Urteil des SozG Düsseldorf vom 21.03.2006

SozG Düsseldorf: befreiung von der versicherungspflicht, säumnis, verschulden, erinnerungsschreiben, beitragsforderung, gewährleistung, adresse, unverzüglich, rechtsgrundlage, fälligkeit

Sozialgericht Düsseldorf, S 10 R 315/05
Datum:
21.03.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 10 R 315/05
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die
Klägerin. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Säumniszuschlägen auf
Nachversicherungsbeiträge streitig.
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Das klagende Land stellte zum 01.02.2002 Frau K (im Folgenden: Nachzuversichernde)
in den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt ein und ernannte sie zur Beamtin auf
Widerruf. Der Vorbereitungsdienst wurde zwischenzeitlich bis zum 31.07.2004
verlängert, nachdem die Nachzuversichernde die zweite Staatsprüfung für die
Sekundarstufe II und I im November 2003 nicht bestanden hatte. Am 10.07.2004 fand ihr
zweiter Prüfungsversuch statt. Mit Schreiben vom 21.07.2004 fragte das klagende Land
bei der Nachzuversichernden an, wie mit der Nachversicherung zu verfahren sei,
insbesondere ob Gründe für den Aufschub der Nachversicherung vorlägen. Hierauf
erhielt das klagende Land keine Antwort. Auf ein erstes Erinnerungsschreiben vom
25.08.2004 erhielt das klagende Land erneut keine Antwort. Dieses
Erinnerungsschreiben versandte das klagende Land erneut am 03.09.2004, nachdem
es in Erfahrung gebracht hatte, dass die Nachzuversichernde von L nach G verzogen
war (Vermerk Bl. 22 der Verwaltungsakte). Erneut erhielt das klagende Land keine
Antwort. Daraufhin stellte das klagende Land am 20.10.2004 eine Bescheinigung über
die Nachversicherung mit einem Nachversicherungsbeitrag von 6 100,20 Euro aus.
Dieser Nachversicherungsbeitrag ging bei der Beklagten am 26.10.2004 ein. Mit
Bescheid vom 22.02.2005 erhob die Beklagte vom klagenden Land einen
Säumniszuschlag für einen Monat. Der Nachversicherungsbeitrag sei 3 Monate nach
dem Ausscheiden der Nachzuversichernden aus der Beschäftigung fällig geworden,
also am 11.10.2004. Tatsächlich sei der Nachversicherungsbeitrag aber erst am
26.10.2004 bei ihr eingegangen. Daraus ergebe sich ein Säumniszuschlag von 61 Euro
(1% von 6 100 Euro).
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Hiergegen erhob das klagende Land Widerspruch mit der Begründung, dass es kein
Verschulden an der Säumnis treffe. Die Nachzuversichernde habe auf ihre Nachfrage,
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wie in der Nachversicherung zu verfahren sei, nicht geantwortet. Auch auf
Erinnerungsschreiben habe sie nicht reagiert. Mit Widerspruchsbescheid vom
23.05.2005 (Zugang beim klagenden Land 30.05.2005) wies die Beklagte den
Widerspruch zurück. Der Nachversicherungsbeitrag sei spätestens am 11.10.2004 fällig
geworden. Aufschubgründe für die Nachversicherung lägen nicht vor. Bei der Erhebung
von Säumniszuschlägen komme es im Rahmen der Nachversicherung nicht auf ein
Verschulden des Nachversicherungspflichtigen an. Die insoweit maßgeblich Vorschrift
des § 24 Abs. 2 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei bei der Nachversicherung nicht
einschlägig, da sie nur Fälle der Beitragsforderung mit Wirkung für die Vergangenheit
betreffe.
Hiergegen hat das klagende Land am 27.06.2005 Klage erhoben.
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Es ist weiterhin der Auffassung, ohne Verschulden in Säumnis geraten zu sein. Wegen
fehlender Mitwirkung der Nachzuversichernden sei es daran gehindert gewesen, die
Nachversicherung rechtzeitig durchzuführen.
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Das klagende Land beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 22.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23.05.2005 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass die getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden
ist. Wenn der Nachzuversichernde nicht reagiere, so würden die
Nachversicherungsbeiträge entsprechend der sogenannten Drei-Monats-Regelung aus
dem Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren (BMI) vom 27.04.1999 - D II 6
- 224012/55 - fällig.
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Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte sowie
die vom klagenden Land und von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten
Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 22.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23.05.2005 beschwert das klagende Land nicht nach § 54 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide sind rechtmäßig, da die Beklagte zurecht
vom klagenden Land einen Säumniszuschlag i. H. v. 61 Euro erhoben hat.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 24 Abs. 1 Satz 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV).
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Danach gilt folgendes: Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige
nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat
der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1/100 des Rückständigen, auf 50 Euro nach
unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Diese Voraussetzungen sind hier für einen
Monat der Säumnis gegeben. Das klagende Land befand sich zumindest seit dem
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11.10.2004 in Säumnis, denn der Nachversicherungsbeitrag war hier - unter
Berücksichtigung der Drei-Monats-Regelung aus dem Rundschreiben des BMI vom
27.04.1999 - spätestens zu diesem Zeitpunkt fällig und Aufschubgründe für die
Nachversicherung aus § 184 Abs. 2 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) lagen nicht
vor. Insbesondere ist § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zweite Alternative SGB VI nicht
einschlägig, wonach die Nachversicherung aufgeschoben wird, wenn eine andere
Beschäftigung voraussichtlich innerhalb von 2 Jahren nach dem Ausscheiden
aufgenommen wird, in der wegen Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft
Versicherungsfreiheit besteht oder eine Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt,
sofern der Nachversicherungszeitraum bei der Versorgungsanwartschaft aus der
anderen Beschäftigung berücksichtigt wird. Eine solche Prognose hat das klagende
Land nicht angestellt und konnte dies - in subjektiver Hinsicht - auch nicht, nachdem
sich die Nachzuversichernde nicht dazu erklärt hatte, wie mit der Nachversicherung zu
verfahren sei. Die Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge zum 11.10.2004 ist im
Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Erhebung von Säumniszuschlägen (für einen Monat) ist auch nicht nach § 24 Abs. 2
SGB IV gesperrt. Diese Vorschrift regelt folgendes: Wird eine Beitragsforderung durch
Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender
Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass
er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Voraussetzungen
sind hier nicht gegeben. Selbst wenn man die Vorschrift mit dem Bundessozialgericht
(BSG, Urteil vom 12.02.2004 - B 13 RJ 28/03 R -) auf Nachversicherungsfälle anwendet,
so scheidet diese Vorschrift im vorliegenden Fall aus, weil das klagende Land an der
Säumnis ein Verschulden trifft. Das klagende Land wusste, dass die
Nachversicherungsbeiträge (spätestens) zum 11.10.2004 fällig geworden waren. Es hat
die Nachversicherungsbeiträge trotzdem erst zum 26.10.2004 an die Beklagte
überwiesen. Nichts anderes folgt daraus, dass die Nachzuversichernde bis zu diesem
Zeitpunkt keine Erklärung dazu abgegeben hatte, wie mit der Nachversicherung zu
verfahren sei. Reagiert ein Nachzuversichernder nicht auf entsprechende
Aufforderungen des Nachversicherungspflichtigen, sich über die Nachversicherung zu
erklären, so folgt hieraus, dass die Nachversicherung unverzüglich durchzuführen ist.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die ersten Aufforderungesschreiben des
klagenden Landes die Nachzuversichernde nicht erreicht haben dürften, nachdem diese
zwischenzeitlich umgezogen war. Denn auch das - an die zutreffende Adresse
gerichtete - Erinnerungsschreiben des klagenden Landes vom 03.09.2004 blieb von der
Nachzuversichernden unbeantwortet. Die Beklagte hätte deswegen die
Nachversicherung spätestens 4 Wochen später zum 11.10.2004 durchführen müssen.
Sie hat dies tatsächlich erst zum 26.10.2004 getan. Für die Kammer ist insoweit nicht
erkennbar, welche Erkenntniszuwächse das klagende Land in dieser Zeit (also den
weiteren 15 Tagen) erwartete, nachdem die Nachzuversichernde nicht binnen 4
Wochen reagiert hatte. Auch das BSG hat bisher ein fehlendes Verschulden an der
Säumnis nur dann angenommen, wenn der Nachzuversichernde noch keine oder keine
hinreichend sicheren Angaben über seine weitere Beschäftigung machen konnte (BSG,
a.a.O.). Ein solcher Fall steht hier nicht in Streit, nachdem es nicht um ein "nicht-
erklären-können" geht, sondern ein "nicht-erklären-wollen" vorliegt.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die Berufung war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund aus § 144 Abs. 2 SGG
einschlägig ist. Insbesondere misst die Kammer der Sache keine grundsätzliche
Bedeutung bei, nachdem das BSG die maßgeblichen Rechtsfragen grundsätzliche
bereits geklärt hat (BSG, a.a.O. und Urteil vom 29.07.1997 - 4 RA 107/95 -).
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