Urteil des SozG Düsseldorf vom 11.12.2008
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Sozialgericht Düsseldorf, S 8 KR 325/05
Datum:
11.12.2008
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 8 KR 325/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 16 KR 5/09
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2005 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2005 verurteilt, die
für die Magen-Bypass-Operation aufgewandten Kosten in Höhe von
10.051,00 Euro zu erstatten, zuzüglich Zinsen nach Maßgabe der
gesetzlichen Vorschriften. Der Beklagten werden die außergerichtlichen
Kosten der Klägerin auferlegt.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Übernahme bzw. Erstattung der Kosten für eine
durchgeführte Magen-Bypass-Operation.
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Die 1978 geborene Klägerin war seit dem 10. Lebensjahr übergewichtig und wog zuletzt
135,5 kg bei einer Körpergröße von 1,60 m. Sie litt an verschiedenen
Folgeerkrankungen.
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Im Februar 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten
für eine beabsichtigte Magen-Bypass-Operation unter Vorlage einer Verordnung des
Internisten C und einer Stellungnahme des X, Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des
Krankenhauses T1 in G. Nach Anhörung des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag telefonisch oder schriftlich
am 21.03.2005 ab.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie verschiedene
ärztliche Unterlagen vorlegte. Nach erneuter Anhörung des MDK wies der
Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 29.11.2005 zurück. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien nicht
erschöpft.
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Die Klägerin hatte die begehrte Operation zwischenzeitlich am 30.09.2005 durchführen
lassen.
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Gegen die ablehnenden Bescheide hat sie Klage erhoben, mit der sie weiterhin die
Übernahme bzw. Erstattung der für die durchgeführte Magen-Bypass-Operation
aufgewandten Kosten begehrt. Sie hat einen Kostenvoranschlag und Rechnungen
vorgelegt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.11.2005 zu verurteilen, die für die Magen-Bypass-
Operation aufgewandten Kosten in Höhe von 10.051,00 Euro zu erstatten, zuzüglich
Zinsen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für
rechtmäßig und macht auch nach Einholung eines Sachverständigengutachtens
geltend, dass die Klägerin die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht
ausgeschöpft habe. Darüber hinaus hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung
den Einwand erhoben, dass der sog. Beschaffungsweg nicht eingehalten sei, da die
Klägerin vor der Durchführung der Operationden nicht den Ausgang des
Widerspruchsverfahrens abgewartet habe.
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Das Gericht hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts Befundberichte der
behandelnden Ärzte, der Internisten S, P und C, des Orthopäden O1, der Chirurgen U
und T2, der Gynäkologin I-O2 sowie des X und darüber hinaus das Gutachten des T3,
Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie des
Universitätsklinikums E, vom 23.08.2007 eingeholt. Zur weiteren Sachdarstellung wird
auf diese Unterlagen sowie auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten
Schriftsätze und Unterlagen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen. Ihr Inhalt waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der aufgewandten Kosten zu, da die
Beklagte die geltend gemachte Magen-Bypass-Operation mit den angefochtenen
Bescheiden zu Unrecht abgelehnt hatte, § 13 Abs. 3 des Fünften Buches des
Sozialgesetzbuches (SGB V).
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Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Klägerin ein entsprechender Behandlungs-
anspruch zustand, § 27 SGB V. Das Gericht ist der Einschätzung des gehörten
Gerichtssachverständigen T3 gefolgt, der in seinem Gutachten vom 23.08.2007 unter
Auswertung aller aktenkun digen Unterlagen, der Erhebung der Anamnese und nach
einer durchgeführten Untersuchung schlüssig und nachvollziehbar zu der Einschätzung
gekommen ist, dass die Magen-Bypass-Operation medizinisch notwendig gewesen ist.
Dem Sachverständigen waren insbesondere die von der Klägerin in den Jahren zuvor
gemachten Anstrengungen bekannt, das Gewicht mit konservativen Methoden zu
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reduzieren. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin durch die
Folgeerkrankungen gehindert gewesen sei, ausreichend Sport zu treiben. Von einer
mangelnden Motivation hätte nicht ausgegangen werden können, da die Klägerin auch
nach der Operation die erforderliche Mitwirkung (z.B. Teilnahme an einer
Selbsthilfegruppe) gezeigt habe. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung des Umstandes,
dass die Klägerin bereits seit dem 10. Lebensjahr übergewichtig war, ist die Kammer
der Einschätzung des Sachverständigen, dass weitere konservative Unternehmungen
zur Gewichtsreduzierung ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wären, gefolgt.
Auch den sog. Beschaffungsweg hat die Klägerin eingehalten. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz
1, 2. Alternative SGB V ist es ausreichend, dass die Beklagte "eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt" hat und der Versicherten dadurch Kosten entstanden sind. Die Beklagte
hatte mit Bescheid vom 21.03.2005 die Leistung zu Unrecht abgelehnt. Es ergibt sich
weder aus dem Wortlaut der Gesetzesvorschrift noch aus der höchstrichterlichen
Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19.06.2006 - B 1 KR 23/00 R -), dass die
Versicherten darüber hinaus verpflichtet wären, den Ausgang eines angestrengten
Widerspruchsverfahrens abzuwarten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
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