Urteil des SozG Düsseldorf vom 21.09.2010

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Sozialgericht Düsseldorf, S 1 U 51/09
Datum:
21.09.2010
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 1 U 51/09
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Versorgung einer
Oberschenkelbeinprothese links für den Kläger mit "C-Leg-Kniegelenk" in Folge seines
Arbeitsunfalls vom 23.12.1968.
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Der am 00.00.1941 geborene Kläger erlitt am 23.12.1968 einen Arbeitsunfall. Beim
Abladen von Materialgebinden fiel ein Gebinde mit Gewicht von 1,5 t auf sein linkes
Bein. Er erlitt eine Quetschung mit Knochenbruch. Noch am Unfalltag wurde das linke
Bein im Oberschenkel amputiert.
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Mit Bescheid vom 22.10.1969 wurde das Ereignis von der Beklagten als Arbeitsunfall
anerkannt. Als Unfallfolgen wurden festgestellt:
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"Verlust des linken Beines im Oberschenkel, Bewegungsbehinderung des linken
Oberschenkelstumpfes sowie Kalksalzminderung der Knochen der linken Beckenhälfte
und des linken Oberschenkelknochens."
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In der Folge wurde der Kläger regelmäßig mit Beinprothesen an Stelle seines linken
Beines versorgt. Dabei wurden die Beinprothesen jeweils um 5 cm kürzer als das
gesunde Bein gefertigt. Dies geschah auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers.
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Mit einem Antrag vom 14.03.2008 beantragte der Kläger die Versorgung mit einer
Beinprothese, die mit einem Prozessor gesteuerten Kniegelenk - einem so genannten
"C-Leg" - ausgestattet ist. Die Kosten für eine derartige Prothese verhalten sich
zwischen ca. 19.000 und 25.000,- Euro.
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Die Beklagte holte vom Kläger einen Fragebogen ein zur "C-Leg-Versorgung". Frau I
erstellte für die Beklagte unter dem 12.06.2008 eine Stellungnahme bezüglich der
Erforderlichkeit und Geeignetheit einer C-Leg-Prothese für den Kläger. In ihrer
Stellungnahme heißt es unter anderem, dass der Kläger eine Oberschenkelprothese
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aus dem Jahre 2002 trage. Diese Prothese sei mit einem so genannten "Total-Knee"
Kniegelenk ausgestattet, sowie mit einem "C-Walk-Fußgelenk".
Eine in 2006 angefertigte Wechselprothese werde nicht getragen. Rechtsseitig sei eine
Hüftgelenksendoprothese eingesetzt worden. Mit der vorhandenen Prothese sei der
Kläger gut und sicher mobil. Ob der Kläger das Potential eines C-Leg-Kniegelenks für
sich gewinnbringend nutzen könne, müsse ausgetestet werden.
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Diese Testung wurde im Dezember 2008 durchgeführt. In ihrer Stellungnahme
berichtete I, dass nach durchgeführter Testung nunmehr feststehe, dass beim Kläger
kein C-Leg-Potenzial bestehe. Das Laufen zu ebener Erde mit dem C-Leg-
Prothesenkniegelenk links auf glattem befestigtem Boden bereite dem Kläger im
Wesentlichen keine Probleme. Auch alternierende Schnelligkeiten wie langsames,
mittelzügiges und schnelles Gehen waren sicher gradlinig möglich. Auch die
Kehrtwendung beherrscht der Kläger sicher. Auffällig sei beim Angehen von Rampen
und gehschiefen Wegstrecken, dass die Schrittfolge langsam, dabei aber sicher war.
Beim Herabsteigen der Rampen und schiefen Gehstrecken war ein sicher kontrolliertes
Gehen mit dem C-Leg-Prothesenkniegelenk nicht möglich. Während der Gesamtdauer
der 3-tägigen stationären Behandlung und auch der letztmaligen ambulanten
Abschlussuntersuchung am 01.12.2008 waren beinahe Stürze nicht auszuschließen, so
dass die Gehschultherapeutin bei der Parkurbewältigung hinter dem Patienten
herlaufen musste, um notfalls ein Sturzereignis abfangen zu können. Einzelne Schritte
konnten zwischendurch sicher unter willentlicher Steuerung gut beherrscht werden. Bei
längere Schrittfolge und unkonzentriertem Gehen kam es wiederholt zu so genanntem
Hängenbleiben bzw. unkontrolliert überschießendem Weglaufen. Eine ähnlich
unsichere Gangsituation bestand im Treppeninnen- wie außengelände. Während das
Hinaufsteigen der Treppe mühelos möglich war, war ein alternierendes
Treppenherablaufen zwar möglich, aber unsicher und ohne Ausschöpfung des
technischen Potenzials eines C-Leg-Prothesenkniegelenkes. Der Beugevorgang des
Kniegelenks wurde nicht genutzt. Dadurch entstand ein staksiges und sehr unsicheres,
teilweise nur jeweils nacheinander anzugehendes Treppablaufen. Damit habe der
Kläger gerade das technische Potenzial eines C-Leg-Prothesenkniegelenkes auf
Rampen, schiefen Gehstrecken und auch auf Treppenstufen nicht umsetzen können.
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Mit Bescheid vom 05.01.2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Versorgung des Klägers
in Folge seines Arbeitsunfalls vom 23.12.1968 mit einem "C-Leg" ab. Nach 3-tägiger
Testung stehe fest, dass die Vorteile einer C-Leg-Versorgung vom Kläger nicht genutzt
werden könnten, so dass er von einer entsprechenden Versorgung nicht profitieren
könne.
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Der Widerspruch des Klägers führte zu einer weiteren Stellungnahme durch Frau I vom
24.03.2009. I bekräftigte ihre Beurteilung, dass nach 3-tägiger C-Leg-Prothesentestung
sich gezeigt habe, dass ein sicheres kontrolliertes Gehen mit der C-Leg-Prothese nicht
möglich gewesen sei. Die Vorteile des C-Leg auf Rampen, schiefen Gehstrecken und
Treppenstufen könnten vom Kläger nicht genutzt werden. Damit könne das technische
Potenzial dieser Versorgung nicht nützlich eingesetzt werden.
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Q, der den Kläger aus zahlreichen Vorstellungen in der Orthopädiesprechstunde kannte,
führte in seiner Stellungnahme vom 29.06.2009 aus, dass der Kläger in Bezug auf seine
Mobilität eine C-Leg-Versorgung nicht nutzen könne.
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Darauf hin wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom
06.01.2009 zurück gewiesen. Gemäß § 31 Abs. 1 SGB VII habe der Kläger Anspruch
auf Ausstattung mit Hilfsmitteln, um die Folgen seiner unfallbedingten
Gesundheitsschäden zu kompensieren oder zu mildern. Erforderlich sei ein Hilfsmittel
jedoch nur dann, wenn die Vorteile des spezifischen Hilfsmittels auch tatsächlich
genutzt werden könnten. Die umfangreiche Testung habe ergeben, dass der Kläger die
Vorteile einer C-Leg-Versorgung nicht nutzen könne.
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Gegen diese ablehnende Entscheidung richtet sich die am 15.10.2009 erhobene Klage
des Klägers mit er weiterhin die Versorgung mit einer Beinprothese mit C-Leg-
Kniegelenk begehrt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06.10.2009 zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen
seines Arbeitsunfalls vom 23.12.1968 eine Versorgung mit einer
Oberschenkelbeinprothese links mit "C-Leg-Kniegelenk" zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hält die Entscheidung im Verwaltungsverfahren für zutreffend und richtig.
Da der Kläger das technische Potenzial einer C-Leg-Versorgung nicht nutzen könne, sei
eine dementsprechende Versorgung nicht erforderlich.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
von T. Mit Beweisanordnung vom 02.12.2009 hat das Gericht T beauftragt, der sein
Gutachten unter dem 11.03.2010 erstattete. Nach ausführlichem Beschreiben der
Mobilitätsaktivitäten des Klägers an Hand seiner eigenen Angaben, kam der
Sachverständige zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich seit 40
Jahren an seine um 5 cm kürzer gefertigte Beinprothese gewöhnt habe. Diese
Gewöhnung sei kaum mehr umzustellen. Zwar wirke sich diese zu kurz gefertigte
Prothese auf das Gang- und Standbild des Klägers negativ aus. An diese Nutzung der
Prothese "wie ein Holzbein" habe der Kläger sich jedoch gewöhnt und angepasst. Mit
der C-Leg-Prothese könne für den Kläger nicht mit einer bedeutsamen Verbesserung
seiner Lebensqualität gerechnet werden. Die Versorgung mit einem C-Leg sei nicht
zweckmäßig, eher bestünde eine erhöhte Gefährdung der Standsicherheit. Ein
Zugewinn der Harmonisierung des Gangbildes könne nicht erreicht werden. Eine
nennenswerte Abmilderung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 22.12.1968 ließe sich
über den erreichten Standard mit der jetzt bestehenden Prothesenversorgung nicht mehr
erreichen. Die derzeitige Versorgung sei ausreichend. Vorteile ergäben sich nur für den
Hersteller der Prothese, nicht für den Kläger.
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Mit Schriftsatz vom 26.04.2010 hat die Bevollmächtigte des Klägers den
Sachverständigen T wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. In der
mündlichen Verhandlung hat die Bevollmächtigte dies zusammenfassend damit
begründet, dass
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1.der Sachverständige die Versorgung für den Kläger mit einem C-Leg von vornherein
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ausgeschlossen habe, weil er von einem mindestens vorliegenden Mobilitätsgrad IV-V
ausgehe.
2.er einen metaphorischen Vergleich zwischen einem VW-Golf für eine normale
Prothetik und einer Mercedes-S-Klasse für das C-Leg gebraucht habe und das C-Leg
damit als Luxusgut dargestellt habe.
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3.der Sachverständige im Ergebnis eine C-Leg-Versorgung nur für jüngere Versicherte
als geeignet ansehe.
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Das Gericht hat zum Vorwurf der Befangenheit eine ergänzende Stellungnahme des
Sachverständigen eingeholt, die dieser am 17.05.2010 erstattet hat. Darin heißt es unter
anderem, dass er nicht der Meinung sei, dass eine C-Leg-Versorgung nur für jüngere
Leute in Betracht käme, die jeweiligen Probanden müssten jedoch die Voraussetzungen
erfüllen um das technische Potential einer C-Leg-Versorgung nutzen zu können. Das
sei beim Kläger nicht der Fall.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten
sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger wird durch die angefochtene Entscheidung
vom 05.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2009 nicht in
seinen Rechten beschwert. Die Entscheidung ist rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte
es abgelehnt, dem Kläger eine Beinprothese mit einem C-Leg-Kniegelenk als
Versorgung mit einem Hilfsmittel zu gewähren.
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Gemäß §§ 26, 31 Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) hat der Kläger Anspruch auf die
Versorgung mit Hilfsmitteln im Sinne einer Beinprothese wegen der Folgen seines
anerkannten Arbeitsunfalls vom 23.12.1968.
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Hilfsmittel sind alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung
sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu
gehören insbesondere Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel
einschließlich der notwendigen Änderungen, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung
sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Gemäß § 3 der Verordnung über die
orthopädische Versorgung Unfallverletzter soll das Körperersatzstück und Hilfsmittel
dem allgemeinen Stand der technischen Entwicklung entsprechen. Die Versorgung mit
Hilfsmitteln in der gesetzlichen Unfallversicherung folgt damit grundsätzlich den Regeln
der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit hat ein Versicherter Anspruch auf ein
Hilfsmittel, wenn es erforderlich und geeignet ist, die bei ihm bestehende Behinderung
auszugleichen oder in ihren Auswirkungen zu mildern.
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Für die Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenk in einer Beinprothese hat das BSG das
Kriterium der Geeignetheit und Erforderlichkeit dahingehend konkretisiert, dass der
Einsatz der Beine zum Gehen, Laufen und Stehen jederzeit und überall erforderlich und
damit ein Grundbedürfnis darstellt. Das C-Leg sei nach dem gegenwärtigen Stand der
Technik grundsätzlich geeignet diese Grundbedürfnisse abzudecken. Der
Gebrauchsvorteil hängt allerdings maßgeblich von den körperlichen und geistigen
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Voraussetzungen des Prothesenträgers und seiner persönlichen Lebensgestaltung ab.
Nicht jeder Betroffene ist in der Lage die Gebrauchsvorteile des C-Leg zu nutzen. Es
fehlt an der Erforderlichkeit dieses speziellen Hilfsmittels, wenn die
Nutzungsmöglichkeit nicht gegeben ist. Die Versorgung mit einem C-Leg kann nur
derjenige beanspruchen, der nach ärztlicher Einschätzung im Alltagsleben dadurch
deutliche Gebrauchsvorteile hat (BSG vom 06.06.2002, B 3 KR 68/01 R = NZS 2003,
477-479).
Gemessen an diesen Kriterien hat der Kläger keinen Anspruch auf die Versorgung mit
einer Beinprothese, die durch ein C-Leg-Kniegelenk gesteuert wird, weil der Kläger
nach allen im Verfahren eingeholten ärztlichen Einschätzungen die Vorteile einer C-
Leg-Versorgung nicht nutzen kann und die Ausstattung mit einer solchen Prothese im
Alltagsleben keine wesentlichen Vorteile bringt.
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Diese Einschätzung stützt die Kammer zum Einen auf die gutachterlichen
Stellungnahmen von Frau I, die die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat,
sowie auf das Gutachten, das T im gerichtlichen Verfahren erstattet hat.
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Das Gutachten von T ist verwertbar, denn für den Sachverständigen besteht die
Besorgnis der Befangenheit nicht.
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Ein Sachverständiger kann als "Gehilfe" des Gerichts in gleicher Weise wie Mitglieder
des Gerichts selbst wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die
Ablehnung ist berechtigt, wenn Umstände auch bei nüchtern denkenden Beteiligten
Befürchtungen rechtfertigen können, dass der Sachverständige sein Gutachten nicht
unvoreingenommen erstatten wird. Derartige Bedenken bestehen nicht.
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Der Kläger hat bezüglich seiner Sorge um die Befangenheit im Wesentlichen drei
Argumente vorgetragen. Soweit der Kläger meint, der Sachverständige schließe von
vornherein bestimmte Gruppen von Unfallversicherten aus, weil er einen bestimmten
Mobilitätsgrad bei ihnen voraussetzt, so ist dies nicht geeignet, die Besorgnis der
Befangenheit zu belegen. Die Frage der Mobilität der betroffenen Versicherten ist ein -
auch nach der Rechtsprechung des BSG - erhebliches Kriterium für die Frage der
Erforderlichkeit und Geeignetheit der Ausstattung mit einem Hilfsmittel. Soweit der
Kläger damit meint, dass der Sachverständige den Kreis der potentiell Berechtigten zu
eng zieht, so ist dies eine inhaltliche Bewertung des medizinischen Sachverständigen,
die unrichtig sein kann, aber jedenfalls nicht zur Besorgnis der Befangenheit hinreicht.
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Der Vorwurf, der Sachverständige begehe mit seinen Ausführungen eine
Altersdiskriminierung, weil er von vornherein eine C-Leg-Versorgung nur für jüngere
Unfallversicherte in Betracht zieht, ist von der Sache her bereits unzutreffend. Der
Sachverständige hat in seiner Stellungnahme diese Vermutung widerlegt und als
Beispiel einen Begutachtungsfall aufgeführt, in dem er auch bei einem älteren
Unfallversicherten, bei dem allerdings die notwendigen Voraussetzungen für eine C-
Leg-Nutzung vorlagen, eine Versorgung mit einem C-Leg befürwortet hat.
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Die sozialpolitischen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten
insbesondere in Bezug auf seinen metaphorischen Vergleich bezüglich eines VW-Golf
und einer Mercedes-S-Klasse erscheinen allerdings grenzwertig. Der Sachverständige
sollte sich grundsätzlich mit sozialpolitischen Äußerungen zurückhalten und auch
Vergleiche, die zu Missverständnissen beim Leser führen können, vermeiden. Selbst
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wenn der Sachverständige aber mit seinem Vergleich zur "Mercedes-S-Klasse" das C-
Leg mit einem Luxusgut vergleicht, so hat er gleichwohl in seinem Gutachten die
grundsätzliche Aussage der Rechtsprechung nicht negiert, dass jedem Versicherten
auch dieses Luxusgut zusteht, wenn es erforderlich ist. Auch die
magnetresonanztomographische Untersuchung kann sich ebenso wie eine
Herztransplantation als Luxusgut medizinischer Versorgung darstellen. Gleichwohl
besteht für jeden Versicherten der Anspruch auf dieses Luxusgut im Rahmen der
gesetzlichen Unfallversicherung, wenn dieses Luxusgut erforderlich ist, um bestehende
gesundheitliche Defizite auszugleichen oder notwendige medizinische Versorgung zu
erbringen. Dies hat der Sachverständige auch mit seiner PKW-Metapher nicht in Frage
gestellt.
Die fortgeschrittene Technik des C-Leg-Prothesenkniegelenks weist den Vorteil auf,
dass es permanent erkennt, in welcher Phase des Gehens der Prothesenträger sich
gerade befindet. Ein Kniewinkelsensor misst Schrittlänge sowie Frequenz und liefert
neben der Information zur Sicherung der Standphase auch benötigte Daten zur
dynamischen Steuerung der Schwungphase, um ein natürliches Gangbild zu
gewährleisten. Für einen sicheren Stand erfasst über dies ein Belastungssensor durch
Dehnungsmessstreifen im Versenauftritt die Vorfußlast.
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Eben diese Vorteile kann der Kläger nicht nutzen. Diese Einschätzung teilen alle
bemühten medizinischen Sachverständigen. Bereits Frau I hat nach eingehender 3-
tägiger Testung mit ausführlichen Gehübungen unter therapeutischer Begleitung
festgestellt, dass der Kläger die beschriebenen Vorteile einer C-Leg-Versorung nicht
nutzen kann.
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Zum gleichen Ergebnis ist der Sachverständige T in seinem Gutachten gekommen.
Bemerkenswert ist insbesondere, dass die bestehende Prothesenversorgung beim
Kläger nicht dem technischen Standard entspricht. Die Prothese ist auf Wunsch des
Klägers um 5 cm verkürzt gefertigt worden. Nach den Darstellungen des
Sachverständigen T benutzt der Kläger seine Prothese "wie ein Holzbein" womit klar
wird, dass er sogar das technische Potenzial des "Total-Knee-Gelenkes" in seiner
bestehenden Prothese nicht nutzt. Nach eingehender Analyse des noch vorhandenen
Bewegungspotentials beim Kläger kommt der Sachverständige T zu dem Ergebnis,
dass dann erst Recht nicht das Potential einer C-Leg-Versorung genutzt werden kann.
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Dies erscheint nachvollziehbar. Auch das Argument der Bevollmächtigten des Klägers,
dass bei einer längeren Gewöhnungsphase und einer therapeutischen Unterstützung,
der Kläger sich auch an ein C-Leg gewöhnen könne, überzeugt in diesem
Zusammenhang nicht. Der Kläger ist seit mindestens 2002 mit einer Prothese mit dem
"Total-Knee-Gelenk" versorgt. Das so bestehende Potenzial nutzt der Kläger nicht, da er
seine Prothese ohne Gelenkbewegung meist "wie ein Holzbein" nutzt. Eine ähnliche
Verhaltensweise hat er auch während der C-Leg-Austestung gezeigt. Wie die
Sachverständige I beschreibt, nutzt der Kläger eben die Gelenkmöglichkeit im
Kniegelenk der Prothese nicht.
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Wenn der Kläger aber bereits das technische Potential eines "Total-Knee-Gelenkes"
nicht nutzt oder nicht nutzen kann und dies auch während einer fast 8-jährigen Nutzung
nicht erlernt hat, ist nachvollziehbar, dass auch mit therapeutischer Unterstützung das
Potential eines C-Legs vom Kläger nicht genutzt werden kann.
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Darüber hinaus hat der Sachverständige T in seinem Gutachten ausführlich das
Bewegungspotential des Klägers beschrieben. Angesichts der bei ihm bestehenden
Multimorbidität ist nachvollziehbar, dass nurmehr ein eingeschränktes
Bewegungspotential vorliegt. Nach der Einschätzung des Sachverständigen - auf die es
nach der BSG-Rechtsprechung ankommt - kann bei diesem Mobilitätspotential des
Kläger der Vorteil einer hochtechnischen Ausstattung mit einem C-Leg nicht genutzt
werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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