Urteil des SozG Düsseldorf vom 11.08.2010

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Sozialgericht Düsseldorf, S 2 KA 188/09
Datum:
11.08.2010
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 2 KA 188/09
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 11 KA 92/10
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2009 wird die
Beklagte verurteilt, über den Widerspruch des Klägers gegen den der
Beigeladenen erteilten Bescheid vom 10.11.2008 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird
die Klage abgewiesen. Die Beteiligten tragen die Gerichtskosten jeweils
zu einem Drittel. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden
gegeneinan- der aufgehoben.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Drittanfechtung einer Zweigpraxisgenehmigung.
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Die Beigeladene ist eine zur vertragsärztlichen Versorgung in T1 zugelassene
Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Innere Medizin, zum Teil mit
Schwerpunktbezeichnung Nephrologie (www.dialysezentrum-t.de). Unter dem
02.08.2008 stellten ihre Mitglieder einen Antrag auf Errichtung einer fachärztlich
nephrologischen Zweigpraxis mit Dialyse im T2-G-Krankenhaus F zur Verbesserung
der wohnortnahen Versorgung in den ländlichen Gebieten des rechtsrheinischen Rhein-
Sieg-Kreises (Eitorf/Windeck/Ruppichteroth). In den vorhandenen Betriebsstätten in T
betreue die Praxis jetzt schon 24 Dialyse-Patienten aus diesen Gemeinden.
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Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung
Rheinland-Pfalz ein, welche die Dialyseeinrichtungen ihres nördlichen Bereiches und
deren Versorgungsregionen sowie die Auslastung der Praxen mitteilte. Darunter
befindet sich eine Hauptpraxis C mit Zweigpraxis B (2 Nephrologen), APS 119. In dieser
Praxis würden vereinzelt auch Patienten aus Windeck, Neunkirchen, Waldbröl,
Morsbach und Siegen behandelt.
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Sodann wandte sich die Beklagte an die Landesverbände der Krankenkassen. Die KV
Rheinland-Pfalz habe mitgeteilt, dass sich insbesondere in C eine Dialyse-Praxis mit
einer Zweigpraxis in B befinde. Diese Dialyse-Praxis sei jedoch schon zu 100 %
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ausgelastet, so dass von dort aus keine weiteren Dialyse-Patienten aus den Gemeinden
Eitorf, Windeck und Ruppichteroth versorgt werden könnten. Vor diesem Hintergrund
würde die Beklagte den Antrag zur Sicherstellung der wohnortnahen Dialyse-
Versorgung befürworten. Um Stellungnahme bis zum 07.11.2008 werde gebeten. Sollte
bis dahin keine Stellungnahme vorliegen, setze die Beklagte das Einverständnis zu
dem vorliegenden Antrag voraus.
Die Landwirtschaftliche Krankenkasse Nordrhein-Westfalen und der Landesverband der
Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen befürworteten daraufhin ausdrücklich den
Antrag.
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Mit Bescheid vom 10.11.2008 erteilte die Beklagte der Beigeladenen ohne nähere
Begründung die Genehmigung einer Zweigpraxis in Eitorf, I1str. 0.
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Gegen diesen Genehmigungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Dieser ist
Facharzt für Innere Medizin und in I2 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen
(www.praxis-I3.de). Er beschäftige seit November 2007 zwei Kolleginnen in seiner
Praxis, welche auch die Genehmigung zur Durchführung von Blutreinigungsverfahren
besäßen. Eine wohnortnahe Versorgung sei auch durch seine freien Kapazitäten
gewährleistet. Er dialysiere zurzeit mehr als 30 Kassenpatienten; seine freien
Kapazitäten lägen nach den gültigen Richtlinien bei über 60 Patienten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2009, bei dem Verfahrensbevollmächtigten des
Klägers eingegangen am 15.09.2009, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers
zurück: Es fehle bereits an seiner Anfechtungsbefugnis.
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Hiergegen richtet sich die am 08.10.2009 erhobene Klage.
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Der Kläger hält sich für anfechtungsberechtigt. Die Bestimmungen der
Qualitätssicherungsvereinbarung für Blutreinigungsverfahren sowie der Anlage 9.1
BMV-Ä/EKV gewährten den Dialyseärzten, denen eine Versorgungsregion zugewiesen
sei, grundsätzlich Konkurrenzschutz. Dieser Schutz ergebe sich aus der vom
Normgeber für Dialysepraxen geforderten Sicherung einer wirtschaftlichen
Versorgungsstruktur. Dieses Erfordernis gelte nicht nur für die erstmalige Genehmigung
einer Dialysepraxis, sondern auch im Rahmen einer Dialysezweigpraxis. Die von der
Beigeladenen beantragte Zweigpraxis befinde sich in der dem Kläger zugewiesenen
Versorgungsregion.
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Der Genehmigungsbescheid sei zudem rechtswidrig. Eine Verbesserung der
wohnortnahen Versorgung der im Zeitpunkt der Antragstellung von der Beigela- denen
bereits behandelten Patienten durch die vorgesehene Zweigpraxis im Sinne der Anlage
9.1 Anhang 9.1.5 Abs. 1 a 2. Alt. BMV-Ä/EKV sei nicht ersicht-
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lich. Nach dem Wortlaut dieser Regelung dürfe es bei der Prüfung dieser Voraussetzung
nicht um künftig - neu zu gewinnende - Patienten gehen, sondern lediglich um
Patienten, die sich schon in Behandlung befänden.
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Die Beigeladene habe nicht dargelegt, um welche Patienten es sich im Einzelnen
handele und wo diese wohnhaft seien. Auch die Beklagte habe in Anbetracht der
unzureichenden Nachweise insoweit keine Feststellungen getroffen. Das
Genehmigungsverfahren sei insofern unzulänglich durchgeführt worden. Richtigerweise
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wäre die Beklagte nicht daran vorbeigekommen, dass seine Praxis in I2 in derselben
Versorgungsregion liege und - im Gegensatz zu der Praxis der Beigeladenen -
Patienten aus dem Umfeld von Eitorf, Windeck oder Ruppichteroth seine Praxis in I2
wesentlich schneller und innerhalb kürzerer Fahrzeiten und für die Kostenträger
günstiger erreichten. Er habe auch ausreichende apparative, räumliche und personelle
Kapazitäten, um die von der Beigeladenen genannten 30 bzw. 24 dialysepflichtigen
Patienten zu versorgen. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme - die Notwendigkeit
der Errichtung einer Zweigpraxis aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung -
hätten ebenfalls nicht vorgelegen und würden weder von der Beigeladenen noch von
der Beklagten geltend gemacht.
Von den gegenwärtig behandelten 34 Dialyse-Patienten stammten etwa sieben bis acht
aus dem Bereich Eitorf, Windeck, Ruppichteroth.
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Der Kläger beantragt,
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den der Beigeladenen erteilten Bescheid vom 10.11.2008 in der Gestalt des ihm - dem
Kläger - erteilten Widerspruchsbescheides vom 25.08.2009 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Eine Anfechtungsberechtigung des Klägers sei auch unter Berücksichtigung der
Bestimmungen der Dialysevereinbarung nicht zu erkennen. Die dort normierten
Anforderungen an eine kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur dienten nicht
dem Schutz einzelner Dialysepraxen vor Konkurrenz. Vielmehr sollten systematische
Unwirtschaftlichkeiten in der vertragsärztlichen Versorgung vermieden werden, indem
sich "unnötige" Neugründungen negativ auf den Auslastungsgrad bestehender Praxen
bzw. Einrichtungen auswirkten und insgesamt zu "ungewollten"
Leistungsmengensteigerungen führten.
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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Auch sie bestreitet eine Anfechtungsbefugnis des Klägers. Es fehle an dem
notwendigen faktischen Konkurrenzverhältnis zwischen dem Kläger und ihr. Die von ihr
behandelten Patienten aus dem gemeinsamen Einzugsbereich machten höchstens 3,95
% (mit sinkender Tendenz) der durchschnittlichen Patientenzahl der Praxis des Klägers
aus, was für eine nicht nur geringfügige Schmälerung der Erwerbsmöglichkeiten auf
Seiten des Anfechtenden nicht ausreiche. Für die Annahme, dass für die Genehmigung
einer Dialyse-Zweigpraxis auch noch die Anforderungen an eine wirtschaftliche
Versorgungsstruktur gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 6 Anlage 9 BMV-Ä/EKV-Ä
erfüllt sein müssten, finde sich keine rechtliche Grundlage. Diese Bestimmungen
regelten sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Sinn und Zweck allein die
Voraussetzungen für die Erteilung eines neuen Dialyseversorgungsauftrages. Die
Voraussetzungen für die Durchführung bereits erteilter Dialyseversorgungsaufträge in
einer Zweigpraxis seien abschließend in § 4 Abs. 3 Anlage 9 BMV-Ä/EKV-Ä i.V.m. Abs.
1 Anhang 9.1.5 zu Anlage 9 BMV-Ä/EKV-Ä geregelt. Der
Dialysezweigpraxisgenehmigung liege nicht die Erteilung eines neuen
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Dialyseversorgungsauftrages zugrunde. Die Genehmigung bewirke lediglich, dass die
beantragende Praxis ihren bereits bestehenden Dialyseversorgungsauftrag auch am
projektierten Zweigpraxisstandort durchführen dürfe. Neue Behandlungskapazitäten
würden also nicht geschaffen, die zu dem bestehenden Angebot hinzukämen.
Die Möglichkeiten des Klägers, weitere Dialysepatienten zu versorgen, seien
insbesondere durch die apparativen und räumlichen Gegebenheiten seiner Praxis
begrenzt.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der
Gerichtsakte, der Akte S 2 KA 308/10 ER sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist, Bezug genommen.
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Während des Klageverfahrens hat der Kläger einen eigenen Antrag auf Genehmigung
einer Dialyse-Zweigpraxis für Herchen (Gemeinde Windeck, Rhein-Sieg-Kreis) gestellt,
die in Kooperation mit der B und der M Praxis betrieben werden soll.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig.
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Die Auslegungsfrage, ob den einschlägigen Regelungen drittschützende Wirkung
entnommen werden kann, ist nicht der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs (des
Widerspruchs bzw. der Klage) zuzuordnen. Unzulässig ist ein Rechtsbehelf nur dann,
wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner
Betrachtungsweise Rechte des Klägers verletzt sein können (st. Rspr von BVerfG,
BVerwG und BSG; s. z.B. BVerfGE 83, 182, 196; BVerwGE 112, 51, 54 m.w.N.; BSGE
43, 134, 141; 90, 127, 130). Die Überprüfung im Einzelnen, ob eine Rechtsnorm
drittschützenden Charakter hat, erfolgt erst im Rahmen der Begründetheit (s. z.B.
BVerwGE 92, 313, 316 f; 112, 51, 54 f; BVerwG NVwZ 2004, 1244, 1246; BSGE 98, 98,
103).
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Die Klage ist im Sinne einer Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung auch
begründet.
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Zwar ist nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28.10.2009 - B 6
KA 42/08 R - ein Dritter grundsätzlich nicht berechtigt, die Erteilung der Genehmigung
für eine Zweigpraxis anzufechten. Die Genehmigung einer Zweigpraxis gemäß § 24
Abs. 3 Sätze 1 und 2 Ärzte-ZV begründet für den begünstigten Arzt keinen Status, indem
sie ihm die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet, sondern erweitert
lediglich in tatsächlicher Hinsicht seine Behandlungsmöglichkeiten. Auch ist die dem
begünstigten Arzt gewährte Berechtigung, einen zweiten Standort zu unterhalten, nicht
nachrangig gegenüber dem Status der an diesem Ort bereits tätigen Ärzte, denn eine
Bedarfsprüfung wie bei Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen findet insoweit
nicht statt.
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Diese für den Regelfall geltenden Erkenntnisse gelten bei der Versorgung chronisch
nierenkranker Patienten jedoch nicht uneingeschränkt.
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Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV ist die vertragsärztliche Tätigkeit außerhalb des
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Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig, wenn und soweit (1.) dies die Versorgung
der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und (2.) die ordnungsgemäße
Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Für
die Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten bzw. die Durchführung von
Versorgungsaufträgen mit Dialyse gelten darüber hinaus besondere Anforderungen.
Diese sind in Anlage 9.1 und deren Anhang 9.1.5 BMV/EKV-Ä geregelt.
Gemäß § 4 Abs. 3 Anlage 9.1 BMV/EKV-Ä bedarf die Durchführung von
Versorgungsaufträgen mit Dialyse in einer Zweigpraxis nach den Vorschriften des § 15a
BMV/EKV-Ä der Genehmigung oder Ermächtigung. Diese wird erteilt, wenn die in
Anhang 9.1.5 BMV/EKV-Ä festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Hierfür sind die
Bestimmungen in Abs. 1a und b Anhang 9.1.5 BMV/EKV-Ä maßgeblich. Danach
müssen die räumlichen Gegebenheiten in der (Haupt-)Praxis zur Durchführung der
Hämodialyse für die zum Zeitpunkt der Antragstellung zu versorgenden Patienten nicht
ausreichen (Abs. 1a 1. Alt.) oder es muss die wohnortnahe Versorgung der zum
Zeitpunkt der Antragstellung mit Verfahren der Hämodialyse behandelten Patienten
durch die projektierte Zweigpraxis verbessert werden (Abs. 1a 2. Alt.). Die projektierte
Zweigpraxis muss in der Versorgungsregion der bestehenden Dialysepraxis liegen
(Abs. 1b Satz 1). Die Genehmigung kann nur erteilt werden, wenn die projektierte
Zweigpraxis nicht gleichzeitig in der Versorgungsregion einer anderen Praxis liegt, es
sei denn, sie ist nach einvernehmlicher Feststellung der Kassenärztlichen Vereinigung
und der zuständigen Verbände der Krankenkassen auf Landesebene aus Gründen der
Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig (Abs. 1b Satz 2).
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Soweit die Partner der Bundesmantelverträge insofern Sonderregelungen für
Dialysezweigpraxen getroffen haben, stehen dem die allgemeinen Bestimmungen des §
24 Abs. 3 Ärzte-ZV über Nebenbetriebsstätten nicht entgegen; beide Regelwerke
ergänzen sich vielmehr, ohne dass § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV Sperrwirkung für die
mantelvertragliche Statuierung zusätzlicher Genehmigungsvoraussetzungen zukäme
(LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2009 - L 5 KA 2164/08 -).
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Die von der Beigeladenen projektierte Zweigpraxis in Eitorf liegt in der
Versorgungsregion einer anderen Praxis, nämlich derjenigen des Klägers in I2. Sie
durfte nur aus Sicherstellungsgründen nach einvernehmlicher Feststellung mit den
Krankenkassenverbänden genehmigt werden.
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Eine Anfechtungsberechtigung des Klägers ergibt sich insofern dahin, dass er jedenfalls
einen Anspruch auf gerichtliche Nachprüfung hat, ob das in Abs. 1b Satz 2 Anhang
9.1.5 BMV/EKV-Ä normierte Verwaltungsverfahren korrekt durchgeführt worden ist.
Dieser Anspruch wurzelt in dem rechtsstaatlichen Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl.
BVerfGE 38, 105, 111 f.; 57, 250, 274 f.), der auch im Verwaltungsverfahren Anwendung
findet (BVerfG, Beschluss vom 11.05.2009 - 1 BvR 1517/08 - NJW 2009, 3417 ff. =
AnwBl. 2009, 645 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18.01.2000 - 1 BvR 321/96 -
BVerfGE 101, 397 ff. = BGBl. I 2000, 444). Er steht dem Kläger zu, weil dieser
unmittelbar vom Tatbestand der Norm erfasst wird, da seine Praxis in der
Versorgungsregion der projektierten Zweigpraxis liegt.
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Das Verwaltungsverfahren ist nicht fair, sondern rechtsfehlerhaft durchgeführt worden.
Es fehlt jedenfalls an der einvernehmlichen Feststellung der Beklagten und der
Krankenkassenverbände, ob die Einrichtung der in Eitorf projektierten Zweigpraxis aus
Gründen der Sicherstellung der Dialyseversorgung notwendig ist.
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"Einvernehmen" ist eine Form der Kooperation zwischen den beteiligten
Körperschaften, die eine Willensübereinstimmung zwischen entscheidender und
beteiligter Stelle erfordert (vgl. BSG, Urteil vom 24.08.1994 - 6 RKa 15/93 - BSGE 75, 37
ff. = SozR 3-2500 § 85 Nr. 7 zur Abgrenzung Einvernehmen, Benehmen, Anhörung).
Das Einvernehmen erfordert als selbstverständliche Voraussetzung eine vollständige
und inhaltlich zutreffende Informierung über das Sachproblem. Hieran fehlt es
vorliegend entscheidend, weil die Beklagte in ihren Anschreiben an die
Landesverbände der Krankenkassen vom 22.10.2008, mit denen diese um
Stellungnahme zum Antrag auf Zweigpraxisgenehmigung gebeten wurden, die Praxis
des Klägers in I2 mit keinem Wort erwähnt, sondern lediglich auf die Mitteilung der KV
Rheinland-Pfalz über die Vollauslastung der Dialyse-Praxis in Altenkirchen
hingewiesen hat. Mit einer dergestalt unvollständigen Sachverhaltsmitteilung konnten
die Krankenkassenverbände aber keine sachgerechten Erwägungen über die
Dialyseversorgung im Umkreis von Eitorf anstellen. Eine verfahrensfehlerfrei zustande
gekommene einvernehmliche Feststellung liegt daher nicht vor. Der darauf gestützte
Genehmigungsbescheid ist insofern rechtswidrig. Die Beklagte wird daher das
Verfahren auf Herstellung des Einvernehmens erneut durchzuführen und über den
Widerspruch des Klägers sodann erneut zu entscheiden haben.
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Die weitergehende kassatorische Klage ist unbegründet. Selbst wenn dem Kläger eine
uneingeschränkte Anfechtungsbefugnis zustehen sollte (so LSG Baden-Württemberg,
a.a.O.), hätte die Kammer den Genehmigungsbescheid nicht ersatzlos aufgehoben,
sondern ebenfalls nur die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt. Denn bei der Frage,
ob und inwieweit Gründe der Sicherstellung der Dialyseversorgung die Einrichtung der
projektierten Zweigpraxis notwendig machen, haben die beteiligten Körperschaften -
nicht anders als bei der Erteilung von Sonderbedarfszulassungen und Ermächtigungen -
einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Im Falle der
Rechtswidrigkeit entsprechender Bescheide ist ebenfalls lediglich zur Neubescheidung
zu verurteilen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 02.09.2009 - B 6 KA 34/08 R - BSGE 104,
116 ff. = SozR 4-2500 § 101 Nr 7.). Bei dieser Sachlage reicht es aus, allein den dem
Kläger erteilten Widerspruchsbescheid aufzuheben (vgl. BVerwG, Beschluss vom
13.01.1999 - 8 B 266/98 - NVwZ 1999, 641; OVG NRW, Urteil vom 14.03.2003 - 12 A
1839/02 - (juris)).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 1 Sätze 1,
2, 162 Abs. 1 VwGO.
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