Urteil des SozG Düsseldorf vom 24.01.2008

SozG Düsseldorf: mrt, distorsion, unfallfolgen, arbeitsunfall, widerspruchsverfahren, chirurgie, ausstrahlung, lendenwirbelsäulensyndrom, vorverfahren, rente

Sozialgericht Düsseldorf, S 16 U 153/06
Datum:
24.01.2008
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Gerichtsbescheid
Aktenzeichen:
S 16 U 153/06
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Umstritten ist die Neufeststellung und Entschädigung von Unfallfolgen gemäß § 44 SGB
X.
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Der 1957 geborene Kläger erlitt am 09.05.1999 einen Arbeitsunfall als er mit zwei
Arbeitskollegen eine Putzmaschine, die - so der Kläger - ungefähr 100 kg wog, eine
Treppe hinunter trug, und dabei mit dem rechten Fuß von einer Stufe abrutschte und
anschließend Schmerzen im rechten Knie und im Rücken verspürte. Eine
Röntgenuntersuchung am Unfalltag ergab weder eine Kniescheiben- noch eine
Lendenwirbelsäulenfraktur. Durchgangsärztlich wird eine Distorsion des rechten Knies
sowie ein Lumbalsyndrom bei Zustand nach Prellung der Lendenwirbelsäule
beschrieben. Außerdem ist in dem Bericht der behandelnden Orthopädin G (vom
21.05.1999) davon die Rede, Röntgenbilder vom 14.03.1997 belegten einen
Vorschaden, und zwar eine leichte Osteochondrose bei L 4/L 5 und L 5/S 1 sowie eine
leichte vordere und laterale Spondylose. Bei einer MRT-Untersuchung am 11.08.1999
zeigte sich eine ausgeprägte Rissbildung im Hinterhorn des rechten Innenmeniskus.
Eine weitere MRT-Untersuchung am 23.11.1999 ergab eine im Vergleich zur
Voruntersuchung noch etwas betontere Rissbildung im Hinterhorn. Am 09.05.2000
erfolgte in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E-C1 die arthroskopische
Resektion des Innenmeniskus-Hinterhorns. Histologisch fanden sich kleine aufgefaserte
Meniskusanteile mit schweren degenerativen Veränderungen, Verschleimungen bei
spälichem, zellarmen Regenerationsgewebe. Nachdem der Chirurg C2 einen
wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Geschehen am 09.05.1999
und den verbliebenen Beschwerden des Klägers verneint hatte, lehnte die Beklagte die
Bewilligung von Leistungen ab (Bescheid vom 31.05.2000). Im anschließenden
Widerspruchsverfahren äußerte der Chirurg T1, die vom Kläger beklagte
Lumboischialgie könne im Hinblick auf einen röntgenologisch gesicherten Vorschaden
als Unfallursache ausgeschlossen werden. Die Widerspruchsstelle wies daraufhin den
Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.02.2001). In dem sich
daran anschließenden Klageverfahren, das beim Sozialgericht Düsseldorf unter dem
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Aktenzeichen S 18 U 25/01 geführt wurde, holte das Gericht ein
Zusammenhangsgutachten von P ein. Als Unfallfolgen beschrieb der Sachverständige
eine Distorsion des rechten Kniegelenks und eine Prellung des unteren
Rückenbereichs; die unfallbedingte MdE schätzte er mit Ablauf der 26. Woche nach
dem Unfall vom 19.05.1999 als nicht messbar ein. Auf dieser medizinischen Grundlage
wies das Sozialgericht Düsseldorf die Klage ab. Das anschließende
Berufungsverfahren beendeten die Beteiligten im Wege eines Vergleichs, durch den
sich die Beklagte verpflichtete als Unfallfolge eine Gelenksdistorsion ohne
rentenberechtigende MdE anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 30.09.2005 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag gemäß §
44 SGB X. Dabei bezog er sich auf eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für
Chirurgie L, in der es u. a. heißt, der Kläger leide an Folgen des Unfalls. Im langen
Leidensverlauf habe sich eine Instabilität der Lendenwirbelsäule entwickelt. Diese habe
zu Verspannungen der Rückenmuskulatur und Bänder sowie zunehmender
Schädigungen der Nerven und zu fortschreitenden Degeneration der
Lendenwirbelsäule geführt. Die Fehlhaltung im Lendenwirbelsäulenbereich könne sich
negativ auf die Kniegelenksbeschwerden auswirken. Die Beklagte holte daraufhin ein
Zusammenhangsgutachten von T2 ein, der die Auffassung vertrat, bei dem Unfall vom
09.05.1999 habe es zwar zu einer vorübergehenden Beeinträchtigung der bereits seit
1997 vorliegenden Erkrankungen im Bereich der Lendenwirbelsäule kommen können;
ein Schaden mit struktureller und vor allen Dingen anhaltender Bedeutung sei jedoch
nicht mit Wahrscheinlichkeit hervorgerufen worden. Die Beklagte lehnte es daraufhin ab,
den bindenden Bescheid vom 31.05.2000 insoweit gemäß § 44 SGB X
zurückzunehmen (Bescheid vom 30.03.2006). Der Widerspruch des Klägers war
erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006).
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Mit seiner am 20.07.2006 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger geltend,
seit dem Unfall an dauernden Rückenschmerzen mit Ausstrahlung zum rechten Bein
sowie rezidivierenden Schmerzen am rechten Knie besonders beim Gehen und beim
Treppensteigen zu leiden. Dabei bezieht er sich auf das Attest von L. Außerdem hat er
einen Arztbrief über ein MRT des rechten Kniegelenks vom 20.06.2007 sowie einen
Bericht über ein MRT der Lendenwirbelsäule vom 09.03.2007 vorgelegt. In diesem
Bericht in von Lumboischialgien rechts und links die Rede.
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Schriftsätzlich begehrt der Kläger, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
30.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2006 zu
verurteilen, bei ihm eine MdE von mindestens 20 vom Hundert festzustellen und sich
eine hieraus ergebende Unfallrente zu zahlen.
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Die Beklagte begehrt schriftsätzlich,
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die Klageabweisung. Auf Antrag des Klägers hat das Gericht gemäß § 109
Sozialgerichtsgesetz (SGG) B-X gehört, der als Unfallfolgen eine Distorsion des rechten
Kniegelenks sowie eine Stauchung und Prellung der unteren Lendenwirbelsäule
beschrieben und die dadurch bedingte MdE nach Ablauf der 26. Woche nach dem
Unfallgeschehen als nicht messbar angesehen hat. Wegen des Ergebnisses der
medizinischen Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegen des weiteren Sach- und
Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Akten der Bkelagten und die
Vorprozessakten S 18 U 25/01 Bezug genommen.
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Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, den Rechtsstreit durch
Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet. Nach wie vor hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente
wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.05.1999. Mit dieser Auffassung stützt sich
die Kammer auf die Zusammenhangsbeurteilung des im Vorverfahren gehörten
Sachverständigen P, dessen Ansicht der in diesem Verfahren gehörte Sachverständige
B-X bestätigt hat. Danach mag es durch den Unfall vom 09.05.1999 zwar zu einer
vorübergehenden Verschlimmerung der bereits 1997 beschriebenen degenerativen
Vorschäden der Lendenwirbelsäule gekommen sein; auch unter Berücksichtigung der
als Unfallfolge anerkannten Kniegelenksdistorsion lässt sich jedoch keine
rentenberechtigende MdE (20 vom Hundert) nach Ablauf der 26. Woche nach dem
Arbeitsunfall begründen (vgl. § 56 SGB VII). Die Sachverständigen haben darauf
hingewiesen, dass sich unfallbedingte Schäden am Kniegelenk und an der Wirbelsäule
nicht nachweisen lassen. Die Kniegelenksbeschwerden des Klägers beruhen vielmehr
auf Vorschäden: Zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls vom 19.05.1999 bestand bereits ein
degenerativer Innenmeniskushinterhornschaden sowie ein Knorpelschaden im rechten
Kniegelenk. Dieser unfallunabhängige Schaden ist für die Beschwerden des Klägers im
rechten Kniegelenk verantwortlich. Für seine Beschwerden im
Lendenwirbelsäulenbereich sind die bereits 1997 festgestellten degenerativen
Veränderungen der Lendenwirbelsäule ursächlich. Weder im Kniegelenk noch an der
Lendenwirbelsäule sind unfallbedingte Schäden verblieben. Darin sind sich die
Sachverständigen einig. Zu der Bescheinigung von L hat der auf Antrag des Klägers
gehörte Sachverständige B-X geäußert, diese Zusammenhangsbeurteilung sei
medizinisch in keiner Weise nachvollziehbar und selbst als Gefälligkeitsbescheinigung
nicht zu gebrauchen. Die beschriebenen Befunde so der Sachverständige - seien
allenfalls als sekundäres Schmerzsyndrom zu werten, das bereits lange vor dem Unfall
nämlich bereits 1997 als degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom bestanden haben
müsse.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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