Urteil des SozG Düsseldorf vom 25.01.2007

SozG Düsseldorf: angina pectoris, rente, depression, leistungsfähigkeit, verkäuferin, berufsunfähigkeit, befund, psychiatrie, herzinfarkt, gutachter

Sozialgericht Düsseldorf, S 26 R 222/05
Datum:
25.01.2007
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 26 R 222/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 4 R 32/07
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die
Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
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Die Klägerin ist am 00.00.1957 geboren. Sie hat 1973 bis 1975 den Beruf der
Kosmetikfachverkäuferin in zwei Jahren mit Abschluss erlernt und bis 1980, bis zur
Geburt ihres Kindes, ausgeübt. Nach einer Erziehungspause war sie seit 1983 wieder
berufstätig bei verschiedenen Arbeitgebern. Sie arbeitete bei einer Raststätte und bei
Firma F als Verkäuferin und Kassiererin. Seit 1998 war sie versicherungspflichtig als
Packerin und Regalauffüllerin bei dem Supermarkt S tätig. Nach der
Arbeitgeberauskunft wurde sie wie eine einen Tag angelernte Arbeiterin ohne
Notwendigkeit einer Berufsausbildung nach Tarifgruppe L 2 b bezahlt und verrichtete
bis schwere Tätigkeiten im Gehen und Stehen mit viel Bücken. Ab dem 12.10.2004
wurde die Klägerin arbeitsunfähig krank geschrieben. Das Arbeitsverhältnis besteht
rechtlich noch fort. Seitdem ist die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig krank geschrieben
gewesen bzw. inzwischen arbeitslos gemeldet. Das Arbeitslosengeld ist zum Oktober
2006 nach ihren Angaben ausgelaufen.
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Am 12.10.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen
Erwerbsminderung. Zur Begründung wurden Herzinfarkte, Depressionen, Panikattacken
und Leiden des Bewegungsapparates angegeben. Ärztliche Berichte wurden zur
Verwaltungsakte gereicht bzw. eingeholt. Die Beklagte veranlasste die Beiziehung des
Berichts einer Reha-Klinik, in der die Klägerin zuvor im August und September 2004
war. Diese Klinik hielt die Klägerin auch mit den depressiven Verstimmungen und den
Herz- und internistischen Erkrankungen zusammengefasst für noch in der Lage, alle
leichten bis mittelschweren Tätigkeiten verrichten zu können, dies auch 6 Stunden und
mehr täglich. Ein Rehabilitationsbericht von 2003 wurde damit im wesentlichen
bestätigt.
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Mit Bescheid vom 25.10.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur
Begründung nahm sie Bezug auf die ärztlichen Feststellungen. Danach sei die Klägerin
noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden
täglich zu verrichten, und damit weder berufsunfähig noch voll oder teilweise
erwerbsgemindert.
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Dagegen legte die Klägerin am 09.11.2004 Widerspruch ein mit der Begründung, die
Beklagte verkenne den Gesundheitszustand. Ein ärztliches Attest der behandelnden
Psychiaterin wurde eingereicht. Die Beklagte veranlasste daraufhin noch die Erstellung
eines neurologisch-psychiatrischen-psychotherapeutischen Gutachtens durch I. Dieser
hielt die Klägerin auch noch für in der Lage, 6 Stunden und mehr täglich zum Beispiel
als Verkäuferin tätig zu sein. Von Nachtdienst sei abzuraten, wegen der phobischen
Neigungen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück,
weil die Klägerin weder als berufsunfähig noch als voll oder teilweise erwerbsgemindert
anzusehen sei. Die Verweisbarkeit ergebe sich daraus, dass die Klägerin als ungelernte
Arbeiterin zu beurteilen sei. Die Klägerin habe zwar den Beruf der Verkäuferin erlernt,
sich aber aus anderen als gesundheitlichen Gründen von diesem Beruf gelöst. Zuletzt
sei sie als Regalauffüllerin versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und deshalb
verweisbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die sie noch verrichten
könnte.
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Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 25.04.2005 Klage zum Sozialgericht
Düsseldorf erhoben.
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Sie begründet die Klage damit, dass die Beklagte ihren Gesundheitszustand verkenne
und ihr Leistungsvermögen falsch beurteile. Sie sei nicht mehr in der Lage, im
bisherigen Beruf oder in zumutbaren Verweisungsberufen oder sonst auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als unter 4 Stunden täglich tätig zu sein. Die bisherigen
von Amts wegen gehörten Gutachter würden die Leistungsfähigkeit insofern falsch
beurteilen. Die behandelnde Psychiaterin und der nach § 109 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gehörte Gutachter L hingegen unterstützten eine
Berentung.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.10.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14.04.2005 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller,
hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf der Grundlage eines
Versicherungsfalls vom 12.10.2004 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu
gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, ein Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit bzw. der
Erwerbsminderung sei nicht eingetreten. Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der
angefochtenen Bescheide. Alle nach § 106 SGG eingeholten Gutachten bestätigten ihre
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Auffassung. Dem Gutachten von L folge sie nicht, hinsichtlich der Annahme eines nur
unter 4-stündigen Leistungsvermögens. Dieses Gutachten sei nämlich nicht kongruent
in der Befunderhebung einerseits und der Leistungsbeurteilung andererseits, bzw.
überzeuge insofern nicht. Ausreichende Anhaltspunkte für eine wirklich schwere
Depression seien nicht eruiert worden. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der
Beklagten wird auf die Schriftsätze des beratungsärztlichen Dienstes vom 03.08.2006
und 16.11.2006 Bezug genommen.
Das Gericht hat Auskünfte von dem letzten Arbeitgeber eingeholt und Befundberichte
der behandelnden Ärzte beigezogen. Der Internist und Kardiologe C und der Orthopäde
M1 berichten, sie hielten die Klägerin jeweils von Seiten ihrer Fachgebiete aus für noch
in der Lage, eine leichte Tätigkeit z. B. als Pförtnerin bis zu 6 Stunden täglich zu
verrichten (Bl. 23 f, 42 f der Gerichtsakte). Die behandelnde Psychiaterin M2-T1 hält die
Klägerin von Seiten ihres Fachgebietes für nicht in der Lage, noch einer Tätigkeit bis zu
6 Stunden täglich nachzugehen.
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Sodann hat das Gericht durch Einholung eines medizinischen
Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben, welche Erkrankungen im
Einzelnen bei der Klägerin vorliegen und wie diese sich auf die Leistungsfähigkeit
auswirken. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Psychotherapie T2 kommt zur
Beurteilung, bei der Klägerin lägen im Einzelnen folgende wesentlichen Diagnosen vor:
bei Zustand nach Myocardinfarkt 2003 Anpassungsstörung mit depressiver Entwicklung,
jetzt leichtgradiger Ausprägung ICD 10: F 43.2 F 32.0 Dysthymie ICE 10: F 34.1. Mit
diesen Befunden könne die Klägerin noch vollschichtig eine körperlich leichte bis
mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung verrichten, ohne ungünstige
Bedingungen wie Nachtschicht und ohne besonderen Zeitdruck. Eine wesentliche
Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens darüber hinaus bestehe nicht. Das
Umstellungsvermögen sei auch genügend. Eine psychische Fehlhaltung liege nicht vor.
In Betracht käme auch noch eine Tätigkeit als Pförtnerin oder Sortiererin und Montiererin
von kleinen Teilen, dies vollschichtig. Die Klägerin könne auch noch Wegstrecken zu
Fuß von 4 x 1000 Metern zurücklegen, in einer Zeit von nicht mehr als 15-20 Minuten für
500 Meter, und öffentliche Verkehrsmittel benutzen und einen PKW als Fahrer. Seine
Beurteilung gelte auch seit Oktober 2004. Von der Auffassung der behandelnden
Psychiaterin weiche er ab, weil zum aktuellen Zeitpunkt auch bei vertiefter Exploration
lediglich eine leichtgradige depressive Störung objektivierbar sei. Kriterien einer
mittelschweren oder schweren Depression mit zeitweiliger Suizidalität lägen zum
aktuellen Untersuchungszeitpunkt nicht vor. Dies decke sich auch mit der Einschätzung
der Klägerin in einer Befundstabilisierung unter antidepressiver Therapie mit
Medikamenten.
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Das Gericht hat daraufhin auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten von L,
Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Sozialmedizin eingeholt. Dieser stellt insgesamt
folgende Diagnosen: chronifiziertes ängstlich-depressives Syndrom mit Phobien,
Antriebsschwäche, sozialem Rückzugsverhalten sowie glaubhaft mitgeteilten Suizid-
Gedanken einer asthenisch-sensitiven, im Eigenmacht- und Selbstwertgefühl
beeinträchtigten und psychosozial eingeschränkt belastbaren Persönlichkeit Neigung
zu multiplen vegetativen Störungen mit Kopfschmerzen, diffusem Schwindel, hypotonen
Regulations- und Befindlichkeitsstörungen, Juckreiz, Gastralgien, Hyperventilation,
Insomie, Adynamie, verstärktem Schwitzen und Herzunruhe als Zustand nach 2maligen
Herz-Operationen 2003 (s. o.) mit Befürchtungen, einen erneuten Herzinfarkt zu erleiden
Angina pectoris-Beschwerden bei KHK nach zweimaligen Herzgefäß-Operationen 5-
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9/2003 mit Anstrengungs-Dyspnoe Neigung zu sozialen und situativen Ängsten ohne
Fähigkeiten, sich willensmäßig davon zu lösen HWS-Syndrom mit lokalen und
ausstrahlenden Schmerzen bei degenerativen Veränderungen LWS-Syndrom mit
lokalen Schmerzen und muskulären Verspannungen sowie Einbuße an Moblilität. Damit
könne die Klägerin zwar noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung geistig
einfacher Art ohne Wechselschicht, besonderen Zeitdruck und ohne Zwangshaltungen
verrichten, aber generell nur noch unter 4 Stunden täglich, vor allem wegen der
ängstlich-depressiven und phobischen Symptome und der Summe und
Wechselwirkungen der Gesundheitsstörungen. Die Beurteilung gelte so auch seit
Oktober 2004. L hat ferner auf Aufforderung des Gerichts zu den Einwänden der
Beklagten ergänzend Stellung genommen. Er ist bei seiner Beurteilung geblieben und
führt aus, zwischen dem Vorgutachten von T2 und seinem Gutachten lägen 4 Monate.
Die von T2 erhobenen Gesundheitsstörungen seien nicht notwendigerweise später
nachweisbar und entzögen sich einer logischen Vergleichbarkeit. Die nachgereichten
Arztberichte von Frau M2-T1 seien T2 noch nicht bekannt gewesen. Im übrigen enthalte
ein von der Beklagten wünschenswerterweiser erfragter Tagesablauf ein hohes Maß an
Unsicherheit und sei nicht nachprüfbar. Auch sei eine Vergleichbarkeit der Befunde
durch I und der Befunde durch ihn selbst nicht vernünftig möglich aufgrund des sehr
langen Zeitintervalls. Deshalb seien die Einwände der Beklagten nicht geeignet, die
Leistungsfähigkeit der Klägerin anders zu beurteilen.
Das Gericht hat auch den Vorgutachter T2 um eine ergänzende Stellungnahme zu den
Ausführungen und Meinungen von L und der nachgereichten Bescheinigung der
Psychiaterin M2-T1 gebeten. T2 führt aus, auch er bleibe bei seiner Beurteilung in
seinem Gutachten. Zunächst sei zu beachten, dass bei einer wiederkehrenden
depressiven Störung nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen zu
unterscheiden sei zwischen Episoden leichter, mittelgradiger oder schwerer
Ausprägung. Ein durchgehend dauerhaftes depressives Zustandsbild liege in der Regel
nicht vor. Auch nach dem Gutachten von L sei im psychischen Befund nur eine geistig
intellektuell und hinsichtlich ihrer kognitiven Funktionen unauffällige Probandin ohne
Defizite beschrieben worden. L beschreibe auch nur eine dysthyme Stimmung und
Subdepressivität bei Neigung zu Affektlabilität. Beschrieben würden also auch von L
nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen nur eine Dysthymie, bzw.
eine subdepressive, d. h. leichte depressive Störung mit gelegentlicher Affektlabilität.
Die Diagnose einer schweren depressiven Episode lasse sich daraus nach der
internationlen Klassifikation psychischer Störungen nicht ableiten, so dass daraus auch
keine Erwerbsminderung folge. Auch in seiner ergänzenden Stellungnahme habe L die
Einschätzung einer Leistungsbeurteilung unter 4 Stunden täglich nicht nachvollziehbar
begründet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den
Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der
Beklagten, nämlich der Bescheid vom 25.10.2004 in der Gestalt des
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Widerspruchsbescheides vom 14.04.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die
Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden
zu Recht die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abgelehnt
hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war
somit nicht zu entsprechen.
Wegen des Wortlautes des maßgeblichen Vorschriften der §§ 240, 43 SGB VI wird
gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen auf den Inhalt des angefochtenen
Bescheides vom 25.10.2004. Dort hat die Beklagte den Wortlaut dieser Vorschriften
bereits wiedergegeben.
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Die Klägerin erfüllt nicht diese Voraussetzungen. Zwar lägen die rein
versicherungsrechtlichen (beitragsrechtlichen) Voraussetzungen für eine Rente mit
einem Versicherungsfall vom 12.10.2004 vor, was sich auch aus dem angefochtenen
Bescheid ergibt. Die Klägerin ist aber auch seit Rentenantragstellung weder als
berufsunfähig noch als voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne von §§ 240, 43
SGB VI anzusehen.
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Die Klägerin ist, auch ab Oktober 2004, nicht einmal nur als berufsunfähig im Sinne von
§ 240 SGB VI anzusehen. Sie kann nämlich noch vollschichtig, also 8 Stunden täglich -
§ 3 AZG - und damit also auch mindestens 6 Stunden täglich, eine körperlich leichte bis
mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung verrichten, bei Meidung von im
wesentlichen nur Nachtschicht und besonderem Zeitdruck und evtl. auch
Zwangshaltungen. Damit kann sie zumindest bis zu 6 Stunden täglich, jedenfalls aber
nicht unter 6 Stunden täglich, leichte einfache Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes verrichten, z. B. als Pförtnerin oder als Sortiererin und Montiererin von
kleinen Teilen. Auf solche Tätigkeiten ist sie verweisbar und deshalb nicht einmal als
nur berufsunfähig anzusehen.
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Was das allgemeine Leistungsvermögen der Klägerin angeht, so ist die Kammer davon
überzeugt, dass die Klägerin - auch seit Oktober 2004 - noch eine körperlich leichte bis
mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung wie oben beschrieben verrichten
kann, so wie das im Einzelnen in dem Gutachten von T2 beschrieben ist. Dessen
Beurteilung deckt sich auch im wesentlichen mit der Leistungsbeurteilung nicht nur von
I, sondern auch mit der Leistungsbeurteilung der Rehabilitationskliniken, in denen die
Klägerin in 2003 und 2004 war. Das Gericht ist damit davon überzeugt, dass bei der
Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet diejenigen Diagnosen vorliegen, die im
Gutachten von T2 genannt sind, und dass auf internistischem und orthopädischem
Fachgebiet auch nur Erkrankungen vorliegen, wie sie bereits in den Rehabilitations-
Entlassungsberichten genannt sind, ohne dass daraus eine weitergehende
Leistungsminderung als oben beschrieben folgt. Internistischerseits und
orthopädischerseits wurde dies sogar durch die behandelnden Ärzte C und M1 bestätigt
in ihren Befundberichten; die Klägerin hat insoweit auch keine Einwände mehr im
Klageverfahren erhoben. Neurologisch-psychiatrischerseits hält das Gericht das
Gutachten von T2, das das nervenärztliche Vorgutachten von I bestätigt, auch für
überzeugend und nachvollziehbar; dem Gutachten von L folgt die Kammer hingegen
nicht. Denn dieses Gutachten und auch die ergänzende Stellungnahme durch L
vermögen die Kammer nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin nur noch unter 4
Stunden täglich bzw. unter 6 Stunden täglich einsatzfähig sei für körperlich nur leichte
und geistig einfache Tätigkeiten. Das Gutachten von L enthält einfach zu wenig
überzeugende Gegenargumente gegen die Meinungen von zwei Vorgutachtern (T2 und
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I) und gegen die Meinungen von zwei Rehabilitationskliniken. So hat T2 in seiner
ergänzenden Stellungnahme zu Recht darauf hingewiesen, dass das Gutachten von L
einfach zu wenig objektive Anhaltspunkte bzw. Kriterien dafür enthalte, weshalb bei der
Klägerin eine mehr als leichte Depression vorliege. L hat in seinem Gutachten nämlich,
ohne auf die internationale Klassifikation von Gesundheitsstörungen einzugehen, gar
nicht näher unterschieden zwischen leichter, mittelschwerer und schwerer Depression;
er beschreibt einfach nur ein ängstlich-depressives Syndrom, wobei er selbst in seinem
Gutachten auf Seite 21 zum psychischen Befund vorausschickt, dass die Klägerin
geistig-intellektuell und hinsichtlich kognitiver Funktionen ohne Defizite sei. Auch seien
keine mnestischen Minderfähigkeiten, also keine Minderfähigkeiten des Gedächtnisses
erkennbar gewesen und die Klägerin sei stimmungsmäßig nur merkbar dysthym (also
verstimmt) und subdepressiv gewesen; unter einem subdepressivem Zustand wird aber
medizinisch lediglich ein Zustand verstanden, der nicht das Ausmaß einer Depression
erfüllt, bei dem ein Mensch auch depressiv-verstimmt wirkt. Allein eine Dysthymie oder
Dysthymia, also eine seelische Verstimmung, beinhaltet aber noch nicht einen
schweren pathologischen Erschöpfungszustand. Die Kammer verkennt dabei zwar
nicht, dass bei der Klägerin nach zwei Herzinfarkt-Ereignissen eine Ängstlichkeit
bestehen mag, dass sich ein Infarkt wiederholen könnte; doch gibt es einfach zu wenig
von L kritisch hinterfragte objektive Kriterien und Anhaltspunkte dafür, dass dies
nachhaltig in eine mittelschwere bis schwere Depression umgeschlagen ist. So
bemängelt die Beklagte zu Recht, dass L, wenn er schwerere Einschränkungen
annehmen will, nicht einmal einen Tagesablauf erhoben hat, der dies zumindest
indiziell näher hätte belegen können. Außerdem weist T2 zu Recht darauf hin, dass die
ergänzende Stellungnahme durch L weitere Widersprüche in seinem Gutachten
aufgezeigt hat. Denn wenn L jetzt einräumt, die Zustände bei den Untersuchungen
durch I und T2 seien nicht ohne weiteres vergleichbar mit dem Zustand bei seiner
Untersuchung, dann erscheint es völlig inkonsequent, wenn L seine Beurteilung auch
rückwirkend schon seit Oktober 2004 so gelten lässt. Letztlich bieten die von L
umschriebenen Diagnosen wie chronifiziertes ängstlich-depressives Syndrom und
Neigung zu vegetativen Störungen und Neigung zu sozialen situativen Ängsten zu
wenig nachvollziehbare Argumente dafür, dass die Klägerin, wie von ihr geltend
gemacht, nur noch unter 6 Stunden oder unter 4 Stunden täglich leistungsfähig sein soll.
Eine nur unter 6 stündige Leistungsfähigkeit, die nicht der Normalfall ist, muss aber,
wenn das Gericht darauf eine Stattgabe der Klage stützen soll, schlüssig begründet
werden. Dies konnte aber mit den von L erhobenen Befunden nicht schlüssig und
nachvollziehbar festgestellt werden. Allein auf den Bericht der die Klägerin
behandelnden Ärztin Frau M2-T1 konnte das Gericht eine Entscheidung nur im Sinne
der Klägerin auch nicht stützen, da behandelnde Ärzte in der Regel erfahrungsgemäß
ihre Patienten eher unterstützen möchten; deshalb waren die Leiden bzw. Diagnosen
der Klägerin zu objektivieren durch das Gutachten von T2, der aber sich aus den in
seinem Gutachten genannten Gründen desren Auffassung nicht anschließen konnte.
Das Gutachten von L hat deren Beurteilung aus den vorgenannten Gründen auch nicht
nachvollziehbarer gemacht. Mit dem wie oben beschriebenen vollschichtigen bzw.
zumindest 6stündigem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten
ohne besonderen Zeitdruck und ohne Zwangshaltungen und ohne Nachtschicht ist die
Klägerin aber nicht berufsunfähig, weil sie nach ihrer Berufsbiographie als zuletzt
angelernte Arbeiterin verweisbar ist auf den gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies
ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Mehrstufenschema.
Nach diesem ist die Klägerin als zuletzt rentenversicherungspflichtig angelernte
Arbeiterin bzw. ungelernte Arbeiterin verweisbar; ein größerer Berufsschutz ergibt sich
auch nicht daraus, dass die Klägerin früher einmal als 2 Jahre gelernte
Kosmetikfachverkäuferin tätig war. Denn diesen Beruf hat sie bereits 1980 aus nicht
gesundheitlichen Gründen aufgegeben, worauf die Beklagte auch bereits im
Widerspruchsbescheid hingewiesen hat. Auch die Aufgabe eines früheren Berufes aus
Gründen der Kinderbetreuung hält den Berufsschutz nicht weiter aufrecht (vgl. BSGE 32,
242, 244). Die Klägerin ist mithin verweisbar auf Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes, z. B. auch als Pförtnerin oder Sortiererin und Montiererin von kleinen
Teilen. Solche Tätigkeiten stellen körperlich eher nur leichte Tätigkeiten dar und sind
auch nicht notwendigerweise mit Zwangshaltungen oder Nachtschicht verbunden und
auch nicht mit besonderem Zeitdruck.
Im übrigen ist auch die Situation des Arbeitsmarktes unerheblich. Das Risiko der
Vermittelbarkeit der Klägerin fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der
Rentenversicherung (vgl. auch § 43 Abs. 3 SGB VI). Die Klägerin ist mithin nicht
berufsunfähig.
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Die Klägerin ist damit und dies auch seit Oktober 2004 nicht als teilweise oder voll
erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 1, 2 SGB VI anzusehen, denn diese
Vorschriften setzen eine noch weitergehende Leistungseinschränkung als die der
Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI voraus, die die Kammer schon verneinen musste.
Eine allgemeine volle oder teilweise Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 1, 2
SGB VI besteht nach § 43 Abs. 3 SGB VI auch nicht für den, der unter den üblichen
Bedingungen auch nur des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden
täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu
berücksichtigen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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