Urteil des SozG Düsseldorf vom 03.02.2009

SozG Düsseldorf: wohnung, unterkunftskosten, wohnraum, auskunft, verfügung, senkung, verwaltungsverfahren, boykott, heizung, form

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Sozialgericht Düsseldorf, S 35 AS 59/07
03.02.2009
Sozialgericht Düsseldorf
35. Kammer
Gerichtsbescheid
S 35 AS 59/07
Grundsicherung für Arbeitssuchende
nicht rechtskräftig
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum vom
01.11.2006 bis zum 30.04.2007 weitere 588 Euro als Kosten der
Unterkunft nach dem SGB II zu zahlen.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des
Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -
SGB II - um die Höhe der Unterkunftskosten.
Der Kläger beantragte im April 2006 bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Unter
dem 13.04.2006 wurden ihm daraufhin monatliche Leistungen in Höhe von 781,70 Euro für
die Zeit vom 01.05.2006 bis zum 31.10.2006 bewilligt. Darin enthalten waren 436,70 Euro
Kosten der Unterkunft.
Unter dem 29.05.2006 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die zu zahlende
Grundmiete in Höhe von 353 Euro unangemessen hoch sei. Sie sei künftig nur noch bereit
eine Grundmiete in Höhe von 255 Euro zu zahlen. Der Kläger sei verpflichtet, die
Unterkunftskosten durch intensive Bemühungen auf ein angemessenes Maß zu senken.
Mit Bescheid vom 14.06.2006 erhöhte die Beklagte ihre Zahlungen an den Kläger
rückwirkend auf insgesamt 805 Euro, wobei die Kosten der Unterkunft nunmehr in Höhe
von 460 Euro übernommen wurden.
Unter dem 10. Juni 2006 teilte der Kläger mit, er sei selbstverständlich bemüht, die Kosten
der Unterkunft zu reduzieren. Er habe schon diverse Anträge bei Wohnbaugesellschaften
gestellt. In der Anlage zu seinem Schreiben fügte er Reaktionen der Wohngesellschaften
bei. In dem Schreiben wies der Kläger im Übrigen darauf hin, dass er
Verbraucherinsolvenz beim Amtsgericht L angemeldet habe. Aus diesem Grunde werde er
von vielen Wohnbaugesellschaften abgelehnt. In der Folge fragte der Kläger wegen
mehrerer Wohnungen bei der Beklagten an, ob er diese anmieten könne. Unter anderem
hätte der Kläger eine Wohnung in der Tstraße 00 mit einer Grundmiete von 270,25 Euro
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anmieten können. Dies wurde jedoch von der Beklagten mit Schreiben vom 25.07.2006
abgelehnt. Unter dem 13. September 2006 wies der Kläger darauf hin, dass er inzwischen
60 Bewerbungen für Wohnungen erfolglos abgesandt habe. Für den Fall, dass die Arge
weitere Nachweise und Unterlagen benötige bat er um Nachricht bzw. um ein
Gesprächstermin.
Mit Bescheid vom 12.10.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom
01.11.2006 bis zum 30.04.2007 nur noch monatliche Leistungen in Höhe von 725 Euro.
Darin enthalten waren Kosten der Unterkunft in Höhe von 362 Euro monatlich.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit dem er rügte, sein Angebot zu einer
Erörterung sei von der Beklagten nicht angenommen worden. In der Folge legte der Kläger
immer wieder Mietangebote bei der Beklagten vor. Jedoch kam es aus unterschiedlichen
Gründen nicht zu einer tatsächlichen Anmietung einer Wohnung.
Mit Bescheid vom 31.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als sachlich
unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14. Februar 2007 bei Gericht eingegangene Klage, mit der
der Kläger vorträgt, die Anmietung verschiedener Wohnungen sei daran gescheitert, dass
die Beklagte eine vollständige Zusage nicht rechtzeitig erteilt habe und dass sich der
Kläger in einer Privatinsolvenz befinde und daher bei Vermietern nicht besonders gut
angesehen sei.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, für den Leistungszeitraum vom 01.11.2006 bis zum 30.04.2007
weitere 588 Euro für Unterkunftskosten an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe durchaus die Möglichkeit gehabt eine Wohnung
anzumieten. Die Anmietung scheitere insbesondere daran, dass der Kläger "ungefragt
jedem Vermieter kundtut, dass er sich in Privatinsolvenz befindet". Im Übrigen sei in M zu
den Bedingungen der Arge ausreichender Wohnraum zur Anmietung vorhanden. Zwar
habe man sich bei Wohnbaugenossenschaften erkundigt, ob Vermietungen an Personen
mit negativer Schufa-Auskunft vorgenommen werden würden, was größtenteils verneint
worden sei, gleichwohl sei eine Anmietung auch bei negativer Schufa-Auskunft nicht
unmöglich.
Auf Anfrage des Gerichts konnte die Beklagte eine konkrete Wohnung, die mit negativer
Schufa-Auskunft hätte angemietet werden können, zunächst nicht benennen. Im Laufe des
Gerichtsverfahrens ist es dann am 16.07.2008 - unter Mithilfe der Beklagten - zu einer
Wohnungsanmietung gekommen -. Die Grundmiete dieser Wohnung liegt im Rahmen der
Angemessenheitskriterien der Beklagten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den
Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Das Gericht kann vorliegend durch Gerichtsbescheid ( § 105 Sozialgerichtsgeset - SGG -)
entscheiden, denn der Sachverhalt ist aufgeklärt und die zu entscheidenden Rechtsfragen
sind einfacher Natur. Im Übrigen wurde der Rechtsstreit mit den Beteiligten ausführlich
erörtert.
Streitig ist vorliegend allein der im angefochtenen Bescheid geregelte Leistungszeitraum
vom 01.11.2006 bis zum 30.04.2007. Soweit aus der überreichten Verwaltungsakte
ersichtlich, liegen für weitere Leistungszeiträume noch unerledigte Widersprüche bei der
Beklagten.
Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist
durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, denn die
Bescheide erweisen sich als rechtswidrig.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB II - werden
Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der
Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des
alleinstehenden Hilfebedürftigen ( ...) so lange zu berücksichtigen, wie es dem
alleinstehenden Hilfebedürftigen ( ...) nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen
Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken,
in der Regel jedoch längstens für 6 Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
In Anwendung dieser Vorschrift hat der Kläger für den hier fraglichen Zeitraum Anspruch
auf seine tatsächlichen Unterkunftskosten, weil es ihm nicht möglich war, die
Unterkunftskosten zu senken.
Die Kammer folgert dies aus den vom Kläger dokumentierten intensiven Bemühungen um
preiswerteren Wohnraum, und aus den Ermittlungen und Nachfragen des Gerichts und der
Beklagten. Diese Ermittlungen haben ergeben, dass Wohnraum für die Person des
Klägers, über den eine negative Schufa-Auskunft vorliegt, nur in ganz geringem Umfang
zur Verfügung steht und es dem Kläger daher zwischenzeitlich verwehrt war, Wohnraum
anzumieten, der den Kriterien der Beklagten entspricht.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kommt es darauf an, ob für den
Kläger eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar war
(BSG , Urteil vom 19.03.2008, Az.: B 11b AS 41/06 R). In Anbetracht der vom Kläger
angegebenen und dokumentierten Wohnungssuchaktivitäten ist es nunmehr Sache der
Beklagten gewesen, konkrete Unterkunftsalternativen für die Zeit nach der
Kostensenkungsaufforderung zu benennen (BSG a.a.O.). Dies ist der Beklagten zunächst
nicht gelungen. Auf die Aufforderung des Gerichts vom 29.11.2007, eine konkret
anmietbare Wohnung zu benennen, musste die Beklagte sogar einräumen, dass bei
städtischen Wohnungsbaugesellschaften gar keine Wohnungen im entsprechenden
Preissegment frei sind, was den Schluss zulässt, dass Wohnraum für den Kläger - als
Hilfeempfänger mit negativer Schufaauskunft - erst Recht nur schwerlich zu erlangen war.
Dagegen hat der Kläger im gesamten Verfahren seine Bereitschaft zur Senkung der
Unterkunftskosten gezeigt und letztlich auch eine entsprechende Wohnung angemietet. Mit
dieser Anmietung hat der Kläger nachgewiesen, dass er im Verwaltungsverfahren die
Anmietung einer den Grundsätzen der Beklagten entsprechenden Wohnung nicht
boykottiert hat. Für einen solchen Boykott fehlen auch im Übrigen jegliche tatsächliche
Anhaltspunkte. Nach alledem ist das Gericht der Überzeugung, dass es dem Kläger im
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fraglichen Zeitraum nicht möglich war, eine angemessene Wohnung anzumieten.
Bei dieser Sachlage kann es dahinstehen, ob die vom Kläger ursprünglich bewohnte
Wohnung tatsächlich - wie von der Beklagten behauptet - unangemessen teuer war.
Die Beklagte hat dem Kläger im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Kosten der
Unterkunft in Höhe von 362 Euro gewährt. Die tatsächlichen Kosten betrugen 460 Euro.
Daraus errechnet sich der im Tenor ausgewiesene Betrag von 588 Euro.
Da der Streitwert des Verfahrens unter 750 Euro liegt, ist eine Berufung gegen diesen
Gerichtsbescheid nicht zulässig. Das Gericht folgt in seiner Entscheidung der
Rechtsprechung des BSG, so dass eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher
Bedeutung nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183, 193 SGG.