Urteil des SozG Düsseldorf vom 08.11.2006
SozG Düsseldorf: wiedereinsetzung in den vorigen stand, klagefrist, gerichtsakte, zugang, urlaub, fax, versicherungsträger, verhinderung, rechtskraft, anfang
Sozialgericht Düsseldorf, S 26 R 208/06
Datum:
08.11.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Gerichtsbescheid
Aktenzeichen:
S 26 R 208/06
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 8 R 339/06
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die
Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen einen Feststellungsbescheid vom
12.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006. Streitig ist
schon, ob dem Kläger wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren ist.
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Der Kläger hatte bereits 1999 ein Klageverfahren gegen die Beklagte geführt mit dem
Ziel der Anerkennung weiterer diverser Versicherungszeiten und weitergehender
Feststellungen (Vorprozessakte S 00 RA 000/00 bzw. L 00 (0) RA 00/00). Im Rahmen
des Klageverfahrens und Berufungsverfahrens kam es zu diversen Anerkennungen der
Beklagten. Der Kläger erklärte daraufhin den Rechtsstreit für erledigt. Wegen der
Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der erwähnten Vorprozessakte.
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Mit Bescheid vom 12.12.2005 (Blatt 12 ff der jetzigen Gerichtsakte) erklärte die Beklagte,
die in dem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger
als 6 Kalenderjahre zurücklägen, also die Zeiten bis 31.12.1998, als für die Beteiligten
verbindlich festzustellen, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden seien.
Dagegen legte der Kläger per Fax am 12.01.2006 Widerspruch ein und begründete ihn
damit, der angefochtene Bescheid spiegele nicht sein Arbeitsleben und die bisher
erworbenen Entgeltpunkte und sein Versicherungskonto richtig wieder. Die Beklagte
erwiderte daraufhin, sie sei für das Versicherungskonto des Klägers nicht (mehr)
zuständig. Es ergebe sich vielmehr die Zuständigkeit der Deutschen
Rentenversicherung L-C-T nach §§ 127, 174 c des Sechsten Buches des
Sozialgesetzbuches. Nach Entscheidung der Widerspruchsstelle werde sie den
Vorgang an die zuständige Deutsche Rentenversicherung L-C-T zur weiteren
Beantwortung des Anliegens des Klägers übersenden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte sie aus, dem Begehren nach Versicherungszeiten, die unter
einer anderen Versicherungsnummer gespeichert seien, könne nicht entsprochen
werden. Denn die gesamten Versicherungszeiten seien unter einer anderen
Versicherungsnummer als der bisherigen bei der Deutschen Rentenversicherung L-C-T
geführt bzw. gespeichert, unter der bisherigen Versicherungsnummer könne eine
Ergänzung nicht mehr erfolgen. Die Beklagte werde den Vorgang später an den
zuständigen Versicherungsträger abgeben. Mit Fax vom 15.08.2006 hat der Kläger
gegen den erwähnten Widerspruchsbescheid Klage erhoben und auch einen Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zur Begründung führt er aus, er sei in
seiner Urlaubszeit vom 30.06. bis 20.07.2006 verreist gewesen und habe erst danach in
seiner Urlaubspost den Bescheid gefunden. Deshalb sei ihm Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren. In der Sache selbst sei er verunsichert durch die
Handlungsweise der Beklagten trotz schon geführter gerichtlicher Verfahren. Die
Beklage habe die Pflicht für einen korrekten und sicheren Versicherungsverlauf Sorge
zu tragen.
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Einen bestimmten Klageantrag hat der Kläger bisher nicht gestellt.
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Die Beklagte hat ausgeführt, sie sehe von einer Klageerwiderung ab. Das Gericht habe
über den Wiedereinsetzungs-Antrag zu befinden.
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Mit Schreiben vom 10.10.2006 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt zu
beabsichtigen, über den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid ohne mündliche
Verhandlung entscheiden zu wollen. Es sei voraussichtlich damit zu rechnen, dass die
Klage unter Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand als
verspätet erhoben und damit unzulässig abgewiesen werde. Wegen der Einzelheiten
wird Bezug genommen auf den Inhalt des gerichtlichen Schreibens vom 10.10.2006
(Blatt 16 f der Gerichtsakte). Das Gericht hat den Beteiligten Gelegenheit zur
Stellungnahme bis zum 06.11.2006 gegeben.
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Der Kläger hat ausgeführt, er sei permanent durch das Handeln der Deutschen
Rentenversicherung in seinem Recht verletzt und bitte die Sache durch eine gerichtliche
Entscheidung zu klären.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den
Inhalt der beigezogenen Vorprozessakte S 00 RA 000/00 bzw. L 00 (0) RA 00/00 Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem
die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.
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Die Klage ist unzulässig und deshalb abzuweisen.
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Die Klage ist schon deshalb unzulässig, weil die Klage nicht fristgerecht erhoben wurde.
Nach § 87 Abs. 1, 2 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des
Verwaltungsaktes zu erheben. Der Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 ist nach dem
von dem Kläger nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagten spätestens am 29.06.2006
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auf den Postweg gegeben worden. Er gilt daher nach § 37 Abs. 2 SGB X fiktiv als drei
Tage später am 02.07.2006 zugegangen (auch wenn dieser Tag ein Sonntag war, vgl.
BSGE 5, 53 und von Wulffen, SGB X, § 37 Rd. Nr. 12 m. w. N. aus der Rechtsprechung).
Ein erst späteres Absendedatum als den 29.06.2006 oder ein späteres Zugangsdatum
als den 02.07.2006 hat der Kläger trotz Gelegenheit zur Stellungnahme nicht mitgeteilt.
Die Klagefrist lief damit angesichts des fiktiven Zugangs am 02.07.2006 bis zum Ablauf
des 02.08.2006 (§ 87 SGG). Selbst wenn von einem Zugang erst am Montag dem 03.07.
oder Dienstag dem 04.07.2006 ausgegangen würde - was aber nicht bewiesen ist -, lief
die Klagefrist - je nach Zugang - längstens bis zum 04.08.2006. Die Klage wurde jedoch
erst am 15.08.2006 beim Sozialgericht Düsseldorf eingereicht.
Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Klagefrist in
den vorigen Stand war nach § 67 Abs. 1 SGG nicht zu entsprechen. Denn die
Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung
könnte nämlich nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger aufgrund des von ihm
vorgetragenen Urlaubs ohne Verschulden verhindert gewesen wäre, die gesetzliche
Verfahrensfrist, also die Klagefrist, einzuhalten. Nach seinem eigenen Vorbringen ist er
aber nach seinem nur bis zum 20.07.2006 laufenden Urlaub zurückgekehrt und hat
dann in seiner Urlaubspost den Widerspruchsbescheid gefunden. Es hätte also
durchaus noch im Zeitraum vom 21.07.2006 an bis spätestens 02., 03. oder 04.08.2006 -
je nach Zugang des Widerspruchsbescheides - ausreichend Zeit bestanden, gegen den
Widerspruchsbescheid der Beklagte durch einfaches formloses Schreiben oder Fax
fristgerecht Klage gegen den Widerspruchsbescheid zu erheben. Die Verhinderung des
Klägers durch Urlaub im Zeitraum vom 30.06. bis 20.07.2006 ist mithin nicht ursächlich
geworden für die Versäumung der Klagefrist, weil der Kläger nach Ablauf seines
Urlaubes immer noch hätte rechtzeitig die Klage erheben können; es wäre dem Kläger
unbenommen gewesen, sofort nach Urlaubsrückkehr Klage zu erheben, noch innerhalb
des Juli 2006 oder bis Anfang August 2006. Urlaub verlängert also nicht die Frist für die
Erhebung der Klage um die Dauer des Urlaubs, er gewährt nur dann ein
Wiedereinsetzungsrecht, wenn wegen der Dauer des Urlaubs die Klage nicht mehr
rechtzeitig auf den Weg gebracht werden konnte. Dies war jedoch aus den
vorgenannten Gründen nicht der Fall. Ist wie ausgeführt die Klagefrist versäumt und
kommt Wiedereinsetzung wie ausgeführt hier nicht in Betracht, kann demzufolge die
Klage unmittelbar durch Gerichtsbescheid abgewiesen werden (vgl. Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, § 67 SGG Rd. Nr. 17 a).
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Unabhängig von der als unzulässig abgewiesenen Klage bleibt es dem Kläger
unbenommen, beim zuständigen bzw. beim von ihm für zuständig gehaltenen
Versicherungsträger zu späterer Zeit einen Antrag auf Überprüfung der Richtigkeit und
Vollständigkeit seines Versicherungsverlaufes nach § 44 SGB X zu stellen, unter
Vortrag auch der Ergebnisse seines Vorprozesses gegen die Beklagten, weil diese
Vorschrift grundsätzlich auch die Überprüfung bestandskräftiger und nach § 77 SGG
bindender Bescheide ermöglicht. Dies hat jedoch keinen Einfluss darauf, dass die
jetzige Klage als unzulässig abzuweisen war, ungeachtet der materiellen Richtigkeit
oder Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Bescheide.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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