Urteil des SozG Düsseldorf vom 01.02.2011

SozG Düsseldorf: krankheit, vergleich, bestattungskosten, unterhalt, abrede, erlass, ermessen, kreis, geschwister, pflegeeltern

Sozialgericht Düsseldorf
Urteil vom 01.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Düsseldorf S 6 (36) VK 118/09
1.Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 01.04.2009 verurteilt, der Klägerin Sterbegeld in Höhe von 5.526,- Euro – abzüglich zu erstattender 3.246,- Euro
(Bescheid vom 16.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2006) – zu zahlen. 2.Der Beklagte
trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Sterbegeld nach § 37 BVG (Bundesversorgungsgesetz)).
Die Klägerin ist die Tochter eines am 29.09.2005 verstorbenen Kriegsbeschädigten.
Die Klägerin lebte nicht (mehr) mit ihrem Vater in häuslicher Gemeinschaft, sie wurde auch nicht (mehr) von ihm
unterhalten, pflegte ihn allerdings bis zu seinem Ableben. Danach beantragte sie beim Versorgungsamt Düsseldorf –
u. a. – die Zahlung von Sterbegeld.
Das Versorgungsamt lehnte zunächst eine Zahlung gänzlich ab (Bescheid v. 22.03.2006 / Widerspruchsbescheid v.
10.10.2006). Eine hiergegen erhobene Klage wurde zunächst unter dem Az. S 3 V 198/06 geführt. Nach einer
Änderung des Geschäftsverteilungsplans wurde unter dem Az. S 1 (3) V 198/06 – verbunden mit S 1 (3) V 199/06
(Bestattungsgeld) –ein Vergleich geschlossen. Die Beklagte verpflichtete sich bezüglich des Sterbegeldes zu einer
Neubescheidung (Sitzungsniederschrift v. 27.06.2008).
Die o.a. Bescheide wurden sodann aufgehoben (Ausführungsbescheid v. 30.07.2008) und ein Sterbegeld wurde
bewilligt (Bescheid vom 06.11.2008), allerdings nur in Höhe der nachgewiesenen und nicht anderweitig erstatteten
Bestattungskosten i.H.v. 3.149,- EUR; außerdem erfolgte eine Aufrechnung dieses Betrages mit einer anderen –
bestandskräftigen (Bescheid v. 16.12.2005 / Widerspruchsbescheid v. 05.10.2006). – Forderung.
Den – allein im Hinblick auf die Höhe des Sterbegeldes eingelegten – Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte
zurück (Widerspruchsbescheid vom 01.04.2009).
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage verlangt die Klägerin weiterhin eine ungekürzte Zahlung des Sterbegeldes in
Höhe von 5.526,- EUR. Sie ist der Meinung, ihr stehe Sterbegeld in der nach § 37 Abs. 1 BVG genannten Höhe zu.
Wegen der näheren Einzelheiten ihres Vortrags wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 05.05. und 24.09., sowie
12.11.2009 ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
01.04.2009 zu verurteilen, der Klägerin Sterbegeld in Höhe von 5.526,- Euro – abzüglich zu erstattender 3.246,- Euro
(Bescheid vom 16.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2006) – zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist nach wie vor der Auffassung, dass die Klägerin nach § 37 Abs. 3 BVG nur Anspruch auf den Anteil der
ungedeckten Bestattungskosten habe und für die Berücksichtigung geleisteter Pflegedienste kein Raum bleibe.
Wegen der näheren Einzelheiten des Vortrags wird ergänzend auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 02.11.2009
verwiesen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Vorprozessakten S 1 (3) V 198/06 – verbunden mit S 1
(3) V 199/06 – sowie S 1 (3) V 201/06 beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf den restlichen Inhalt der Streit- sowie der übrigen beigezogenen Akten Bezug genommen. Auch dieser ist
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und anschließenden Beratung der Kammer gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 3 BVG Anspruch auf Zahlung eines Sterbegeldes in Höhe des
Dreifachen der letzten Versorgungsbezüge des verstorbenen Versorgungsberechtigten (ihres Vaters) abzüglich des –
mit Bescheid vom 16.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2006 festgestellten –
Erstattungsbetrages in Höhe von 3.246,- Euro. Die diesem entgegen stehende Entscheidung der Beklagten ist
rechtswidrig und daher aufzuheben. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung im Wege des Ermessens ist
gesetzeswidrig.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BVG ist beim Tode eines Beschädigten ein Sterbegeld in Höhe des Dreifachen der
Versorgungsbezüge zu zahlen, die diesem für den Sterbemonat nach den §§ 30 bis 33, 34 und 35 BVG zustanden –
Pflegezulage jedoch höchstens nach Stufe II. Der sich in Anwendung dieser Vorschrift ergebende Betrag beläuft sich
vorliegend – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – auf 5.526,- Euro.
Da Anspruchsberechtigte nach § 37 Abs. 2 BVG (Ehegatten, Lebenspartner, Kinder, Eltern, Stiefeltern, Pflegeeltern,
Enkel, Großeltern, Geschwister und Geschwisterkinder, wenn sie mit dem Verstorbenen zur Zeit des Todes in
häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder von ihm Unterhalt erhalten haben) nicht vorhanden sind, kann das
Sterbegeld gemäß § 37 Abs. 3 BVG demjenigen gezahlt werden, der die Kosten der letzten Krankheit oder der
Bestattung getragen oder den Verstorbenen bis zu seinem Tode gepflegt hat. Dies ist bei der Klägerin der Fall. Sie hat
die Kosten der letzten Krankheit sowie der Bestattung getragen und den Verstorbenen auch bis zu seinem Tode
gepflegt.
Dass damit grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Vorschrift gegeben sind und der Klägerin
ein Sterbegeld zu zahlen ist, stellt auch die Beklagte nicht (mehr) in Abrede. Der insoweit ablehnende Bescheid wurde
infolge des am 27.06.2008 geschlossenen Vergleichs aufgehoben (vgl. Bescheid vom 30.07.2008). Die Bewilligung
von Sterbegeld dem Grunde nach erfolgte sodann mit Bescheid vom 06.11.2008. Dieser Bescheid ist auch insoweit
bindend geworden.
Soweit der Beklagte – gestützt auf die VV (Verwaltungsvorschrif)) Nr. 3 zu § 37 BVG (mit folgenden Wortlaut:
"Personen im Sinne des § 37 Abs. 3 sind nur natürliche Personen; ihnen ist Sterbegeld nur insoweit zu zahlen, als ein
wirtschaftlicher Ausgleich angebracht erscheint.") – allerdings meint, er könne im Wege des Ermessens die Höhe
dieses Anspruchs abweichend von § 37 Abs. 1 Satz 1 BVG bestimmen, ist diese Ansicht rechtsirrig.
Ausweislich des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 37 Abs. 1 Satz 1 beträgt das Sterbegeld das Dreifache der
zuletzt gezahlten Versorgungsbezüge. Mit § 37 Abs. 3 wird lediglich der Kreis der ggf. Anspruchsberechtigten näher
bestimmt und dem Beklagten damit Ermessen hinsichtlich des "Ob" der Leistung gewährt. Dem Beklagten ist damit
(aber nur) ein Entschließungsermessen eingeräumt. Ein Auswahlermessen hinsichtlich der Höhe der Leistung wird
nach Auffassung des Gerichts damit jedoch nicht eingeräumt. Soweit die VV Nr. 3 zu § 37 BVG etwas anderes
anordnen sollte, wäre sie als rechtswidrig anzusehen und unbeachtlich.
Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, wäre es ihm leicht möglich gewesen, den Wortlaut der Vorschrift entsprechend zu
fassen. Zum Vergleich kann hier § 18 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG (Beamtenversorgungsgesetz) herangezogen werden.
Danach sind Anspruchsberechtigte in Bezug auf das Sterbegeld sonstige Personen, die die Kosten der letzten
Krankheit oder der Bestattung getragen haben, bis zur Höhe ihrer Aufwendungen, höchstens jedoch in Höhe des
Sterbegeldes nach Abs. 1 Satz 2 und 3.
Der Beklagte kann sich auch nicht auf den Runderlass des Arbeits- und Sozialministers des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 24.05.1962 stützen (veröffentlich im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen
1962, Seite 990). Soweit darin die Auffassung vertreten wird, dass es dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 37
Abs. 3 BVG nach Sinn und Zweck entspreche, wenn als Bezüge für das Sterbevierteljahr ein Betrag gewährt werde,
der den für die Bestattung tatsächlichen aufgewendeten Kosten entspreche, steht auch dies nicht im Einklang mit der
eindeutigen gesetzlichen Anordnung in § 37 Abs. 1 BVG. Dieser Erlass kann daher Rechtsverbindlichkeit nicht
beanspruchen. Er ist insoweit rechtswidrig und kann keine Grundlage für das Handeln des Beklagten sein.
Da die Klägerin somit vollkommen obsiegt, hat der Beklagte auch ihre erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten
zu tragen. Gerichtskosten fallen in diesem Verfahren nicht an.