Urteil des SozG Düsseldorf vom 18.12.2000

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Sozialgericht Düsseldorf, S 4 KR 229/00
Datum:
18.12.2000
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 4 KR 229/00
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 16 KR 59/01
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten haben die
Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und
Pflegeversicherung für den Zeitraum nach Beendigung ihrer
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung unter Berücksichtigung einer
Abfindungszahlung durch den Arbeitgeber.
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Das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma
T-M AG, auf dem die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten beruhte, endete
aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 18.05.1999 mit Wirkung zum 31.05.1999. Für
den Verlust des Arbeitsplatzes gewährte die Firma T und M der Klägerin eine
Abfindungsleistung in Höhe von 133.674,88 DM. Bis zum 02.06.1999 hat die Klägerin
Anspruch auf Erziehungsgeld.
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Am 01.06.1999 meldete die Klägerin sich beim Arbeitsamt L arbeitslos und beantragte
Arbeitslosengeld. Das Arbeitsamt teilte der Klägerin mit Bescheid vom 13.10.1999 mit,
dass der Leistungsanspruch wegen der zu berücksichtigenden Abfindung bis
einschließlich 23.02.2000 ruhe.
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Am 30.08.1999 wurde die Beklagte erstmals von der Klägerin über die
Abfindungszahlung informiert. Die Beklagte stellte daher mit Bescheid vom 31.08.1999
das Versicherungsverhältnis mit Wirkung vom 03.06.1999 in ein freiwilliges
Versicherungsverhältnis um und stufte die Klägerin in die Versicherungsklasse F12 0 17
(berechnet nach monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen von 6075 DM) ein. Als
beitragspflichtige Einnahmen waren dabei die monatlichen Einnahmen unter
Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit maßgebend. Nach
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes seien Abfindungszahlungen, in denen
in kapitalisierter Form Leistungen für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
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enthalten seien, zu denen der Arbeitgeber nach dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses
ohnehin verpflichtet gewesen wäre, Leistungen zum Lebensunterhalt für die Zeit nach
dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Auf der Basis entsprechender
Satzungsbestimmungen der Krankenkassen seien bei der Beitragsbemessung für die
Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung diese Beiträge anteilsmäßig zu
berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei von einem Arbeitsentgeltanteil in Höhe von 40
Prozent (= 53.469,95 DM) der gesamten Abfindungsleistung auszugehen. Der
monatliche Beitrag zur Krankenversicherung betrage demnach 812 DM.
Mit weiterem Bescheid ebenfalls vom 31.08.1999 setzte die Beklagte den Beitrag zur
Pflegeversicherung für den gleichen Zeitraum ab 03.06.1999 in Höhe von 103,28 DM
fest.
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Am 16.09.1999 erklärte die Klägerin ihren Austritt aus der Mitgliedschaft der Beklagten
wegen des Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 02.06.1999.
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Gegen die Einstufungsbescheide vom 31.08.1999 erhob die Klägerin am 30.09.1999
Widerspruch. Die Abfindung wäre ausschließlich als Entschädigung für den Verlust des
Arbeitsplatzes und nicht für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten gezahlt
worden. Über beitragspflichtige Einkünfte verfüge sie nicht. Die Abfindungssumme hätte
sie zur Finanzierung eines Hauskaufes verwendet. Darüber hinaus sei sie auch über
ihren Ehemann bei der Ukrankenkasse familienversichert.
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Die Ukrankenkasse teilte nach Information durch die Beklagte über die Zahlung der
Abfindungssumme mit Schreiben vom 11.10.1999 mit, dass für die Klägerin dort keine
Familienversicherung zustande gekommen sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2000 wies die Beklagte und die Pflegekasse der
Beklagten den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sei bei der Gewährung einer Abfindung
davon auszugehen, dass die Abfindungssumme auch Leistungen zum Lebensunterhalt
für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses enthalte. Für die Abgrenzung des
als Einnahme zum Lebensunterhalt einzustufenden Arbeitsentgeltanteils und der für den
Verlust sozialer Besitzstände bestimmten Entschädigung sei hier von einem
Arbeitsentgeltanteil in Höhe von 40 Prozent der Abfindungssumme auszugehen. Da die
Klägerin am 15.10.1999 wieder ein neues sozialversicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis aufgenommen hätte, sei für den Zeitraum von 03.06. bis
14.10.1999 vom monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen von 6075 DM auszugehen
und die Klägerin sei zutreffend in die Versicherungsklasse F12 0 17 eingestuft worden.
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Dagegen hat die Klägerin am 00.00.0000 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf
erhoben. Die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit
ab 03.06.1999 bis 14.10.1999 sei rechtswidrig, da die Klägerin vor dem Hintergrund der
previlligierenden Vorschrift des § 19 Bundeserziehungsgeldgesetz im Zusammenhang
mit der Beendigung des Erziehungsurlaubes das Arbeitsverhältnis ohne Rechtsnachteil
hätte aufgeben können. Der Umstand, dass ihr eine Abfindung gewährt worden wäre,
ändere daran nichts.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 31.08.1999 in der Fassung des
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Widerspruchsbescheides vom 14.09.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bezieht sich auf die Ausführungen im angefochtenen
Widerspruchsbescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der
Beteiligten und den übrigen Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten
der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne von § 54 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da die Beklagte zurecht die Verpflichtung zur
Zahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit vom 03.06.1999 bis 14.10.1999 aufgrund
der gezahlten Abfindung festgestellt hat.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin enthielt die gezahlte Abfindung teilweise
Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, dass grundsätzlich
gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Beitragsbemessung zugrunde zu legen war. Wie
das BSG im Urteil vom 23.02.1988 (12 RK 34/86) ausgeführt hat, können nur solche
Einnahmen der Grundlohnberechnung zugrunde gelegt werden, die für den jeweiligen
Beitragsmonat zum Lebensunterhalt bestimmt sind; auszuschalten sind Einnahmen, die
für andere Zwecke gezahlt wurden. Eine Abfindung, die wegen der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gewährt wird, setzt sich einerseits aus einer Abgeltung für den
durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkten Verlust des
Arbeitsentgelts (Arbeitsentgeltanteil) und andererseits aus einer Entschädigung für den
Verlust sozialer Besitzstände, insbesondere des Arbeitsplatzes (sozialer Anteil)
zusammen, sofern das Arbeitsverhältnis vorzeitig ohne Einhaltung der für den
Arbeitgeber geltenden ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde. Soweit in einer
Abfindung beitragspflichtiges Arbeitsentgelt enthalten ist, das während des bisherigen
Arbeitsverhältnisses erdient wurde, ist dies im Rahmen der Pflichtversicherung des zu
Ende gegangen Arbeitsverhältnisses beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Soweit in der
Abfindung in kapitalisierter Form Leistungen für die Zeit nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses enthalten sind, zu denen der Arbeitgeber nach dem Inhalt des
Arbeitsverhältnisses ohnehin verpflichtet war, handelt es sich um Leistungen zum
Lebensunterhalt für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, die im Rahmen
entsprechender Satzungsbestimmungen der Ersatzkassen bei der Berechnung des
Grundlohns für die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu berücksichtigen
sind (BSG Urteil vom 23.02.1988 AAO).
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Im vorliegenden Fall wäre dem Arbeitgeber eine Kündigung zum Zeitpunkt der
einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich gewesen.
Lediglich die Klägerin wäre berechtigt gewesen unter Berücksichtigung des § 19 des
Bundeserziehungsgeldgesetzes zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis zu kündigen.
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Wie das BSG im zitierten Urteil vom 230.02.1988 ausgeführt hat, kommt es jedoch für
die Frage, ob die Abfindung einen Arbeitsentgeltanteil enthält, darauf an, ob der
Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt hätte kündigen können. Nur
diese Auslegung macht auch Sinn, da der Arbeitgeber ohne eine ansonsten bestehende
Verpflichtung zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes in der Regel nicht bereit ist, eine
Abfindung zu zahlen. Dementsprechend muß davon ausgegangen werden, dass die
hier gezahlte Abfindung einen Arbeitsentgeltanteil enthält. Zutreffend hat die Beklagte
auch einen Anteil von 40 Prozent (= 53.469,95 DM) aus der gewährten
Abfindungsleistung veranschlagt. Diese Leistung war auf die hier streitigen Monate vom
03.06.1999 bis 14.10.1999 umzulegen. Da nach den sich somit ergebenden
monatlichen Einnahmen die Pflichtversicherungsgrenze überschritten wurde, war das
Versicherungsverhältnis zutreffend von der Beklagten in ein freiwilliges
Mitgliedschaftsverhältnis umgewandelt worden und für die Beitragsberechnung waren
nach § 240 SGB V die Satzungsregelungen zugrunde gelegt worden.
Die Klage mußte daher abgewiesen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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