Urteil des SozG Düsseldorf vom 01.09.2009

SozG Düsseldorf (ehemann, stgb, fahrlässige tötung, tod, verletzung, kauf, tötung, vorsätzlich, schuldfähigkeit, spanien)

Sozialgericht Düsseldorf, S 6 (27) R 70/06
Datum:
01.09.2009
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 6 (27) R 70/06
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Im Alter von 17 Jahren heiratete die am 00.00.1950 in B1-I (Kreis B2) geborene Klägerin
den knapp drei Jahre älteren und bei der Beklagten rentenversicherten G (G1) Q1. Am
04.11.1968 wurde ihr gemeinsamer Sohn S1 geboren. Soweit bekannt, verlief die Ehe
recht harmonisch. In der Nacht vom 23.10. auf den 24.10.04 kam es zwischen den
Eheleuten allerdings zu Streitigkeiten, in deren Verlauf es zum Todes des Ehemannes
kam. Die Klägerin wurde deshalb wegen Todschlags in einem minder schweren Fall (§
213 StGB (Strafgesetzbuch)) vom Landgericht B2 zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren
verurteilt (Urteil - 52 Ks 401 Js 517/04 - vom 19.05.2005).
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In dem Urteil heißt es zu den zum Tode führenden Umständen:
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Am 13 September 1968 hatten die Angeklagte und der am 00.O 1947 geborene G1 Q1
geheiratet. Während die Angeklagte zunächst als Fabrikarbeiterin und später als
Saisonkraft bei der Firma L tätig war, war ihr Ehemann bis zu seiner Pensionierung im
Jahr 2002 Elektriker bei der Firma Q2 in B2. Die Ehe war gut. Sie gingen liebenswürdig
miteinander um, wobei G1 Q1 eine dominante Rolle spielte. Ernsthafte Streitigkeiten
verbaler oder gar tätlicher Art gab es nicht. G1 Q1 hatte zwar vor Jahren mal eine
Beziehung zu einer anderen Frau unterhalten. Allerdings war dieses Thema seit langem
zwischen der Angeklagten und ihrem Ehemann erledigt. Seit Jahren lebten sie auch in
finanzieller Hinsicht geordneten Verhältnissen in dem ihnen beiden gehörenden
Einfamilienhaus B3 S2weg 0 in B4.
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Ihr gemeinsames Interesse war es unter anderem, in einem Wohnmobil längere
Urlaubsaufenthalte in Spanien zu verbringen. Dort lernten sie Jahre 2002 die Zeugen D
V und G2 M1 N1 kennen, die selbst Eigentümer eines Hauses in Spanien sind. Man
verbrachte fortan teilweise die Urlaube gemeinsam und feierte auch zusammen das
Weihnachtsfest 2003 in Spanien.
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Um ihrem Hobby des gemeinsamen Verbringens längerer Aufenthalte in Spanien noch
intensiver nachkommen zu können, beschlossen sie im Jahre 2004 nach reiflicher
Überlegung ein neues Wohnmobil zu erwerben. Dieses wurde am Samstag, dem 00. P
2004, gemeinsam mit den Zeugen B5 C, einer Schwester des G1 Q1, und K C, deren
Ehemann, in N2 abgeholt, so dass man etwa gegen 13:00 Uhr mit dem neuen
Wohnmobil mit dem Kennzeichen B6D2-FG 000, das etwa 50.000,00 EUR gekostet
hatte, wieder in B1 eintraf. Von etwa 17:00 Uhr an wurde der Neuerwerb mit den Zeugen
C gefeiert, wobei die Angeklagte, ihr Ehemann und der Zeuge C einen Kasten Kölsch
mit 20 Flasche á 0,5 Liter etwa bis auf eine Flasche zu gleichen Teilen leerte.
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Gegen 22:45 Uhr verabschiedeten sich die Zeugen C. Während des gesamten Tages
war es zwischen den Eheleuten Q1 zu keinerlei Unstimmigkeiten oder sonstigen
Auffälligkeiten gekommen.
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Nachdem die Zeugen C das Haus der Angeklagten und ihres Ehemannes verlassen
hatten, suchten diese auf Vorschlag von G1 Q1 gemeinsam die in der Nähe, etwa drei
Gehminuten entfernt gelegene Gaststätte "T1" in der N3straße in B4 auf, die von der
Zeugin M2 T2 betrieben wird,. Nachdem sie dort jeweils etwa fünf oder sechs 0,2 Liter
Glas Bier konsumiert und sich mit anderen Gästen unterhalten hatten, verließen sie in
guter Stimmung das Lokal gegen 01:30 Uhr, wobei G1 Q1 die Hand der Angeklagten
nahm und ihr noch ein Küsschen gab. Irgendwelche Streitigkeiten hatte es bis dahin
nicht gegeben.
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Als sie das Lokal gerade verlassen hatten und sich bei der Angeklagten durch die kalte
Nachtluft der Alkohol bemerkbar machte, erinnerte sich G1 Q1 daran, dass der Sohn S1
vor Jahren einem Freund oder Bekannten, ohne dass dies schriftlich festgehalten oder
sonst abgesichert worden wäre, 10.000,00 EUR geliehen, bislang entgegen der
getroffenen Absprache aber nur 2.000,00 EUR zurückerhalten hatte. G1 Q1 hatte sich
schon öfter über dieses Thema maßlos aufgeregt und auch mit seiner Ehefrau
deswegen gestritten. Da dieser Freund oder Bekannte des Sohnes unmittelbar am Weg
von der "T1" zum Wohnhaus der Eheleute Q1 wohnte, wollte G1 Q1 unter der Wirkung
des zuvor konsumierten Alkohols sofort diesen Mann aufsuchen, um ihn wegen seines
schäbigen Verhaltens zur Rede zustellen. Die Angeklagte versuchte ihren Ehemann zu
beschwichtigen. Dieser ereiferte sich aber immer mehr, so dass er und die Angeklagte
noch auf dem Weg zu ihrem Haus zu streiten begannen. Dieser Streit setzte sich im
Haus fort, wobei die Dauer des gesamten Geschehens und detaillierte Einzelheiten
nicht festgestellt werden konnten. Der Streit eskalierte im Schlafzimmer im
Obergeschoss, in das sich die Eheleute schließlich begeben hatten. G1 Q1, der
üblicherweise nackt schlief, hatte sich bereits entkleidet, als sich die zunächst verbal
geführte Auseinandersetzung zu einer Rangelei entwickelte, in deren Verlauf die
Angeklagte von ihrem Ehemann in eine Art Schwitzkasten genommen wurde. Ihre Brille
wurde dabei beschädigt. Sie warf mit einer Wasserkanne aus Porzellan, die auf einem
kleinen Tisch neben dem Bett stand, nach ihrem Ehemann, der aber wohl nicht getroffen
wurde. Die Kanne zerbrach hierbei. Um weiterem Streit zu entgehen, ging die
Angeklagte wieder nach unten und suchte die Küche auf. Ihr Ehemann folgte ihr. Erneut
entwickelte sich eine Rangelei. Die Angeklagte wurde wiederum in den Schwitzkasten
genommen. Schließlich ergriff sie das auf der Anrichte liegende scharfe und spitz
zulaufende Fleischmesser mit einer Klingenlänge von circa 20 Zentimetern, von dem sie
wusste, dass ihr Ehemann es am Vortag geschliffen hatte, und das sie, bevor man die
"T1" aufsuchte, zum Käseschneiden benutzt hatte. Ihrer Aufforderung, sie loszulassen,
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kam er nicht nach. Ob er bemerkte, dass die Angeklagte ein Messer in der Hand hatte,
konnte nicht geklärt werden. Er versuchte jedenfalls nicht, ihr das Messer wegzunehmen
oder wegzuschlagen. Die Angeklagte führte spontan und getragen von einer
alkoholbedingten Aggressivität mehrere nicht gerechtfertigte Stichbewegungen in
Richtung ihres Ehemannes durch, der im Verlaufe dieses gesamten Geschehens auch
mal in das Messer reinfasste, so dass er eine Verletzung am linken Zeigefinger
davontrug. Die Angeklagte führte schließlich gewollt und aufgrund der betroffenen
Körperregion und der Intensität den Tod zumindest billigend in Kauf nehmend mit
besonderer Kraft einen Stich in den Oberkörperbereich ihres Ehemannes aus, ohne
dass dieser etwa durch Notwehr gerechtfertigt gewesen wäre. Dieser von oben in die
rechte Schulter verlaufende Stich drang elf bis zwölf Zentimeter tief in den Brustkorb ein,
wobei von der zweiten Rippe ein circa ein Zentimeter langer Span abgetrennt wurde.
Infolge dieses Einstiches kam es zur Verletzung einer Zwischenrippenschlagader und
zu einer minimalen Anstichverletzung des rechten Lungenoberlappens. Bei der
Angeklagten lag die Blutalkoholkonzentration zu diesem Zeitpunkt bei maximal 2,2
Promille, bei ihrem Ehemann etwa zwischen 1,9 und 2,0 Promille. G1 Q1 sank nach
diesem Stich zu Boden. Da die Wunde stark blutete, versuchte die Angeklagte die
Blutungen durch Handtücher zu stoppen. Sie versuchte auch, ihren verletzten Ehemann
auf die Couch zu verbringen. Da ihr dies nicht gelang, legte sie ihm zur Abstützung
Handtücher unter den Kopf.
...
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G1 Q1 verstarb um 05:50 Uhr im Medizinischen Zentrum X an einer inneren Verblutung
infolge einer Verletzung der Zwischenrippenarterie, nachdem man zuvor über 50
Minuten versucht hatte, ihn zu reanimieren.
11
...
12
Weiter heißt es in dem Urteil:
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Aufgrund der getroffenen Feststellungen hat sich die Angeklagte eines Totschlags
gemäß § 212 StGB strafbar gemacht.
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Angesichts der Alkoholisierung, des affektgeladenen Geschehensablaufs und der
Persönlichkeitsstruktur der Angeklagten ist basierend auf den gutachterlichen
Ausführungen der Sachverständigen N4 von einer erheblichen Minderung der
Steuerungsfähigkeit infolge einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne der §§
21 und 20 StGB auszugehen.
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Angesichts des Geschehensablaufs, für den die Angeklagte weitgehend nicht
verantwortlich ist, und der Umstände, die nach den Ausführungen der Sachverständigen
N4 zu einer erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit führten, ist von einem
minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 StGB auszugehen, sodass ein
Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorgegeben ist.
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Zugunsten der Angeklagten fand Berücksichtigung, dass sie letztlich ein von Reue und
Einsicht geprägtes Geständnis abgelegt hat und sie selbst unter dem Geschehen ganz
furchtbar leidet. Sie ist nicht vorbestraft, sondern hat bislang ein ordentliches Leben
geführt. Die Tat wurde spontan in einer besonderen Situation begangen. Die
Angeklagte war es, die unmittelbar nach Erkennen der erheblichen Verletzung die
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Feuerwehr gerufen hat. Ihr Ehemann hätte rein theoretisch, wäre die Gefährlichkeit der
Verletzung unter den konkreten Umständen erkannt worden, wohl gerettet werden
können. Zu berücksichtigen sind nochmals die Umstände, die zu einer erheblich
verminderten Schuldfähigkeit geführt haben, sowie die bei der Angeklagten bestehende
besondere Haftempfindlichkeit.
Strafschärfend muss sich hingegen auswirken, dass die Angeklagte ihren Ehemann
insgesamt mehrfach mit dem Messer attackiert hat.
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Im Februar 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung einer
Witwenrente.
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Die Beklagte lehnte dies nach Auswertung der Strafurteils unter Verweis auf § 105 SGB
VI (Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung) ab (Bescheid
vom 11.07.2005 und Widerspruchsbescheid vom 31.01.2006). - § 105 SGB VI lautet:
"Anspruch auf Rente wegen Todes ... besteht nicht für die Personen, die den Tod
vorsätzlich herbeigeführt habe."
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Mit ihrer Klage macht die Klägerin nun geltend, sie habe den Tod des Versicherten nicht
vorsätzlich herbeigeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, sie hätte seinen
Tod billigend in Kauf genommen, das Landgericht habe sich in seinem Urteil nicht
ausreichend mit der Abgrenzung des Eventualvorsatzes zur bewussten Fahrlässigkeit
auseinandergesetzt, auch leide sie die ganze Zeit an den Folgen der Kurzschlusstat
(Schriftsatz v. 06.05.09).
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31.01.2006 zu verurteilen, ihr Witwerrente aus der
Versicherung des G1 Q1 zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sieht nach wie vor keinen Spielraum für eine andere Entscheidung.
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Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten - einschließlich des darin
enthaltenen o.a. Urteils des Landgerichts Aachen - beigezogen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den restlichen Inhalt der
Verwaltungs- und Streitakten verwiesen. Auch dieser ist Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Beratung der Kammer gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.
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Zu Recht hat die Beklagte die Zahlung einer Witwenrente an die Klägerin in
Anwendung des § 105 SGB VI abgelehnt. Die Voraussetzungen für den
Rentenausschluss sind erfüllt.
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Nach § 105 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht für solche
Personen, die den Tod eines Versicherten vorsätzlich herbeiführen. Da die Klägerin
ihren Ehemann, der bei der Beklagten gesetzlich rentenversichert war, vorsätzlich
getötet hat, kann sie von der Beklagten keine Witwenrente beanspruchen. Mit dem
Ausschluss der Rentenleistung durch § 105 SGB VI bei vorsätzlicher Tötung eines
Angehörigen wird - ebenso wie dies bei der absichtlichen Herbeiführung einer
Erwerbsminderung durch § 103 SGB VI geschieht - ein grober Verstoß gegen dass die
gesamte gesetzliche Rentenversicherung beherrschende Solidarprinzip sanktioniert
(Reyels in: jurisPK-SGB VI, § 105 Rn. 16). Im Falle einer vorsätzlichen Tötung liegt ein
besonders schwerer Verstoß gegen die innerhalb der versicherten Gemeinschaft -
einschließlich der sie begünstigenden Hinterbliebenen - erforderliche Solidarität vor,
wegen der Schwere und der Verwerflichkeit der Tötungshandlung soll der vorsätzlich
handelnde Hinterbliebene nicht noch einen materiellen Vorteil aus seiner Tat ziehen
können. Eine Gewährung von Hinterbliebenenrente wäre als "Lohn der
Existenzvernichtung" (so sehr treffend das LSG (Landessozialgericht) Sachsen-Anhalt
in seinem Urteil - L 1 RA 15/01 - v. 28.01.2004 (juris Rn. 39)) ein Verstoß gegen die
Menschenwürde des Versicherten (SG Düsseldorf, Urteil - S 6 (27) R 435/05 - vom
23.12.2008 (juris Rn. 8)).
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Ein Rentenausschluss nach § 105 SGB VI ist zwingend, der Rentenversicherungsträger
hat hier kein Ermessen (Reyels in: jurisPK-SGB VI, § 105 Rn. 51).
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§ 105 SGB VI verlangt - anders als § 103 SGB VI - nicht eine absichtliche Herbeiführung
des Todes. Die Vorschrift schließt den Anspruch auf Rente bei jeder Art des Vorsatzes
aus. Notwendig, aber auch ausreichend ist daher, dass der Hinterbliebene den Tod -
mag er ihn auch nicht gewünscht haben - zumindest billigend in Kauf genommen hat
(vgl. Urteil des BSG (Bundessozialgericht) - 1 RA 45/81 v. 01.06.1982 (juris Rn. 14); SG
Düsseldorf, Urteil - S 6 (27) R 435/05 - vom 23.12.2008 (juris Rn. 10); Reyels in: jurisPK-
SGB VI, § 105 Rn. 26 m.w.N.).
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Auch wenn dies dem Wortlaut des § 105 SGB VI nicht unmittelbar entnommen werden
kann, schließt nur eine rechtswidrige Tötung den Rentenanspruch aus; eine Handlung,
die nicht gegen die Rechtsordnung verstößt, kann nicht mit einem rechtlichen Nachteil
belegt sein (Urteil des BSG - 1 RA 45/81 v. 01.06.1982 (juris Rn. 12); Reyels in: jurisPK-
SGB VI, § 105 Rn. 31).
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Darüber hinaus muss die Tat auch schuldhaft begangen worden sein. An einem
vorwerfbaren vorsätzlichen Verhalten im Sinne des § 105 SGB VI fehlt es, wenn der
Erfolg des Verhaltens in einem Zustand herbeigeführt wurde, der die Verantwortlichkeit
für dieses Handeln ausschließt (vgl. Urteil des LSG Rheinland-Pfalz - L 2 J 86/80 - v.
15.09.1980; bestätigt durch Urteil des BSG - 5b/5 RJ 138/80 - v. 26.11.1981 und
Beschluss des BVerfG (Bundesverfassungsgericht) - 1 BvR 43/82 - v. 17.05.1982 sowie
Urteil des BSG - 1 RA 45/81 - v. 01.06.1982 (juris Rn. 15) und Urteil des LSG NRW - L
14 RA 39/98 - v. 05.02.1999 (juris Rn. 18)). Anders als Schuldunfähigkeit nach § 20
StGB schließt eine - lediglich - verminderte Schuldfähigkeit, welche nach § 21 StGB
(nur) zu einer Strafmilderung führt, den Rentenanspruch nicht aus. Der Rentenanspruch
ist auch dann ausgeschlossen, wenn dem Täter nur eine geringe Schuld anzulasten ist
(SG Düsseldorf, Urteil - S 6 (27) R 435/05 - vom 23.12.2008 (juris Rn. 10); Reyels in:
jurisPK-SGB VI, § 105 Rn. 38 und 39 jeweils m.w.N.).
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Nach den im Strafurteil getroffenen Feststellungen, liegen die Voraussetzungen für den
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Rentenausschluss nach § 105 SGB VI zur vollen Überzeugung des erkennenden
Gerichts vor. Zwar kommt der strafgerichtlichen Verurteilung nicht zwingend eine
Bindungswirkung zu; die Feststellungen des Strafgerichts entbinden den
Rentenversicherungsträger ebenso wenig wie die Sozialgerichte von der eigenen
Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (Reyels in: jurisPK-SGB
VI, § 105 Rn. 57). Das Strafurteil kann aber - im Wege des Urkundsbeweises - auch der
Entscheidung des Rentenversicherungsträgers - bzw. der diese überprüfenden
Sozialgerichte - zu Grunde gelegt werden (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz - L 2 J 86/80
- v. 15.09.1980; Reyels a.a.O.).
Das Gericht hält die strafgerichtlichen Ausführungen - auch nach ausführlicher
Erörterung mit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - für überzeugend und hat
daher - auf Grund eigener Überzeugung - keine Bedenken sie der hier zu treffenden
Entscheidung zu Grund zu legen. Danach ist die Verurteilung zutreffend wegen einer
vorsätzlichen und rechtswidrig sowie schuldhaft begangenen Tat erfolgt.
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Die Ausführungen der Klägerin, sie habe den Tod ihres Ehemannes nicht billigend in
Kauf genommen, können das erkennende Gericht nicht überzeugen. Es liegt nach
Auffassung der Kammer - entgegen der Meinung der Klägerin - nicht nur eine
fahrlässige Tötung vor. Es ist nämlich bereits dann von einer vorsätzlichen Tat
auszugehen, wenn die Klägerin den Erfolg ihrer Handlung - den Tod ihres Ehemannes -
nicht gewünscht hat, wenn sie diesen Erfolg aber bei Ausführungen der Tathandlung
zumindest für möglich gehalten und dennoch nicht davon abgelassen hat. Die Kammer
geht davon aus, dass der Klägerin als sie mit dem Messer auf ihren Mann einstach
durchaus die Gefährlichkeit sowie die möglichen Folgen vor Augen standen. Dass sie
einen Tötung ihres Ehemannes nicht wirklich gewollt haben mag, beseitigt daher nicht
den Vorsatz der Tat. Sie hat den - später bedauerlicherweise eingetretenen - Tot
zumindest billigend in Kauf genommen, als sie den Stich ausführte. Hiervon ist die
Kammer - ebenso wie das Strafgericht - überzeugt.
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Auch wurde die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen. Die Rechtswidrigkeit war
nicht durch Notwehr ausgeschlossen. Schuldunfähigkeit lag auch nicht vor. Das Gericht
schließt sich auch insoweit den Ausführungen des Strafurteil an. Die Verurteilung der
Klägerin erfolgte zwar nur wegen eines minder schweren Falles des Totschlags und
unter Berücksichtigung einer verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB, ein
Schuldausschluss nach § 20 StGB wurde aber - jedenfalls stillschweigend - verneint,
sonst hätte eine Bestrafung nicht erfolgen dürfen.
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Der Rentenanspruch ist selbst dann vollständig ausgeschlossen, wenn einem Täter -
wie im vorliegenden Fall durchaus anzunehmen ist - nur eine geringe Schuld
anzulasten ist; der Rentenausschluss erfolgt gerade ohne Rücksicht auf den Grad der
Schuldfähigkeit (Reyels a.a.O.). Diese gesetzgeberische Entscheidung ist auch
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu den Beschluss des BVerfG - 1
BVR 43/82 - vom 17.05.1982).
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Es sei darüber hinaus noch betont, dass § 105 SGB VI keine Strafvorschrift darstellt. Die
Leistungsversagung erfolgt nur deshalb, weil es ansonsten einer Belohnung der Tat
gleich käme, wenn eine Mörderin oder Totschlägerin wegen der Folgen der Tat auch
noch Leistungen der Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen könnte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG (Sozialgerichtsgesetz).
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