisch mit, dass der Antrag voraussichtlich abgelehnt werde.
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Am 16.12.2005 hat die Antragstellerin um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz
nachgesucht.
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, mit § 35 Abs. 2 SGB XII stehe für ihr Begehren
eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung. Danach umfasse der weitere notwendige
Lebensunterhalt insbesondere Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur
persönlichen Verfügung. Diese Regelung sei nicht abschließend, sondern könne im
Einzelfall auch andere Leistungen umfassen, beispielsweise eine Weihnachtsbeihilfe.
Die finanzielle Ausstattung der Bewohner stationärer Einrichtungen habe sich unter der
Geltung des SGB XII gegenüber der Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz
(BSHG) nicht geändert. Zu berücksichtigen sei aber, dass Bewohner stationärer
Einrichtungen seit dem 01.01.2004 aus dem Barbetrag nach § 35 Abs. 2 SGB XII nun
auch noch die Praxisgebühr im Fall der ärztlichen Behandlung und Leistungen, die aus
dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegrenzt seien, zahlen sowie
Zuzahlungen zu Medikamenten bis zur Belastungsgrenze aufbringen müssten. Das
Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit habe
entschieden, dass Sozialhilfeempfänger in Niedersachsen eine Weihnachtsbeihilfe
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nach § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII erhielten, wenn sie im Monat Dezember einen
Anspruch auf einen Barbetrag hätten; die Weihnachtsbeihilfe betrage 34,77 EUR.
Außerdem werde auch das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Mainz
eine Weihnachtsbeihilfe in Höhe von 35,00 EUR zahlen. Gleiches sei von der Stadt
Burghausen bekannt geworden, die eine Weihnachtsbeihilfe in Höhe von 55,00 EUR
zahle, und von der Stadt Merzig, die eine Weihnachtsbeihilfe in Höhe von 35,00 EUR
zahle. Sie habe eine große Familie, bei der sie sich zu Weihnachten für deren Hilfen
bedanken wolle. Sie benötige die Weihnachtsbeihilfe, um ihren Angehörigen
Geschenke zu kaufen und um ihr Zimmer weihnachtlich zu schmücken. Anderenfalls
könne sie das Weihnachtsfest nicht angemessen feiern. Die Antragstellerin bittet um
kurzfristige Entscheidung vor den Weihnachtstagen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer
Entscheidung in der Hauptsache eine Weihnachtsbeihilfe nach dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch - Sozialhilfe - zu bewilligen.
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Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Antragstellerin habe weder einen
Anordnungsanspruch noch könne sie einen Anordnungsgrund geltend machen.
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Die Antragstellerin habe nach dem SGB XII keinen Anspruch auf Gewährung einer
Weihnachtsbeihilfe. Die Zahlung einmaliger Beihilfen, zu denen die Weihnachtsbeihilfe
rechne, sei nur noch für Erstausstattungen von Wohnungen einschließlich
Haushaltsgeräten, für Bekleidung sowie für mehrtägige Klassenfahrten vorgesehen.
Eine Berufung auf den bis zum 31.12.2004 geltenden § 21 Abs. 1a Nr. 7 BSHG komme
nicht mehr in Betracht. Der Gesetzgeber habe bestimmt, dass von den laufenden
Leistungen bzw. dem Regelsatz nach dem SGB XII der gesamte notwendige
Lebensunterhalt in vertretbarem Umfang zu bestreiten sei. Er umfasse insbesondere
Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und persönliche Bedürfnisse
des täglichen Lebens einschließlich der Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme
am kulturellen Leben. Die Festsetzung des Regelsatzes richte sich nach dem
Eckregelsatz, der den Lebensbereich Freizeit, Unterhaltung und Kultur mit 42 %
bemesse. Das Weihnachtsfest sei der Kultur zuzurechnen.
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Der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen umfasse gemäß § 35 Abs. 1 SGB XII
zunächst den Lebensunterhalt, der durch den Einrichtungsträger erbracht werde.
Hinsichtlich des Leistungsumfangs verweise die Norm über § 42 Satz 1 SGB XII auf den
Regelsatz nach § 28 SGB XII. Darüberhinaus gewähre § 35 Abs. 2 SGB XII einen
sogenannten weiteren notwendigen Lebensunterhalt, der insbesondere Kleidung und
einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung, mindestens 26 % des
Eckregelsatzes, umfasse. Aus der Formulierung "insbesondere" sei aber nicht zu
schließen, dass weitere Bedarfspositionen anerkannt werden könnten. § 35 Abs. 2 SGB
XII umfasse lediglich die Leistungen, die im Regelsatz für den Lebensunterhalt
außerhalb von Einrichtungen enthalten seien. Die Bestimmung eines Mindestbetrages
sei lediglich als Öffnungsklausel zu verstehen, die eine vollständige Deckung des
Bedarfs in Einrichtungen sicherstellen solle.
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Der Sozialhilfeträger entscheide nach pflichtgemäßem Ermessen. Dies könne zwar eine
Erhöhung des Barbetrages für besondere Bedarfe gebieten. Die Weihnachtsbeihilfe
rechne aber nicht mehr zum notwendigen Lebensunterhalt. Dieser Begriff sei dem
Wandel unterworfen und ständig an die wirtschaftliche und gesellschaftliche
Entwicklung anzupassen. Heute seien die angespannte Haushaltslage und die
Streichungen bzw. freiwilligen Verzichte auf Weihnachtsgeld in vielen Bereichen im
Arbeitsleben zu berücksichtigen. Viele Menschen reagierten darauf mit Konsumverzicht
und machten Aufwendungen für das Weihnachtsfest nur noch im Rahmen des finanziell
Möglichen.
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Im Übrigen obliege jedem Bundesland, den Begriff selbständig auszulegen. Dass das
Land Niedersachsen eine Weihnachtsbeihilfe gewähre, binde das Land Nordrhein-
Westfalen nicht.
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Außerdem sei das Kriterium des vertretbarem Umfangs in die Auslegung des Begriffs
einzubeziehen. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass das, was der einzelne
von der Gesellschaft vernünftigerweise verlangen könne, durch die Finanzierbarkeit der
in Anspruch genommenen Leistungen bestimmt werde.
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Das im SGB XII angelegte Ansparprinzip gelte auch für die Empfänger von Leistungen
nach § 35 SGB XII. Der Barbetrag sei so bemessen, dass der Anteil von 26 % höher sei
als der dafür im Regelsatz enthaltene Anteil für die Befriedigung persönlicher
Bedürfnisse. Damit werde die faktisch ausgebliebene Erhöhung des Barbetrages
ausgeglichen.
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Schließlich bemesse sich die Sozialhilfe individuell. Die Antragstellerin habe aber einen
konkreten Bedarf nicht dargelegt. Die Antragstellerin habe auch keine Angaben
gemacht, ob sie ihren Bedarf bereits verbraucht habe. Das geflossene Einkommen
müsse aber auf den Bedarf angerechnet werden.
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Ein Anordnungsgrund sei zu verneinen, da der Antragstellerin das Abwarten der
Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten sei. Es stehe nicht zu befürchten, dass sie
anderenfalls irreparable Nachteile erleide. Selbst wenn sie vor Weihnachten auf die
Beihilfe verzichten müsse, tangierte sie dies nicht existenziell. Ihre Grundbedürfnisse in
der Einrichtung würden befriedigt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf
den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners
Bezug genommen.
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II. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.
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Der Antrag ist zulässig.
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Der Antrag ist nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Danach
kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
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Die Antragstellerin hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Gemäß § 86b Abs. 3 SGG ist
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der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung schon vor Klageerhebung zulässig.
Voraussetzung ist jedoch, dass vor Anrufung des Gerichts vergeblich ein Antrag an die
Behörde gerichtet wurde; soweit eine Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual
durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichts zur Verfügung zu stellen
(Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, Vor § 51, Rdn. 16). Zwar
liegt eine schriftliche ablehnende Entscheidung des Antragsgegners über den Antrag
der Antragstellerin vom 08.12.2005 bisher nicht vor. Nach Angaben der Antragstellerin
wurde ihr aber telefonisch angedeutet, dass der Antrag voraussichtlich abgelehnt werde.
Die Richtigkeit dieser Angabe unterstreicht der Antragsgegner. Die Antragserwiderung
lässt erkennen, dass der Antragsgegner den Antrag ablehnen wird.
Der Antrag ist unbegründet.
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Voraussetzung ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines
Anordnungsgrundes. Das Begehren muss materiell begründet erscheinen
(Anordnungsanspruch). Ferner bedarf es einer besonderen Eilbedürftigkeit der
Durchsetzung des Begehrens bzw. anders nicht wieder rückgängig zu machender
Nachteile (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen
gemäß § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung
(ZPO) glaubhaft gemacht worden sein. Erforderlich ist der Nachweis der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit; trotz der Möglichkeit des Gegenteils dürfen Zweifel nicht
überwiegen (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3.
Auflage, III. Kapitel, Rdn. 157). Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu
ermitteln (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2005, Az.: L 9 B 44/05 AS
ER; dass., Beschluss vom 21.04.2005, Az.: L 9 B 6/05 SO ER). Dabei gilt das
grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache; eine Ausnahme von diesem
Grundsatz gilt nur, wenn es zur Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den
betreffenden Antragsteller notwendig ist, dass das Gericht die begehrte einstweilige
Anordnung erlässt; anderenfalls würde die Entscheidung im Hauptsacheverfahren
unzulässigerweise in das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorverlagert
(LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.04.2005, Az.: L 19 B 2/05 AS ER).
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Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
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Für ihr Begehren steht mit § 35 Abs. 2 SGB XII zwar eine Anspruchsgrundlage zur
Verfügung.
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Nach § 35 SGB XII erhalten sowohl Sozialhilfeempfänger, die in Einrichtungen leben,
als auch solche, die außerhalb von Einrichtungen leben, Leistungen im Umfang des
notwendigen Lebensunterhalts. Dieser wird jedoch auf unterschiedliche Weise erbracht.
Der notwendige Lebensunterhalt umfasst nach § 27 Abs. 1 SGB XII insbesondere
Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche
Bedürfnisse des täglichen Lebens, zu denen in vertretbarem Umfang auch Beziehungen
zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben gehören. In Einrichtungen gilt
nichts anderes. § 35 SGB XII bestimmt jedoch, dass der notwendige Lebensunterhalt
zum einen durch den Einrichtungsträger erbracht wird, und zwar in einem Umfang, wie
ihn Empfänger der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 ff.
SGB XII erhalten (Abs. 1). Der weitere notwendige Lebensunterhalt besteht gemäß § 35
Abs. 2 XII insbesondere in Kleidung und einem angemessenen Barbetrag zur
persönlichen Verfügung. Die Formulierung "insbesondere" macht deutlich, dass der
Leistungskatalog nicht abschließend ist (Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, § 35,
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Rdn. 4 ff.) und § 35 Abs. 2 SGB XII eine Anspruchsgrundlage für weitere Bedarfe
darstellt, sofern sie zum notwendigen Lebensunterhalt gehören.
Letzteres ist nach Auffassung der Kammer der Fall. Zwar sind unter der Geltung des
SGB XII die nach § 21 Abs. 1a Nr. 7 BSHG für besondere Anlässe vorgesehenen
einmaligen Leistungen, die auch die Weihnachtsbeihilfe umfassten (Fichtner/Wenzel,
BSHG, Kommentar, 2. Auflage, § 21, Rdn. 13; Lehr- und Praxiskommentar BSHG, 6.
Auflage, § 21, Rdn. 54) entfallen, als Kompensation dafür ist aber der Regelsatz von
296,00 EUR auf 345,00 EUR erhöht worden. Er enthält nunmehr ein Ansparpotenzial,
um einmalige Bedarfe zu decken. Dass die Weihnachtsbeihilfe keinen derartigen Bedarf
mehr auszulösen in der Lage ist, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch ist dieses in
den überwiegenden Wirtschaftszweigen für Arbeitnehmer abgeschafft worden. Die
Kammer verkennt jedoch nicht, dass die Verknüpfung des notwendigen
Lebensunterhalts mit den herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen auch
dazu führt, dass nicht unberücksichtigt bleiben kann, inwieweit die allgemeine
Wirtschaftslage und damit auch die Finanzlage der öffentlichen Haushalte einen
erhöhten Aufwand zur Feier des Weihnachtsfestes ermöglichen (BVerwG, Urteil vom
12.04.1984, Az.: 5 C 95/80). Zu einer Reduzierung oder völligen Einstellung von
Weihnachtsbeihilfen kann eine angespannte Finanzlage jedoch erst dann führen, wenn
davon auch der allgemeine Lebenszuschnitt bei der Feier des Weihnachtsfestes
betroffen wäre (BVerwG, a. a. O.).
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Dass der Barbetrag nach § 35 Abs. 2 SGB XII gegenüber dem unter der Geltung des §
21 Abs. 3 BSHG gewährten Barbetrag nur geringfügig angehoben wurde - bis zum
31.12.2004 betrug er 30 % des Regelsatzes, derzeit beträgt er 26 % des Regelsatzes -
bedeutet zwar eine Schlechterstellung gegenüber Sozialhilfeempfängern außerhalb von
Einrichtungen. Diese erhalten nach dem SGB XII einen gegenüber dem BSHG erhöhten
Regelsatz, der mit der Gewährung eines pauschalen Zusatzbetrages den Wegfall
einmaliger Beihilfen nach dem BSHG kompensieren soll. Eine sachlich nicht
gerechtfertigte Ungleichbehandlung der in Einrichtungen lebenden
Sozialhilfeempfänger liegt darin jedoch nicht. Die Inanspruchnahme einmaliger
Beihilfen ist für Sozialhilfeempfänger in Einrichtungen aufgrund ihrer Lebensumstände
von untergeordneter Bedeutung, denn der größte Teil des laufenden Lebensunterhalts
wird durch die Einrichtung gedeckt (Grube/Wahrendorf, a. a. O., Rdn. 6). Der Wegfall
eines nicht bedarfsbezogenen Zusatzbetrages dient im übrigen der Durchsetzung des
Grundsatzes "ambulant vor stationär" und vermeidet eine Besserstellung stationär
lebender Sozialhilfeempfänger (Amtliche Begründung, BT-Drucks. 15/1514). § 35 Abs. 2
SGB XII korrigiert diese Schlechterstellung aber dadurch, dass er, wie oben dargestellt,
eine Anspruchsgrundlage für Bedarfe enthält, die über Kleidung und die mit dem
Barbetrag zu deckenden Bedarfe hinausgehen. Dies könnte zu einem Anspruch auf
Gewährung einer Beihilfe führen.
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Die Antragstellerin hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass sie in ihrer derzeitigen
finanziellen Lage auf die Gewährung einer Weihnachtsbeihilfe angewiesen ist. Sie hat
zwar ausgeführt, sie habe eine große Familie, bei der sie sich mit
Weihnachtsgeschenken für deren Hilfen erkenntlich zeigen wolle, und sie wolle ihr
Zimmer weihnachtlich schmücken. Die Antragstellerin hat aber nicht ausgeführt, welche
Kosten ihre geplanten Anschaffungen verursachen und in welchem Umfang ihr
finanzielle Mittel noch zur Verfügung stehen.
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Die Antragstellerin hat im Übrigen einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
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Eine besondere Eilbedürftigkeit der Durchsetzung ihres Begehrens ist nicht ersichtlich.
Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin nicht wieder
rückgängig zu machende Nachteile erleidet, wenn vor dem Weihnachtsfest des Jahres
2005 eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergeht. Mit den gemäß §§ 35, 42 Satz
1 Nr. 1-3 SGB XII monatlich zufließenden Sozialhilfeleistungen sind jedenfalls
Ernährung, Unterkunft und Heizung, Kleidung, Körperpflege und bestimmte Bedürfnisse
des täglichen Lebens der Antragstellerin sichergestellt.
Eine Eilbedürftigkeit resultiert auch nicht aus der besonderen Funktion der
Weihnachtsbeihilfe. Diese soll sicherstellen, dass Sozialhilfeempfänger in gleicher
Weise wie Menschen, die unabhängig von staatlichen Leistungen leben können,
aufgrund eines allgemeinen Bedürfnisses nach rechtlicher Gestaltung erhöhte
Aufwendungen für die Ernährung und den Schmuck der Wohnung sowie für die Pflege
mitmenschlicher Beziehungen durch Geschenke an Nahestehende tätigen können,
bzw. vermeiden, dass Sozialhilfeempfänger anlässlich des Festes lediglich Empfänger
von Gaben anderer sind, gleichsam Objekt der Festfreude und weihnachtlichen
Stimmung (BVerwG, a. a. O.). Zwar ist nicht anzunehmen, dass der Weihnachtsbedarf
durch eine gleichmäßige Verteilung der gewährten Beträge auf die übrige Zeit des
Jahres gedeckt ist, und es ist dem Sozialhilfeempfänger auch nicht zumutbar, seinen
erhöhten Lebensbedarf anlässlich des Weihnachtsfestes durch Ersparnisse
abzudecken (BVerwG, a. a. O.). Die Antragstellerin hat aber, wie oben ausgeführt, nicht
dargelegt, ob und in welchem Umfang die erhaltenen Barbeträge noch zur Verfügung
stehen und es ihr ermöglichen, sie gewissermaßen "vorzustrecken", bis eine
Entscheidung in der Hauptsache ergeht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1
Satz 1 SGG.
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