Urteil des SozG Düsseldorf vom 19.08.2005

SozG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, eintritt des versicherungsfalls, wiederkehrende leistung, lebensversicherung, beitragsbemessung, kapitalleistung, direktversicherung, rente, anfechtungsklage

Sozialgericht Düsseldorf, S 8 KR 190/05 ER
Datum:
19.08.2005
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 8 KR 190/05 ER
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 16 B 75/05 KR ER
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
gegen den Bescheid vom 15.11.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.04.2005 wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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I. Die Antragsgegnerin hat mit Beitragsbescheid vom 15.11.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.04.2005 die Beiträge des Antragstellers zur
freiwilligen Krankenversicherung unter Zugrundelegung einer von diesem erhaltenen
Kapitalleistung in Höhe von 102.120,90 Euro festgesetzt. Bei der Kapitalleistung handelt
es sich um im November 2004 vom Antragsteller erhaltene Alterskapitalzahlungen der
Gothaer Lebensversicherung einerseits (71.375,50 Euro) und der Provinzial
Lebensversicherung andererseits (30.745,40 Euro).
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Bei der Kapitalleistung in Höhe von 71.375,50 Euro handelt es sich um eine als
Direktversicherung geltende Henkel-Kapitalzusatzversorgung im Rahmen eines
Gruppenversicherungsvertrages bei der Gothaer Lebensversicherung. Der damalige
Arbeitgeber des 1939 geborenen Antragstellers, die Henkel KGaA hatte für den
Antragsteller 1979 zur Gewährleistung einer angemessenen Altersversorgung eine
Direktversicherung abgeschlossen. Die Prämien zu dieser Versicherung trugen
während der Dauer des damaligen Arbeitsverhältnisses von 1979 bis 1988 die
Arbeitgeberin zu 60 % und der Antragsteller zu 40 %. Von 1989 bis 2004 führte der
Antragsteller diese Versicherung nach dem Ausscheiden aus dem
Beschäftigungsverhältnis im eigenen Namen und auf eigene Rechnung in voller Höhe
fort.
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Von 1989 bis 1995 war der Antragsteller bei der G AG beschäftigt. Dieser Arbeitgeber
schloss in Vereinbarung mit dem Antragsteller 1990 für diesen eine Direktversicherung
ab. Die Prämien wurden vereinbarungsgemäß durch eine Barlohnumwandlung in Höhe
von 3.000,00 DM pro Jahr durch den Arbeitgeber eingezahlt. 1996 wurde die
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Versicherungsnehmereigenschaft auf den Antragsteller übertragen, der die jährlichen
Prämien nunmehr bis Oktober 2004 selbst aus versteuertem Einkommen an die
Provinzial Lebensversicherung leistete.
Der Antragsteller hat gegen die Bescheide der Antragsgegnerin Klage erhoben (S 8 KR
82/05) und begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung der Klage. Er macht geltend, dass die Beitragseinstufung
gegen Artikel 14 des Grundgesetzes (GG) verstoße, da von ihm die vor dem Inkrafttreten
der entsprechenden Gesetzesgrundlage zum 01.01.2004 abgeschlossenen
Versicherungen für andere Zwecke bestimmt war. Er genieße Bestandsschutz. Des
Weiteren sei die Heranziehung dieser Kapitalleistungen zur Beitragsfestsetzung nicht
gerechtfertigt, da sie überwiegend auf einer von ihm selber erbrachten Leistung
beruhten. So werde z. B. der bei der Provinzial-Lebensversicherung erreichte Zinsertrag
von der Beitragsleistung fast aufgebraucht. Er habe die Beiträge zu seinen
Direktversicherungen aus seinem versteuertem Einkommen gezahlt. Dies bedeute, dass
auch die Sozialabgaben, einschließlich der Krankenkassenbeiträge, monatlich
entrichtet worden seien und die Erhebung nochmaliger Krankenkassenbeiträge auf die
erwirtschaftete Versicherungssumme eine verfassungswidrige Doppelbelastung
darstelle.
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Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
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die Sache im einstweiligen Rechtsschutz zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung
der Klage (§ 86 b SGG) zu entscheiden.
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Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
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Im Klageverfahren hat sie ausgeführt, dass es sich bei den angefochtenen Bescheiden
um rechtmäßige Entscheidungen handele.
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II. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet.
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Widerspruch und Anfechtungsklage haben gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt jedoch
gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Beitragspflichten. Gemäß §
86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in
denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die
aufschiebende Wirkung durch Beschluss ganz oder teilweise anordnen, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder
wenn die Vollziehung für den Abgabe- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte; vgl. § 86a Abs. 2
Satz 2 SGG. Der Antragsteller macht lediglich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angegriffenen Beitragsbescheides geltend.
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Ernstliche Zweifel im Sinne von § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG bestehen nicht. Solche
Zweifel liegen nur dann vor, wenn der Erfolg des Rechts- mittels deutlich
wahrscheinlicher ist als ein möglicher Misserfolg (vgl. Beschluss des LSG NRW vom
16.06.2005 - L 16 B 3/05 KR ER -). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Gemäß § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 229 Abs. 1 des Fünften Buches des
Sozialgesetzbuches (SGB V) sind Versorgungsbezüge als dem Zahlbetrag der Rente
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vergleichbare Einnahmen der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Als der Rente
vergleichbare Einnahmen gelten Versorgungsbezüge aus einem Arbeitsverhältnis,
soweit sie zur Altersversorgung erzielt werden, § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Tritt an die
Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist
eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt
worden, gilt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge,
längstens jedoch für 120 Monate, § 229 Abs. 1 Satz 2 SGB V in der seit dem 01.01.2004
geltenden Fassung. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die
Direktversicherungen sowohl bei der Gothaer Lebensversicherung als auch bei der
Provinzial Lebensversicherung sind zur Altersversorgung des Klägers aufgrund der
damals bestehenden Arbeitsverhältnisse abgeschlossen worden. Der Berücksichtigung
bei der Beitragsbemessung steht nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) nicht entgegen, dass die damalige Prämienzahlung zum
weit überwiegenden Teil auf einer Eigenleistung des Antragstellers beruht (z. B. BSG,
Urteile vom 06.02.1992 - 12 RK 37/91 - ‚ vom 26.03.1996 - 12 RK 21/95 - ; jüngst: Urteil
des LSG NRW vom 12.02.2004 - L 5 KR 91/03 -; in: www.sozialgerichtsbarkeit.de,
Stichwort: Entscheidungen). Auch das Argument der verfassungswidrigen
Doppelbelastung durch eine erneute Beitragszahlung hat das Bundessozialgericht nicht
für durchgreifend gehalten (Urteil vom 06.09.2001 - B 12 KR 5/01 R -). Einen
Bestandsschutz hat das Bundessozialgericht nur insoweit anerkannt, als aufgrund einer
später in Kraft getretenen gesetzlichen Regelung eine bereits zuvor erfolgte
Kapitalauszahlung zur Beitragsbemessung nicht mehr herangezogen werden kann
(Urteil vom 27.01.2000 - B 12 KR 17/99 R - ). Eine diesbezügliche Übergangsregelung
enthält auch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 nicht.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung sowohl des Bundessozialgerichts als auch
des Landessozialgerichts erscheint der Erfolg der vom Antragsteller eingelegten Klage
nicht deutlich wahrscheinlicher als ein möglicher Misserfolg. Auf die Ausführungen
sowohl des Bundessozialgerichts als auch des Landessozialgerichts Nordrhein-
Westfalen (LSG NRW) wird Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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