Urteil des SozG Düsseldorf vom 19.06.2006

SozG Düsseldorf: wohnung, heizung, vorläufiger rechtsschutz, aufschiebende wirkung, unterkunftskosten, nebenkosten, wohnraum, mietzins, anzeiger, hauptsache

Sozialgericht Düsseldorf, S 28 AS 138/06 ER
Datum:
19.06.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
28. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 28 AS 138/06 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung
verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 01.05.2006 bis zur
Bescheidung des Widerspruchs vom 16.03.2005, längstens jedoch bis
zum 30.09.2006 zusätzlich zu den bereits bewilligten Kosten für
Unterkunft und Heizung einen weiteren Betrag in Höhe von 263,52 Euro
monatlich zu zahlen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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I.
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Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Bewilligung von Unterkunfts-
und Heizkosten in tatsächlicher Höhe.
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Die 1950 geborene, alleinstehende Antragstellerin bewohnt seit dem 01.08.1999 eine
60 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung in E. Die monatliche Miete beträgt 580,66 Euro
(551,52 Euro Kaltmiete inklusive Nebenkosten zuzüglich 29,14 Euro Heizkosten). Seit
dem 01.01.2005 bezieht die Antragstellerin von der Antragsgegnerin Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -
Grundsicherung für Arbeitssuchende- (SGB II). Die Antragsgegnerin übernahm zunächst
die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe von 580,66 Euro. Mit
Schreiben vom 28.07.2005 wurde die Antragstellerin von Seiten der Antragsgegnerin
darauf hingewiesen, dass die Aufwendungen für ihre Wohnung nicht angemessen im
Sinne des Gesetzes seien und daher in der Regel nicht dauerhaft übernommen werden
könnten. Angemessen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 45 qm für eine Einzelperson
und ein Mietpreis von 6,40 Euro je qm (Miete inklusive Nebenkosten ohne Heizung). Sie
werde aufgefordert, ihre Unterkunftskosten bis zum 31.01.2006 zu senken. Am
29.12.2005 bat die Antragstellerin unter Vorlage von Unterlagen zur Wohnungssuche
um Fristverlängerung, die ihr von Seiten der Antragsgegnerin mit Schreiben vom
25.01.2006 bis zum 30.04.2006 eingeräumt wurde mit der gleichzeitigen Aufforderung
bis zum Fristablauf Nachweise zur Wohnungssuche, eine Kopie des
Wohnberechtigungsscheines (WBS) sowie die Abrechnungen der selbstgeschalteten
Suchanzeigen vorzulegen. Im Februar 2006 legte die Antragstellerin bei der
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Antragsgegnerin eine Kopie des WBS der Landeshauptstadt E vom 30.09.2005 sowie
Kontoauszüge ihres Girokontos bei der Stadtsparkasse E vor, aus denen Lastschriften
zugunsten der D B GmbH am 12.08.2005, 30.09.2005, 30.12.2005 und 31.03.2006
ersichtlich sind.
Mit Bescheid vom 24.02.2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin
Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom
01.04.2005 bis zum 30.04.2005 in Höhe von 925,66 Euro monatlich (345,00 Euro
Regelsatz und 580,66 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung) und für die Zeit vom
01.05.2006 bis zum 30.09.2006 in Höhe von 662,14 Euro (345,00 Euro Regelsatz und
317,14 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung). Die Antragsgegnerin teilte ergänzend
mit, wie mit Schreiben vom 25.01.2006 angekündigt, würden ab dem 01.05.2006 die
Kosten für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe des Mietrichtwertes der Stadt E in
Höhe von 288,00 Euro zuzüglich Heizkosten übernommen. Hiergegen erhob die
Antragstellerin am 16.03.2006 Widerspruch.
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Am 02.05.2006 hat die Antragstellerin die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
beantragt. Sie macht geltend, sie habe sich mehrfach bemüht, eine Wohnung zu den
Vorgaben der Antragsgegnerin zu finden. Diese Bemühungen seien jedoch aufgrund
der Gegebenheiten des Wohnungsmarktes in Düsseldorf gescheitert. Sie verweise auf
den Beweisbeschluss in der Rechtssache S 35 AS 349/05 SG Düsseldorf zur
Untersuchung des Wohnungsmarktes in Düsseldorf. Sie gehe davon aus, dass
Gutachten bestätigen wird, dass für Düsseldorf ausreichender Wohnraum im Sinne der
Vorgaben der Antragsgegnerin nicht vorhanden sei. Sie befinde sich jetzt in einer
Notlage. Sie habe Ende April 2006 die Miete in voller Höhe von 580,66 Euro und den
Stromabschlag in Höhe von 50,00 Euro überwiesen. Ausgehend von den für Mai 2006
bewilligten Leistungen in Höhe von 662,14 Euro verfüge sie nur noch über ca. 30,00
Euro für den Lebensunterhalt im Mai 2006.
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Die Antragstellerin hat einen Kontoauszug ihres Girokontos vom 28.04.2006 vorgelegt.
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Die Antragstellerin beantragt,
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1.die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 16.03.2006 gegen den Bescheid
vom 24.02.2006 anzuordnen, soweit die Antragsgegnerin bei den Wohnkosten anstelle
eines Betrages in Höhe von 580,66 Euro nur ein Betrag in Höhe von 317,14 Euro
bewilligt hat,
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hilfsweise,
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2.bei Ablehnung des Antrages zu 1) zur Vermeidung einer akuten Notlage einen
Barscheck in Höhe von 150,00 Euro für den Monat Mai 2006 zur Sicherstellung des
Lebensunterhalts auszustellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antrag zu 1) sei mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig. Die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung hätte zur Folge, dass der Leistungsbescheid vom 24.02.2006
nicht vollzogen werden und es damit zu keinerlei Zahlungen kommen könnte. Die
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Unterkunftskosten seien auf 288,00 Euro zuzüglich Heizkosten abzusenken gewesen,
denn die Antragstellerin habe nach der Fristverlängerung vom 25.01.2006 keine
Nachweise über eine eventuelle Wohnungssuche mehr eingereicht. Die
Unterkunftskosten ergäben sich aus dem "Produkt" der als angemessen anzusehenden
Wohnfläche von 45 qm und dem nach den örtlichen Verhältnissen am Wohnort der
Antragstellerin als angemessen anzusehenden Kaltmietzins inklusive Nebenkosten in
Höhe von 6,40 Euro pro qm. Auch das vom Sozialgericht Düsseldorf in Auftrag
gegebene Gutachten könne kein anderes Ergebnis bewirken. Dieses ziehe als
wesentliches Bewertungskriterium für die Beurteilung der Verfügbarkeit von Wohnraum
innerhalb von Düsseldorf den vorgenannten qm-Preis heran, ohne eine
Berücksichtigung der im Rahmen der Produkttheorie zu berücksichtigende
Gesamtumstände. Diese umfassten neben der Kombination von qm-Preis und
Wohnungsgröße auch die Umstände des Einzelfalls, insbesondere inwieweit der
Antragsteller sich selbst um günstigen Wohnraum bemüht habe.
Die Antragstellerin hat unter dem 12.05.2006 Unterlagen über ihre Bemühungen zur
Anmietung einer preiswerten Wohnung und einen aktuellen Kontoauszug vom
10.05.2006 vorgelegt. Sie habe nicht gewusst, in welcher genauen Form die
Dokumentation ihrer Wohnungssuche erforderlich sei.
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Die Antragsgegnerin hat in Reaktion hierauf vorgetragen, die Antragstellerin habe ihre
Wohnungssuche anscheinend im wesentlichen auf zwei unentgeltliche
Wochenzeitungen (Rhein-Bote und Düsseldorfer Anzeiger) beschränkt. Dies sei
unzureichend. Bei intensiver Wohnungssuche müssten auch Zeitungen wie die
Rheinische Post oder das Internet (immobilienscout 24) einbezogen werden.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten und die
Verwaltungsakten Bezug genommen.
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II.
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Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat Erfolg.
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Das Begehren der Antragstellerin ist nach Auslegung darauf gerichtet, auch im Zeitraum
vom 01.05.2006 bis zum 30.09.2006 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und
Heizung in ungekürzter Höhe von 580,66 Euro von der Antragsgegnerin zu erhalten. Bei
der behördlichen Entscheidung vom 24.02.2006 handelt es sich um eine erstmalige
Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2006 bis zum
30.09.2006 und mit der Gewährung von Unterkunftskosten in abgesenkter Höhe von
317,14 Euro ab dem 01.05.2006 wird infolgedessen von Seiten der Antragsgegnerin
nicht in eine bereits bestehende Rechtsposition der Antragstellerin eingegriffen. Die
Antragstellerin begehrt vorliegend weitergehende Leistungen, die ihr mit dem
angefochtenen Bescheid vom 24.02.2006 nicht bewilligt worden sind. Ihr Begehren
kann sie daher in der Hauptsache nur im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage durchsetzen und ihr Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes ist verfahrensrechtlich als Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 86 Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ("Regelungsanordnung")
auszulegen (§ 123 SGG).
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Der so verstandene Antrag ist begründet.
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Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher
Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass einer
einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des
materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das
Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit bei Abwägung aller
betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der
geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (Anordnungsanspruch)
und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86
b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Die
Glaubhaftmachung bezieht sich auf die einschränkte gerichtliche Prüfungsdichte und
die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewißheit für
die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des
Anordnungsgrundes im einstweiligen Verfahren (Landessozialgericht Nordrhein-
Westfalen -LSG NRW- Beschluss vom 14.06.2005 -L 1 B 2/05 AS ER-).
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Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch (1) als auch einen
Anordnungsgrund (2) hinreichend glaubhaft gemacht.
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(1) Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin gegen die
Antragsgegnerin auch über den 30.04.2006 hinaus einen Anspruch auf Gewährung der
tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 580,66 Euro auf
der Rechtsgrundlage des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat.
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Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die
angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist als Produkt aus der abhängig von der
Personenzahl angemessenen Wohnungsgröße in qm und dem nach den örtlichen
Verhältnissen im unteren Bereich liegenden Mietzins pro qm zu ermitteln (sog.
Produkttheorie). Erscheinen dem Leistungsträger die Unterkunftskosten zu Recht zu
hoch, darf er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom
Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen,
welcher Kostenaufwand für die Unterkunft "an sich" (abstrakt) angemessen wäre. Da ein
Anspruch auf die Deckung des tatsächlichen Unterkunftsbedarfs besteht, muss sich die
Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage erstrecken, ob dem
Hilfebedürftigen im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere
Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist bzw. war. Besteht diese
Unterkunftsalternative nicht, ist die tatsächliche Miete zu übernehmen (BVerwG Urteil
vom 28.04.2005 -5 C 15/04-; LSG NRW Beschluss vom 01.08.2005 -L 19 B 21/05 AS
ER-; LSG NRW Beschluss vom 24.08.2005 -L 19 B 28/05 AS ER-).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze dürfte der Antragsgegnerin zwar
zuzustimmen sein, dass die 60 qm große Wohnung der Antragstellerin mit einem
Kaltmietpreis (inklusive Nebenkosten) in Höhe von 9,19 Euro pro qm für eine Person
nach sozialhilferechtlichen Maßstäben nicht mehr als angemessen angesehen werden
kann. Gleichwohl sind die tatsächlichen Kosten für die Wohnung der Antragstellerin von
Seiten der Antragsgegnerin vorübergehend weiter zu übernehmen, da es überwiegend
wahrscheinlich ist, dass für die Antragstellerin bislang keine konkrete Möglichkeit
bestand, eine angemessene Wohnung, d.h. nach den Vorgaben der Antragsgegnerin
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eine maximal 45 qm große Wohnung für einen monatlichen Mietzins in Höhe von
maximal 288,00 Euro (inklusive Nebenkosten) in Düsseldorf zu beziehen. Dafür
sprechen zum einen die offensichtlich erfolglos gebliebenen Bemühungen der
Antragstellerin zur Anmietung einer entsprechenden Unterkunft: Die Antragstellerin hat
bei der Stadt E einen WBS beantragt und von dort erhalten, um öffentlich geförderten
Sozialwohnungsbau anmieten zu können. Des weiteren hat sie eine Reihe von
Großvermietern und Hausverwaltungen kontaktiert, dort hinsichtlich einer
entsprechenden Wohnung nachgefragt bzw. sich hierfür vormerken lassen. Darüber
hinaus hat sie ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge ihres Girokontos
(Stadtsparkasse E) in Wochenzeitungen wiederholt im Jahr 2005 und zuletzt im März
2006 und Mai 2006 Suchanzeigen geschaltet, wobei auf die Annonce vom 01.03.2006
beispielsweise keine Angebote für Wohnungen mit einer Kaltmiete unter 350,00 Euro
bei ihr eingingen. Schließlich hat die Antragstellerin dargelegt, in der Zeit vom
22.02.2006 bis zum 05.04.2006 die Zeitungen Rhein-Bote bzw. Düsseldorfer Anzeiger
auf passende Wohnungsangebote durchgeschaut und solche nachgefragt zu haben.
Sie hat entsprechende Annoncen, die gemäß den Vorgaben der Antragsgegnerin
hinsichtlich Wohnungsgröße und Mietzinshöhe in Betracht zu ziehen waren, vorgelegt
und das Ergebnis ihre jeweiligen Bemühungen um diese Wohnungen dokumentiert.
Des weiteren hat sie mitgeteilt, in welchen Zeitungsausgaben von vorneherein keine in
Betracht zu ziehenden Angebote vorzufinden waren. Diese von der Antragstellerin dem
Gericht dargelegten Bemühungen zum Wechsel in eine preiswerte Unterkunft sind von
Seiten der Antragsgegnerin weder angezweifelt noch bestritten worden. Auch für das
Gericht besteht kein Anlass an der Richtigkeit der Angaben der Antragstellerin zu
zweifeln, zumal auch von Seiten der Antragsgegnerin keine (anderen)
Wohnungsangebote für Düsseldorf vorgelegt worden sind, die den Vorgaben
hinsichtlich Größe und Mietpreis von 6,40 Euro pro qm entsprechen und für die
Antragstellerin im streitgegenständlichen Bedarfszeitraum (01.05.2006 bis 30.09.2006)
konkret verfügbar bzw. zugänglich gewesen sind. Soweit die Antragsgegnerin der
Auffassung ist, die von der Antragstellerin auf zwei unentgeltliche Wochenzeitungen
(Rhein-Bote und Düsseldorfer Anzeiger) gestützte Wohnungssuche sei unzureichend,
es müssten in diesem Rahmen weitere Zeitungen (Rheinische Post) und das Internet
(immobilienscout 24) eingeschaltet werden, ist festzustellen, dass die Antragstellerin
neben dem wiederholten Schalten von Suchanzeigen und dem Auswerten von
Wohnungsangeboten eine Vielzahl von Nachfragen bei Großvermietern und
Hausverwaltungen gehalten hat, so dass zusammenfassend von einer intensiven und
ernsthaften Suche der Antragstellerin nach einer preiswerteren Unterkunft ausgegangen
werden darf. Die Anforderungen an die Bemühungen des Hilfebedürftigen um
preiswerten Wohnraum sind nicht zu überspannen. So sieht das Gericht keinen
sachlichen Grund, SGB II- Leistungsempfängern abzuverlangen, einen Computer mit
Internetanschluss mit monatlich anfallenden Internetgebühren vorzuhalten, um eine
Wohnungssuche "online" durchführen zu können. Zudem kann es dem Hilfebedürftigen
mit Blick auf die ihm nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel auch
nicht angelastet werden, wenn er sich bei der Wohnungssuche lediglich der Hilfe von
unentgeltlichen Wochenzeitungen bedient und nicht auf kostenträchtige
Wochenendausgaben entgeltlicher Tageszeitungen zurückgreift. Das Gericht hat zum
anderen in seine Entscheidungsfindung einbezogen, dass der im Verfahren S 35 AS
349/05 SG Düsseldorf bestellte Sachverständige für Wohnungs- und
Gewerberaummieten I in seinem Gutachten vom 20.04.2006 über die Angemessenheit
einer Miete für Sozialhilfeempfänger sowie der zur Verfügung stehenden Wohnungen in
Düsseldorf ausgeführt hat, eine Rückfrage beim Amt für Wohnungswesen der Stadt
Düsseldorf habe ergeben, dass bis zu einem Mietpreis von 6,40 Euro (inklusive
Nebenkosten) bei einer Wohnfläche von 45 qm nur insgesamt vier frei gemeldete
Sozialwohnungen (von insgesamt 33.047 Sozialwohnungen) gemeldet gewesen seien.
Ca. 50 Telefonate mit Einzelgrundbesitzeigentümern, kirchlichen Organisationen als
Vermietern, großen Hausverwaltungen, großen Wohnungsbaugesellschaften und
Maklern hätten ergeben, dass der überwiegende Teil der Vermieter keine Wohnungen
zu einem Mietpreis von 6,40 Euro pro qm anzubieten habe. Bei einer Auswertung der
Wohnungsangebote im immobilienscout 24 mit einer normalen, einfachen Ausstattung
bis 45 qm habe sich ein durchschnittlicher Mietpreis von 7,37 Euro pro qm ergeben. Es
dürfte daher davon auszugehen sein, dass in Düsseldorf Wohnraum zu dem von der
Antragsgegnerin vorgegebenen Mietzins in Höhe von 6,40 Euro pro qm jedenfalls nicht
in hinreichendem Umfang vorhanden ist und die Anmietung derartigen Wohnraumes
auch bei ernsthaften und intensiven Bemühungen mit gewissen Schwierigkeiten
verbunden sein dürfte.
Im Ergebnis wertet das Gericht den Vortrag der Antragstellerin, sie habe trotz
Bemühungen keinen Wohnraum zu einem Mietpreis von 6,40 pro qm in Düsseldorf
finden können, für glaubhaft. Die Unmöglichkeit zur Kostensenkung hat zur Folge, dass
die an sich unangemessenen Kosten für die zu große und zu teure Wohnung der
Antragstellerin weiterhin vorübergehend, längstens bis zum 30.09.2006
berücksichtigungsfähig sind. Dem steht auch nicht die in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II
genannte Sechs-Monatsfrist entgegen, da es sich hierbei nicht um eine Ausschlussfrist
handelt. Die Frist ist nicht so zu verstehen, dass sie die materiellen Grenzen der
Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung aufhebt (Eicher/Spellbrink,
SGB II, § 22 Rdn. 60).
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Die Antragsgegnerin dürfte nunmehr die Antragstellerin erneut unter Fristsetzung
aufzufordern haben, geeignete Nachweise über ihre fortzusetzenden Bemühungen zur
Anmietung einer kleineren und preiswerteren Wohnung vorzulegen, wobei ggf. die
Vorgaben bezüglich der maximalen Mietpreishöhe zu überprüfen und abzuändern sein
dürften.
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(2) Für die Antragstellerin besteht auch ein Anordnungsgrund. Es ist ihr nicht
zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten, da sie zur Deckung ihres
notwendigen Bedarfs zur Sicherstellung des Lebensunterhalts auf die im Streit
stehenden Leistungen angewiesen ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie ohne
die höheren Leistungen nach dem SGB II die gegenüber dem Vermieter geschuldeten
Mietzahlungen nicht mehr bzw. nur noch teilweise aufbringen kann und damit in naher
Zukunft der Verlust der Unterkunft droht. Die Antragstellerin hat insoweit durch die
Vorlage des aktuellen Kontoauszuges vom 10.05.2006, der ein Saldo in Höhe von
359,48 Euro ausweist, hinreichend glaubhaft gemacht, über keine finanziellen Reserven
zur vorläufigen Deckung des monatlich anfallenden Mehrbetrages in Höhe von 263,52
Euro (tatsächlicher Mietzins in Höhe von 551,52 Euro abzüglich der zugesprochenen
Unterkunftskosten in Höhe von 288,00 Euro) zu verfügen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG analog.
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Die Antragstellerin hat erst im Antragsverfahren hinreichende Nachweise über ihre im
Februar 2006 bis April 2006 durchgeführten Bemühungen zur Anmietung einer
preiswerteren Unterkunft vorgelegt. Es erscheint daher weder sachgerecht noch billig,
die Antragsgegnerin mit Kosten der Antragstellerin zu belasten.
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