Urteil des SozG Düsseldorf vom 24.10.2005

SozG Düsseldorf: beihilfe, sperrung, notlage, abschlagszahlung, hauptsache, sozialhilfe, erlass, verwaltungsverfahren, heizung, darlehen

Sozialgericht Düsseldorf, S 29 SO 54/05 ER
Datum:
24.10.2005
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
29. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 29 SO 54/05 ER
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
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I.
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Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Energiekosten der Antragstellerin für
Oktober 2005.
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Die alleinstehende 73-jährige Antragstellerin erhält von der Antragsgegnerin seit Jahren
Leistungen zum Lebensunterhalt. Bei der Sozialhilfegewährung wurde jeweils eine
pauschalierte Heizungsbeihilfe sowie der volle Regelsatz inklusive Energiekostenanteil
berücksichtigt. Am 30.06.2005 legte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin eine
Jahresverbrauchsabrechnung für Strom- und Gaskosten der Stadtwerke X (WSW) vom
21.06.2005 vor und beantragte die Übernahme des Nachforderungsbetrages von
insgesamt 403,87 Euro. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus 69,59 Euro für Strom
und 334,28 Euro für Gas. In dem Forderungsbetrag waren nur fünf der alle zwei Monate
zu erbringenden Vorauszahlung in Höhe von 153,- Euro enthalten. Die ab 16.08.2005
alle zwei Monate zu zahlenden Abschläge wurden auf 186,- Euro festgesetzt.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 30.06.2005 bewilligte die Antragsgegnerin eine
Beihilfe zur Begleichung der Gaskostennachforderung in Höhe von 109,25 Euro. Die
Antragsgegnerin berücksichtigte hierbei als bedarfssteigernde Einflüsse das Alter der
Hilfeempfängerin und die Lage deren Wohnung im Dachgeschoss. Diesbezüglich
erhöhte sie die monatliche Heizpauschale um 25 %.
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Am 29.07.2005 schloss die Antragstellerin mit den WSW eine
Ratenzahlungsvereinbarung, nach der sie im August 2005 85,66 Euro und ab
07.09.2005 monatlich 67,- Euro auf Energiekostenrückstände zu zahlen habe.
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Am 16.10.2005 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Übernahme
der Energiekostenzahlungen für den Oktober 2005 in Höhe von 253,- Euro. Dieser
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Betrag ergebe sich aus der Abschlagszahlung in Höhe von 186,- Euro zuzüglich der
Ratenzahlung auf die Jahresabrechnung in Höhe von 67,- Euro. Diesen Betrag müsse
sie aus ihrer Regelleistung von 345,- Euro, zuzüglich Heizpauschale in Höhe von 40,25
Euro, begleichen. Ziehe man von diesen 385,25 Euro die Zahlungen für Energie- und
Heizkosten in Höhe von 253,- Euro für den Oktober 2005 ab, verbliebe ihr nur ein Betrag
von 132,25 Euro zum Leben. Dies berücksichtige aber noch nicht die medizinisch
notwendigen Medikamente sowie Kosten für Behandlung und Zuzahlungen die nicht
von der Krankenkasse übernommen würden. Hierfür habe sie im Oktober 2005,
inklusive der quartalsmäßig fälligen Praxisgebühren in Höhe von 10,- Euro, 30,13 Euro
zu zahlen. Hinzu kämen 23,- Euro an Trockenfutter und Hundesteuer für ihren Hund
sowie 15,75 Euro Kontoführungsgebühren. Ihr derzeitiger Barbestand belaufe sich auf
7,60 Euro. Hinzu komme, dass die Lebensmittelverteilung der X Tafel eingestellt worden
sei. Sie sehe einer Übernahme der Energiekosten in Höhe von 253,- Euro bis zum
18.10.2005 entgegen.
Diesem Antrag entsprach die Antragsgegnerin nicht.
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Am 00.00.0000 hat die Antragstellerin bei Gericht Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gestellt. Die Antragsgegnerin habe nicht reagiert, deshalb sei zur
Abwendung der akuten Notlage eine gerichtliche Eilentscheidung nötig. Sie nehme
Bezug auf ihren Vortrag im am 16.10.2005 gestellten Antrag an die Antragsgegnerin.
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Sie beantragt sinngemäß,
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im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten
für Heizung und Haushaltsenergie in Höhe von 253,- Euro im Monat Oktober 2005 zu
verurteilen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, die Antragstellerin verbrauche seit Jahren sozialhilferechtlich
unangemessen viel Heizenergie. Hierzu sei dieser zuletzt am 17.08.2004 ein
bestandskräftiger Widerspruchsbescheid erteilt worden. Bezüglich der am 30.06.2005
vorgelegten Jahresverbrauchsabrechnung der WSW verbleibe nur ein effektiver
Nachzahlungsbetrag von 250,87 Euro. Denn zunächst sei die darin noch nicht
enthaltene sechste und letzte Jahresabschlagszahlung abzuziehen, in Höhe von 153,-
Euro. Weiterhin in Abzug zu bringen sei die gewährte Beihilfe in Höhe von 109,25 Euro.
Diese Beträge habe die Antragstellerin offensichtlich nicht zweckentsprechend
verwandt. Hinzu komme, dass der Abschlagsbetrag von 186,- Euro der im Oktober 2005
zu zahlen sei, nur alle zwei Monate zu erbringen sei. Es sei Aufgabe der Antragstellerin,
hierfür in den Monaten, in denen sie keinen Abschlag zu zahlen habe, vorzusorgen.
Eine Übernahme des Energiekostenbetrages komme schon deshalb nicht in Betracht,
da dieser nach dem Vortrag der Antragstellerin wohl bereits gezahlt sei. Andernfalls sei
nicht verständlich, weshalb sie vortrage, nur noch einen Restbetrag an Barmitteln in
Höhe von 7,60 Euro zu haben. Zudem sei nicht erkennbar, dass die Antragstellerin
derzeit von einer Sperrung der Energiebelieferung bedroht sei.
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Die Antragsgegnerin hat am 24.10.2005 gegenüber dem Gericht telefonisch zugesagt,
der Antragstellerin gegen Vorlage eines aktuellen Kontoauszuges, der kein Guthaben
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mehr ausweise, umgehend einen Lebensmittelgutschein auszuhändigen, als Darlehen
gemäß § 37 SGB XII.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Er ist
unbegründet.
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Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache
eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher
Nachteile nötig erscheint.
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Das ist der Fall, wenn dem Antragsteller gegen den Antragsgegner ein Anspruch
(sogenannter Anordnungsanspruch) zusteht, dessen vorläufige Durchsetzung dringlich
ist (sogenannter Anordnungsgrund). Die vorläufige Befriedigung des Anspruchs
anzuordnen, kommt dabei aber nur in Betracht, wenn dem Antragsteller sonst
unzumutbare Nachteile entstünden (Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der
Hauptsache). Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu ermitteln (LSG NRW,
Beschluss vom 21.04.2005, AZ: L 9 B 6/05 SO ER). Anordnungsanspruch und -grund
sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Die Antragstellerin hat bezüglich der Übernahme des Ratenzahlungsbetrages von 67,-
EUR für die Energiekostenrückstände keinen Anordnungsanspruch. Der
Anordnungsanspruch ist identisch mit dem geltend gemachten materiellen Anspruch.
Dieser muss begründet erscheinen. Das ist hier nicht der Fall.
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Hinsichtlich der Übernahme von Energiekostenrückständen kommt als
Anspruchsgrundlage allein § 34 Abs. 1 S. 1 zweite Alternative SGB XII in Betracht.
Danach können Schulden übernommen werden, wenn dies zur Behebung einer
Notlage gerechtfertigt ist, die der Sicherung der Unterkunft vergleichbar ist. Ob diese
Norm überhaupt geeignet ist, über eine Kostentragung des Sozialhilfeträgers die
Solidargemeinschaft der Steuerzahler mit den Kosten des Stromverbrauchs des
Sozialhilfeempfängers zu belasten (vgl. Beschluss des LSG NRW vom 15.07.2005, AZ:
L 1 B 7/05 SO ER), kann dahinstehen. Denn durch die bereits seitens der Antragstellerin
erfolgte Zahlung der Energiekostenbeträge für Oktober 2005, handelt es sich nicht mehr
um Schulden. Zudem ist die erforderliche Notlage nicht ersichtlich. Eine solche könnte
allenfalls vorliegen, wenn die Sperrung der Energiezufuhr drohte und dadurch die
Unterkunft praktisch nicht mehr nutzbar wäre. Eine Androhung der Sperrung seitens der
WSW ist jedoch nicht vorgetragen und angesichts der bislang erfolgten Zahlungen auch
nicht zu befürchten. Zudem erschien es aber auch fraglich, ob eine Schuldenübernahme
gerechtfertigt wäre. Dies ist dann regelmäßig nicht der Fall, wenn der Hilfeempfänger
Schulden "sehenden Auges" auflaufen lassen hat. Hier hat die Antragstellerin die
Abschlagszahlung für Juni 2005 gar nicht erst geleistet. Den alle zwei Monate fälligen
Abschlagsbetrag hätte sie aber vorhalten müssen. Ebenso hätte sie die gezahlte
Beihilfe unmittelbar für die Rückführung der Schulden verwenden müssen. Danach
wäre ein Rückstand von nur 141,62 Euro verblieben. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser
nicht mit angemessenen Raten hätte zurückgeführt werden können. Zudem müsste die
Antragsgegnerin entgegenhalten lassen, dass sie gegen den eine weitergehende
Übernahme ablehnenden Bescheid vom 30.06.2005 keinen Widerspruch einlegte.
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Hinsichtlich der laufenden Energiekosten in Form der im Oktober 2005 fälligen
zweimonatlichen Abschlagszahlung in Höhe von 186,- EUR, hat die Antragstellerin
einen Anordnungsgrund als Ausdruck einer besonderen Eilbedürftigkeit der
Durchsetzung ihres Begehrens nicht glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund setzt die
Unzumutbarkeit voraus, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Zur
Überprüfung einer solchen Eilbedürftigkeit sind alle betroffenen Interessen abzuwägen.
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Die Energiekosten für den den Monat Oktober 2005 umfassenden Zeitraum hat sie
bereits beglichen. Beträge hierfür sind bezüglich des Haushaltsstroms im Regelsatz
nach § 28 SGB XII enthalten. Hinsichtlich der Heizkosten wird nach § 29 Abs. 2 SGB XII
eine Pauschale gezahlt. Diese Beträge hat die Antragstellerin sowohl für den
September als auch für den Oktober 2005 erhalten. Bei einem zweimonatlich fälligen
Abschlag hat sie entsprechend anzusparen. Einen Antrag bei der Antragsgegnerin, die
monatliche Heizkostenpauschale zu erhöhen, hat sie bislang nicht gestellt. Es ist nicht
ersichtlich, weshalb ihr dies nicht zumutbar sein sollte. Selbst wenn der von ihr nunmehr
gezahlte Abschlag von 93,- Euro monatlich in ihrem konkreten Fall – entgegen der
Annahme der Antragsgegnerin - den angemessenen Energiekostenbedarf darstellen
sollte, ist dieser Betrag durch die Heizbeihilfe und den im Regelsatz enthaltenen Betrag
für Haushaltsstrom zum weit überwiegenden Teil gedeckt. Die Klärung, ob der nicht
gedeckte Teil, von etwa 20,- bis 30,-Euro monatlich, durch eine Erhöhung der
Heizpauschale zum Teil auszugleichen wäre, kann einem Verwaltungsverfahren mit
anschließendem Hauptsacheverfahren überlassen werden. Das Gericht folgt insoweit
der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen (vgl. Beschlüsse vom 01.06.1988, AZ. B 1057/88, und vom 10.05.2002, AZ.
12 B 423/02), dass im Wege der einstweiligen Anordnung regelmäßig nur das zum
Leben Unerlässliche zu gewähren sei. Diese Schwelle ist nicht unterschritten, soweit
dem Antragsteller zumindest 80 % des Regelsatzes der Sozialhilfe verbleiben. Die
Antragstellerin erhält den vollen Regelsatz und die vollen tatsächlichen Kosten der
Unterkunft zuzüglich Heizkostenpauschale, während ein zusätzlicher Bedarf in Höhe
von nicht einmal 10 % des Regelsatzes ungedeckt bliebe. Auch sonstige
Gesichtspunkte, die für eine Eilentscheidung bezüglich der Energiekosten sprechen,
sind nicht ersichtlich. Eine Energiesperre droht der Antragstellerin wie ausgeführt nicht.
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Das Gericht sah sich auch nicht gedrängt, den Antrag der Antragstellerin dahingehend
auszulegen, dass sie nicht die Übernahme von Energiekosten, sondern die Sicherung
ihres Lebensunterhalts für den Rest des Monats Oktober begehre. Ausdrücklich geht es
ihr um die Übernahme der Energiekosten. Diesbezüglich hat sie zudem auch bereits
mehrere Verwaltungsverfahren durchgeführt und ist mit der Thematik vertraut. Nur der
Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch ein entsprechender Antrag
wohl keinen Erfolg gehabt hätte. Angesichts des Angebotes der Antragsgegnerin, um
eine Bedarfsdeckung der Antragstellerin auch in der Woche ab dem 24.10.2005
sicherzustellen, Lebensmittelgutscheine auszugeben, bedürfte die Antragstellerin
diesbezüglich keines gerichtlichen Eilrechtsschutzes. Eine kurzfristige Verweisung auf
derartige Sachmittel müsste Sie hinnehmen. Müsste sie sich doch die - bereits
ausgeführte - unsachgemäße Verwendung ihr als Sozialhilfe gewährter Geldmittel,
entgegenhalten lassen. Noch vor dem Wochenende 29. und 30.10.2005 dürfte die
Antragstellerin auf ihrem Konto über die Sozialhilfezahlung für November 2005
verfügen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG (analog).
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