Urteil des SozG Düsseldorf vom 19.05.2009

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Sozialgericht Düsseldorf, S 9 KR 159/07
Datum:
19.05.2009
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 9 KR 159/07
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten, die für die
Versorgung mit monofokalen Linsen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung
entstehen.
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Die 1951 geborene Klägerin erhielt in der Zeit zwischen dem 13.06.2007 und
20.06.2007 durch die Fachärzte für Augenheilkunde Priv. Doz. M und N in E multifokale
Linsen in beide Augen operativ eingesetzt. Für diese ärztliche Behandlung bezahlte die
Klägerin ausweislich der Rechnung vom 27.06.2007 einen Betrag in Höhe von 3.955,75
Euro, ausweislich der Rechnung vom 10.05.2007 einen Betrag in Höhe von 55,01 Euro
und ausweislich der Rechnung vom 22.06.2007 einen weiteren Betrag in Höhe von
337,85 Euro. Die Behandlung der Klägerin wurde in der Zeit vom 13.06.2007 bis
20.06.2007 durchgeführt.
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Im Juli 2007 reichte die Klägerin die Rechnungen bei der Beklagten ein.
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Mit Bescheid vom 01.08.2007 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme mit der
Begründung ab, dass es sich hierbei nicht um eine medizinisch notwendige und
sinnvolle Leistung gehandelt habe.
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Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und teilte mit, dass sie sich auf Anraten
ihrer Ärzte für multifokale Linsen entschieden habe. Die gesetzlichen
Krankenversicherungen würden eine Versorgung mit monofokalen Linsen anbieten. Da
die Versorgung mit multifokalen Linsen keine andersartige, sondern lediglich eine
bessere Versorgung als mit monofokalen Linsen darstelle, bat die Klägerin um
Erstattung der Kosten, die der Beklagten entstanden wären, wenn die Klägerin sich
monofokale Linsen hätte einsetzen lassen.
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Mit ärztlichem Attest vom 04.10.2007 teilte Priv. Doz. M mit, dass bei der Klägerin aus
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augenärztlicher Sicht eine beidseitige Katarakt-Operation medizinisch indiziert gewesen
sei. Die Versorgung mit monofokalen Intraokularlinsen im Rahmen der Strukturverträge
mit den Krankenkasse sei geboten gewesen. Die Klägerin habe eine Implantation
multifokaler Intraokularlinsen gewünscht. Hierdurch sei die komplette Katarakt-
Operation zur Selbstzahlerleistung geworden.
Nach Kenntnisnahme dieses Schreibens blieb die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 16.11.2007 bei ihrer ablehnenden Haltung. Einer Kostenerstattung stehe bereits
entgegen, dass die Klägerin die Behandlung habe durchführen lassen, ohne zuvor
einen entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten gestellt zu
haben. Das Bundessozialgericht habe schon mehrfach entschieden, dass der
Versicherte vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen
Systems grundsätzlich gehalten sei, seine Krankenkasse zu befragen, soweit eine
Kostenerstattung begehrt werde. Die Klägerin habe den Antrag auf Kostenübernahme
jedoch erst nach Abschluss der Behandlung gestellt. Mit der Inanspruchnahme einer
Privatbehandlung habe sich die Klägerin dagegen entschieden, die Leistung im
Rahmen des Sachleistungsprinzips zu erhalten.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.
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Sie macht deutlich, dass es ihr bei ihrem Antrag nicht um die Erstattung der Kosten geht,
die dadurch entstanden seien, dass sie eine bessere Versorgung gewählt habe. Ihr
gehe es um die Erstattung der Kosten, die angefallen wären, wenn sie die Versorgung
mit Standardlinsen gewählt hätte. Einen konkreten Antrag auf Kostenerstattung könne
sie nicht stellen, da ihr nicht bekannt sei, in welcher Höhe der Beklagten Kosten für die
übliche Versorgung mit monofokalen Linsen entstehen würden.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 01.08.2007 und ihres
Widerspruchsbescheides vom 16.11.2007 zu verpflichten, ihr die Kosten für die
Versorgung mit monofokalen Linsen im Rahmen der bei der Beklagten üblichen Höhe
zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, ihre im Verwaltungsverfahren mitgeteilte Auffassung sei rechtmäßig.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der
Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer gemäß § 124 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid der
Beklagten vom 01.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2007
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nicht in ihren Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
beschwert.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch
- SGB V - besteht nicht, weil die Beklagte zum einen die Leistung nicht zu Unrecht
abgelehnt hat und es sich zum anderen nicht um eine unaufschiebbare Leistung
handelte.
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Denn die Klägerin hat die Versorgung mit multifokalen Linsen im Zeitraum vom
13.06.2007 bis 20.06.2007 erhalten. Einen Antrag auf Kostenübernahme hat sie erst im
Juli 2007 gestellt. Gemäß § 13 Abs. 3 SGB V besteht ein Kostenerstattungsanspruch,
wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten
dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Mit dieser
Formulierung setzt der Wortlaut voraus, dass der Versicherte vor Inanspruchnahme der
Leistung Kontakt mit seiner Krankenkasse aufgenommen haben muss. Denn nur wenn
es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Ablehnung durch die Beklagte und
dem eingeschlagenen Beschaffungsweg gibt, kommt ein Kostenerstattungsanspruch in
Betracht (vgl. zum sogenannten Beschaffungsweg BSG vom 18.01.1996 SozR 3-2500 §
13 Nr. 10; BSG vom 15.04.1997 SozR 3-2500 § 13 Nr. 15 oder NZS 1997, 569). Der
Versicherte muss vor jeder Therapieentscheidung in zumutbarem Umfang um die
Gewährung der Behandlung als Sachleistung bemüht sein. Diese Voraussetzungen
sind vorliegend nicht erfüllt.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, wonach die
Beklagte auch bei einer vorherigen Antragstellung den Anspruch der Klägerin abgelehnt
hätte. Eine solche Ausnahme ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch ist sie
im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorgesehen.
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Auch soweit die Klägerin lediglich die Kostenerstattung in der Höhe begehrt, in welcher
der Beklagten Kosten entstanden wären, wenn die Klägerin eine Versorgung mit
monofokalen Linsen in Anspruch genommen hätte, ergibt sich nicht aus dem Gesetz.
Denn als notwendige Folge des Sachleistungsprinzips enthält § 13 Abs. 1 SGB V einen
Ausschluss der Kostenerstattung, soweit nicht einer der gesetzlichen normierten Fälle
von Kostenerstattung vorliegt. Beschaffen sich Versicherte, wenn sie nur Anspruch auf
Sachleistungen haben, die Leistungen selbst, d.h. außerhalb der vom
Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenen Wege und
Verfahren, so dürfen die Krankenkassen dabei entstehende Kosten grundsätzlich nicht
erstatten (BSGE 69, 117; Höfler in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht
Band I § 13 SGB V Rn. 1). Denn das Leistungssystem der gesetzlichen
Krankenversicherung kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn die Personen und
Einrichtungen, deren Hilfe sich die Krankenkasse bei der Erbringung der Leistungen
bedient, von den Versicherten auch genügend in Anspruch genommen werden.
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Aus diesem Grund ist im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht
vorgesehen, dass Kosten in der Höhe erstattet werden, die eine Versorgung im Wege
des Sachleistungssystems gekostet hätte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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