Urteil des SozG Düsseldorf vom 24.04.2002

SozG Düsseldorf: weiterbildung, genehmigung, erwerb, fachkunde, qualifikation, abrechnung, ergänzung, ausbildung, rka, facharzt

Sozialgericht Düsseldorf, S 17 KA 34/01
Datum:
24.04.2002
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 17 KA 34/01
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die außergerichtlichen
Kosten der Beklagten.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über sachlich-rechnerische Berichtigungen in den Quartalen
IV/98 und II/99.
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Die Kläger sind in B als Radiologen/Nuklearmediziner zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen. Die Gemeinschaftspraxis kennzeichnet ihre Leistungen seit
dem Quartal III/98. Für das Quartal IV/98 wurden durch Bescheid vom 03.03.1999
verschiedene Leistungen von der Beklagten gestrichen, die durch den
Gemeinschaftspraxispartner Dr. X erbracht wurden, weil Dr. X als Arzt für
Nuklearmedizin zugelassen sei und daher diagnostische Röntgenleistungen sowie
Mammasonographien und auch CT-Leistungen nicht abrechnen dürfe, da dies im
Rahmen der Weiterbildungsordnung nicht möglich sei. Gestrichen wurden insbesondere
Leistungen aus dem Kapitel Q I. des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM),
insbesondere nach Ziffer 2., 3. und 7. - Computertomographie -, ferner wurden
Leistungen nach Ziffer 377 EBM gestrichen - sonographische Untersuchung einer oder
beider Brustdrüsen -. Entsprechend erfolgten Streichungen von Leistungen des Kapitels
Q I. EBM sowie der Ziffer 377 EBM im Quartal II/99 durch Bescheid vom 08.09.1999 mit
der Begründung, dass diese Leistungen für Dr. X fachfremd seien.
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Hiergegen legten die Kläger jeweils Widerspruch ein mit der Begründung, dass Dr. X
zur Abrechnung von CT-und Röntgenleistungen aufgrund von der Beklagten erteilten
Genehmigungen berechtigt sei.
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Durch Widerspruchsbescheid vom 03.01.2001 wurden die Widersprüche der Kläger
zurückgewiesen.
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Hiergegen richtet sich die am 31.01.2001 eingegangene Klage. Die Kläger haben im
wesentlichen dargelegt, dass die Abrechnungsgenehmigungen des Dr. X sein Recht
begründeten, diese Leistungen abzurechnen. Mit Bescheid vom 17.12.1992 sei Dr. X
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die Genehmigung zur Durchführung von Mammasonographien erteilt worden, mit
Bescheid vom 25.03.1993 die Genehmigung zur Erbringung von CT-Leistungen und
unter dem 15.07.1997 die Genehmigung zur Röntgendiagnostik. Die Genehmigungen
bezögen sich auf die Abrechnungsberechtigungen, die entsprechenden Bescheide
seien von der Beklagten nicht zurückgenommen worden. Ferner vertreten die Kläger
auch die Auffassung, dass die von der Beklagten gestrichenen Leistungen für einen
Nuklearmediziner nicht fachfremd seien. Nicht nur im Rahmen der Nuklearmedizin sei
die Weiterbildung in diagnostischer Radiologie möglich, auch eine Weiterbildung in
Nuklearmedizin sei geeignet, bei der Qualifikation zum Facharzt für diagnostische
Radiologie berücksichtigt zu werden. Hieraus ergebe sich, dass die Gebiete
zusammengehörten. Nach der neueren Weiterbildungsordnung gehöre etwa die
Sonographie zum Inhalt und Ziel der Weiterbildung, soweit sie zur Vermeidung oder
Ergänzung nuklearmedizinischer Untersuchungen indiziert sei. Auch die Vermittlung
und der Erwerb von Kenntnissen über Magneteresonanz- Tomographie und
Kernspektroskopie gehörten zum Fachgebiet. Nach der
Kernspintomograpievereinbarung sei für den Nachweis der fachlichen Befähigung die
Urkunde über die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnungen diagnostischer
Radiologie, Kinderradiologie, Neuroradiologie oder Nuklearmedizin ausreichend. Dr. X
verfüge auch über die Fachkunde radiologische Diagnostik.
Die Kläger beantragen,
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die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 03.03.1999 und 08.09.1999 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2001 zu verurteilen, die bezüglich Dr
...X als fachfremd gestrichenen Leistungen abzurechnen und zu vergüten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte vertritt nach wie vor die Auffassung, dass die bezüglich Dr. X gestrichenen
Leistungen für Ärzte für Nuklearmedizin fachfremd sind und verweist im Übrigen auf die
ausführliche Stellungnahme der Beigeladenen.
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Die Beigeladene hat dargelegt, dass die Fachzugehörigkeit der diagnostisch-
radiologische Leistungen sowie der Mamma-Sonographien zum Gebiet der
Nuklearmedizin durch die Weiterbildungsordnung nicht feststellbar sei. Die Anrechnung
von verwandten Gebieten im Rahmen der Weiterbildung bezogen auf die
Weiterbildungszeiten könne nicht dazu führen, dass damit die Fachgebietszugehörigkeit
reklamiert werden könne. Bezüglich der Kernspintomographie gehe es nicht um die
Anwendung ionisierender Strahlen, vom Nuklearmediziner werden nach den
Bestimmungen der Weiterbildungsordnung Kenntnisse in der entsprechenden Technik
der Magneteresonanz-Tomographie verlangt. Im Übrigen sei die Fachkunde
radiologische Diagnostik nicht an irgendein Fachgebiet gebunden und habe auch zur
Weiterbildungsordnung keinen direkten Bezug. Diese Fachkunde beruhe auf den
Regelungen der Röntgenverordnung und sei Voraussetzung für die
strahlenschutzrechtliche Genehmigung zur Betreibung und Beaufsichtigung eines
entsprechenden Röntgengerätes.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die
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Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die Bescheide der Beklagten vom 03.03.1999 und 08.09.1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 03.01.2001 sind rechtmäßig und beschweren die Kläger
nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zu Recht hat die
Beklagte Leistungen aus dem Kapitel Q I. des EBM sowie die Leistungen nach 377
EBM, die von Dr. X erbracht wurden, gestrichen. Leistungen der radiologischen
Diagnostik sowie die Leistung der Mammasonographie sind für einen Arzt für
Nuklearmedizin fachfremd. Ärzte, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen
sind, sind im Rahmen ihrer Tätigkeit an das allgemeine ärztliche Berufsrecht und die
dort verankerte Fachgebietsbeschränkung gebunden (BSGE 58, 18; BSG Urteil vom
20.03.1996 - 6 RKa 34/95 -). Nach § 41 Abs. 1 des Heilberufsgesetzes Nordrhein-
Westfalen darf ein Arzt, der eine Gebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur in diesem
Gebiet tätig werden, dessen Bezeichnung er führt. Diese Begrenzung der
Facharzttätigkeit gilt auch soweit der Facharzt in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt
tätig wird (BSGE 23, 97, 99; BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94).
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Die Zuordnung zu den einzelnen Fachgebieten ergibt sich vor allem aus der
Weiterbildungsordnung, aus der Anlage I zur Weiterbildungsordnung ergeben sich die
Definition und der Umfang der Gebiete und Teilgebiete. Dabei ist zu beachten, dass die
Weiterbildungsordnung zwischen der Vermittlung und dem Erwerb von Kenntnissen
einerseits und der Vermittlung und dem Erwerb eingehender Kenntnisse andererseits
differenziert. Letztere betreffen grundsätzlich die eigene Tätigkeit des Gebietsarztes,
jene hingegen sollen die Vermittlungen und den Erwerb bloßer Kenntnisse vor allem in
der Zusammenarbeit mit anderen Gebietsärzten ermöglichen (LSG NRW Urteil vom
14.07.1997 - L 11 Ka 191/96.). Nach der Definition in Anlage I Ziffer 27 der
Weiterbildungsordnung umfasst die Nuklearmedizin die Anwendung radioaktiver
Substanzen und kernphysikalischer Verfahren in der Medizin zur Funktions- und
Lokalisationsdiagnostik sowie offener Radionuklide in der Therapie und den
Strahlenschutz mit seinen physikalischen, biologischen und medizinischen Grundlagen.
Unter der Rubrik der eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten findet sich
nicht die radiologische Diagnostik, sondern unter Ziffer I.1. der Vermittlung und dem
Erwerb von Kenntnissen werden lediglich die Magnetresonanz-Tomographie und
Kernspektroskopie aufgeführt. Dagegen findet sich bezüglich des Gebietes der
diagnostischen Radiologie in der Anlage I Ziffer 8 der Weiterbildungsordnung zum
Bereich der eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten die radiologische
Diagnostik, dazu gehört auch eine Mindestzahl selbständig durchgeführter
Untersuchungen mit verschiedenen diagnostischen Verfahren. Eine solche Bestimmung
findet sich wie o.g. dargelegt zum Gebiet der Nuklearmedizin nicht. Auch die Richtlinien
der Beigeladenen über den Inhalt der Weiterbildung führen in Ziffer 27 zum Gebiet der
Nuklearmedizin Untersuchungen der radiologischen Diagnostik nicht auf. Dort sind
vielmehr nur bestimmte Ultraschalluntersuchungen und nuklearmedizinische
Untersuchungen aufgeführt. Daraus, dass nach der Weiterbildungsordnung ein Jahr der
Weiterbildung im Gebiet der diagnostischen Radiologie in der Nuklearmedizin
angerechnet werden kann, können die Kläger nichts herleiten. Hier handelt es sich nicht
um eine zwingende Ausbildung, sondern nur um die Möglichkeit der Anrechnung.
Entsprechende Regelungen gibt es zu allen anderen Fachgebieten, ohne dass sich
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dadurch die Fachgebietsgrenzen erweitern. Da die gebietsfremden Leistungen für alle
Ärzte des Fachgebietes einheitlich ausgelegt werden, würde eine Erweiterung der
Fachgebietsgrenzen durch eine anrechnungsfähige Ausbildung auch dazu führen, dass
einige Nuklearmediziner die entsprechenden Leistungen abrechnen könnten, andere,
die nicht ein Jahr Weiterbildung im Gebiet der diagnostischen Radiologie aufweisen,
dagegen nicht. Von der Rechtsprechung werden aber die Gebietsgrenzen immer für alle
Ärzte des Fachgebietes einheitlich ausgelegt. Demnach sind die Leistungen der
radiologischen Diagnostik, die sich in Kapitel Q I. des EBM finden für einen
Nuklearmediziner fachfremd.
Die Kammer hat die Fachfremdheit auch für die Mammasonographien bejaht.
Diesbezüglich findet sich allerdings unter Anlage I Ziffer 27 der Weiterbildungsordnung
zu dem Bereich der eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten im
Gegensatz zur diagnostischen Radiologie eine Regelung. Danach werden in der
Nuklearmedizin eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der
Sonographie vermittelt, soweit sie zur Vermeidung oder Ergänzung
nuklearmedizinischer Untersuchungen indiziert ist. Die Mammasonographie ist aber
nach Auffassung der Kammer keine Untersuchung, die zur Vermeidung oder Ergänzung
nuklearmedizinischer Untersuchungen indiziert ist, denn es gibt keine
nuklearmedizinische Untersuchungen der Mamma. Bestätigt wird diese Auslegung auch
durch die Richtlinien der Beigeladenen über den Inhalt der Weiterbildung, in der zu
Ziffer 27 verschiedene Ultraschalluntersuchungen ausgeführt sind, des Abdomens und
Retroperitoneum, der Urogenitalorgane, der Schilddrüse und der Gesichtsweichteile
und Weichteile des Halses einschließlich Speicheldrüsen. Die Mammasonographie ist
hier nicht aufgeführt.
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Die Kläger können ferner aus den Genehmigungen der Beklagten bezüglich Leistungen
der radiologischen Diagnostik und der Mammasonographien nichts herleiten. Diese
Genehmigungen beziehen sich nicht auf die Fachgebietsgrenzen, sondern sind im
Rahmen bundesrechtlicher Qualifikationsvereinbarungen auf der Grundlage des § 135
des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) ergangen. Diese Vereinbarungen zur
Qualitätssicherung beziehen sich allein auf die individuelle Qualifikation des Arztes.
Wie sich aus den entsprechenden Bescheiden ergibt werden die fachlichen und
apparativen Voraussetzung zur Durchführung der entsprechenden Untersuchungen
überprüft. Da aufgrund verschiedener Anrechnungen von Weiterbildungen die
Qualifikation der Fachärzte durchaus unterschiedlich ist, kann es sich ergeben, dass
bestimmte Fachärzte die Genehmigung nach den Qualitätssicherungs-Vereinbarungen
erfüllen, andere Gebietsärzte dagegen nicht. Der Kläger zu 2) mag in der
diagnostischen Radiologie aufgrund seiner Ausbildung fachlich befähigt sein, dies
ändert aber nichts daran, dass er die Gebietsgrenzen einhalten muss. Hier kommt es nur
auf die abstrakte Definition des Gebietes nach der Weiterbildungsordnung an, nicht
jedoch auf die individuelle Qualifikation des Arztes. Dieselben Überlegungen gelten
auch für die Fachkunde der radiologischen Diagnostik.
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Die Kläger können sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn sie haben ihre
Abrechnung erst ab dem Quartal III/98 kennzeichnen müssen, so dass aus der unter
Umständen vorher unbeanstandeten Abrechnung des Dr. X keine Schlussfolgerungen
gezogen werden konnten. Bezüglich des Quartals III/98 ist ferner auch ein paralleles
Verfahren vor der 14. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf anhängig ( -S 00 (00) KA
00/00-).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 SGG in der bis zum 02.01.2002 geltenden
Fassung i.V.m. Artikel 17 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des SGG sowie auf §
197 a SGG i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
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