Urteil des SozG Düsseldorf vom 05.11.2007
SozG Düsseldorf: berufskrankheit, belastung, verdacht, wahrscheinlichkeit, sicherheit, gesundheitsschaden, luft, verordnung, entschädigung, form
Sozialgericht Düsseldorf, S 16 U 211/05
Datum:
05.11.2007
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 16 U 211/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 15 U 343/07
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beim Kläger festgestellte
Schilddrüsenkrebserkrankung als oder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen ist.
2
Der 1956 geborene Kläger arbeitete - eigenen Angaben zufolge - vom 05.06.1981 bis
zum 08.09.1990 als Hilfsbäcker und ist seit dem bei der T M GmbH als Staplerfahrer und
Lagerarbeiter tätig. Im Juli 2004 zeigte der Kläger der Beklagten an, berufsbedingt mit
krebserzeugenden Gefahrstoffen in Berührung zu kommen. Die Beklagte zog daraufhin
über den Kläger vorliegende medizinische Unterlagen bei, denen zu entnehmen ist,
dass dem Kläger am 25.03.2004 die gesamte Schilddrüse wegen eines papillären
multifokalem Schilddrüsenkarzinoms operativ entfernt worden war. Ferner holte die
Beklagte eine Arbeitgeberauskunft ein, in der unter Bezugnahme auf ein
Sicherheitsdatenblatt für das Produkt Drahtlack ausgeführt wird, die Tätigkeit des
Klägers habe in der Zeit seit September 1990 im Be- und Entladen von
Beförderungseinheiten sowie im Ein- und Auslagern im Lager bestanden. Es seien nur
geschlossene Gebinde zu Handhaben gewesen, so dass eine direkte Berührung
ausscheide. Mit krebserregenden Gefahrstoffen habe der Kläger keinen Kontakt gehabt.
Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten hatte der
Kläger bei der Firma T im Wesentlichen Stapler- und Kommissionierarbeiten
durchzuführen. Alle Produkte seien in geschlossenen Gebinden verpackt gewesen. In
seltenen Fällen hätten aus geschlossenen Behältern Inhaltsstoffe in kleinen Mengen
austreten können. In den ersten Monaten der Einlagerung von Drahtlack sei es bei den
Rückläufen dazu gekommen, dass die Behälter außen Produktreste (ausgehärtete
Lackreste) enthalten hätten. Ferner sei es vorgekommen, dass an den Ablaufstutzen
Produktreste vorhanden gewesen seien, die auch nach dem Entladen in geringen
Mengen getropft seien. Augenfällig beschädigte bzw. undichte Behälter seien nur im
Freien gelagert worden und spätestens nach einem Tag an den Hersteller
zurückgeliefert worden. Die Inhaltsstoffe des Drahtlacks seien als gesundheitsschädlich,
3
reizend oder giftig eingestuft. Von keinem der Inhaltsstoffe sei jedoch bekannt, dass er
krebserzeugend sei. Blei oder Quecksilber seien in Drahtlack nicht enthalten gewesen.
Ein Kontakt zu Stoffen, die im Verdacht stünden, eine krebserzeugende Wirkung zu
haben, könne ausgeschlossen werden, da keine der gelagerten Stoffe eine
entsprechende Kennzeichnung aufgewiesen hätte. Nach Einholung einer
Stellungnahme von Privat-Dozent K, Landesanstalt für Arbeitsschutz NRW, der die
Anerkennung einerr Berufskrankheit nicht empfahl, lehnte es die Beklagte ab, die
Schilddrüsenerkrankung des Klägers als oder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen
(Bescheid vom 26.01.2005). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei
häufig mit dem Stoff Xylol in Verbindung gekommen, auch bei dem Inhaltsstoff Kresol
bestehe zumindest der begründete Verdacht, dass dieser Stoff krebserregend sei.
Daneben sei er auch häufig mit Phenolen in Berührung gekommen. Bezüglich Phenol
bestünde Anlass zur Besorgnis, dass diese Substanz krebserregend sei. Die Beklagte
veranlasste daraufhin Schadstoffmessungen in der Lagerhalle, in der der Kläger als
Gabelstaplerfahrer tätig gewesen ist. Die Messungen wurden bei geschlossenen Rolltor
durchgeführt und ergaben eine dauerhaft sichere Einhaltung der Grenzwerte
insbesondere für die Stoffe Kresol, Phenol und Xylol. Die Widerspruchsstelle der
Beklagten wies darauf hin den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid
vom 22.07.2005). Mit seiner am 23.08.2005 bei Gericht eingegangenen Klage macht der
Kläger im Wesentlichen geltend, er sei mit mehreren, eine Berufskrankheit auslösenden
Stoffen in Kontakt gekommen.
Der Kläger beantragt,
4
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 26.01.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22.07.2005 zu verurteilen, seinen Schilddrüsen- krebs
als oder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen.
5
Die Beklagte beantragt,
6
die Klage abzuweisen.
7
Sie bezieht sich unter anderem auf einen Auszug aus dem
Gefahrstoffinformationssystem GESTIS - der gewerblichen Berufsgenossenschaften,
wonach noch nicht ausreichend Daten verfügbar sind, nach denen sich ein
Kanzerogenitätsverdacht der Substanz Phenol begründen lässt.
8
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die
Akten der Beklagten Bezug genommen.
9
Entscheidungsgründe:
10
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 26.01.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22.07.2005 ist rechtmäßig. Die
Schilddrüsenkrebserkrankung des Klägers kann weder als noch wie eine
Berufskrankheit entschädigt werden. Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt
voraus, dass zum einen in der Person des Versicherten die sog. arbeitstechnischen
Voraussetzungen vorliegen, d. h. dass er bei seiner versicherten Tätigkeit schädigenden
Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die generell
geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen
- wie das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat - die
11
Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden
Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes im Sinne des Vollbeweises
also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Im
vorliegenden Fall belegen die Messungen am Arbeitsplatz des Klägers die sichere
Einhaltung der Grenzwerte für die als gefährdend anzusehenden Stoffe. Dies gilt
insbesondere für Kresol, Phenol und Xylol. Es ist eine Belastung von weniger als 1/10
der MAK-Werte festgestellt worden. Diese MAK-Werte beschreiben die höchstzulässige
Konzentration eines Arbeitsstoffs in der Luft, die nach dem gegenwärtigen Stand der
Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger Einwirkung unter Berücksichtigung der
durchschnittlichen Wochenarbeitszeit im Allgemeinen die Gesundheit von Beschäftigten
nicht beeinträchtigt. Dass die MAK-Grenzwerte bei weitem nicht erreicht worden sind,
erscheint der Kammer auch plausibel, da die als gefährdend angesehenen Substanzen
in geschlossenen Behältern transportiert worden sind und nur gelegentlich Produktreste
- allerdings in ausgehärteter Form - Behältern anhafteten oder aber beim Entladen in
geringen Mengen abtropften. Eine höhere als die vom Technischen Aufsichtsbeamten
festgestellte Belastung lässt sich damit nicht nachweisen. Bereits deshalb kann ein
ursächlicher Zusammenhang zwischen der Schilddrüsenkrebserkrankung des Klägers
und seiner Belastung am Arbeitsplatz nicht hergestellt werden. Eine Berufskrankheit
scheidet im Übrigen bereits deshalb aus, weil die Erkrankung keinem in der
Berufskrankheiten-Verordnung beschriebenen Krankheitsbildern entspricht. Eine
Entschädigung wie eine Berufskrankheit (§ 9 Abs. 2 SGB VII) kommt bereits deshalb
nicht in Betracht, weil die nachgewiesenen Belastungen am Arbeitsplatz des Klägers zu
gering gewesen sind, um als Ursache einer Erkrankung, insbesondere einer
Krebserkrankung angesehen werden zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
12